Startseite Aktuelles Update Geschichten Kategorien Bilder Forum - Der Baum Links Hilfe Kontakt
  „Die VOKS” von Sy'la und Susanne   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Juli 2003
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorinnen.
 
Thema:  Die Crew lernt die fremdartige Spezies der Tzeks kennen und erhält die Schlüssel, sie zu vernichten. Während den einen jedes Mittel recht ist, stellt sich für andere die Frage nach der Ethik des Krieges - und jemand stirbt als Pazifist.
Zeitpunkt:  Lange nach dem Ende der 5. Staffel im Jahre 2325
Charaktere:  Sy'la - die Hybridin; die Jaridians Korn't, Rj'lev, Je'dir, Palwyr und Trestim; die Taelons Da'an, Ko'lan, Mur'ru, Ka'sar, Ken'tau und Dar'den; die Sigera-Botschafterin Mia; Haggis, Dr. Myinga, Andre Markus Andersen, Peter J. Combe, der Hellseher Jean-Antoin Marclay; 300 menschliche Flüchtlinge, Klaus und Emma Schwarzkopf; 9 Taelon-Kinder und Ariel; das Schiff Roleta und die Tzeks, namentlich XXXX und YYYY.
 

 

DIE VOKS

Kapitel 9

 

(Auf einer der Zentralwelten der Tzeks:)
Das Nest mit den weißen Gespinsten war warm und weich. XXXX hatte genügend gefressen und fühlte, dass die Spaltung bald bevorstand. Damit hatte er dem obersten Gebot der Tzeks gehorcht: Seid fruchtbar und mehret euch! Erobert und fresst, soviel ihr könnt! Sichert damit das Überleben der Spezies!

XXXX rollte sich elegant hin zu seinem Hängebett und schnappte sich dabei mit einem seiner Tentakel das Bord mit den eingebauten Geräten. Die Eroberung des aktuellen Planeten des Gegenuniversums war gerade im Gang. Er sah sich begeistert Übertragungen davon an. Scheußlich, diese Menge an Ungeziefer! Er ekelte sich. Die Hauptspezies dort waren stabförmige weichliche Lebensformen mit vier Extremitäten. Und anderes Ungeziefer lief ebenso auf diesem Planeten herum. Der Kosmos mochte wissen, wofür die Evolution noch solch jämmerliche Kreaturen hervorgebracht hatte, wo es doch sie, die Tzeks, in ihrer Schönheit und Einzelligkeit erschaffen hatte. Es geschah ihnen ganz recht, als Kohlenstofflieferanten zu sterben. Vorausgesetzt, sie lebten überhaupt! Hässliche Püppchen. Eine völlige Verschwendung von Kohlenstoff. Von der Technik her hatten sie auch nichts zu bieten - obwohl sie wohl Kontakt mit weiter entwickelten Spezies gehabt haben mussten.

Beunruhigend war dagegen die Meldung von der Hauptwelt der Tzeks: eine unbekannte grün-rote Wolke breitete sich aus, die absolut lästig erschien - sie behinderte die Ortung - aber sonst keine Folgen hatte. Die Frage war: was verbarg die Wolke??? Feindliche Schiffe? Hätte XXXX Humor besessen, hätte er jetzt gelacht. Keine Spezies war weit genug entwickelt, um die „Brücke” zu benutzen! Die Tzeks waren das absolut Beste der Evolution. Nein, das Zeug musste wohl irgendwo freigeworden sein, als man geraubtes Material zur Heimatwelt gebracht hat. Lästig, aber kein Problem.

Endlich war es soweit. XXXX spürte ein Ziehen seiner inneren Organe. Sein Leib begann sich abzuschnüren. Wie immer war es unangenehm. Dann nach einer Weile war es getan. Zwei kleinere Kugelwesen lagen im Hängebett. „Sei gegrüßt, ICH”, sagte das eine zum anderen. „Sei gegrüßt, ICH”, erwiderte das andere. „Ich begebe mich nun in die zweite Wohnstatt.” Er erhob sich und rollte hinaus, um zu einem anderen Platz im Nest zu gelangen. Die Tzeks hatten nun einen Techniker mehr.

 
* * *
 

(Irgendwo im Weltraum:)
Das Zefir-Schiff befand sich in einer grün-roten Wolke, gut getarnt, über dem Hauptplaneten.
„Roleta, hast du uns nichts zu erklären? Berichte uns endlich, woher dieser Nebel stammt,” befahl Generalin Mur'ru ägerlich, die gerade von den Labors des Schiffes kam. „Du selbst erzeugst ihn nämlich! Du lässt uns hier herumrätseln und verlierst kein Wort darüber. - Ich kann mich nicht erinnern, dass dies zu deiner militärischen Ausrüstung gehört hätte, die du mir gezeigt hast! - Und was mich vor allem interessiert - woher kommen die Sporen? Du weißt, jene, die die menschlichen Wissenschaftler gerade in der Wolke identifizieren konnten. - Ich mag solche Überraschungen nicht.”

„Sporen?” fragte Da'an. Er saß in einem der weichen Sessel, aber anders als die Menschen aufrecht, die Hände an den Lehnen.

Die künstliche Intelligenz erschien als große elfenartige Gestalt im Kommunikationsraum. Da'an sah sie erwartungsvoll an. „Das würde mich wirklich ebenso interessieren.” Er hob seine Hand in seiner für ihn typischen Weise. „Du als Schiff solltest mit uns uneingeschränkt zusammenarbeiten, anstatt uns Wissen vorzuenthalten.”

„Es ist eine Gabe der Alten Völker gegen die Bedrohung. Sie wurde wie die Möglichkeiten der Wolke erst vor Kurzem in mir installiert”, entschuldigte sich das Schiff. „Ich soll euch nur sagen: setzt euch nicht diesen Sporen aus! Sie sind eine biologische Waffe, die die Tzeks langfristig dezimieren werden, indem sie ihre Spaltungsorgane zerstören. Sie verändern irreversibel ihr Erbgut.”

„Die Alten Völker?” fragte Da'an. „Dieser Begriff - ich glaube, ich habe ihn vor über 2000 Jahren das letzte Mal gehört. Zu den Alten Völkern - gehören die Kimera?”

„Es tut mir leid, mehr Information ist nicht in meinem Speicher”, antwortete Roleta.

„Wie es sich zeigt, ist offenbar ein blutiges Abschlachten eines ganzen Volkes mit Biowaffen wieder eine mögliche Alternative geworden. Auch wenn sie „nur” intelligente Amöben sind”, sagte Andre mit ernstem Gesichtsausdruck. „Bleibt für uns nur die Gewissensfrage, ob Zwangssterilisation erlaubt ist oder nicht. Zwangssterilisation, die ein ganzes Volk eben langsam ausrottet.”

„Das Gewissen ist etwas, was man sich leisten können muss,” bemerkte dazu Da'an.. „Wir wissen nicht, wie es dem Planeten Erde ergeht, aber ich befürchte, sehr schlecht. Wir verfolgen doch, wie viel Material durch Transporterschiffe auf diese Welt da unten herbeigeschafft wird. Unsere Messungen zeigen, dass die Population allein auf dieser Welt in den letzen 9 Tagen um 30 Prozent gestiegen ist. Wir haben keine andere Wahl.”

