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  „Die VOKS” von Sy'la und Susanne   (Emailadresse siehe Autorenseite),   März 2003
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorinnen.
 
Thema:  Kaum auf einem Planeten angekommen, ist man schon gestrandet, denn der erste gefundene Taelon ist als Outsider nicht gerade kooperativ... und der Planet Rais ist tückisch...
Zeitpunkt:  Lange nach dem Ende der 5. Staffel
Charaktere:  Der Per-Peri Xi-aou, die Sigera-Botschafterin Mia, Haggis, Dr. Ben Myinga, Andre Markus Andersen, die Hybridin Sy'la, die Eingeborenen von Rais und der Taelon Ko'lan.
 

 

DIE VOKS

Kapitel 3

 

Ein paar Stunden später, nachdem sich alle vom Feiern erholt hatten, ging es zum Planeten namens „Rais”. Sie hatten ihr Ziel fast erreicht. Ko'lan, der Taelon, konnte sich nicht weit von ihrem Landeplatz aufhalten.

Zum Erstaunen der Zweibeiner ähnelte diese Welt der Erde sehr. Andersen stand an der Aussichtsplattform und sah sich das Landemanöver von Sy'la mit an. Sie hatte es mittlerweile gelernt, mit diesem Schiff umzugehen, und machte ihre Sache ziemlich gut. Langsam und mit Vorsicht landete sie auf einer großen grünen Wiese.

Sie musste aufpassen, denn merkwürdige Riesengestalten grasten darauf, die sahen aus wie vor langer Zeit auf der Erde ausgestorbene Mammuts. Die Farbe des Fells hatte eine komische lila-rote Mischung und ihre gelb-grünen Rüsseln hingen bis auf die Wiese hinunter. „Witzige Wesen, die sehen aus wie geschminkte Elefanten”, meinte Sy'la amüsiert. Xi-aou drehte sich etwas benebelt zu ihr um, die Wirkung des Alkohols hatte scheinbar immer noch nicht nachgelassen. „Wir werden jetzt eine Such-Truppe losschicken müssen, um den Taelon zu finden. Wer möchte sich freiwillig melden?” Sy'la streckte ihre Hand weit nach oben, um zu signalisieren, dass sie an der Kurzreise gern teilhaben würde. Was das anging nahm sie Xi-aou gern mit. Natürlich waren auch Mia und der Blonde mit von der Partie. Myinga blieb an Bord, um sich, falls die es Lage erforderte, mit der Gruppe in Verbindung zu setzen und natürlich um weiter den Zustand der schwer verletzten Haggis zu überwachen.

 
* * *
 

„Endlich im Freien!” freute sich Mia. „Nur schade, dass wir diese ‚Dinger’ tragen müssen. Für mich gäbe es hier sicher was Gutes zu fressen.” Mit ‚Dinger’ meinte sie die leichten, fast durchscheinenden Atemmasken, die wie weiche Schleier aus Tüll Mund und Nase verhüllten, ohne das Atmen zu behindern. Mit Genuss schärfte Mia ihre Krallen an einem großen Stein, den Schwanz hoch aufgerichtet, den Rücken gekrümmt haltend. „Herrlich!”

„Wir sollten versuchen, eine Siedlung der Rai zu finden, falls es so etwas gibt”, meinte Andersen, „nachdem die Energiekammer gleich hinter dem Hügel da ist, müssen die den Taelon kennen.”

Einige der großen ‚Mammuts’ zogen weiter vorne vorbei. Am gelbgrünen Himmel sah man alle möglichen Lebensformen vorbeifliegen. Einige segelten malerisch kreisend hinauf und hinab, lange bunte Schwänze hinter sich wehend; andere flogen eilig in Scharen einem Ziel in der Ferne zu, und andere wieder flatterten um Bäume, die aussahen wie riesige Exemplare von Löwenzahn, Gänseblümchen oder von Blüten übersäte Kakteen. Die Tiere, die Flora, der Wind, der Himmel, die Riesensonne, alles war eine einzige fremdartige Melodie. Der Planet sang sein ihm eigenes, ewiges Lied.

Der saftige braungrüne Boden war seltsam weich, wie mit verschiedenen Moosen bewachsen. Sah man genauer hin, erkannte man winzige Insekten, die in den Moosen lebten.

„Wir sollten aufpassen, dass wir uns keine Zecken, Flöhe oder wer weiß war einfangen”, warnte Xi-aou und sah besorgt sein Fell an den Händen an. „Von Bakterien und Viren ganz zu schweigen. Und bestimmt gibt es Raubtiere. Dieser Planet scheint sehr fruchtbar zu sein.” Er war noch immer ganz benommen.

