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  „Die andere Seite” von Sythazen/Bianca Nunberger   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Entstehungsdatum: Dienstag, 28. Oktober 2003
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Eine Flucht mit dem Shuttle führt zu neuen Erkenntnissen.
Zeitpunkt:  zweite Staffel - einige Monate nach 1x22 ‚The Joining’
Charaktere:  Tonio Ramirez, Lili Marquette
 
Anmerkung der Autorin: Über Feedback jeglicher Art würde ich mich sehr freuen. Auch gegen Kritik habe ich nichts, solange sie konstruktiv ist. Lest bitte auch meine anderen Stories, wenn euch diese hier gefällt.
 

 

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Kapitel 20

 

Tonio Ramirez, Beschützer des Lateinamerikanischen Companions Ram, öffnete langsam die Augen, nachdem er wieder zu sich gekommen war. Laut seinem CVI hatte seine Bewusstlosigkeit nicht länger als zwei Minuten und dreiundvierzig Sekunden gedauert. Zu lange für seinen Geschmack, besonders, da er überhaupt nicht erst in eine solche Lage hätte hineingeraten dürfen, aber immer noch weniger als es bei jedem anderen Menschen üblich gewesen wäre. Sich in seiner zusammengesunkenen Körperhaltung nicht weiter bewegend, um so eventuell auf ihm ruhenden Blicken vorzugaukeln, er sei immer noch bewusstlos, ließ er seine nur zu einem schmalen Spalt geöffneten Augen aufmerksam das in sich aufnehmen und auswerten, was er mit diesem eingeschränktem Blickfeld an für ihn wichtigen Daten und Vermutungen zusammenzufassen in der Lage war.

Direkt vor sich konnte er den Pilotensitz erkennen, in welchem sich wohl immer noch - oder schon wieder - Captain Lili Marquette aufhielt und das Shuttle einem ihm unbekannten Ziel zusteuerte. Obwohl - derart unbekannt war es vielleicht doch nicht. Nicht mehr jedenfalls, nachdem er das Global der Shuttlepilotin etwas genauer in Augenschein genommen hatte. Dort waren allerlei äußerst interessante Informationen gespeichert und noch einige mehr, auf welche ihm der Zugriff noch nicht richtig geglückt war. Er hatte kurz davor gestanden, die integrierte Sicherheitssperre zu durchbrechen - Codes zu knacken war schon immer ein Hobby von ihm gewesen und durch sein von Ram erhaltenes Geschenk des Cyberviralen Implantates hatte er seine Fähigkeiten perfektionieren können - als diese ihn, plötzlich und für ihn vollkommen überraschend, angesprungen und niedergeschlagen hatte.

Natürlich hätte er sich dagegen währen können, jedoch erschien ihm das Herausfinden des von ihr angesteuerten Zielortes um ein Vielfaches wichtiger, als sich und seine körperliche Überlegenheit ihr gegenüber in eben diesem kritischem Moment darzustellen. Was nun zählte, war seine geistige Flexibilität, welche er zu nutzen entschlossen war, denn wenn sich seine Vermutungen, welche er seit seinem Blick auf das Global und die darin enthaltenen Dateien, derer er bereits ansichtig geworden war, hegte, bestätigten, dann war Captain Marquette jemand, die all das, was die Taelons ihr gaben und alle Möglichkeiten, die sie nur dank der Companions erhalten hatte, weniger als gering zu schätzen wusste, ja diese sogar mit Füßen trat ...
Die - er mochte es trotz dem, was er gesehen hatte, kaum glauben - mit dem Widerstand sympathisierte.