„Also haben wir nun offenbar Folgendes zu tun: wir müssen möglichst viele Welten in möglichst kurzer Zeit anfliegen, um die Sporen in dieser grün-roten Wolke freizusetzen. Und wir müssen die Anlagen zerstören, die zu unserem Heimatuniversum führen. Auch um den Preis, dass wir abgeschnitten werden”, führte Mur'ru aus.

„Wenn wir die Beiboote der Roleta mit den geeigneten Geräten ausstatten, könnten sie im Schutz der Wolke die verschiedenen Welten anfliegen. Und wir könnten mit den Jaridians Pläne ausarbeiten, wie wir die Anlagen zerstören - vielleicht mit einer Zeitbombe? Damit wir doch noch nach Hause kommen? Ich möchte nämlich nicht hier sterben,” schlug Sy'la vor, die in Begleitung Je'dirs in die Zentrale saß.

„Wo befindet sich eigentlich Ko'lan?” fragte Peter Combe.

„Ko'lan und Ariel besuchen gemeinsam, so oft es geht, die Flüchtlinge und besonders die Kinderstation”, antwortete Da'an.

„Oohh”... bemerkte Andre eindeutig-zweideutig: Wieder eine Chance weniger.

 
* * *
 

(An Bord der Roleta:)
Ko'lan und Ariel standen in einem Nebenraum, hielten eines des anderen Hand und betrachteten entspannt die Sterne des fremden Universums durch ein Fenster. Nur wer sich im Verhalten der Taelons besser auskannte, hätte die ganz leichte feine Rötung um die Augenlider der beiden bemerkt.

Ganz so, wie sich die Taelons durch Absenkung ihres Energieniveaus den Menschen angepasst hatten, genauso allmählich, fast unmerklich, passten sich die Jaridians den Irdischen an. Das Energieniveau, das Bewusstsein und die Fähigkeiten der Menschen ihrerseits stiegen, je mehr sie sich mit den beiden anderen Spezies abgaben. Es war ganz so, als wäre jede der drei Spezies so etwas wie ein Katalysator für die anderen zwei.

Nie hätte Ko'lan es jedenfalls für möglich gehalten, so etwas wie Gefühle und - er musste es sich heimlich eingestehen. - wilde Paarungsbereitschaft in sich zu entdecken. Nach so langer Zeit! Das wäre in früheren Zeiten unter dem alten Gemeinwesen unmöglich gewesen. Freilich war Ariel etwas ganz Besonderes! Außer der rauhen Mur'ru gab es keine weiblichen Taelons mehr - und erst recht keine fruchtbaren. Ariel war einfach - unbeschreiblich. Sie war - kompatibel! Die Leidenschaft des Ka'atham hatte ihn voll erfasst und wurde von der aufreizenden dunkelhaarigen Hybridin ebenso leidenschaftlich erwidert. Er war instinktiv genötigt, ihr auf Schritt und Tritt zu folgen. Die Tochter Lili Marquettes mit dem Jaridian Vorjak hielt sich gerne bei den Erdenmenschen und den Kindern auf. Sie wollte ganz einfach nahe bei ihren Freunden und Freundinnen sein. Also war auch Ko'lan da und vernachlässigte sträflich seine Präsenz in der Zentrale und im Labor. Die Kinder waren ja auch allerliebst! Erdenkinder und Taelonkinder - noch immer nicht in ihrer Energiegestalt - kugelten spielend in den Räumlichkeiten und schwatzten, dass das Schott kaum den ungewohnten Lärm dämpfen konnte. Ja, die Taelons waren klüger - aber die Menschenkinder waren geschickter, zusammen waren sie eine kaum zu bremsende Rasselbande. Die Erwachsenen hüteten sich, die Kinder durch unbedachte Äußerungen zu ängstigen. Für sie war alles ein Ausflug, der nur etwas lange dauerte. Es wurde von den zwei Erzieherinnen darauf geachtet, dass immer wieder ein Taelon oder auch einer der Jaridians vorbeikam, von denen die Kinder, wißbegierig, lernen konnten.

Noch etwas erhitzt vom Energieaustausch deutete Ariel mit einer unbestimmten Geste zum Fenster: „Und da draußen ist es friedlich, als ob es keine Tzeks gäbe! Ach wäre es doch so, und wir könnten nach Hause.”

„Für mich ist es ein Glück, denn so kann ich dir ganz nahe sein”, erwiderte Ko'lan sanft und flüsternd. Er neigte sich etwas seitlich zu ihr hin. Ein angenehmer Schauer floß bei seiner Stimme der dunkelhaarigen Frau über den Rücken und durch das erregte Shakaravah, elektrisierte wonnig den gesamten Körper.

„Nein”, riss sich Ariel mit Überwindung aus der Stimmung, „wir müssen wenigstens ab und zu auch in der Realität leben. Ich kann einfach nicht verstehen, was in so einer Spezies vorgeht. Mein Vater Vorjak und mein Mentor Da'an haben mir beide viel Wissen über andere Spezies übermittelt. Aber keine war so wie die da. Sie scheinen tatsächlich zu glauben, sie wären die einzigen im Universum mit einer Lebensberechtigung.”

Ein wenig mit Bedauern ließ Ko'lan Ariels Hand los. Also wieder etwas Realität zwischendurch. „Wir wissen, diese Wesen stammen von einem Heimatplaneten, bei dem es offenbar zu keiner höheren Entwicklung von Lebensformen gekommen ist. Daher wurde diese Form zur dominierenden, und natürliche Feinde gingen ihnen auf diesem Planeten irgendwie verloren. Sie kannten nur sich selbst - keine Beziehungen, keine Sexualität, keine Familien, keine anderen Völker, keine Landwirtschaft, keine Genetik. Sie selbst empfinden sich durch die Methode der Abspaltungen als eins, als ICH. Diejenigen, die sich am meisten geteilt und damit Duplikate von sich produziert haben, sind, wie unsere Aufklärer in Erfahrung bringen konnten, die Oberhäupter von „Nestern”, wie die Menschen diese Gebilde nennen. Das sind aufgespannte weitläufige weiße Gespinste, die an Pfeilern oder zwischen den zahllosen Berggraten hängen, und in denen sie leben.” Ko'lan wollte Ariel wenigstens etwas von den Informationen weitergeben, die er in den kurzen Pausen ihrer Gemeinschaft gehört hatte. Schließlich waren sie meistens mit etwas Intimeren beschäftigt gewesen...

„Wie denkt man überhaupt, wenn man nichts anderes kennt als sich selbst? Hat man panische Angst vor anderen? Ist man überhaupt fähig, andere Lebensformen anzuerkennen, zu begreifen?” fragte Ariel. „Da'an meint, nein. Und wenn es so wäre, hätten wir dennoch keine Zeit, mit ihnen langwierig zu verhandeln.”

