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  „Die andere Seite” von Sythazen/Bianca Nunberger   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Entstehungszeitraum: November 2002
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Dr. Belman sitzt in der Falle - und Doors verlangt das Unmögliche von ihr.
Zeitpunkt:  zweite Staffel - einige Monate nach 1x22 The Joining
Charaktere:  Julianne Belman, Mit'gai, Va'ren, Jonathan Doors, Augur
 
Anmerkung der Autorin:  Über Feedback jeglicher Art würde ich mich sehr freuen. Auch gegen Kritik habe ich nichts, solange sie konstruktiv ist. Lest bitte auch meine anderen Stories, wenn euch diese hier gefällt. Es ist mein erster Ausflug in die Welt der E:FC-FF und ich kann nur sagen: Es hat mich voll erwischt.
 

 

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Kapitel 11

 

Noch ehe Julianne etwas sagen oder sonstwie reagieren konnte, kamen ihr auch schon ein Taelon und ein ihr unbekannter Beschützer entgegen, der diesem wie ein Schatten, immer nur einen Schritt hinter ihm, folgte. In dem Außerirdischen selbst erkannte sie niemand anderen als eben den von dem Freiwilligen genannten Mit'gai. Fast schon automatisch grüßte sie ihn, dabei versuchend, sich die immer stärker in ihr aufsteigende Angst ja nicht anmerken zu lassen.

„Dr. Belman, es ist gut, dass Sie so schnell gefunden wurden”, erwiderte der Taelonheiler ihren Gruß und warf anschließend dem immer noch reglos im Portal verharrendem Freiwilligen einen flüchtigen Blick zu. Diesem schien das jedoch schon zu genügen, denn ohne ein weiteres Wort von sich zu geben, gab der Mann wieder die Erdkoordinaten an, wartete gerade noch, bis Julianne aus dem Energiebereich des Portals getreten war und aktivierte es dann. Kaum dass das strahlende Licht darin wieder erloschen war, wandte sich Mit'gai abermals an die menschliche Frau und kam, wie gewohnt, gleich zur Sache, da er sich nicht vorstellen konnte, dass die Menschen, und seien sie auch noch so findig, zu einer für einen Taelon interessanten Unterhaltung fähig seien: „Sie werden mir bei einer Erstimplantation helfen. Die Frau, um die es geht, hat einen äußerst ausgeprägten Willen, den Sie in die von uns gewünschten Bahnen lenken werden, so dass sich das CVI ohne größere Probleme anpassen kann.”

Julianne hatte nicht damit gerechnet, gleich derart überfahren zu werden. Das war selbst für Mit'gai - und sie hatte ihn in den beiden vergangenen Jahren sehr gut kennen gelernt - ziemlich überhastet.

„Aber ich kann das nicht!”, stieß sie hervor, ehe ihr bewusst wurde, zu wem sie da gerade ‚nein’ sagte. Erschrocken zuckte sie leicht zusammen und versuchte, zu erklären: „Ich meine, ich würde ja gerne helfen, aber ich ... ich bin älter geworden und ... und meine Fähigkeiten haben in der letzten Zeit stark nachgelassen und ich ... ich würde so nur den zu implantierenden Menschen gefährden.”

Der Taelon hatte sich schon halb umgedreht, wandte sich jedoch bei ihren Worten ihr wieder zu. „Sie sehen mir nicht besonders krank aus, Dr. Belman. Diese Implantation ist von äußerster Wichtigkeit, und es darf nichts geschehen, das das Leben des zukünftigen Beschützers gefährden könnte. Jedenfalls jetzt noch nicht.”

Erleichtert atmete Julianne auf. Sollte sie es tatsächlich derart einfach geschafft haben, sich aus dem, was Mit'gai von ihr verlangte, heraus halten zu können? Das wäre mehr als nur ein wenig ungewöhnlich. Doch vielleicht konnte sich ja sogar ein Taelon verändern? Vorsichtig fragte sie also: „Dann darf ich wieder gehen, Mit'gai?”