Wie sonst ließe es sich erklären, dass er Anti-Taelon-Propagandamaterialien - Texte und für diese zu kritisieren - auf ihrem Global hatte finden können? Wie kam es, dass ausgerechnet Marquette sich mit derartigen Lügen näher zu befassen schien? Dass dies aus reiner Neugierde oder anderen für einen taelonloyalen Menschen nachvollziehbaren Gründen geschah, konnte er sich nicht so recht vorstellen. Aus welchem Grund sonst sollte diese sich derart einer auf sie zukommenden Unterhaltung mit dem Nordamerikanischen Companion Da'an widersetzt haben? Eine persönliche Unterredung, die eine große Ehre für sie hätte sein müssen. Eine Ehre und eine Gelegenheit, die nur sehr wenigen Menschen zuteil wurde. Jedenfalls war dies so, wenn er von seinem eigenen Companion ausging, welcher sich derzeit bei Da'an befand, um mit diesem über die letzten schrecklichen Ereignisse zu sprechen, welche alle Taelons zugleich durch den Tod eines der Ihren getroffen hatten.

Seit diesen Ereignissen und dem erneuten Attentatsversuch auf Da'an, welcher, soweit er wusste, nur knapp von einer sich für den Beschützerposten bewerbenden Frau hatte verhindert werden können, befanden sich alle in Taelongebäuden stationierten Sicherheitsposten der Freiwilligen und insbesondere die Beschützer in erhöhter Alarmbereitschaft. Aus diesem Grunde waren die beiden Freiwilligen, welche Captain Marquette festgehalten hatte, auch derart unnachgiebig dieser gegenüber gewesen, da sie die Worte des Nordamerikanischen Companions, dass dieser mit der Shuttlepilotin nach seiner Rückkehr vom Mutterschiff hatte sprechen wollen und diese auf ihn zu warten hätte, wohl wortwörtlich genommen hatten und der Shuttlepilotin den Weg aus der Botschaft verwehrt hatten. Als diese dann hatte gehen wollen, sahen die Freiwilligen keinen anderen Weg, als sie mit etwas eindrücklicheren Mitteln zum Bleiben zu bringen.

Eigentlich war er, Tonio Ramirez, ja von seinem Companion Ram, solange dieser sich bei Da'an aufhielt, von diesem auch für den Schutz des nordamerikanischen Taelons eingeteilt worden. Zumindest, solange dieser noch keinen neuen eigenen Beschützer an seiner Seite hatte. Deshalb war auch er es, der Lili Marquette hatte abholen und zwecks der anberaumten Unterhaltung zu Da'an auf das Mutterschiff bringen sollen. Was genau dort besprochen werden würde, wusste er nicht, und da ihm nichts darüber mitgeteilt wurde oder er irgendwelche speziellen Vorbereitungen hatte treffen müssen, brauchte es ihn auch nicht zu interessieren. Das Einzige, was zählte, war gewesen, dass er den Captain hatte abholen und bei dem nordamerikanischen Companion abliefern sollen. Dass dieser dann auf einmal derart aggressiv ihm gegenüber reagiert hatte, hatte ihn mehr als nur ein wenig überrascht. Doch nachdem er die verräterischen Daten in Marquettes Global entdeckt hatte, brauchte es ihn im Nachhinein nun wirklich nicht zu erstaunen.

Da sein Sichtfeld derart eingeschränkt war und er sich kaum bewegen konnte und dies auch nicht durfte, um so einer frühzeitigen Entdeckung zu entgehen, nutzte Tonio sein Gehör, um sich einen besseren Überblick über seine persönliche derzeitige Lage verschaffen zu können. Neben den allzeit gegenwärtigen Geräuschen des Shuttleantriebs war es das leise Rauschen und Zischen des Interdimensionsraumes, durch welchen sie wohl gerade flogen, das ihm zuerst und am deutlichsten ins Bewusstsein drang. Angestrengt lauschend versuchte er aus den ihm umgebenden Klängen etwas für ihn Nützliches heraus zu hören, was ihm allerdings zu seinem großen Bedauern nicht gelingen wollte. Nachdem er ganze vierundfünfzig Sekunden darauf verwendet hatte, beschloss er, dass sich weitere Mühe nicht lohnen würde und richtete seine Konzentration nun direkt auf die das Shuttle lenkende Pilotin, von der er jedoch bis auf ein kleines Stück des mit einer schwarzen Lederjacke bekleideten Rückens nichts weiter zu erkennen vermochte. Der einzige Weg, der ihm blieb, um mehr zu erfahren, war, das Risiko einzugehen, sich doch zu bewegen und so vielleicht der Frau zu verraten, dass er aus seiner kurzen Bewusstlosigkeit, in welche diese ihn geschickt hatte, wohl weitaus früher als gedacht erwacht war.