„Die Tzeks kennen nur sich - als Ich; oder zu erobernde Biomasse, die sie zur Vermehrung zu sich nehmen; oder aber - nur Feinde. Ich nehme an, sie erinnern sich noch an Ur-Zeiten, als es auch auf ihrer Welt feindliche Krankheitserreger gab. Alle Nicht-Ichs sind wohl für sie solche.” Der Taelon versuchte, Ariel wieder zu fassen, die aber wich spielerisch aus.

„Ko'lan!” schimpfte sie. „Ernsthaft. - Was für eine Ironie, dass wir sie tatsächlich mit biologischen Waffen bekämpfen. Sie haben keine natürlichen Feinde mehr gehabt seit vielen hunderttausenden von Jahren - bis jetzt. Die Sporen werden sie vernichten.”

„Oder auch nicht. Vielleicht ist es für die Überlebenden eine Chance, sich weiterzuentwickeln. Ohne natürlichen Gegenpol kann keine natürliche Weiterentwicklung stattfinden: es besteht einfach keine Herausforderung dazu. Vielleicht mit ein Grund, warum sie die Amöbenform beibehalten haben.” Ko'lan konnte nicht verstehen, wie eine solche Spezies überhaupt je technisch in der Lage gewesen sein konnte, in den Weltraum vorzustoßen. Die Technik musste zusammengeraubt worden sein. Und das totale Fehlen jedes natürlichen Feindes auf den Heimatplaneten war seiner Meinung nach absolut unnatürlich: die Natur sorgte normalerweise selbst für einen Gleichgewicht der Kräfte - oder aber sie beseitigte die disharmonische Spezies. Wie die Taelons fast selbst erlebt hatten.

„Zumindest hätten sie sich bei einem Fehlen ebenbürtiger Gegner in zwei Lager spalten müssen - in Räuber und Gejagte. In Rebellen und Angepasste. Wie der große Gelehrte der Jaridians Kokohan dies nachgewiesen hat. Dies ist ebenfalls hier nicht geschehen. Es gibt keinerlei natürliche Dualität bei den Tzeks.” Ariel überlegte. „Merkwürdig. Fast unnatürlich, künstlich.”

Sie sah Ko'lan intensiv an und ließ sich wieder von ihm ergreifen. Die dunkelhaarige schöne Frau mit den leichten Wangenmalen - ein Erbe der Jaridians - preßte wieder ihre Handflächen gegen die des hübschen großen Taelons, bis das blaue Licht der pulsierenden Shakaravahs wie leuchtendes Wasser in Wellen über ihre beiden Körper wogte und ihrer beider Bewusstsein, ihre Körper, ihr ganzes Sein in einer erneuten Ekstase zusammenflossen.

 
* * *
 

(Anderswo im Zefir-Schiff:)
Eine verschwommene Welt hüllte sie ein. Ihre Umgebung hatte sich plötzlich von grün in wärmende violette Töne verwandelt. Sie konnte nur die Farben erkennen, ein dichter Nebel vor ihren Augen verhinderte dass sie mehr sah, als sie eigentlich sollte. Dann, als würde man sie von einer Maske befreien, befand sie sich in einer Einrichtung der Taelons, ein großes Sichtfenster gab einem Blick nach draußen frei. Es kam ihr alles so seltsam vertraut vor, die Wände, die Apparate und dieser Stuhl, der in der Mitte des Raumes seinen
Platz hatte. Sie drehte sich einmal um ihre eigene Achse. Es war kein einziges Lebewesen
dort. Plötzlich hörte sie Schritte, die immer näher kamen. Es war ein Taelon. Zo'or , der ohne ein Wort die Räumlichkeiten betrat. Er hatte eine uralte Taelon-Waffe in der Hand. Sein zorniger Blick war auf sie gerichtet, - oder auf wen sonst? -, so begann er zu feuern...

Sie schrie wie wahnsinnig.

Je'dir war mit einem Male da und schüttelte sie fest. Sy'la fuhr erschrocken hoch. Ihr Herz klopfte laut und sie zitterte am ganzen Leib.

„Was ist los? Was ist geschehen?” Mia von nebenan war ebenfalls von dem Geschrei aufgewacht und kam schon angelaufen. Sy'la hatte sich nur kurz hinlegen wollen, um ein wenig Ruhe zu bekommen.

„Ich, es... es ist nichts, nur ein Alptraum,” sagte die junge Frau. Je'dir glaubte ihr nicht ganz. Er wusste, sie verdrängte mit Absicht irgendwelche Erinnerungen von früher, doch er beließ es dabei, ohne weitere Fragen zu stellen. Er kam näher und drückte sie fest an sich, um die zitternde Gestalt zu wärmen und zu beruhigen. Man merkte, wie sehr sich ihre emotionale menschliche Seite zeigen konnte.

Mia streckte sich gähnend und schüttelte ihre blonden Haare aus. Sie hatte im Gegensatz zu Sy'la einen angenehmeren Schlaf gehabt. Endlich, nach tagelangen Halluzinationen. Dieses Gegenuniversum meinte es nicht gut mit ihr. - Offenbar war jetzt mit Sy'la alles in Ordnung und sie konnte sich wieder in ihr Zimmer zurückziehen. Zumal die zwei offensichtlich alleine sein wollten. Das Schöne an Bord war, man hatte genügend Platz und konnte die Wände und Räumlichkeiten nach Belieben umgruppieren.

Die Formwandlerin beschloss, heute wieder aufzustehen, war bald angezogen und verließ das Zimmer. Sie hatte einige Sachen zu erledigen, und die anderen mussten ja nicht alles wissen.

 
* * *
 

(Inzwischen weit weg, auf der Erde:)
Er duckte sich vor dem Ascheregen und sah in die Augen seiner Frau. Sie lag im Sterben. Verzweifelt und mit Tränen in den Augen nahm er ihren Kopf in seinem Schoß und streichelte sanft ihre Stirn. Ein paar verabschiedende Worte, noch ein letzter Kuss, und die Frau hatte ihn für immer verlassen. Er sah todtraurig hinüber zu einem anderen Mann, der gerade seine schwangere Frau durch den Einsturz verloren hatte. Es hätte ihr erstes Kind werden sollen, doch nur ein Feuerschlag, und seine Familie war ausgelöscht worden. Es war einfach zu grausam, alle guten Geister hatten die Menschheit wohl verlassen. Dabei war die Erde seit Wochen von den Zeckenschiffen beobachtet worden. Die Regierungen hatten es irgendwann bemerkt und besondere Schutzmaßnahmen angeordnet, aber es hatte alles nicht geholfen: Diese Wesen griffen plötzlich an und sie waren immun gegen die menschlichen Waffen. Sie waren technisch und militärisch weit überlegen. Sie kommunizierten auch nicht. - Nichts, rein gar nichts konnte sie retten.

„Wenn es dort draußen irgendwo ein Gott gibt, dann sollte er sich jetzt zeigen”, sprach der Mann laut und bitter vor sich und stand auf. Seine Augen waren rot vor Tränen. Eine Hand legte sich ihm auf die Schulter, um ihn zu trösten. Er drehte sich um. Vor ihm stand ein schwarzer junger Mann und hielt ihn ein Stück Brot hin. „Ich weiß es ist vielleicht unpassend, aber...” - „Danke,” sagte er kurz und gab ihm ein wehmütiges Lächeln.