Sie wanderten, die Gegend wachsam beobachtend, zur Energiekammer. Sie leuchtete bläulich mit ihrem virtuellen Glas. Der größte Teil von ihr lag bereits unterirdisch, nachdem die Jahrhunderte Schicht um Schicht Erde auf ihr abgelagert hatte. Nur der Eingang war freigehalten worden. Sie stand auf einer leichten Anhöhe vor einer mächtigen Felswand, geschützt vor den Mammuts und anderen großen Tieren. Die Energiekammer war nicht viel größer als ein großer Kasten, worin ein Taelon-Sessel Platz hatte. Ein letztes Gnadengeschenk für einen Verstoßenen.

„Ko'lan muss etwa jede Woche hierher. Wir werden ganz einfach hier warten, was nicht heißt, dass wir uns nicht umsehen können”, meinte Xi-aou. „Vielleicht finden wir genießbares Gemüse, Obst, Fleisch... ihr wisst schon, man kann nie genügend Lebensmittel haben. Und natürlich Wasser.”

Der Planet sah aus wie ein Paradies, und schien gar nicht feindselig zu sein. Sogar die Temperaturen waren angenehm. Die Gruppe bestaunte ausgiebig die Lebensformen, sammelte dies und das, brachte Stichproben zum Schiff, um zu überprüfen, ob sie genießbar wären oder nicht. Der Per-Peri zögerte noch, einen der schönen Mammuts zu töten. Der Abend kam, die Sterne zogen auf, die Mammuts zogen zum Schlafen auf ein Felsplateau, die ‚Vögel’ setzten sich auf die ‚Bäume’, und die Gruppe wollte unbedingt aus Sentimentalität um ein Lagerfeuer auf dem weichen Moos nächtigen; ausgenommen Xi-aou, wegen seinem Fell. Anscheinend hatten Sy'la und Andre das Kriegsbeil vorerst begraben. Der Per-Peri zog sich seufzend zur Steilwand zurück, lehnte sich an den Fels und nickte ein.

 
* * *
 

Das entsetzte Angstgeschrei der anderen weckte ihn. Der Per-Peri musste erst im Dunkeln genauer hinsehen, was denn los sei. Der gesamte Boden wallte und bewegte sich - das schöne weiche ‚Moos’ war ein einziges großes Lebewesen. Es trachtete danach, wie eine Fleischfressende Pflanze die auf ihm befindlichen Lebewesen einzurollen und zu verdauen. Den ganzen Tag über hatte es gelauert und sich nicht einmal vom Feuer irritieren lassen. Nicht genug damit krochen flink aus bisher unentdeckten Höhlen am Boden große schwarze nackte Spinnentiere von der Größe eines Hundes. Die Nacht des scheinbar paradiesischen Planeten entließ seine Raubtiere! Die einzige „gute” Nachricht: die Spinnen scheuten sich, auf das ‚Moos’ zu treten, sondern warteten auf Beute, der eventuell die Flucht aus dem ‚Moos’ gelang. Auf Sy'la, Andre und Mia. Sie schrieen in Panik und versuchten in der dunklen, wallenden und bedrohlichen Welt zu entkommen.

Sie kletterten ungeschickt auf einem der Bäume, die neben den ‚Schlafplätzen’ standen. Mia stellte sich in dieser Situation so meisterhaft an, als ob sie ihr ganzes Leben schon auf Bäumen verbracht hätte. Kein Wunder mit solchen scharfen Krallen, dachte sich die Hybridin. Mit Hilfe der Botschafterin schaffte Sy'la die vielen Äste hinter sich zu bringen. Endlich hatten sie einen festen Platz gefunden, von dem sie nicht so leicht runterfallen konnten, als sich von unten eine Riesenspinne auf sie zu bewegte. Diese Mistviecher waren schlau genug und krabbelten sicher, auf allen Achten, zu Mia und Sy'la hinauf. - Wo Andersen wohl war? Von oben konnte man nicht viel erkennen, die Äste und die Unmenge von Blättern verschlossen die Sicht. „Benutz dein Shakarava!” schrie Mia verzweifelt. „Ich weiß nicht, wie das geht!” schrie Sy'la noch verzweifelter zurück, das erste Krabbeltier berührte Mias Arm. Mit einem Stoß konnte sich die „Botschafterin”, Gott sei dank, davon befreien, doch schon kam die zweite Spinne an und biss Sy'la ins rechte Bein. „Verdammt!” schrie die junge Frau auf und schüttelte das wilde Tier von sich.

