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  „Die andere Seite” von Sythazen/Bianca Nunberger   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Entstehungsdatum: Samstag, 8. März 2003
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Lili steht vor einer schweren Entscheidung. Soll sie lieber abwarten oder angreifen?
Zeitpunkt:  zweite Staffel - einige Monate nach 1x22 The Joining
Charaktere:  Lili Marquette, Jonathan Doors, Tonio Ramirez
 
Anmerkung der Autorin:  Über Feedback jeglicher Art würde ich mich sehr freuen. Auch gegen Kritik habe ich nichts, solange sie konstruktiv ist. Lest bitte auch meine anderen Stories, wenn euch diese hier gefällt.
 

 

DIE ANDERE SEITE

Kapitel 17

 

Die letzten vier Stunden strichen ebenso ereignislos vorüber wie die vorherigen vier, und langsam war es Lili Marquette alles andere als wohl zumute. Sie hatte sich schon zuvor große Sorgen gemacht über das, was in dem Shuttle zwischen ihr und Da'an wohl auf's Gründlichste daneben gegangen war, doch fand sie einfach keine Stelle, an welcher sie früher als geschehen hätte merken können, wie er ihre Worte doch tatsächlich aufgenommen hatte.

Einmal mehr warf sie einen Blick auf die beiden sie bewachenden Freiwilligen. Leise aufseufzend musste sie sich eingestehen, dass sie noch niemals zuvor derart in der Klemme gesteckt hatte. Wer wusste denn schon, was der Synodenführer mit ihr vorhatte? Etwas Gutes konnte es ja nun wirklich nicht sein - jedenfalls nicht in dem Sinne gut, wie sie dieses Wort verstand und interpretierte. Wenn sie doch nur an ihr Global käme - dann wäre einiges leichter für sie und sie könnte wenigstens jemandem Bescheid geben, wo sie abgeblieben war, und vielleicht konnte man ihr dann auch auf irgendeine Art und Weise zu Hilfe kommen. Aber so, wo niemand wusste, wo sie sich befand und oder was überhaupt vorgefallen war, würden die anderen es nicht riskieren, für sie irgendein Risiko einzugehen. Nicht in der derzeitig brenzligen Lage, in welcher sich alle befanden.

Ihre Gedanken kreisten ein ums andere Mal um das Geschehen im Shuttle, und immer verrückter und irrationaler wurden die sich daraus für sie ergebenden Konsequenzen, welche sie sich auszumalen begann. Am Ende saß sie, wie das Häuflein Elend, als das sie sich mittlerweile fühlte, zusammengekauert und mit dem Kopf auf den angezogenen Knien still vor sich hin grübelnd in einer Ecke,

Jedenfalls bis zu dem Moment, als sich plötzlich nähernde Schritte aus dem Gang zu ihrer linken der Zelle, in welcher man sie aus einem weiterem Missverständnis mit den sie begleitenden Freiwilligen heraus untergebracht hatte, erklangen und die zwei Wachhabenden dazu veranlassten, Haltung anzunehmen. Mit Schrecken schossen der Shuttlepilotin die verschiedensten Namen durch den Kopf, welche ein derartiges Verhalten ihrer Wachhunde verursachen konnten, und keiner davon bedeutete eine Verbesserung ihrer derzeitigen Situation.
Zitternd kauerte sie sich noch enger in die Ecke ihrer Zelle.

Doch dann erfasste sie plötzlich wieder eine Welle des schon fast vergessen geglaubten Zorns, der sie die ersten acht Stunden in ihrem unfreiwilligen Gefängnis beherrscht hatte, und stolz richtete sich Lili aus ihrer zusammengekauerten Haltung wieder auf. Wenigstens wollte sie dem, was immer dort auf sie zukam, voller Stolz entgegen treten und sich nicht wie ein verängstigtes Kleinkind benehmen. ‚Zum Teufel mit den Taelons!’, fauchte sie in Gedanken wütend, es laut auszusprechen wagte sie allerdings nicht, nicht hier an diesem Ort und ohne zu wissen, wer sie gerade zu besuchen wünschte. ‚Ich werde mich nicht von denen unterkriegen lassen, ganz egal, was die mit mir vorhaben.’ Sich selbst dieses Versprechen gebend, trat Lili Marquette erhobenen Hauptes an die durch ein Energiefeld gesicherte Zellentür heran, die ihr einen offenen Blick auf den Gang gewährte.