 
* * *
 

(Im fremden Kontinuum:)
„Die Beiboote sind bereit, ihre Reise anzutreten. Sollen sie sich jetzt aus dem Shuttlehangar entfernen? ” fragte Roleta an. Die Konsolen des Schiffes reagierten, ferngesteuert , wie durch Geisterhand.
Da'an unterhielt sich mit den anderen und unterstrich seine Worte wie üblich mit Gesten. Ob das alles gut gehen würde? Das konnte er sich noch nicht richtig vorstellen.

Beunruhigt ließ er seinen Blick auf Ariel fallen. Sie erwiderte seinen Blick freundlich und drückte sich an Ko'lan, der seitlich hinter ihr stand. Da'an war erstaunt. Wohl war ihm einiges in den letzten Tagen aufgefallen. Über die enge Beziehung von Sy'la und Je'dir wurde bereits geklatscht. Aber dass sich Ariel und Ko'lan näher kommen würden, das hätte er sich nicht vorstellen können. In alten Zeiten einfach undenkbar. Die Art der Menschen schien ungemein abzufärben!

Ko'lan zeigte seine Liebe zu Ariel auch nach Taelon-Art. Offen gestanden gönnte Da'an es dem Taelon. Er hatte endlich das gefunden, worum ihn jeder seiner Rasse beneiden würde. Wahre Liebe zu fühlen ist etwas Seltenes, was man immer anstreben sollte.
Da'an war völlig in seinen Gedanken versunken und bemerkte vorerst gar nicht, dass das zweite Liebespaar die Brücke betreten hatte und sich einen Platz neben ihn aussuchte. Die beiden strahlten wie zwei Sterne. Sy'las Augen funkelten, und sie war glücklich wie ein Kind am Weihnachtsabend.

Da'an spürte, dass mit ihrer Energie etwas nicht stimmte. Ihre Aura hatte minimale Veränderungen durchlitten. Er konnte es nicht sehen, aber er konnte es spüren. Schließlich hatte er sie früher bereits gekannt und ihre normale Aura war ihm vertraut.

„Ich wiederhole, soll das Programm nun ausgeführt werden?” wiederholte Roleta etwas ungeduldig.

„Bitte fahre fort,” sagte die Stimme von Mur'ru hinter dem Rücken Da'ans. Sie war ebenfalls zum allgemeinen Aufbruch eingetroffen.

„Hoffen wir, dass dieser Nebel seine Wirkung tut,” meinte der ältere Jaridian-Offizier Rj'lev und blickte auf seinen Sohn. Er hätte sich nicht mit einem Mischlingswesen einlassen sollen! Diese Hybridin hatte ihn spielend leicht um den Finger gewickelt. Schon damals, als sie auf dem Planeten gefangen waren, hatte er die zwei beobachtet und erste Zeichen der Annäherung entdeckt. Rj'lev konnten nicht verstehen, warum Je'dir unbedingt sie auserwählt hatte. Sein Sohn war genauso dumm wie dieser Ko'lan, der sich ebenfalls mit einer Hybridin einließ. Unter Arterhaltung verstand er, Rj'lev, jedenfalls etwas anderes.

Die ferngesteuerten Kapseln mit der Nebelsubstanz, die wie Bruchstücke von Kometen aussahen, würden die Beiboote an ihren Zielpunkten verlassen. Sonden mit effiziente Bomben würden auf den Weg zu den Toren und den Anlagen geschickt werden. Wenn sie alle ihre Positionen erreicht hatten, würde man endlich den Befehl zur endgültigen Vernichtung der Tzeks geben. Jetzt konnte man nur noch abwarten und „Tee trinken”, wie es bei den Menschen so schön hieß.

 
* * *
 

Rj'lev näherte sich seinem Sohn, der gerade in der Kantine eine Mahlzeit - gebratene Fischartige mit fremdartigen Gemüsen und Tang - zu sich nahm.

„Da du dich mit dieser Hybridin vergnügst und nicht daran denkst, dich mit Palwyr zu einigen, habe ich beschlossen, sie zu meiner Frau zu machen,” teilte ihm der ältere Jaridian kurz und bündig mit. „Trestim erwartet schon längst von Korn't ein Kind, während du wertvolle Zeit mit dieser artfremden Taelon-Mensch-Kreuzung vergeudest.”

„Sie heißt Sy'la und ich fordere deinen Respekt! Außerdem werden wir mit der Zeit selbstverständlich unsere drei Spezies vereinen. Alle anderen Vorstellungen wären reine Illusion. Gerade WEIL mir das Wohl der letzten Jaridians am Herzen liegt, ist das die einzige intelligente Alternative. Zu deiner Heirat meine besten Glückwünsche. Ich hoffe, Palwyr wird fröhlich und fruchtbar!”

„Phrasen, lauter Phrasen!” meinte Rj'lev dazu. „Meine Lebenszeit neigt sich dem Ende zu. Vielleicht werde ich das Kind nie sehen. Das mindeste, was ich erwarten kann, ist mehr Einsatz deinerseits, damit dieses Schiff wieder nach Hause zurückkehren kann. Die Beiboote sind draußen - was tust du also hier? Ich selbst bin erst jetzt zurückgekehrt! Sollen diese armseligen Menschen vielleicht den Sieg für sich beanspruchen?”

„Du bist gerade zurück? Na, dann steht ja ein Beiboot endlich für mich zur Verfügung! Ich drücke mich schon nicht, Vater!”, sagte Je'dir verärgert und lief heiß an. „Du musst mich nicht erinnern. Ich war schon mehrmals draußen, weißt du?” Er schob den Teller mit einem Ruck von sich und entfernte sich. Rj'lev ging ihm manchmal wirklich auf die Nerven.

 
* * *
 

(Auf der Krankenstation:)
„Hi, Ben! Kennst du mich noch? Das bin ich, Mia!” Die Sigeranerin hopste verspielt, in der Gestalt eines blondlockigen kleinen Mädchens, in die Ordination Dr. Myingas.

„Wie könnte ich dich vergessen”, meinte der schwarze ältere Arzt zur „Botschafterin”. „Wieder deine Form gewechselt, was? Und, warum habe ich die Ehre, dich hier zu sehen?”

„Ooch!” schnaufte sie, ganz in der Rolle eines menschlichen Kindes. Die Formwandlerin veränderte sich periodisch nicht nur körperlich - sie spielte auch ihre jeweiligen Rollen perfekt. - „Die Erwachsenen palavern in der Zentrale, die anderen Kinder verstehen mich auch nicht, Sy'la ist die ganze Zeit mit diesem Jaridian zusammen - es ist einfach langweilig!”