Ganz langsam und vorsichtig begann der Companionbeschützer, seinen Kopf zu drehen und leicht anzuheben, um so mehr von seiner Umgebung wahrnehmen zu können. Eine Bewegung, die, wie er erfreut feststellte, unbemerkt blieb und ihm dennoch viel über seine derzeitige missliche Lage verriet. Am wichtigsten war ihm jedoch die genaue Haltung der Verräterin - was sonst sollte Lili Marquette sein, nachdem sie nicht nur vor einer Begegnung mit einem Taelon geflohen war, sondern es auch noch gewagt hatte, ihn anzugreifen und zu überwältigen? Wobei ihm letzteres Ereignis natürlich am meisten missfiel, da er dadurch mit enormer Verzögerung bei Da'an ankommen würde - schließlich mußte er sich erst einmal aus seinen Fesseln befreien, dann Marquette gefangen nehmen und ... Das geplante Gespräch würde nun nach ihrer letzten Aktion mit Sicherheit anders als zuvor geplant ausfallen, dessen war sich Tonio Ramirez ziemlich sicher. Vielleicht sollte auch er selbst Captain Marquette vorher noch einer Befragung unterziehen, um so dem nordamerikanischen Companion einen ausführlicheren Bericht vorlegen zu können.

Er versuchte jetzt, nicht nur seinen Kopf, sondern auch seinen Oberkörper zu drehen, was ihm sogar gelang, da ja nur seine Hände hinter seinem Rücken an den Stuhl gefesselt waren. Er schaffte es allerdings nicht, dies vollkommen geräuschlos zu tun.
Das leise Schaben, das er verursachte, wurde prompt bemerkt - eine Hand der Shuttlepilotin erstarrte mitten in der Bewegung, dann schwang sie mit ihrem Stuhl herum und war ihm zugewandt.

Noch ehe er auch nur blinzeln konnte, hatte sie die sich an ihrer linken Seite befestigte Waffe gegriffen und zielte damit auf ihn. Ihre dunklen Augen dabei voller Aufmerksamkeit und kaum unterdrücktem Misstrauen auf ihn gerichtet haltend, begann sie mit scharfer und angespannt wirkender Stimme zu sprechen: „Machen Sie keine Dummheiten. Ich werde nicht zögern, mich zu verteidigen, wenn es notwendig werden sollte.”

Da es nun ohnehin keinen Sinn mehr machte, sich zu verstellen, richtete Tonio Ramirez sich soweit seine Fesseln es erlaubten in dem Stuhl auf und erwiderte den funkelnden Blick der jungen Frau. „Wie konnten Sie nur die Taelons verraten - gerade Sie, Captain Marquette, der soviel Vertrauen von den Companions entgegengebracht wurde? Sie sind der erste Mensch, der eine der meist gehüteten Errungenschaften der Taelons nicht nur sehen, sondern auch zu beherrschen lernen durfte. Sie waren selbst unter den Wenigen, die Ihnen nachfolgen durften, auserwählt - Sie haben sogar die Companions selbst fliegen dürfen. Wie können Sie diese nur derart hintergehen?”

Die schwarzhaarige Frau nahm den Blick nicht von ihm. „Sie verstehen es wirklich nicht, oder?”