Mit was immer sie auch gerechnet hatte, mit dem, das sie nun zu sehen bekam, ganz bestimmt nicht. Lili schluckte, ihre zitternden Hände schlossen sich zu Fäusten und verkrampften sich derart, dass sich ihre Fingernägel schmerzhaft in die Handflächen bohrten.
Da kam doch tatsächlich Tonio Ramirez persönlich, um sie zu sehen. Nur, dass er sie lediglich zu sehen wünschte, bezweifelte die Shuttlepilotin stark. Warum hatte Da'an ausgerechnet einen der Beschützer geschickt, um ... ja, um was eigentlich? Hatten die etwa doch herausgefunden, dass sie für Doors tätig war? Wenn dies tatsächlich der Fall war, dann wollte Lili lieber nicht wissen, was als nächstes auf sie zukommen würde. Das Schlimme daran war jedoch, dass sie es nur zu gut wusste. Schon oft hatte sie Gefangene zum Mutterschiff hinauf fliegen müssen, und das, was sie dann Tage oder Wochen später wieder zurückbrachte, hatte meist kaum mehr eine Ähnlichkeit mit den zuvor von ihr transportierten Menschen. Allerdings mußte sie die wenigsten ihrer derartigen Passagiere wieder zur Erde in eines der Forschungslabore bringen. Die meisten blieben einfach spurlos verschwunden. Jonathan Doors hatte sie einmal damit beauftragt, herauszufinden, was denn nun mit diesen verloren gegangenen Menschen genau geschah, doch hatte sich Lili strikt geweigert, sich in dieser Angelegenheit um weitergehende Informationen zu bemühen. Die Albträume, die sie wegen ihrer eigenen Beteiligung an all dem plagten, reichten ihr für den Rest ihres Lebens bei weitem aus.

Tonio Ramirez, Beschützer des lateinamerikanischen Companions Ram, blieb nun vor den beiden in Habachtstellung verharrenden Freiwilligen stehen, musterte diese mit seinen kalten, für Implantanten so typischen emotionslosen Augen und sagte dann mit eisiger Stimme: „Ihr könnt euch entfernen. Ich werde mich ab sofort um die Gefangene dort kümmern”, und ohne die salutierenden und dann wegtretenden Männern auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, deaktivierte er das sie voneinander - und von der Freiheit - trennende Energiefeld ihrer Zelle.

Gehorsam und mit stolz erhobenem Kopf folgte sie dem unausgesprochenen Wunsch des Companionbeschützers, die Zelle zu verlassen, welchen er ihr mit einer harten, scharf umrissenen Geste seiner rechten, mit einem Skrill versehenen Hand kundtat. Ihre Gedanken rasten, als sie überlegte, wie sie sich verhalten, was sie ihm würde sagen können. Doch konnte sie sich einfach nicht für eine der in ihren Gedanken herumspukenden Methoden entscheiden. Ihn anzugreifen und dann zu versuchen, aus der Botschaft zu flüchten, würde ebenso wenig bringen wie der Versuch, so zu tun als ob sie aus freien Stücken über Stunden hinweg in der kleinen Zelle gesessen hatte. Ersteres ging nicht, da sie sich so alle Chancen auf eine Rückkehr verbauen würde, und das Zweite ...
Sie zweifelte außerdem daran, dass sie fähig war, ganz allein und ohne Unterstützung gegen diesen äußerst wachsamen implantierten Companionbeschützer angehen und ihn besiegen zu können - er war nämlich um einiges größer und kompakter als sie selbst.
So blieb ihr nichts weiter übrig, als mit ihm zu gehen und dann der auf sie zukommenden Situation gemäß zu reagieren. Hatte man sie als zu Jonathan Doors gehörig entlarvt, konnte sie immer noch versuchen, zu entkommen. Sicher, das wäre dann schwerer als jetzt, aber wenn man sie nicht entdeckt hatte und sie wurde nur zu einer einfachen Befragung geholt - wobei sie sich eines heftigen Erschauderns nicht erwehren konnte, denn wer wusste schon, was der sie gerade vor sich herlaufen lassende Tonio Ramirez als ‚einfach’ ansah - konnte sie sich vielleicht doch noch herausreden und ihren bisherigen Dienst wie gehabt weiterführen.