„Mitnichten, ich bin mir sicher, dass Sie gesund genug sind, um die Implantation durchzuführen”, antwortete er, und als er sah, dass der Mensch es wagte, dennoch ein weiteres Mal widersprechen zu wollen, fügte er kalt hinzu: „Doch um alle Risiken auszuschließen, werden Sie sich ins Labor begeben und dort einer gründlichen Untersuchung durch Ve'ran zustimmen. Ich bin mir sicher, dass er jeder Krankheit, die euch Menschen anhaftet, etwas entgegenzusetzen hat. In jedem Falle werden Sie, Dr. Belman, solange bleiben, bis ich Sie nicht mehr benötige.”

Julianne schluckte. Wie dumm konnte sie nur sein, auch nur für eine Sekunde zu denken, dass sich ein Taelon verändern würde? Oder gar etwas wie Verständnis, Mitgefühl oder Anteilnahme würde empfinden können? Ausgerechnet sie müsste es doch besser wissen. Besser als jeder andere Mensch.

„Rick wird Sie zu Va'ren geleiten und darauf achten, dass Sie sich nicht verlaufen.” Damit wandte sich Mit'gai ab und verschwand in einem der unzähligen Gänge des Mutterschiffes.

Ihr blieb nichts anderes übrig, als mit dem ihr nun als Rick bekannten Beschützer mitzugehen. Alles Weigern und Zögern hätte ihr absolut nichts gebracht und ihre Lage wohl nur noch verschlimmert. So folgte sie ihm seufzend, die weitläufigen Gänge entlang. Mit nicht geringem Erstaunen bemerkte sie die fehlenden Menschen, die sonst durch die Gänge geeilt waren. Nur die Drohnen, die mehr wandelnden Robotern glichen als denkenden und fühlenden Angehörigen ihrer Spezies, sah sie öfter, als sie es von früheren Besuchen auf dem Mutterschiff her gekannt hatte.

Schließlich hatten sie das Labor erreicht, in dem laut Mit'gai sein Assistent Va'ren arbeitete, und, sich selbst Mut zusprechend, betrat sie die durch Kraftfelder geschützten Bereiche. Sie schien schon erwartet worden zu sein, denn die Energiebarrieren ließen sie ohne den geringsten Widerstand durch, während zu ihrem nicht geringen Erstaunen der Beschützer Rick diese nicht zu durchqueren vermochte und sich abwartend vor dem Eingang postierte, um jede ihrer Bewegungen auch ja im Auge behalten zu können.

Jonathan Doors, Multimilliardär, Anführer der Widerstandsbewegung und nicht zuletzt ein in diesem Moment äußerst besorgter Ehemann, wanderte ziellos durch die große Halle des unter der alten St. Michaels-Kirche gelegenen Hauptquartiers. Schon zwei Stunden waren vergangen, ohne dass er etwas von seiner Frau gehört hatte. Zwei Stunden, innerhalb derer sie hatte kommen wollen. Zwei Stunden voller Unsicherheit, Sorge und zuletzt immer stärker werdender Angst. Erneut warf er einen Blick auf den ununterbrochen an seinen Computern arbeitenden Augur. Nachdem er sie anfangs dank ihres Globals hatte lokalisieren können, war das Signal nur wenige Minuten später wie abgeschnitten erloschen. Laut Schiffsplan hatte sie einen geschützten Bereich betreten. Das jedenfalls vermutete Augur mit leiser Stimme und versicherte dem sichtlich erschütterten Doors, dass er sie auf jeden Fall wieder erreichen könnte, sobald sie diesen speziell abgesicherten Bereich des Mutterschiffes verlassen würde. Keiner von ihnen sprach das aus, was wohl jeder dachte. ‚Was ist, wenn sie nicht wieder herauskommt?’ Jonathan wollte sich gerade schon wieder umdrehen, um eine erneute Runde durch die Halle zu beginnen, als der Hacker plötzlich mit einem lauten Schrei aufsprang.

„Ich habe sie!”, rief Augur laut aus und sprang von seinem Stuhl auf, sich dabei hastig nach Doors umsehend. Mit einem Lächeln fügte er hinzu: „Ich habe es doch gesagt. Hier, sehen Sie?”