Ramirez hoffte jetzt, wenigstens einige Antworten von ihr zu erhalten, ehe sie ihn erschoss. Denn dass sie ihn töten würde, daran zweifelte er nun keinen Moment mehr. Von ihrer Seite aus hatte sie ja überhaupt gar keine andere Wahl mehr. Ihn anderweitig unschädlich zu machen und sich selbst dabei zu schützen, als eben ihn ein für alle mal auszuschalten, war die einzige Option, mit welcher sie - zumindest für kurze Zeit - eine Fluchtmöglichkeit offen haben würde. Doch wenn es ihm gelang, noch so viele Informationen wie möglich ihr zu erhalten, war es den Taelons bestimmt gegeben, selbige aus seinem cyberviralen Implantat heraus zu filtern und für ihre Zwecke weiter zu verwenden. So konnte er seinem Companion und auch allen anderen Taelons selbst mit seinem Tod noch einen letzten Dienst erweisen. Er lenkte seine Aufmerksamkeit wieder von seinen Überlegungen ab und richtete sie ganz auf die ihn bedrohende junge Frau, um den Entschluss unzusetzen, zu dem er in Gedanken gerade gekommen war. So schüttelte er also nur leicht auf ihre Frage hin, ob er es verstehen könnte, den Kopf, was auch tatsächlich den Tatsachen entsprach und nicht nur der Ausführung seines Planes diente. Er konnte tatsächlich nicht begreifen, wie sich jemand mit so viel Potential, jemand, der sogar in die engere Wahl für ein Implantat gekommen war - auch wenn dieser es aus ihm unerklärlichen Gründen damals abgelehnt hatte - sich derart gegen die Taelons stellen konnte.

Tief atmete der Captain einmal durch, ehe sie sich dazu entschloss, ihm auf sein Unwissen hin eine erläuternde Antwort zu geben. „Also gut ... Haben Sie sich niemals gefragt, warum die Taelons wirklich hierher gekommen sind? Und kommen Sie mir nicht mit den üblichen Floskeln, von wegen ‚Wir wollen der Menschheit nur helfen’.”

Fast schon trotzig erwiderte Ramirez den Blick der sich ihm gegenüber befindlichen früheren Shuttlepilotin der Taelons, welche zur Verräterin geworden war. „Es ist das Einzige, was es dazu zu sagen gibt - das Einzige, was auch für all diejenigen gilt, die die Geschenke der Taelons an die Menschheit zu würdigen wissen und sich nicht von den Worten einiger weniger - aus mir undenkbaren Gründen - unzufriedener Radikalisten beeinflussen lassen.”

„Das sagen Sie, weil es Ihnen ins Gehirn implantiert worden ist und nicht aus eigener Überzeugung”, gab Lili daraufhin mit einem fast schon traurigen Lächeln zur Antwort. „Hätten Sie jemals wirklich eine Wahl gehabt, dann ...”, wollte sie fortfahren, wurde aber durch die scharfe Stimme des ihr ins Wort fallenden Beschützers unterbrochen.

„Ich hatte eine Wahl!”, begehrte Ramirez mit scharfer Stimme auf, „und ich habe sie niemals bereut. Ohne die Taelons wäre ich schon seit langer Zeit gestorben. Sie retteten mir mit ihrer Technologie das Leben, wo menschliche Ärzte kapitulierten. Es war meine Pflicht und mein Wille, das Leben, das sie erhielten, in die Dienste derer zu stellen, die es bewahrten, um so auch anderen Menschen die Großartigkeit und die Macht der Companions zu offenbaren und sie vor all jenen zu beschützen, die in ihrem blindem Eifer und in ihrem Fanatismus alles zerstören wollen, was im Laufe der letzten Jahre mit Hilfe der Taelons aufgebaut wurde.”

„Trotzdem ...” gab Lili nicht nach, „sind Sie, seit Sie dieses CVI in Ihrem Hirn haben, nicht mehr derselbe Mensch wie zuvor. Sie wurden manipuliert und Ihr eigentlicher Wille zur Selbstbestimmung, ja gar zur Selbsterhaltung wurde komplett unterdrückt.”