So ging sie schweigsam den ihr von ihm gewiesenen Weg voraus in Richtung des Botschaftsinneren. Ihre Gedanken, drehten sich jetzt nur noch um eine Frage: Was würde sie erwarten, wenn sie die große Empfangshalle betraten?
Nun ja, wenigstens wusste sie, warum der Synodenführer sie von einem fremden, ihr bisher nur vom Aussehen und vom Namen her bekannten Beschützer hatte abholen lassen. Seit William Boone gestorben war - in Lilis Hals bildete sich ein Kloß, der kaum weichen wollte, da sie es immer noch nicht recht glauben konnte, dass Will für immer fort sein sollte - ermordet durch den letzten der Kimera Ha'gel.
Dann hatten sie die große Empfangshalle Da'ans erreicht und - gingen an der rechten von blauvioletten Gewächsen berankten Taelonwand entlang, durch diese hindurch und bogen in einen kleineren, nur von den Shuttlepiloten genutzten Gang ein.

Fast wäre Lili stehen geblieben, derart überrascht war sie, hastete dann aber doch sogleich wieder weiter, als Tonio Ramirez sie mit einem scharfem Verweis dazu aufforderte, nicht zu trödeln und seine wertvolle Zeit noch mehr zu verschwenden, als sie dies bereits durch ihre bloße Anwesenheit tat.
Die Pilotin tat wie geheißen und folgte, nun etwas zügigeren Schrittes, dem sich leicht zeitweise nach links, dann wieder nach rechts windenden Botschaftsgang, der stetig anstieg und sie schließlich in einen der am weitesten oben gelegenen Bereiche des Taelongebäudes brachte, in welchem sich unter anderem der Shuttlehangar befand.

 
* * *
 

Unter anderem - da dort auch einige der, wie Da'an sie meist nannte, ‚Gärten’ angelegt worden waren, in welchen der Synodenführer sich früher häufig zusammen mit Commander William Boone aufgehalten und mit ihm über die Menschen und die Welt an sich philosophiert hatte. Lili hatte sich schon, kaum dass sie den oberen Bereich erreicht hatte, jenen großen, von Licht durchfluteten hallenartigen Räumen zugewandt, als eine leichte Berührung an ihrer Schulter sie stehen bleiben ließ.
Verwirrt blickte sie zwischen dem von Ranken umwachsenen Eingang zu den Gärten und dem Beschützer des lateinamerikanischen Companions hin und her, nicht verstehend, was dieser nun schon wieder von ihr verlangte. Selbst für einen Implantierten war dieser extrem schweigsam ...

Schon hatte Lili den Mund zu einem fragenden: „Was?”, geöffnet, als ein kurzes warnendes Aufblitzen in den dunklen schwarzen Augen und ein warnendes Zischen des leicht aufglühenden Skrillls sie eines Besseren belehrten und sie sich abermals damit begnügte, den Mann mit ihren Blicken zu durchbohren. Sie verstand einfach nicht, was dieser von ihr wollte und was das Ganze überhaupt für einen Sinn und Zweck haben sollte, außer die ohnehin schon sehr dünne Schicht ihrer Beherrschung zu durchbrechen und sie zu etwas .... Ja, genau das musste es sein. Der Companionbeschützer wollte sicherlich nur, dass sie ausflippte und irgend etwas Dummes tat. Sicherlich warteten bereits hinter jeder Gangecke mehrere Freiwillige, die sie danach sofort wieder einfangen würden - und was dann folgen würde ... Sich die auf ihren Oberarmen bildende Gänsehaut erfolglos fort zu reiben versuchend, blieb Lili Marquette also einfach weiterhin still und schweigsam im Gang zwischen dem Shuttlehangar und den Gärten stehen, darauf harrend, dass Tonio Ramirez ihr schon irgendwann einmal mitteilen würde, was er von ihr erwartete.