Doors war mit nur wenigen schnellen Schritten bei dem jungen Farbigen angekommen und trat neben ihm, um so einen besseren Blick auf den Monitor zu haben, den Augur ihm mit anzeigte. „Ist sie das?”, fragte er mit angespannter Stimme, dabei auf einen roten blinkenden Punkt starrend, der sich in einem kleinen Rechteck zu befinden schien. In der unmittelbaren Nähe konnte er keine weiteren dieser Punkte ausmachen.

„Laut der Globalsignatur ist sie es”, bestätigte Augur und zoomte dabei noch näher an den rot aufblinkenden Punkt heran. „Wenn ich mich nicht täusche, befindet sie sich in einem der weniger gesicherten Schiffsbereiche und im Moment ist sie alleine.”

Entschlossen nickte Jonathan. „Wir müssen sie da herausholen. Wie weit von ihrem Standpunkt ist das nächste Portal entfernt?”, stieß er hastig hervor und winkte derweil einigen der Soldaten zu, die normalerweise für die Sicherheit des Stützpunktes hier sorgten und in selteneren Fällen auch für Spezialeinsätze gebraucht wurden. ‚Nun, jetzt würden sie einen weiteren dieser Spezialeinsätze haben’, dachte Jonathan und starrte währenddessen weiterhin wie gebannt auf den Monitor und den roten Punkt darauf, der seine Frau darstellte.

„Doors, nein!”, rief Augur aus, da er befürchtete, dass der von den Taelons wohl am meisten gesuchte Mann selbst mitgehen wollte. „Das wäre der reinste Selbstmord. Jedes einzelne Portal auf dem Mutterschiff ist durch spezielle Kraftfelder gesichert. Sehen Sie hier ... und hier.” Während er sprach, deutete das Computergenie auf bestimmte Punkte auf dem Monitor, die in einem schwachen violetten Licht pulsierten. „Die Taelons müssen sie wohl nach den letzten Ereignissen installiert haben. Was immer das für Energiebarrieren sind, ich glaube nicht, dass sie für einen Menschen passierbar sind und ich möchte lieber nicht herausfinden, was geschieht, wenn man mit so einem in direkten Kontakt gerät.”

Widerspenstig schüttelte Jonathan den Kopf. „Das Risiko gehe ich ein. Ich ... ich kann nicht einfach hier herumsitzen und nichts tun. Ich weiß doch nicht einmal, wie es ihr geht!”, stieß er verzweifelt hervor und war kurz davor, seine in den letzten Stunden so mühsam aufrecht erhaltene Selbstbeherrschung doch noch vor allen Anwesenden zu verlieren.

„Es nützt Dr. Belman auch nichts, wenn Sie tot sind, Doors”, fuhr Augur den verzweifelten Mann an. Derart aufgewühlt hatte er ihn noch nie gesehen, und er kannte ihn nun schon recht lange. „Aber zumindest in einem Punkt kann ich helfen”, ergänzte er, und als er den hoffnungsvollen Blick Jonathans sah, beeilte er sich, hastig hinzuzufügen: „Ich habe es geschafft, ein Signal so zu verstärken und zu verschlüsseln, dass Sie mit ihr über ihr Global Kontakt aufnehmen können. So würden Sie wenigstens wissen, wie es ihr geht. Aber Sie haben nicht viel Zeit, höchstens ein bis zwei Minuten.”

„Das genügt mir ...”, murmelte Jonathan, sich nun langsam wieder zusammenreißend. Er würde mit Julia reden können ... er würde ihr sagen, dass ... dass er sie liebte und dass er sie da heraus holen würde, komme, was wolle. Entschlossen nickte er Augur zu, der daraufhin die Verbindung zum Global seiner Frau initiierte.

Die kleine Zelle, in der Julianne Belman sich befand, sollte ihr laut Va'ren Zeit genug geben, sich von den fast zwei Stunden langen Untersuchungen, die der Taelon durchgeführt hatte, wieder insoweit zu erholen, dass sie die von Mit'gai gewünschte Aufgabe würde übernehmen können. Er hatte, genau wie sie, festgestellt, dass sie an einer - besonders bei älteren Menschen häufig auftretenden - Krankheit litt, die das Gedächtnis stark beeinflusste. Zu ihrer nicht geringen Überraschung hatte er ihr versichert, ein Mittel gegen diese Erkrankung zu finden. Schließlich sei sie zu wertvoll für die Taelons, um zulassen zu können, dass sie ihre Genialität nur wegen ihres Alters verlieren würde. Als Julianne den Heiler daraufhin überrascht angesehen hatte, meinte er nur, dass er so wie jeder der mit Mit'gai arbeitenden Heiler genauestens über ihre Mitarbeit an der Entwicklung und Anpassung der Cyber-Virus-Implantate Bescheid wüsste.