„Ein Tipp”, sagte der Arzt und setzte seine Arbeit wieder fort - die Betrachtung von irgend etwas unter einem Gerät, das so aussah wie ein Mikroskop - „fall doch Da'an auf die Nerven. Der spielt gern für dich Vater oder Mutter oder Mentor. Der bemuttert zusammen mit Ko'lan ja auch ständig die Kinder auf der Kinderstation!”

„Kein Wunder, sind doch vier seiner eigenen Kinder darunter. Stimmt es, dass eines dabei ist, dessen Mutter Boones Schwester war?”

„Was du wieder alles weißt”, sagte der Arzt, ohne richtig zuzuhören. „Und wer soll das gewesen sein, dieser - Boone?”

„Ist nicht so wichtig.” Die Kleine trat interessiert näher. „Was machst'n da?”

„Ich betrachte hier diese ominösen Sporen, die wir als biologische Waffen gegen die Tzeks einsetzen. Kann nicht schaden, ein Gegenmittel zu entwickeln, falls irgend etwas schief läuft. Wären ja auch für uns tödlich.”

„BIOLOGISCHE WAFFEN?” fragte Mia entsetzt.

„Hast du keine Ahnung, was vorgeht?” fragte Myinga erstaunt. „Wir haben beschlossen, die Tzeks auszurotten - bevor sie UNS ausrotten.”

„Ich war lange krank!” antwortete die Sigeranerin. Sie ließ sich die ganze Sache erklären. Es wurde dabei deutlich, wie ablehnend sie gegenüber dem Beschluss war.

„Noch nie, noch nie war ein Mitglied unseres Volkes beteiligt an einem Massenmord,” sagte sie voller Abscheu. „Wir Sigeraner sind berühmt für unsere Vermittlerkunst. Seht euch an! Drei Todfeinde - und jetzt drei Spezies, die zusammenarbeiten. Ihr habt es gerade nötig, über andere Gericht zu halten. Es muss doch eine andere Möglichkeit geben, als Milliarden intelligente Wesen hinzurichten - nur weil sie LEBEN wollen.”

„Wir wollen auch leben!” meinte Myinga verdrossen. „Und es gibt nichts, was wir anders tun können. Aus Bakterien werden nie und nimmer Farmer. Zuerst zerstörten sie die eigenen Welten, jetzt unsere. Wir handeln in Notwehr.” Der Arzt sah von seinem Mikroskop auf, aber da war die Formwandlerin schon hinausgehuscht.

 
* * *
 

(In der Nähe einer Zentralwelt der Tzeks:)
Je'dir und drei andere Menschen flogen das Beiboot in Richtung des Tzek-Planeten. Das kleine getarnte Schiff, eingehüllt in der künstlichen Blase des heimatlichen Universums, damit die Nebenwirkungen des fremden Seins gedämpft wurden, und umgeben vom grün-roten Nebel der Sporen, trat unbemerkt, aber mit tödlicher Fracht in den Atmosphärengürtel ein. Die Tzeks, voller Überzeugung, dass keine bekannte Spezies es längerfristig in ihrem Universum aushalten konnte, ja nicht einmal in die Dimensionsschleuse einzudringen imstande war, waren völlig unbesorgt, sträflich leichtsinnig geradezu. Wen sollten sie schon fürchten? Sie wussten, alles Leben war in ihrem Universum ausgelöscht.

Vom Schiff aus konnte man draußen von weitem die weißen Gespinste sehen, die zwischen den Bergen hingen - Wohnstätten für tausende Tzeks. Sie wussten nicht, dass das „Ungeziefer” sich anschickte, millionenfachen Tod über sie zu bringen.

„Alles erledigt”, meinte Karin hinter dem Jaridian. „Die Sonden mit den Bomben sind auf die Anlagen für die Tore ausgerichtet, sowie auf die wichtigsten Produktionsanlagen. Wenn unser Mutterschiff das Signal aussendet, werden sie ihren Weg suchen und die Anlagen und andere bedeutende Punkte hier vollkommen zerstören. Wir können jetzt einen weiteren Planeten anfliegen.”

„Gut”, meinte Je'dir. „Machen wir, dass wir wegkommen.” Das Beiboot entfernte sich, um das nächste Ziel anzupeilen. Einen der Hauptplaneten der Tzeks. „Sind ja nur einige hunderttausend Lichtjahre. Wir sind in etwa einer Stunde da.”

 
* * *
 

(An Bord des Zefirschiffes:)
„Ist dieser Verfall jeglicher Moral und Würde, die Ko'lan so abscheulich demonstriert, nicht entsetzlich?” meinte der Taelon Dar'den und unterstrich gestikulierend seine Worte, seine Empfindungen ausdrückend. „Es ist kaum zu glauben, dass ein Taelon sich dazu hergibt, sich mit einer Mensch-Jaridian-Hybridin zu paaren. Auch wenn Da'an Ariels Mentor ist.”

„Unsere alten Sitten und Gebräuche, unsere Tradition ist dahin”, antwortete Ken'tau bedauernd. „Nie mehr wird es so sein wie früher unter dem alten Gemeinwesen.” Alle Taelons an Bord fühlten telepathisch mit, jedesmal wenn Ko'lan sich vereinigte. Es gab diesbezüglich keine Geheimnisse, zumal alles direkt an Bord stattfand.

„Ko'lan dachte wie wir, bis er dieser Frau begegnete. Sie hat seinen Verstand verhext.” Dar'den war höchst unzufrieden. „Nicht genug, dass wir mit Jaridians an Bord leben und mit diesen primitiven Menschen, auch noch das. Promiskurität.”

‚Du hast es gerade nötig, hier Gift und Zwietracht zu säen’ ätzte Ka'sar telepathisch zu seinem Artgenossen. Ka'sar befand sich wie Mur'ru in der Zentrale, unterhielt sich gerade mit Peter Combe und rechnete gleichzeitig einige Wahrscheinlichkeiten bezüglich der Tzeks aus. Da die geistige Kapazität der Taelons um vieles dem der Menschen überstieg, waren sie problemlos in der Lage, geistig mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. ‚Es ärgert dich doch in Wahrheit nur, dass du selbst keinen kompatiblen Partner findest, um dich fortzupflanzen!’

‚Dar'den kann sich nicht fortpflanzen, er befindet sich nicht im Ka'atham’, mischte sich nun auch noch Mur'ru geistig ein. ‚Aber wenn er noch etwas wartet, werden die Taelon-Kinder alt genug für ihn sein, wenn es ihn überkommt. Auch wenn die neuen Taelons teilweise menschliche Gene in sich tragen. - Pech, Dar'den!’ Mur'ru war amüsiert.

‚Ruhe, Frieden’ ließ Da'an telepathisch einfließen. Er war gerade bei seinen Kindern und spielte mit ihnen. Außerdem befand er sich in einer leichten Meditation. ‚Wir sind so wenige, wir sollten einig sein und nicht streiten. Gönnt doch Ko'lan seine Phase. Und Ariel ist eine mehr als würdige Partnerin!’

‚Wenn du es sagst, Da'an’ dachte Ken'tau. - „Siehst du, mit deinen Vorurteilen bist du alleine, Dar'den!” sagte der Taelon zu seinem miesmutigen Artgenossen abschließend. „Es wird nie wieder so sein wie früher. Unsere Rassen vermischen sich, so ist es vom Schicksal verfügt.”