Nach etwa fünf Minuten schweigenden Abwartens berührte er sie leicht an ihrer rechten Schulter und bedeutete ihr, weiterhin kein Wort über seine fest verschlossenen Lippen bringend, den Eingang zum Shuttlehangar zu wählen. Zögernd tat sie dies, ihre Muskeln verspannten und verkrampften sich bei der Anstrengung, nun, da sie diesen betraten, nicht einfach los zu rennen, in eines der bereitstehenden Shuttles zu springen und damit zu flüchten. Sie war sich sicher, dass Jonathan Doors ganz sicher erfreut über eine solche Beute gewesen wäre, verwarf diesen Gedanken dann allerdings schnell wieder, da sie ebenso wusste, dass Doors viel lieber einen Spion so dicht bei den Taelons hatte wie nur möglich, besonders seit ... seit Boones Fortgehen. Da waren Informationen weitaus wichtiger und konnten sich als ganz erheblich wertvoller erweisen als ein intaktes Taelon-Shuttle.
Ganz besonders anstrengend wurde es für sie, als sie merkte, auf welches der drei bereitstehenden Shuttles sie zuliefen. Es war nämlich kein anderes als ihr eigenes, mit welchem sie erst heute morgen - oder war es gestern gewesen? Sie war sich nicht sicher, da das Erste, das man in diesen Taelonzellen verlor, das Zeitempfinden war - Da'an vom Mutterschiff hierher geflogen hatte, wobei sich das ganze unglückselige Missverständnis zwischen ihr und dem Taelon ereignete.

Nur kurz zögerte sie, als sie ihr ureigenes Shuttle mit dem Companionbeschützer und dessen Skrill, wie sie sich gewaltsam wieder in Gedanken zurückrief, betrat und sich dort, nach einem weiteren sich ihrer Kooperation versichernden Blickes Tonios, auf den Pilotensitz setzte, sich festschnallte und darauf wartete, dass der hinter ihr Platz Nehmende das Selbe tat. Lange brauchte Lili Marquette wahrlich nicht zu warten, da hatte auch der lateinamerikanische Companionbeschützer sich auf seinen Stuhl gesetzt, angeschnallt und ihr bedeutet, dass sie das Shuttle nun endlich starten solle. Weiterhin wie dieser schweigend und einen ihr alles andere als leicht fallenden Gehorsam vorspielend, tat sie wie gewünscht und mit einem leisen Zischen schlossen sich die käferflügelartigen Türen um dieses technologische Wunderwerk, schlossen sie vollständig ein und sorgten so dafür, dass sie weder vom Beschleunigungsdruck noch von der Sauerstofflosigkeit des Weltraums in Gefahr gebracht werden konnten.