Das Piepen ihres Globals riss sie aus ihren Überlegungen und fast schon automatisch griff sie nach dem kleinen Gerät, öffnete es und erstarrte vor Schreck. „Jonathan - was ... wie ... bist Du verrückt?” Entsetzt starrte sie auf den kleinen Farbbildschirm.

„Julia, wir haben nur ein paar Minuten, Augur schützt die Verbindung, so gut er kann ... Wie geht es Dir? Was ... was haben sie mit Dir vor?”, stieß Jonathan deutlich besorgt und zugleich erleichtert - dass sie in der Lage war, zu sprechen und es ihr dem ersten Anschein nach gut ging - hervor. Jedenfalls soweit wie es einem menschlichen Wesen in einer Zelle auf dem Mutterschiff der Taelons gut gehen konnte.

Julianne atmete einmal tief durch, ehe sie antwortete und ihre Finger verkrampften sich dabei um ihr Global. „Mit'gai will, dass ich einen neuen Beschützer implantiere. Es scheint sich bei diesem wohl um einen ziemlich schweren Fall zu handeln, und sie wollen ihn unbedingt haben.”

Jonathans Gesichtsaudruck veränderte sich schlagartig von ängstlich besorgt, zu überraschter Erleichterung, bis hin zu so etwas wie kaum verhohlener Begeisterung. „Aber das ist ja perfekt!”, rief er laut aus, dabei seine Sorgen und Ängste, die er kurz zuvor noch empfunden hatte, schon halb vergessend. Der Plan, den er gefasst hatte, kurz bevor er Julianne anrief ... Die Vorbereitungen, die nur sie treffen konnte, nahmen plötzlich wieder Gestalt an, und dass die Taelons offenbar ausgerechnet seine Frau dazu benötigten, sprach nur für den starken Willen der zu implantierenden Person.

Im Hintergrund hörte sie Augurs Stimme: „Nur noch 30 Sekunden, dann muss ich die Verbindung trennen!” Hastig einatmend zwang sich Julianne, ihre zitternden Finger etwas zu beruhigen. Nur waren es nicht nur ihre Finger die vor Anspannung und Angst bebten. Ihr ganzer Körper fühlte sich an, als würde er im nächstbesten Augenblick auseinander springen wollen. „Jon, kannst Du mich hier herausholen? Bitte - ich ...”, doch weiter kam sie nicht, da er sie plötzlich unterbrach.

„Du musst tun, was sie von Dir wollen, Julia!”, fiel er ihr ins Wort, wohl wissend, dass sein Gesprächslimit rasend schnell immer knapper wurde.

„Wie bitte?”, Julianne glaubte, nicht recht gehört zu haben. „Du willst WAS von mir? Ausgerechnet Du willst, dass ich den Taelons ein neues willenloses Werkzeug in ihre gierigen Hände lege? Dass ich einen unschuldigen Menschen dazu verdamme, eine an den Fäden der Companions baumelnde Marionette zu werden? Dass ich ihm Schmerzen zufüge, die weit über alles, was du oder ich mir vorstellen können, hinaus gehen, dass ich seinen oder ihren Geist breche und ihn - oder sie - dazu verdamme, innerhalb weniger Jahre ausgebrannt und unter Qualen zu sterben?”

„Julia, bitte hör doch zu ... ich habe einen Plan!”, versuchte Jonathan die fast schon hysterisch Werdende zu beruhigen. „Du musst es einfach tun - wir können ihn hinterher ...”

„Nein, niemals wieder!”, brachte sie kraftlos heraus. Am liebsten wollte sie schreien, um sich treten, irgend jemanden schlagen. ‚Wie kann er es nur wagen, mich ausgerechnet darum zu bitten? Wie kann er mir das nur noch einmal antun wollen?’ „Niemals wieder!”, stieß sie heiser flüsternd hervor. Zu mehr fehlte ihr einfach die Kraft.