 
* * *
 

(In einem Beiboot:)
Mia hatte gehandelt. Sie hatte biologische Kulturen geladen und einen Überlebensplan ausgearbeitet, um die Tzeks zu Zuchtkulturen zu animieren. Heimlich schlich sie sich ín eines der zurückgekehrten Beiboote und startete. Roleta gegenüber hatte sie vorgegeben, sich am Sporen- und Vernichtungsprogramm zu beteiligen. Die künstliche Intelligenz meldete sich umgehend.

„Mia! Du hast keine zusätzlichen Besatzungsmitglieder an Bord. Das Programm erfordert pro Boot vier Passagiere. Kehre um!”

„Ich verfolge mein eigenes Projekt. Ich will im Sektor Alpha-Phi einen seltsamen Tzek-Planeten erforschen, der uns wertvolle Hinweise geben könnte. Ich benötige dafür keine Crew.”

So leicht ließ sich das Zefirschiff nicht täuschen. „Mir ist kein besonderer Planet in Alpha-Phi bekannt. Das muss ein Irrtum von dir sein. Außerdem geht das Sporenprogramm vor. Ich muss dich zurückholen.” Nach einer Sekunde: „Du hast einige Funktionen außer Betrieb gesetzt. Das ist Sabotage! Du gefährdest unsere Mission!”

Mia schaltete die Verbindung zu Roleta ab und verschwand mit dem Schiff im Überlicht-Raum. Sie verstand viel mehr von Technik, als die Besatzung erfahren hatte. Schließlich war sie in ihrem Leben weit herumgekommen. Bestimmt würde das Zefir-Schiff ein oder mehrere Beiboote hinterherhetzen. Sei es drum!

Mia wechselte in die Metamorphose. Es musste schnell gehen. Die Tzeks betrachteten alle Nicht-Tzeks als Ungeziefer, Bakterien, Feinde. Nur als Tzek bestand eine vage Möglichkeit, Gehör zu finden. Sie wollte es zumindest VERSUCHEN, das war sie ihrer sigeranischen Art einfach schuldig. Versuchen - oder sterben. Das Beiboot würde nach der Landung in Atome zerbersten, das war bereits arrangiert. No way of return.

Sie passte nicht auf. Große Teile der Automatik - so bei den Sensoren - waren off-line. Sie landete kurz nach der Zeit, nachdem Je'dir im getarnten Beiboot die Sporen auf der Rückseite des wichtigen Tzek-Planeten verstreute hatte.

 
* * *
 

(Nahe des Tzek-Planeten:)
„Das darf nicht wahr sein!” rief Chaim Malworth. „Je'dir, eins unserer Boote ist soeben auf dem Planeten hinter uns gelandet und hat sich binnen 3 Minuten gesprengt.” Der Mann war geschockt.

„Die Tzeks müssen gerade hören, dass Fremde in ihrem Universum eingetroffen sind”, knurrte Je'dir heiser, nachdem er die Nachricht verdaut hatte. „Wie bei allen Ramas-Teufeln kommt ein Boot da hinunter? Gab es tatsächlich einen Verräter unter uns an Bord?” Er lief heiß an vor Zorn.

„Negativ - keines unserer Spezies ist auf dem Planeten ortbar”, antwortete Karin. „Da ist nur ein verwehender Hauch - aber wirklich nur ein Hauch - unseres Universums da unten. Kann aber auch vom Beiboot stammen.”

„Das Beiboot ist vollkommen zerstört?” vergewisserte sich Je'dir.

„Atomisiert. Nicht mehr zusammensetzbar, nicht mehr ergründbar”, antwortete Felix Hansen. „Wir dürfen nur ja keinen Mucks machen. Ein Funkspruch könnte abgehört werden.”

„Das Beste ist, wir fliegen so schnell es geht zum Mutterschiff und berichten”, meinte Je'dir und leitete die Flugkorrekturen ein. „Die suchen das Beiboot bestimmt schon.” Mit Höchstwerten kehrte das Schiff zur Roleta zurück.

 
* * *
 

(Auf dem Tzek-Planeten:)
„Ich habe dich hier nie gesehen!” stellte der Clanchef der Tzeks fest. Er war einer derer, die die meisten Abspaltungen von sich produziert hatte, also von hohem Rang. Er war von imposanter schwarzer Größe, hatte die Tentakel und Fühler imponierend gerade aus steif nach allen Seiten ausgestreckt und ruhte auf einer seidenweichen Hängematte. Eifrige minderwertige Duplikate waren dabei, mit Desinfektionsmitteln Boden, Geräte und Gespinste zu reinigen. Beunruhigende Nachrichten waren von der Hauptwelt gekommen: eine Invasion von giftigem Ungeziefer hatte als Seuche die Tzeks befallen. Sie wurden binnen weniger Stunden spaltunfähig, oder schlimmer noch: ein pelziger Belag hüllte den armen Befallenen ein und saugte ihn bei lebendigem Leib aus. Eine Seuche - das hatte es seit hunderttausend Jahren oder noch länger nicht mehr gegeben! Strikte Quarantäne war angeordnet worden. Was war die Ursache dieser Seuche?! Das ganze war hochinfektiös, die hochgerechnete Zahl der Unfruchtbaren unter den paar überlebenden Befallenen betrug statistische 99, 9976 Prozent. Das bedeutete das Ende der blühenden Kultur der Tzeks!

Ein verdächtiger Tzek war von Soldaten aufgegriffen worden, der sonderbare Geräte mit sich führte. Sie hatten diesen minderwertigen Tzek direkt zu ihm zum Verhör gebracht. „Rede!” herrschte das Clanoberhaupt den Verdächtigen an. „Bist du ein Ich, der das Ich vergiften will?”

„Ich will das Ich nicht vergiften, sondern will nur helfen”, zirpte Mia verführerisch. „Alle Tzeks leiden an einer Katastrophe, vielleicht habe ich das Gegenmittel. Wir müssten dann keine Welten mehr überfallen und uns einer Ansteckungsgefahr aussetzen. Alles, was wir zum Leben brauchen, können wir selbst produzieren.” Sie baute die Gerätschaften auf und begann voll Hoffnung, zu erklären. Dann musste sie alles wieder einpacken und man brachte die als Tzek auftretende Sigeranerin zum übergeordneten Chef, und von diesem schließlich zum großen Boss auf diesem speziellen Planeten. Inzwischen waren mehrere Stunden vergangen, und sie fühlte sich total müde. Sie erklärte aber das Ganze nochmals. Der ranghöchste Tzek hörte sich alles an, und meinte dann dazu: „Wir kennen das Verfahren.”