Ein weiterer kurzer Befehl und sie starteten, erhoben sich zuerst zu einem sanften Schweben und glitten dann elegant und ohne irgendwo anzuecken aus dem Shuttlehangar hinaus, vor sich den schönsten Ausblick genießen könnend, welchen sie seit, wie es ihr schien, Ewigkeiten nicht mehr gehabt hatte - den Blick auf die Hauptstadt, das Weiße Haus und die riesigen Grünflächen rings umher und unter sich das geschäftige Treiben auf den Straßen Washington DCs. Eine weitere Handbewegung über die unsichtbaren, auf ihre Körperfrequenz hin abgestimmten Kontrollen des Shuttles genügte und sie stiegen empor gen Himmel - einen Himmel der so wunderbar blau und strahlend war, so vollkommen klar und bar jedweder Wolke, wie ihn Lili ebenfalls schon lange nicht mehr zu sehen geglaubt hatte. Immer schwerer fiel es ihr, Ruhe zu bewahren und nicht einfach ... ja, nicht einfach davon zu fliegen. Nur mit Mühe konnte sie sich des direkt hinter ihrem Rücken jede ihrer Bewegungen sicherlich auf das Genaueste beobachtenden Companionbeschützer entsinnen. Um sich dessen Anwesenheit erneut und bekräftigend ins Gedächtnis zurück zu rufen, wandte sie den Kopf und blickte ihn direkt an. „Welche Zielkoordinaten soll ich eingeben, Sir?”, erkundigte sie sich so gelassen wie möglich, dabei so tuend, als wäre dies ein ganz normaler Flug, so wie jeder andere, und als wäre es eine große Ehre für sie, einen der Beschützer an dessen wie auch immer gearteten Zielort fliegen zu dürfen, wobei ihr nur flüchtig auffiel, dass dieser sich wohl gerade intensiv mit etwas beschäftigte, das ....

„Sir?”, brachte Lili Marquette mit nun nur noch krächzender Stimme hervor, sich, noch ehe es ihr richtig bewusst war, bereits vom Pilotensitz losschnallend und halb aufspringend, da das, was der Implantant dort in den Händen hielt und offenbar voller Interesse untersuchte, nichts anderes als ihr eigenes Global war - das, in welchem sie die zuletzt vom Mutterschiff entwendeten Sicherheitscodes aufbewahrte ... Das, in welchem sie einige Informationen über Standorte der Widerstandszellen besaß und das mit welchem sie Kontakt zu Jonathan Doors aufnahm oder dieser zu ihr. Lili wusste, dass es jetzt kein Zurück mehr für sie gab. Sie musste handeln - und zwar sofort. Sie durfte auf gar keinen Fall noch länger zögern. Mindestens ein Vorteil war auf ihrer Seite. Sie war beweglicher und schneller als der Beschützer, welcher immer noch in seinem Sitz angeschnallt war und ... ja, und sie hatte die Kraft der Verzweiflung auf ihrer Seite. Lili Marquette aktivierte mit einer Handbewegung den Autopiloten und stürzte sich dann in eben dem Moment auf Tonio Ramirez, als dieser auf ihr zuvor ausgesprochenes ‚Sir’ aufblickte und ...

... im nächsten Moment gegen sie prallte. Sie konnte nicht sagen wer von ihnen beiden wohl überraschter ausgesehen hatte, sie oder der Companionbeschützer, als dieser, von der Wucht ihres Fausthiebes wohl an einer empfindlichen Stelle getroffen, mit einem leisen Aufstöhnen in seinem Sitz zusammensank und sich daraufhin nicht mehr rührte. Das Global, das er in seiner Hand gehalten hatte, nein, ihr Global das dieser so interessiert untersucht hatte, war dabei zu Boden gefallen. Einen Schaden hatte es allerdings nicht davon getragen - dazu waren diese Dinger viel zu widerstandsfähig gebaut, als dass bloßes aus der Hand gleiten diesen kleinen Wunderwerken der Technik groß hätte gefährlich werden können.

Mit einem Ruck wandte Lili Marquette ihren Kopf und ihre Gedanken wieder dem zu, was im Moment weitaus wichtiger war, nämlich Tonio Ramirez. Hastig überflogen ihre Augen dessen Körper, die glatten, dunklen rabenschwarzen Haare, welche mit einem lilafarbenen Lederbändchen zu einem kleinen Pferdeschwanz hinten in seinem Genick zusammengebunden waren und das von der Sonne dunkel gebräunte Gesicht mit den zwei sich über seinen rechten Wangenknochen hinweg ziehenden Narben, welche beinahe aussahen als hätte eine große Katze einmal ihre Krallen an ihm ausprobiert. Die nun in seiner Bewusstlosigkeit fest geschlossenen dunkelbraunen Augen, die alles und jeden zu sehen schienen, dabei nur den möglichen Sinn und Nutzen für die Taelons abwägend, verursachten ihr selbst jetzt noch - nur in ihrer bloßen Erinnerung - eine leichte Gänsehaut.