Augurs Stimme meldete sich erneut: „Keine Zeit mehr ... tut mir leid!”

„Tu, was sie von Dir wollen, Julia! Ich bitte dich!”
Die Verbindung begann zu flackern, und ein letztes Mal sah sie sein angespanntes Gesicht über den Monitor tanzen. Dann war der Kontakt unterbrochen. Wie blind starrte Julianne auf ihr Global, seit Jahren ungeweinte Tränen liefen über ihr blasses Gesicht - während sich Jonathan Doors viele Tausende von Meilen entfernt daran erinnerte, was er ihr eigentlich hatte sagen wollen.

Als Julianne Belman so dastand, das geschlossene Global in ihren verkrampften Händen haltend, wusste sie nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Wieder war es geschehen. Sie hatten sich gestritten, nach einem halbem Jahr, in dem sich jeder - und davon war Julianne fest überzeugt - von ihnen nach dem Halt, den der jeweils Andere einem hätte bieten können, zurück gesehnt hatte. Ihre Gedanken schweiften ab, wie schon so häufig in den letzten Monaten. Sie kannte die Anzeichen nur zu gut. Einzelne Erinnerungen von vor vielen Jahren - oder gar Jahrzehnten - waren plötzlich so deutlich wie noch nie zuvor. Doch an das Frühstück von vor ein paar Stunden konnte sie sich beim bestem Willen nicht mehr erinnern. Ihr Verstand als Ärztin sagte ihr, dass sie dagegen nichts tun konnte. Nicht einmal die Taelons hatten ein Heilmittel für die Alzheimer-Krankheit gefunden. Obwohl das, was Va'ren ihr versprochen hatte, sie doch ein wenig hoffen ließ. Nur der Preis, den sie dafür würde zahlen müssen ...

Oh, wie sehr sie ihren Mann jetzt an ihrer Seite gebraucht hätte ...
Jonathan wusste nichts davon. Niemand wusste es. Nur sie allein hatte die Anzeichen vor einem halbem Jahr bereits erkannt und die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis gezogen. Nach außen hin hatte sie einen anderen Grund für ihre plötzliche Weigerung, weiter als Ärztin tätig zu sein, angegeben. Sicher stimmte dieser eine Grund auch, er war quasi der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht und ihr ihre schon seit mehreren Monaten hinausgeschobene Entscheidung sozusagen abgenommen hatte.

Und jetzt, nachdem er sich endlich wieder bei ihr gemeldet hatte - da war der einzige Grund der, dass er wollte, dass sie wieder genau das tat, was sie einfach nicht mehr tun konnte. Es war viel zu gefährlich ... und nicht zuletzt ... hatte sie schon genug in ihrem Leben angerichtet. Viel zu viel, als dass sie es jemals wieder würde gut machen können. Das war ihr vor einem halben Jahr vollends klar geworden. Damals, als sie zum zweiten Mal die gleiche Sünde begangen hatte ... das gleiche schreckliche Verbrechen, das sie bereits zuvor an ein und demselben Menschen vollzogen hatte.

Weiter zurück schweiften ihre Gedanken, immer weiter in die Vergangenheit, zu einem anderen Menschen, dem sie ebenfalls nicht hatte helfen können.

Hätten sie beide damals nicht verloren, was sie über alles geliebt hatten, so wäre keiner von ihnen jemals auch nur im Entferntesten auf die Idee gekommen, sich gegen die Taelons zu wenden. Oder gar eine Widerstandsbewegung ins Leben zu rufen. Diese war allein aus ihrem gemeinsam empfundenen Schmerz erwachsen. Als sie verloren hatten, was sie nie geglaubt hatten, verlieren zu können. Als ihre Kunst als Ärztin versagte, als sie nichts mehr zu tun in der Lage war, hatten sie sich gemeinsam, sie und Jonathan, an die Taelons gewandt. Sie hatten durch ihre Zusammenarbeit mit ihnen besser als die meisten Menschen gewusst, zu welchem Wundern diese außerirdischen Besucher in der Lage waren, und hatten alle ihre Hoffnungen in die Taelons gesetzt. Sie waren sich so sicher gewesen, dass sie hätten helfen können. Dass sie retten könnten, was sie als Ärztin nicht mehr konnte. Wo sie nur noch dastehen und dem Ende entgegen sehen konnten.