 
* * *
 

Andre lief, was die Beine hergaben, fiel einige Male über das sich wölbende Moos und hatte Mühe, jedes Mal von dem klebrigen Zeug freizukommen. Er hatte Glück: das Taelon-Material, aus dem seine Kleidung bestand, war schier unverwüstlich. Er zog sich nur kleinere Verätzungen an den Händen zu. Die Spinnen waren zwar flink, aber offenbar nicht giftig. Es gelang ihm, eine Lücke frei zu kicken. Alles war dunkel, und er hatte keine Zeit, sich viel nach den anderen umzusehen, nur fort, fort! Mit einer leisen Ahnung nahm er noch wahr, dass Sy'la und Mia auf die Blumenbäume hinaufkletterten, bevor die Panik die letzte Vernunft aus seinem Verstand hinwegspülte. Er rannte und rannte - und stürzte unversehens in ein tiefes Loch.

 
* * *
 

(Auf dem Schiff:)
Myinga hatte den anderen gesagt, er wolle auf Haggis aufpassen. Aber in Wahrheit wollte er Zeit haben, um die Dateien des Bordcomputers zu sichten. Die anderen waren ohnehin mit allerlei Arbeiten beschäftigt. Er öffnete in der Nacht einen Zugang zu den Daten. Der Per-Peri war offenbar sehr vertrauensselig, der Doktor fand vorerst keine Sperren. „Computer!” befahl er, „berichte mir von der Situation auf der Erde! Und von unserer Mission.”

„Daten nicht ausreichend. Letzte Eintragung: Bericht vom Mutterschiff, Erdzeit 26. Dezember 2324. Das war vor drei Wochen. VOKS nur noch ein Lichtjahr von der Erde entfernt, nähert sich mit 1/3 Lichtgeschwindigkeit. Panik. Hoffnungslosigkeit. Unruhen. Einsetzende Infiltration durch feindliche fremde Spezies. Große Zerstörungen. Einleitung des Not-Programms „Taelon-Search” von Seiten des Mutterschiffs mit konservierter Crew auf dem Mond des Betageuz-Systems durch deponierten genetisch mutierten Per-Peri.”

„Computer! WAS ist VOKS?” fragte Myinga, doch plötzlich wurde das große Shuttle durchgerüttelt. Irgend etwas hatte sich um das Schiff gelegt wie ein Netz oder eine Schicht. Man konnte merkwürdige Laute hören, wie ein Schmatzen. „Alarm!”, verkündete das Schiff. „Feindliche natürliche Lebensform attackiert von außen dieses Schiff. Ich werde sie vertreiben.” Durch die Fenster konnte man ein blaues Leuchten und Aufblitzen erkennen. Was es auch war, es wurde gerade geschmort. Die Fenster wurden wieder frei. „Angriff auch auf das Außenteam. Ich empfehle Start und Rettungsaktion für das Team.”

„Ich kann das Schiff nicht steuern!” Myinga verwünschte die Lage. „Ist das Außenteam in Gefahr?”

„Die Steuerungsautomatik ist außer Funktion”, klang es kühl in den Raum. „Ich empfehle, das nächste Mal einen Piloten an Bord zu belassen oder die Automatik zu aktivieren.” Klang der Computer beleidigt?
Der Doktor griff nach seinem Global und rief nach Xi-aou. Aber niemand meldete sich. Was sollte er tun? Er war kein Kämpfer. Und wo waren die anderen überhaupt? Mitten in der Nacht?

 
* * *
 

Die ganze Zeit hatte man die Rai gesucht, und ausgerechnet jetzt waren sie da: sie umschwirrten den Per-Peri, waren etwa handgroß, leuchteten und trugen kleine Speere, die sie drohend auf Xi-aou richteten. „Rühre dich ja nicht, du Diener der Synode!” hauchten sie drohend in der Sprache der Taelon, „diese Spitzen sind giftig. Sie töten selbst Mammuts binnen kürzester Zeit.”

Was war auf einmal bloß los? Die Spinnen verständigten sich untereinander mit hohen Tönen, die so schrill waren, dass man sich die Ohren zuhalten musste. Diese Viecher stoppten ihre Attacke und kletterten noch schneller runter von dem Blumenbaum, als sie vorher hoch gekrabbelt waren. Mia und Sy'la sahen sich verwundert an. Was hatte sie dazu gebracht ihren Angriff zu bremsen? Ohne weiters darüber nachzudenken, versuchten sie ebenfalls von ihrem Versteck hinunter zu gelangen. Das klappte offenbar prima. Mia setzte als letzte ihren Fuß auf dem Boden.

Eine seltsame Stimme schrie sie drohend von hinten an, als sich die beiden gerade in Bewegung setzen wollten.