„Das ist doch ...”, begann Ramirez zu sprechen, stockte dann jedoch, um sich seine weiteren Worte genauer zu überlegen, oder zumindest, um so den Anschein zu erwecken, er würde das, was er nun sagte, mit Bedacht und nicht übereilt aussprechen. „Natürlich habe ich mich verändert, und zwar zum Besseren. Ich war vorher - das, was Sie wohl einen Feigling nennen würden. Ich war nicht in der Lage, für mich oder gar für andere auch nur annähernd so etwas wie Verantwortung zu übernehmen, da ich viel zu sehr mit mir und meinem eigenen kleinen Überlebenskrieg beschäftigt war, um das eigentliche Leiden um mich herum, im meiner unmittelbaren Umgebung, zu sehen. Ich bin ... Ich habe mit Diebstählen an Touristen und dem Verkauf von Hehlerware mein tägliches Brot verdient und dabei die, die mich schätzten, die mich liebten, vollkommen außer Acht gelassen. Ich begann sogar damit, mit Drogen zu handeln, als ich den ‚Fehler’ beging, einen Freiwilligen um dessen Waffe erleichtert zu wollen.”

Gespannt beugte Lili sich vor und lauschte den Worten des Companionbeschützers, welche so ganz anders waren als das, was sie von diesem erwartet hatte. Kein Wort mehr über ihre verschenkte Loyalität, kein Wort mehr über die Allmacht der Taelons, welche sie zur Rechenschaft für ihren Verrat ziehen würden, sondern etwas, womit sie nun überhaupt nicht gerechnet hätte - die Lebensgeschichte, oder zumindest einen wichtigen Teil derselben, des vor ihr sitzenden und gefesselten Mannes, welche dieser ihr bereitwillig zu erzählen schien. Nur fragte sie sich, warum er das tat. Wollte er sie von etwas ablenken? Kurz warf die Shuttlepilotin einen Blick hinter sich auf die Kontrollanzeigen des Shuttles und musste sich beherrschen, nicht erleichtert aufzuatmen, als sie nichts entdeckte, das sie zu bedrohen schien.

Als Tonio merkte, dass der Captain ihm nicht weiter zuhörte, sondern statt dessen den Kontrollanzeigen hinter sich mehr Beachtung schenkte als seinen Worten, stockte er in seiner Erzählung, um auf Marquettes weitere Reaktionen zu warten. Je länger er sie mit seinen eigenen Problemen und seiner Lebensgeschichte beschäftigt hielt, desto eher hatten die Taelons die Gelegenheit, ihrer und des Shuttles wieder habhaft zu werden und sie in Gewahrsam zu nehmen, um anschließend so mit ihr zu verfahren, wie es einem derartigen Verrat angemessen war. Tonio überlegte, einfach zu schweigen, bis sie von sich aus wieder auf seine Geschichte zurückkommen würde, doch dann entschied er sich dagegen, aus Sorge, dass Captain Marquette sich dann wieder ihren eigentlichen Zielen zuwenden würde, wie zum Beispiel der weiteren Gestaltung der Flucht und dem nicht unerheblichem Problem, das sie mit ihm selbst zu haben schien. Oder war der einzige Grund, warum er noch lebte, der, dass sie ihrerseits hoffte, von ihm an Informationen für den Widerstand zu gelangen? Ein Unterfangen, das, wie der Captain nur zu gut wissen musste, nicht im Mindesten von Erfolg gekrönt sein konnte. Weshalb also tat sie, was sie tat und riskierte mit jeder weiteren verstreichenden Sekunde, in der sie sich mit ihm unterhielt, ihre erneute Festsetzung? Das war zumindest einmal eine Frage, auf die ihm in diesem Moment keine plausible Antwort einfallen wollte. „Soll ich nun fortfahren, oder haben Sie sich doch entschieden, meinen Worten keine weitere Aufmerksamkeit mehr zu schenken?”