„Was du Ich erzählst, ist weder neu noch relevant”, setzte er fort. „wir sollten also deiner Meinung nach diesen herrlichen Planeten mit Ungeziefer aus Zuchtbehältern verseuchen, anstatt wie bisher die Ausbreitung unserer herrlichen Rasse zu fördern und das minderwertige Leben auszumerzen. Warum sollten wir diesen Aufwand betreiben, ist doch der Weg bisher so überaus erfolgreich? Keine andere Art ist mit der unseren vergleichbar, keine so fortgeschritten. Warum eine Methode ändern, die mir allen Wohlstand, alle Prosperität und Fruchtbarkeit garantierte? Warum sollten wir unser Ich mit Ungeziefer beschmutzen?”

Der oberste Clanchef plusterte sich auf. „Ich sage dir: du Ich bist ein Verräter! Ein übler Verleumder und Schädiger all dessen, was uns wertvoll ist. Du sollst als Nicht-Ich ausgemerzt und wiederverwertet werden, und mit dir alle deine Duplikate. Wir Tzeks brauchen keinen wie dich!”

„Wenn du Ich nicht auf mich hörst, werden alle Tzeks sterben! Du bist eine Schande für mein Volk. Du Ich hast keine Vernunft.” Mia war außer sich. Zum ersten Mal hatte sie als Vermittlerin versagt. Das war selten auf Sigera. - Sigera! So weit weg.

„Ich hätte euch ein Gegenmittel gewusst, aber so werden alle sterben, sinnlos sterben.” Sie fühlte es bereits. Sie war infiziert. Nur noch ein oder zwei Stunden, und sie würde sterben. Der braune pelzige Belag von Sporen quoll schon über ihre Ausscheidungsorgane. Alles war sinnlos gewesen.

„Bringt diesen Nicht-Ichten Tzek bloß weg und verhört ihn erbarmungslos, bevor er stirbt,” ordnete der oberste Tzek angewidert an. „Und desinfiziert hier alles, es stinkt!” Entsetzt fühlte er, dass er auch trotz all seiner Macht schon krank war, aber er wollte es nicht wahrhaben. Er schickte alle fort und rollte sich in seine Gespinste, um sich vor der Krankheit zu verstecken.

 
* * *
 

(Über der betreffenden Tzek-Welt:)
Als das Zefir-Schiff endlich nach mehreren Stunden über dem Planeten erschien, waren so gut wie alle Tzeks tot oder infiziert. Vereinzelt sah man von oben per Tele-Zoom überlebende befallene Tzeks verwirrt am Boden kriechen. Der Planet war unrettbar verseucht und durfte nicht betreten werden. Robotsonden, die getarnt und unsichtbar mit feinen Meßgeräten speziell nach Signaturen der Formwandlerin suchten, fanden schließlich nur zerstörte Geräte vom Bord der Zefir und vernichtete biologische Kulturen. Die Form, die einmal Mia gewesen war, hatten die Tzeks offenbar in einer Wanne voll Säure aufgelöst. Ihre Atom- und Zellsignatur endete da. Sie war tot.

„Sie war ein edles Wesen, auch wenn ihre Mission gescheitert ist”, meinte Da'an dazu. Er hatte inzwischen mit Dr. Myinga gesprochen und so waren Mias Beweggründe offenbar geworden. „Sie gab ihr Leben für ihre Überzeugung, die Völker friedlich zur Ko-existenz überreden zu können. Wir müssen ihr Andenken ehren, selbst wenn sie uns mit ihrer Flucht in große Gefahr gebracht hat. Wie sagen doch die Menschen? Wer sein Leben hingibt um auch nur ein Leben zu retten, der hat damit alles Leben gerettet.”

 
* * *
 

Ein kleiner Teil der Säure wurde mit Hilfe der Roboter am Bord gebracht und in einen kunstvollen versiegelten Behälter gegossen. Sie wollten Mia ehren für all das, was die Vermittlerin für sie alle getan hatte. Die Crew versammelte sich in einem Hangar des Schiffes. Alle hatten sich festlich angezogen. Die Taelons trugen würdevoll dunkel-violett glitzernde Umhänge. Die Jaridians hatten Schwarze Kampfuniformen, die, wenn sie sich im Licht bewegten bläulich schienen. Ariel kleidete sich in einem taelonähnlichen Kleid mit tiefem Ausschnitt. Neben ihr stand Ko'lan. Auch all die andern Crewmitglieder waren dunkel bekleidet. Bei den Menschen drückten die dunklen Farben Trauer aus.

Sy'la hatte sich ein nachtschwarzes bis zum Boden reichendes Kleid von Ariel ausgeliehen. Sie fühlte sich schuldig, weil sie Mia zuletzt vernachlässigt hatte. Der Zuspruch Ariels tröstete nur wenig über deren Tod hinweg. Dy'tra, ihre beste Freundin, war gestorben, lange bevor sie den Per-Peri Xi-aou begegneten, und der war auch schon seit Monaten tot. Sie beide hatten sich aufgerafft, als der Per-Peri auf dem Planeten Rais qualvoll starb. Sie erinnerte sich, wie sie beide eisern zusammengehalten hatten, als sie ziellos durch die Gegend irrten, ohne Wasser und Nahrung. Jetzt stand sie stillschweigend neben Je'dir mit einer roten künstlichen Rose in der Hand. Tränen liefen ihr die Wangen herunter.

Die Zeremonie ging still vor sich hin. Da'an hielt eine kurze Ansprache. Doch all die Worte konnten Sy'la nicht aufmuntern. Sie ging langsam durch den Raum und legte die Rose auf dem silbrigen Behälter ab. Ihr Shakaravah leuchtete dabei vor Schmerz kurz und hell auf. Die Erinnerung an Mia würde weiterleben in ihr. „Du bleibst uns immer in Erinnerung,” flüsterte sie. Je'dir nahm ihre Hände und führte sie an ihren Platz zurück. Nein, es war jetzt wirklich nicht die Zeit, Wut raus zu lassen. Man konnte niemanden die Schuld an den Tod der Sigeranerin geben. Sie allein hatte entschieden, als Vermittlerin zwischen den Spezies zu dienen. Und sie war für ihre Überzeugung gestorben.

Langsam wurde der Behälter mit einem Anti-Schwerkraft-Impuls hinaus ins fremde Universum getrieben. Dort öffnete es sich und ließ die Überreste von Mia frei.

 
* * *
 

Ken'tau war gerade beschäftigt, die Planeten der Tzeks per Sonden durchzuscannen. Es hatte Tage gedauert, bis sich die Nebel gelöst hatten und man wieder mit den Scannern gründlich arbeiten konnte.

„Alle Tzeks auf den Planeten wurden ohne Ausnahme eliminiert. Und würde es ein paar Überlebende geben, dann könnten sich diese nicht weiter fortpflanzen, alle sind ausnahmslos verseucht. Der Erfolg erreicht fast 100 Prozent. Ein paar noch flüchtige Schiffe fallen nicht ins Gewicht. Es besteht keine Gefahr mehr für unsere Spezies.”

„Das ist die erste gute Nachricht, die ich seit langem gehört habe,” meinte Dr. Myinga erleichtert und lehnte sich mit seinem Stuhl nach hinten.