Rasch begann sie, ihn nicht nur mehr mit dem Blick, sondern auch mit den Händen nach möglichen Waffen oder sonstigen mitgeführten Gegenständen zu durchsuchen. Dabei bewegten sich ihre Finger geschickt über seinen erschlafften Körper, voller Aufmerksamkeit und Erfahrung keine noch so kleine Möglichkeit auslassend, wo dieser etwas versteckt haben konnte, fand jedoch bis auf ein Allzwecktaschenmesser, ein weiteres violettes ledernes Haarband, einen Ausweis, welcher ihn als Companionbeschützer legitimierte und seinem eigenem Global nichts weiter, das sich hätte gegen sie verwenden lassen. Den Skrill vermochte sie dabei freilich nicht so wie die anderen Gegenstände zu entfernen und in einer sicheren Ecke - einer kleinen in einer Wandnische verborgenen Kiste, die sie für allerlei Kleinigkeiten im Shuttle mitführte - zu verstecken.

Jetzt musste ihr nur noch etwas einfallen, wie sie ihn weiterhin außer Gefecht gesetzt halten konnte, selbst wenn dieser - und das würde er früher oder später ganz sicher und so, wie Lili die Funktion dieser kleinen verfluchten Implantate bisher einzuschätzen gelernt hatte, nach ihrem Geschmack viel zu früh - aus seinem zwangsweisen Nickerchen zu erwachen beginnen würde. Dann, einer plötzlichen Eingebung folgend, eilte sie zurück zu der kleinen Kiste, in welcher sie seine mitgeführten Gegenstände verstaut hatte, öffnete diese, zog das lilafarbene Lederband heraus, packte es mit beiden Händen, riss einige Male kräftig daran, um zu testen, wie widerstandsfähig es war - nickte zufrieden, schloss die Kiste wieder, bewegte sich zu dem immer noch bewußtlosen Mann zurück, zog dessen Hände hinter den Sitz und band sie dort dann alles andere als sanft mit dessen eigenem Haarband zusammen. Angst, dass dieses nicht halten würde, brauchte sie nicht zu haben, da sie bei ihrem Reißversuch festgestellt hatte, dass es nur äußerlich aus Leder zu bestehen schien und in Wirklichkeit aus einem festem Taelonmaterial gefertigt war, welches zu Transportzwecken genutzt wurde, insbesondere für große und sehr schwere Gegenstände oder Gerätschaften.

Zufrieden musterte Lili schließlich ihr Werk. Sie war sich dabei sehr sicher, dass dies nicht das erste Mal war, dass dieses ‚Haarband’ zu ähnlichen Zwecken gebraucht worden war. Nur dieses eine Mal war es der Besitzer selbst, welcher damit gebunden wurde und nicht irgend ein armer Mensch, der gerade das Pech gehabt hatte, diesem loyalen Companionbeschützer in die Quere geraten zu sein.

Nachdem dies schließlich erledigt war, wandte sich die junge Shuttlepilotin wieder dem zu, was sie am besten konnte, setzte sich auf den ihren Sitz, übernahm die Steuerung wieder selbst und gab, nachdem sie die nötigen Schutzvorrichtungen innerhalb des Shuttles aktiviert hatte, welche, Augur sei Dank, sie vor einer frühzeitigen Auffindung durch die Sensoren des Mutterschiffes oder anderer nach ihr suchender Sateliten verbargen, hastig die gewünschten Zielkoordinaten ein und befand sich mit einem Ruck und einem Sprung im nächsten Moment auch schon im Interdimensionsraum. Ihre Gedanken waren dabei nur auf eines ausgerichtet - darauf, so schnell wie möglich von der Bildfläche zu verschwinden.

 

Ende von Kapitel 17

 

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