„Was? Oh, natürlich möchte ich wissen, was weiter geschehen ist und wieso Sie trotz ihrer Vorgeschichte zu einem Beschützer erhoben werden konnten”, erwiderte Lili Marquette mit scheinbar vor Interesse leuchtenden Augen, dabei jedoch auch nicht die sich schräg hinter ihr befindlichen Anzeigen außer Acht lassend, „da ich bisher immer glaubte, dass nur besonders im Kampf erfahrene Männer und Frauen dazu ausgewählt werden würden, den Taelons auf diese besondere Art und Weise zu dienen.”

Zustimmend nickte Tonio Ramirez bei den Worten Marquettes. „Nicht immer, aber es werden in der Tat solche bevorzugt, die eine gewisse Grunderfahrung in kämpferischem Wissen besitzen, da diese, wenn es notwendig ist, aus ihren Instinkten heraus schneller handeln und nicht erst überlegen müssen, welche Gewalthandlungen nun notwendig sind und welche nicht. Jemand, der schon zuvor gekämpft hat, weiß sich selbst besser einzuschätzen und somit auch das, was er zu bewirken in der Lage ist.”

Verstehend nickte Lili und wandte ihren Blick abermals den Kontrollen zu, welche ihr anzeigten, dass sie immer noch allein unterwegs waren. Weder die Sensoren des Shuttles noch das integrierte Sonar zeigten Verfolger an. Doch ganz gleich wie sehr diese Anzeigen ihr vorgaukelten, dass sie sich in Sicherheit befand, wusste sie doch, dass das auch eine Täuschung sein konnte. Auch wenn irdisches Sonar nur in ihrem eigenem Shuttle von ihr selbst installiert worden war, da die Taelons nichts von den irdischen Technologien hielten, hieß dies noch lange nicht, dass sie rechtzeitig bei Entdeckung würde entkommen können. So schwang sie ihren Stuhl schließlich wieder zu den Kontrollanzeigen und Steuerelementen des Shuttles herum und begann ihre Flucht nun wieder aktiver voranzutreiben. Ein kurzer Blick auf die speziellen Sicherungen zeigte ihr an, dass die Schutzmechanismen und Tarnvorrichtungen in Funktion waren. So war die Chance, entdeckt zu werden, noch weitaus geringer, selbst wenn man sie direkt vom Mutterschiff aus suchen würde. Eigentlich sollten die Menschen keine Kenntnis, geschweige denn Kontrolle über derartige Techniken haben, doch hatte ihr Da'an einmal gezeigt, wie man diese aktivieren konnte. Weshalb er dies getan hatte, wusste sie nicht, doch nutzte sie dessen Vertrauen in sie nun, um den anderen Taelons und deren Handlangern - von denen sich einer gefesselt direkt hinter ihr befand - entkommen zu können.

‚Vertrauen ...!’, Ein plötzlicher Gedanke schoss ihr in den Kopf, und es kostete Lili alle Mühe, sich ihre Erregung nicht anmerken zu lassen. Selbst wenn sie sich mit dem Rücken zu dem Beschützer befand, wollte sie nicht riskieren, dass er über irgend eine körperliche Reaktion ihrerseits etwas von ihren langsam Gestalt annehmenden Überlegungen auch nur erahnte. Erst als sie sich ganz sicher war, dass man ihrem Gesicht nichts mehr von ihrer Aufregung ansah, wandte sie sich nur so lange zu dem sicher hinter ihr gefesselten Mann um, um ihre Frage zu stellen: „Was wussten Sie von Commander Boones Auftrag bezüglich der Widerstandsbewegung?”, bevor sie ihren Blick wieder auf die Kontrollanzeigen richtete und sich wieder auf den Flug des Shuttles und ihre weitere Flucht konzentrierte.

 

Ende von Kapitel 20

 

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