Sy'la blieb vor Schreck wie erstarrt stehen, während Mia majestätisch hinter einem der vielen Büsche verschwand. Sie drehte sich mit größter Vorsicht um. Schweiß rann ihr über Stirn und Rücken, die Dunkelheit raubte den größten Teil ihrer Sinne - und das machte ihr noch mehr Angst. Plötzlich, wie aus dem Nichts, tauchten winzige Wesen auf, die aussahen als wären sie aus einem Märchenbuch entsprungen. Sie leuchteten in weiß-grünen Farben, als hätten sie Glühbirnen gegessen. Jeder von ihnen trug in der Hand einen spitzen auf ihre Körpergröße angepassten Speer. Sie hatten sie umkreist und redeten mit ihr auf einer ihr nicht ganz unbekannten Sprache. Klar, taelonisch!, dachte sie. Trotzdem konnte sie fast nichts verstehen. Sie forderten Sy'la auf ihnen zu folgen.

Sie liefen einige Minuten, bis sie an einer Lichtung ankamen, dort waren noch mehr solcher Wesen und umkreisen ein ziemlich größeres. Sy'la musste die Augen zusammenkneifen, um etwas in der Dunkelheit zuerkennen. Es war Xi-aou, der durch die Taelonsprache, mit diesen kleinen Trollen zu kommunizieren versuchte.

Es hatte für die kleinen humanoiden und beflügelten Rai seine Vorteile, phosphorisierend zu leuchten. Erstmal zeigte es allen Raubvögeln und Sauriern, dass das Völkchen giftig und unverdaulich für sie war. Und dann beleuchtete der Schein von den Feuern und Phosphor die Wohnhöhlen und Hüttchen, die die Rai sich in die Felsen geschlagen und im Boden angelegt hatten. Die ‚Spinnen’ hielten sie sich ganz offensichtlich als eine Art Haustiere oder ‚Jagdhunde’.

Die Kleinen trieben mit ihren Miniatur-Speeren Xi-aou, Sy'la und auch Mia auf einem felsigen Grund zusammen. Wie kleine Hummel oder Kolibris schwirrten sie um die Körper ihrer Gefangenen. Sie schwatzten untereinander unentwegt, was sich wie Vogelgezwitscher anhörte, unterbrochen nur von gehauchten Worten und Befehlen aus der Taelonsprache. Mia versuchte sogleich, das Gezwitscher zu imitieren; noch klang es eher wie ein helles Jaulen.

„Wir kommen in Frieden und haben keine bösen Absichten”, sang der Per-Peri wiederholt mit seinen suggestiven Vibratotönen und verströmte massenweise einen passenden Duft, den er geeignet hielt, die Rai zu beruhigen. Es roch irgendwie nach Honig. „Ihr könnt uns vertrauen. Wir sind nur für kurze Zeit Gäste hier und werden bald wieder fort sein.” Tatsächlich wurde das Volk ruhiger. Sie wurden durch enge, nach unten führende Gänge, die aber für die Rai riesig sein mussten, in eine Art „Halle” geführt, die aus Erde und Felsen gebildet und liebevoll in blauen Farben gestrichen war. Hauchfeine Spalten nach oben ließen Licht und Luft in die „Königshalle” einströmen. Draußen auf der Oberfläche war mittlerweile die Sonne aufgegangen.

„Ich bin Mrka”, zwitscherte eines der Wesen auf taelonisch, „und ihr werdet hier warten, bis unser ehrwürdigster Blauer Riese zurück ist und über euch entscheidet.”

„Ein Gefährte ist noch draußen”, meinte Xi-aou, „womöglich ist er verletzt oder hat sich verirrt. Wir müssen ihn suchen.”

„Wir werden nachsehen”, versprach Mrka und wollte gehen. „Der Blaue Riese, ist das ein Taelon namens Ko'lan? Wir haben eine wichtige Botschaft für ihn”, rief ihm der Per-Peri nach.

„Ko'lan ist beschäftigt. Ihr wartet, bis der Ehrwürdigste kommt”, befahl Mrka nochmals. Dann verließen die Rai die große Halle, nicht ohne im Gang Wachen zu hinterlassen.