Doch es war anders gekommen als erhofft. Gänzlich anders. Viele waren von den Taelons gerettet worden. Eine ganze Provinz war von den Strahlen des explodierten Atomkraftwerkes bereinigt worden. Hunderte von Menschen, die innerhalb der nächsten Stunden oder Tage aufs Grausamste gestorben wären, lebten dank der Taelons weiter. Hunderte ... aber nicht der einzige Mensch, auf den es Julianne Belman und Jonathan Doors angekommen war. Hunderte wurden gerettet ... nur nicht das, was ihnen am liebsten war.

Ein unbändiger Zorn war in ihnen aufgestiegen - Zorn und Wut auf die Taelons. Auf die Wesen, die allen anderen helfen konnten, nur ihnen nicht. Gerade sie hätten es verdient, dass man ihnen half. Sie hatten von Anfang an mit dem nordamerikanischem Companion Da'an zusammen gearbeitet. Während Jonathan als einer der ersten seine Firma dazu genutzt hatte, um den Menschen die Technologie der Taelons näher zu bringen, hatte sie selbst das Angebot Da'ans, mit einigen der besten Taelonheiler zusammen zu arbeiten, sofort und voller Begeisterung angenommen und war nicht, wie es ihr angetragen worden war, zur Leiterin einer der größten Forschungskliniken in Washington geworden.

Julianne hatte sofort ihre Zusammenarbeit mit den Taelons aufkündigen wollen. Doch Jonathan hatte sie nach langen gemeinsam durchweinten Nächten doch noch dazu überreden können, seinem verrückten Plänen zuzustimmen. Plänen, denen sie damals voller Begeisterung und Tatendrang zugestimmt und bei denen sie mitgewirkt hatte, ohne an die Konsequenzen ihrer Handlungen auch nur im Entferntesten zu denken. Sie hatte also ihre Forschungen an dem ihr von Da'an persönlich aufgetragenen Projekt - der Anpassung einer Taelonmikrobe an ein menschliches Gehirn - wieder aufgenommen. Erst viel später hatte sie erkannt, wozu man das, was sie da erforschte und mit entwickelte, in Wahrheit benutzte ... Sie hatte immer geglaubt, dass diese Cyber-Virus-Implantate dazu gedacht seien, geistig beeinträchtigten Menschen zu helfen und sie mit Hilfe dieser taelonischen Technologie wieder in die Gesellschaft eingliedern zu können. Wie sehr sie sich geirrt hatte, sich, ohne Fragen zu stellen, nur aus dem Wunsch heraus, an diesem Projekt mitwirken zu können, freiwillig hatte täuschen lassen, wurde ihr erst bei der ersten praktischen Anwendung eines solchen Implantates an einem lebenden Patienten klar.
Weiter gingen ihre Gedanken zurück - hin zu einer Zeit vor etwa zwei Jahren, was ein ganzes Jahr vor der offiziellen Bekanntmachung lag, dass Außerirdische auf der Erde gelandet waren.

Seufzend schüttelte sie den Kopf und versuchte wieder etwas Klarheit in ihre Gedankenwelt zu bringen. Es brachte ihr schließlich nichts, in der Vergangenheit zu verharren. Sie hatte weitaus Wichtigeres zu tun. Jonathan wollte, dass sie diese Gelegenheit nutzte und tat, was die Taelons von ihr verlangten. Er hätte einen Plan, versicherte er ihr. Einen, der sowohl sie als auch den Menschen, den sie für die Taelons implantieren sollte, würde retten können. Doch was immer dieser ominöse Plan auch beinhalten mochte, ganz gleich, was er ihr versicherte, sie würde es auf keinen Fall noch einmal tun. Nichts und niemand konnte sie dazu zwingen, ein weiteres Mal einem Menschen eines dieser CVIs zu implantieren.
Entschlossen richtete sie sich mit hoch erhobenem Kopf auf und blickte dem gerade hereinkommenden Mit'gai entgegen.

 

Ende von Kapitel 11

 

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