„Die Mission ist erfüllt. Jetzt können wir endlich zur Erde fliegen und uns dort nützlich machen,” sagte Da'an. „Aber wir sollten erst die Zazas kontaktieren, bevor wir auf dem Heimatplaneten der Menschen ankommen. Schon allein um zuhören, wo Ho'shin und London sind.”

„Die Erde, endlich!” freute sich Andre. Es kam ihn vor, als hätte er seinen Heimatplaneten seit Jahrzehnten nicht gesehen. Dabei waren es Jahrhunderte.

„Wir wissen nicht, was mit der Erde inzwischen geschehen ist. Hoffentlich kommen wir nicht zu spät! Die Erde wird zumindest erhebliche Schäden aufweisen. Und vergessen wir nicht: Die Anlagen für die VOKS warten dringend auf ihre Unschädlichmachung”, meinte Da'an.

 
* * *
 

„Los!” schrie der junge Jaridian und trat gleichzeitig gefährlich auf sie zu. Sie wich seitlich geschickt aus, schnappte sich einen seiner Arme und lenkte seinen Körper zu Boden. Grinsend stand sie vor ihm. Sie hatte ihn doch tatsächlich Überlisten können. Oder nicht?

„Na warte du!” Je'dir setzte zu einem Sprung an und warf die junge dunkelhaarige Frau sanft zu Boden. „So schnell kann sich die Lage ändern.”

Sy'la machte eine freche Grimasse und zog ihn zu sich. Eine wohlige Umarmung ließ Je'dirs Shakarava an den Händen aufleuchten.

Er wusste selbst, dass er nicht mehr viel Zeit haben würde, vielleicht nur noch ein paar Jahre, dann würde er sterben. Er war dankbar, dass er diese Zeit mit so einem lieben Wesen verbringen durfte.

Sein Vater betrat mit seiner Partnerin die Trainingsanlage und betrachtete die beiden kurz.
„Wir sollten lieber gehen,” sagte Je'dir und nahm Sy'la an die Hand.

„Warum denn so eilig?” fragte Rj'lev, tückisch grinsend, und legte eine Hand auf die Schulter seines Sohnes. „Wie wäre es mit einer Runde Kampfgeist?”

Obwohl sein Vater seinerseits geübter im Kampf war, hatte er nicht mehr die Kraft wie in früheren Tagen. Dennoch sehnte er sich nach Bewegung. Dieses Bedürfnis lag den Jaridians im Blut, wie einem Windhund das Laufen. Je'dir nahm die Herausforderung seines Gegners daher an.

 
* * *
 

(Auf dem Tzek-Planeten:)
YYYY rollte vollkommen matt und verklebt mit bakteriellem Pelz auf dem Körper in eine Ecke des Raumes, hin zu den Funkanlagen. Der Tzek war - so musste er annehmen - der einzige bis jetzt noch lebende seiner Spezies auf diesem Planeten. Seine Sehfühler konnten kaum die Instrumente wahrnehmen. Sein hauptsächlich aus Siliziumverbindungen bestehender schwarzer Körper hatte Schmerzen. Das Ungeziefer fraß sich durch seinen Leib, und keines der Desinfektionsmittel hatte geholfen. Seine Tentakel konnte YYYY nur noch mühsam kontrollieren.

Der Tzek hatte die Aufgabe besessen, Tagesberichte zu verfassen und sie dem Geschichtswerk des ICHs hinzuzufügen. Ein Geschichtswerk, welches Millionen von Jahren zurückreichte, seit der mythischen Erweckung und der Erfindung des BAAT-Materials, auf dem man Daten einbrennen konnte (Anm.: eine Schrift). Das war damals, als den Tzeks vom Erwecker gesagt worden war, sie müssten nur ja auf der Hut vor jeglichem Ungeziefer sein und jegliches Ungeziefer auslöschen, damit sie nicht selbst ausgelöscht wurden. Das war verzeichnet auf den BAAT-Scheiben der obersten und ältesten Clans: „Am Anfang holte der Erwecker die Tzeks und gab ihnen Namen und Kultur, und sagte: Freßt und vermehrt euch unablässig, ihr seid die Spitze aller Schöpfung und das Erbe meiner Weisheit gehört euch. Daher vernichtet alles andere, und ihr werdet für immer leben und zu essen haben. Vernichtet und freßt es, denn es ist wertlos.”

Diese Worte waren die Ur-Erinnerung der Tzeks, und diese Richtlinien hatten Wohlstand, fette Bäuche, jede Menge Technologie und die universale Weltherrschaft gebracht. Aber sie hatten sich versündigt, sie hatten nicht auf die warnenden Worte des Erweckers gehört und nun starben sie durch das Ungeziefer aus. Sie waren einfach zu nachlässig gewesen. Ab und zu hatte sogar ein wahnsinniger Tzek behauptet, man solle Ungeziefer zur Nahrung züchten, wie es andere zerstörte Planeten der anderen Fremden getan haben. Was für ein entsetzlicher und frevlerischer Gedanke. Natürlich waren diese missgeborenen Tzeks sofort eliminiert worden. Und jetzt - wer oder was sollte den Tzeks nachfolgen? Etwa ein Universum voller Ungeziefer??

YYYY kratzte sich voller Widerwillen zwischen den Stacheln, um sich sogleich mit den ineffektiven Desinfektionslösungen einzusprühen. Sie halfen zwar nicht, aber es war Gewohnheit. Irgendwo lauerte da draußen der Feind, der den Tod gebracht hatte. Er wartete. Aber solange nur EIN Tzek überlebte, überlebten laut ihren Mythen ALLE. Sie alle waren Spaltlinge aus demselben Erbgut. Starb ein Tzek - so ihre Vorstellung - kehrten sie geistig zur universellen ursprünglichen Einheit des Ur-Tzeks zurück und vereinigten sich mit ihm. Und jeder überlebende Tzek WAR der Ur-Tzek!

”An alle Tzek-Clanschiffe: Warnung! Planet mit eingeschlepptem Ungeziefer verseucht! Absolut tödlich! Betreten für immer strikt verboten!” Diese Botschaft wurde von allen Planeten der Tzeks - allen 781 ! pausenlos gesendet. Selbst wenn es Überlebende gegeben hätte, hätten sie durch andere Schiffe nicht geborgen werden können. Die Tzeks wagten nicht einmal, die Planeten zu betreten, um die Anlagen für die Dimensionspforte zwischen den Universen zu bedienen. Ab und zu flog ein verwirrtes Schiff ziellos im Territorium vorbei, auf der hoffnungslosen Suche einer noch unverseuchten Station auf irgendeiner Welt.

”Ich werde sterben, als vermutlich Letzter der Tzeks, und vermache heute die Botschaft des Geschichtswerks denen, die sie finden. Vernichtet das fremde Ungeziefer! Verflucht sei es für diesen heimtückischen Massenmord an den Kindern des Erweckers! Unser glorreiches Leuchten erlischt jetzt.”

Die Tentakeln YYYY's fielen vom Schreibbord, kraftlos sackte der Tzek zusammen, überzogen vom tödlichen grauweißen Pelz der Sporen.

 

Ende von Kapitel 9

 

Zurück / Back

 

Zum Seitenanfang