 
* * *
 

(Auf dem Schiff:)
Ko'lan war rundum zufrieden. Der Wissenschaftler hatte es geschafft, mit Hilfe der Rai in das gelandete Schiff zu gelangen, das nicht einmal ordentlich bewacht worden war. Mit Hilfe der Rai war es leicht, das Schiff zu übernehmen, das eigentlich die Aufgabe gehabt hatte, alle übriggebliebenen Taelons aufzusammeln. Er hatte das kleine Raumschiff in den letzten zwei Tagen gebührlich inspiziert und sich über die Ereignisse der letzten Jahrhunderte informiert, soweit sie im Schiffspeicher standen. Die letzen Taelons einsammeln, das konnte er wahrlich alleine machen. Die fremde Spezies an Bord - wobei von der zwei Exemplare ohnehin de facto tot waren - ließ er großzügig mit Atemmasken auf einem Plateau zurück. Eine bewusstlose Frau und ein älterer Mann, der nicht einmal dazu fähig schien, taelonisch zu lernen - auf diese konnte er gut verzichten! Ko'lan hielt es für wahrscheinlich, dass die fremde Spezies sich langsam an die Atmosphäre Rais anpassen könne. Wenn schon, konnte er genauso gut ein paar Rai als dienstbare Geister an Bord mitnehmen. Nur der Per-Peri ... dessen Spezies konnte nicht manipuliert werden und hätte womöglich nur Ärger eingebracht. Dieses Problem wollte er sich nicht aufladen.

Etwas schien zu stören - ein ungutes Gefühl, eine Ahnung, eine gewisse Kühle im Raum. Ko'lan schickte sich dennoch an, zu starten und vom Schiff aus mit einem Antigravitationsstrahl seine Energiekammer an Bord zu holen. Plötzlich schien es, als ob ein Blitz in den Bordcomputer eingeschlagen wäre: Er brannte! Die Lichter flackerten, alle Geräte zeigten verrückte Werte an, nichts war zu steuern. Und zu allem Übel schien sich der Energiekern an Bord zu überhitzen und ließ sich nicht mehr abstellen!

Da war das ungute Gefühl wieder - und jetzt offenbarte sich ihm die Quelle: Ein Jaridian war an Bord - noch schlimmer: der Geist eines rachsüchtigen Jaridian! Und Ko'lan hatte das nicht bemerkt. In seinen Gedanken hörte er, wenn er sich konzentrierte, hämische Worte. Der Geist war nicht gewillt, den Verbannten vom Exilplaneten entkommen zu lassen.

Ko'lan fühlte sich hilflos. Es gelang ihm nicht, die Kontrolle über das Schiff wiederzuerlangen. Als die Werte zu kritisch wurden, blieb ihm weiteres übrig, als mit den ihm ergebenen Rai aus dem Schiff zu fliehen und draußen, in Deckung, auf die unvermeidliche Explosion zu warten. Plötzlich: Krach, Splitter, Teile des Schiffes flogen durch die Luft und landeten Hunderte von Metern weiter entfernt, irgendwo. Staub mischte sich in diesem maßlosen Durcheinander. Niemand hätte die Explosion verhindern können. Ko'lan war wütend und maßlos enttäuscht, und hätte ihn seine taelonische Konditionierung nicht gehindert, hätte er wohl vor sich hingeflucht: Er blieb weiterhin ein Gefangener des Planeten. Zornig schickte er die ergebenen Rai nach Hause, damit sie die Fremden freiließen - weitere Gefangene Rais.

 
* * *
 

(Bei Mia, Sy'la und Xi-aou:)
Seit Tagen waren sie in der Höhle. Die Rai hatten von Andersen nur noch einige blutige Kleidungsfetzen gefunden und gebracht und ungerührt gemeint, ein ‚Erdwurm’ hätte ihn wohl erwischt.

Mia sprach schon perfekt die Sprache der kleinen geflügelten Humanoiden und sah auch schon fast so aus wie sie, nur größer, und sehr hübsch. Sie übte bereits mit ihren Flügelchen, und die geringere Schwerkraft von 0,8 g half ihr dabei. Offenbar waren die Sigeraner zyklische Formverwandler. Mia hatte damals durch die Änderung ihrer Körperform in ein Tier die Taelons ausgetrickst und war ihnen so entkommen. Um den Preis, sich auch eine Zeitlang wie ein Tier benehmen zu müssen. Jemand wie Mia würde sich leicht an den Planeten Rais anpassen. Ein Kleidchen hatte sie sich auch schon von den Eingeborenen organisiert.

Die Atemmasken waren inzwischen aufgebraucht und funktionslos geworden. Sy'la tat sich noch immer schwer zu atmen, doch ging es von Tag zu Tag besser. Nur der Per-Peri lag bereits wie tot am Boden. Er erstickte langsam an der für ihn toxischen Atmosphäre, und die Rai ließen sie nicht hinaus und zurück zum Schiff. Sie hatten ihnen nur bitter schmeckendes Wasser gebracht, Stroh und einen großen Kübel, - keinerlei Nahrung. Von Tag zu Tag wurden die Gefangenen vertröstet, dass der ehrwürdige Blaue Riese bald kommen würde oder befehlen würde, sie freizulassen. Es könne nicht mehr lange dauern, hofften sie. Anfangs hatte Xi-aou noch gesungen und alle beruhigt. Die Rai hatten sich jedoch kleine Kopfhörer aufgesetzt und kümmerten sich weiter nicht um die gefangenen großen Wesen in der blauen Höhle.

Xi-aou träumte von der Zukunft, wie es sich ereignen würde: sie waren zu spät und zu wenige. Nachdem fast alle Götter und alle Teufel tot waren, und auch sein gesamtes Volk und viele anderen Völker in diesem Universum ... da war die VOKS. Zuerst die Abräumer. Sie stellten Messungen an. Sie holten sich alles, was sie wert hielten, zu stehlen. Sie töteten alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Sie holten sich, was sie benötigten in ihre Dimension.

Dann die VOKS selbst: sie ließ die Dinge einfach „verschwinden”, löste sie ins Nichts auf, Stück für Stück, Stein um Stein, Sonne um Sonne. Sie verschlang die Energie und holte sie hinüber in ein anderes Universum, fraß dieses Universum mitleidlos auf. Zurück blieb eine riesige unvorstellbar große Blase mit NICHTS darin, nicht einmal Staub oder sonstige Teilchen, kein schwarzes Loch, NICHTS. Wenn man Glück hatte, blieben noch als Überreste Sternenbrücken außerhalb stehen, verräterische Spuren der gigantischen gefräßigen VOKS. Die alten Taelons hatten vor langer Zeit ihre Fress-Spuren gefunden und versucht, mittels der Dimensionstechnologie ein befallenes Cluster zu retten, da sie dort unglücklicherweise eine Besiedelung durchgeführt hatten. Aber es war wohl so - entweder ein Volk war in der Lage, schneller und weiter zu fliegen als die VOKS herankam, oder es wurde aufgelöst und eingesogen.

Die VOKS war jetzt da, ganz nahe der Erde - und nahe auch diesem Stern. Letztlich gab es kein Entrinnen, nur ein Entschlafen. Es war nur eine Frage der Zeit. Xi-aou war schon so müde. Tief benommen hörte er ferne Stimmen.

„Xi-aou, wach auf!” Sy'la schüttelte ihn. Die Hybridin war bereits ganz verzweifelt. „Du darfst hier nicht so wegsterben. Ko'lan MUSS doch irgendwann kommen.” Das Fell des halbbewusstlosen Per-Peri war ganz stumpf und zerzaust, und er bot einen ganz jämmerlichen und kranken Anblick.

„Vielleicht ist Ko'lan langst tot, und alles hier ist nur Theater”, meinte Mia, „oder Ko'lan hat ganz andere Pläne. Warum sollte der denn besser sein als die anderen hinterlistigen Taelons?”

Xi-aou tauchte wieder hinab in seine Träume. Helles Licht. Und dann - sein Planet. So wunderschön, mit den Gesiren und Sümpfen und den wogenden Schachtelhalmwäldern. Den herrlichen Düften und Gesängen in der Luft. Und so viele andere Per-Peri! Wo kamen sie alle her? Zwei Gestalten. So könnte sein Vater, seine Mutter ausgesehen haben, die er nie gesehen hatte. Er rief nach ihnen und streckte seine Hände aus, und sie kamen näher. „Ich will endlich nach Hause, nach Per-Per”, sagte er zu ihnen, „ich habe so lange gewartet.” - „Ja, es ist Zeit”, sagten sie, und reichten ihm ihre Hände.

 
* * *
 

Der Per-Peri war tot. Sy'la und Mia hockten erschüttert neben dem Leichnam, der da lag, als würde er schlafen. Jetzt waren sie ganz allein. Draußen im Gang wurden indes die ‚Haustiere’ der Rai immer unruhiger, und nach einer Weile liefen sie plötzlich in die Höhle. „Weg da, weg!” versuchten die Gefangenen die großen Spinnen zu verscheuchen, doch sie stürzten sich auf den Leichnam. Zitternd in einer Ecke stehend und hilflos mussten die zwei zusehen, wie die Spinnenschar die Leiche zerriss und als Futter Teil für Teil wegschleppte, bis nur noch ein blutiger Fleck und Stoffreste am Boden verrieten, dass ein Lebewesen da gestorben war. Der Geruch nach Blut lag noch immer im Raum. Sy'la brach in Tränen aus.

Mrka betrat die Höhle. „Tut mir leid um euren Gefährten. Er konnte wohl auf dieser Welt nicht überleben.” Er begutachtete den störenden Fleck am Boden. „Ach -” fügte er noch wenig mitleidsvoll hinzu „ihr seid frei. Geht weg von hier. Ko'lan lässt euch sagen, er will euch jetzt nicht sehen.” Die Rai eskortierten die zwei Überlebenden an die Oberfläche Richtung Felsplateau, und waren plötzlich schnell irgendwo verschwunden. Sie waren allein, auf einer fremden Welt, und jetzt lag es an ihnen selbst, was sie mit den ihnen verbliebenen restlichen Jahren machten.

Das war doch nicht ihr Ernst gewesen, sie einfach im diesen fremden und gefährlichen Welt auszusetzen? Sy'la drehte sich verzweifelt um, ging ein paar Schritte gerade aus und bremste plötzlich. Ängstlich sah sie sich in ihre Umgebung um. Sie konnte immer noch nicht fassen, dass der Per-Peri tot war. Er war der Einzige gewesen, der sie sicher nach Hause gebracht hätte, er war ihre einzige Chance gewesen. Langsam kullerten ein paar Tränen ihre Wangen herunter.

Tiefe Trauer und Verzweiflung lösten eine Welle von Wutausbrüchen in ihr. Sie hämmerte mit ihren Hände und Füßen gegen einen Blumenbaum, der sich nicht dagegen wehren konnte. Mia blieb gelassen, doch sie konnte verstehen, warum Sy'la kurz vor dem Durchdrehen war. „Ich werde diesen Ko'lan finden, es ist mir egal, ob er mit uns sprechen will oder nicht!” Mia schaute zu Sy'la, die sich bei der ganzen Hauerei, ohne es zu merken, blaue Flecken und Schürfwunden auf der Haut geholt hatte. „Nun beruhige dich doch.” Mia hatte bei dieser Situation einen kühlen Kopf bewahren können, trotzdem, auch sie empfand tiefe Trauer um Xi-aou. „Wir werden diesen Taelon schon finden, aber zuerst werden wir uns einen Unterschlupf für die Nacht suchen oder willst du etwa wieder draußen übernachten?” fragte die Sigeranerin etwas ironisch. Sy'la stoppte ihre Wut und lehnte sich vorsichtig am Blumenbaum an.

Die junge Frau beruhigte sich anscheinend wieder, doch ihre Tränen strömten immer noch in Massen aus ihren rot unterlaufenen Augen. Ihre Hoffnung war noch nicht verloren, zumindest nicht ganz, es gab ja immer noch den Taelon Ko'lan auf diesem gottverlassenen Planeten.

 
* * *
 

Sy'la und Mia waren nun schon seit Stunden unterwegs ohne auch nur ein Anzeichen von einer Höhle oder etwas ähnlichem zu finden. In der östlichen Richtung (zumindest nahmen es die beiden so an) wurde der Himmel schon dunkler und kündigte damit die bevorstehende Nacht. Es musste ihnen einfach gelingen einen Unterschlupf zu finden. Zurück zu den Rai konnten sie nicht, dort wurden sie sicher wieder verjagt und auf das Raumschiff waren sie bisher nicht getroffen, was Mia außerordentlich verwunderte, war sie sich doch sicher, den Weg vom dem Raumschiff zu den Rai, gut eingeprägt zu haben. Dennoch schien das Schiff nirgends auffindbar zu sein.

Mit den Gedanken wieder zurück bei den Rai schürte sich in Mia die Wut. Es war einfach un....un - ach, sie fand einfach kein Wort dafür. Zuerst wurden sie mit Speeren bedroht, dann tagelang in einem Raum eingesperrt und mussten zuschauen wie ein Freund zwar friedlich einschlief, dann jedoch von den Biestern gefressen wurde. Mia lief ein kalter Schauer über den Rücken als sie daran dachte, wie es in dem Raum gerochen hatte, nach Fleisch, Blut und anderen entsetzlichen Gerüchen.

Mit einem Seufzer legte Mia wieder an Tempo zu. Sie konnte zwar hin und wieder, dank ihrem Aussehen, fliegen, doch verbrauchte sie dabei viel zu viel Energie und musste es bereits nach wenigen Minuten wieder aufgeben, weil sich ihre Flügel wie Blei anfühlten und ihre Beinchen wussten schon gar nicht mehr, was es heißt, ohne Krampf zu gehen.

Kurzerhand blieb Mia stehen und schaute auf ihre Füße.
Sy'la bemerkte erst nach einem weiten Schritt, dass ihre Gefährtin nicht mehr neben ihr war.

„Was ist los Mia? Wir müssen weiter, einen Ort für die Nacht suchen,” fragte sie.

„Ich bin so müde...”, erwiderte diese nach einer Pause.

Ohne zu zögern reichte Sy'la Mia die Hand, so dass diese darauf klettern konnte, und führte sie zu ihrer Schulter. Dort machte es sich Mia schließlich gemütlich und legte sich direkt zwischen Hals und Kragen. „Danke.” Mit einem Gähnen streckte sich Mia noch einmal und war bereits eingeschlafen, noch bevor Sy'la den ersten Schritt gemacht hatte.

„Ich bin froh, dass wenigstens wir uns noch haben, Mia.”, seufzte Sy'la noch hervor, nachdem sie sich wieder auf die Suche nach einem Schlafplatz gemacht hatte.

 
* * *
 

(Bei den Rai:)
„Warum habt ihr mir nicht gesagt, dass der Per-Peri stirbt?” tadelte Ko'lan seine Rai. Die waren eifrig dabei, seine blaue Höhle zu säubern, als wäre sonst gar nichts passiert. Primitives Volk! - Das war nicht sein Tag. Zuerst die Enttäuschung mit dem Schiff, und jetzt hatte er auch noch mit Fremden zu tun, die er sich womöglich zu Feinden gemacht hatte. Und er hasste es, Probleme zu haben.

„Aber ehrwürdiger Blauer Riese, du sagtest, dass alle anderen Diener der Taelons nur deine Feinde sein könnten, da sie bestimmt von der Synode kämen!” protestierte Mrka. „Du wolltest nicht einmal mit ihnen sprechen! Und du wolltest nur ihr Schiff haben.”

Ko'lan setzte sich auf seinen Stuhl, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er hatte im Moment ganz bestimmt nicht vor, jetzt mit Mrka über den Wert von Ethik auch gegenüber Gefangenen zu debattieren. Das verschob er auf ein andermal. Er wollte seine Ruhe! Er war Wissenschaftler, - kein Krieger, kein Diplomat, kein Anführer und kein Priester... und er wollte keinen Ärger und keine Unannehmlichkeiten. Den Rai gegenüber, solange sie in seiner Nähe waren, trug er seine Rai-Fassade und einen lilafarbenen Umhang aus Pflanzenfasern, um das Fehlen von Flügeln zu kaschieren. Er war ihr Mentor, ihr Ratgeber, ihr Lehrer - und was sonst noch anfiel. Sie hörten meistens auf ihn, und dafür ließen sie ihn in Ruhe. Und das hieß etwas, denn sie konnten wahre Plagegeister sein, auch wenn sie seinem Energiekörper nichts anhaben konnten. Er war also so nützlich für sie, wie sie für ihn. Aber es erstaunte ihn immer wieder, wie brutal und gefühllos sie sein konnten. Wilde. Barbaren eben.

Für menschliche Begriffe war der Taelon ein hübsches Exemplar, mittelgroß mit großen veilchenblauen Augen. Hätte er damals nicht Qu'on widersprochen, als der wieder ein neues Volk unterjochen wollte - ganz einfach, weil er es für unlogisch und sinnlos hielt - hätte man ihn nicht ins Exil verbannt. Seit damals wollte er nur weg von diesem Planeten und zurück auf eine kultivierte Taelonwelt - sofern er noch solche vorfand. Denn er spürte im Gemeinwesen kaum noch Taelons, die existierten.

Um gerade von Taelons zu sprechen ... Ko'lan nahm einen vertrauten Hauch von begehrlicher Schwingung wahr. Überrascht lauschte er in sich hinein. Taelon! Ein Hybridmädchen! Das war interessant. Und er hatte es nicht gewusst. Sie musste in dieser Höhle gewesen sein, als eine der Gefangenen. Die Restschwingung ihrer Aura war noch in der Höhle. Er schlug die Augen auf.

Mrka war noch immer da, die anderen Rai hatten die Höhle verlassen. Bestimmt wollte er um eine Audienz für Bittsteller in einer Sache anfragen. „Die Fremden, wohin sind sie gegangen?” kam er dem Anführer der Rai zuvor.

„Sie haben noch nicht zu den anderen am Plateau gefunden, Herr”, antwortete Mrka. „Du weißt, denen du die Masken, Ausrüstung und Nahrung zurückgelassen hast. Sie müssen inzwischen sehr hungrig sein, übernachten aber allein in einer Höhle.”

„Beobachtet sie, und seid wachsam”, mahnte Ko'lan. „Sie sind uns jetzt sicher nicht sehr wohlgesinnt. Aber berichtet mir täglich von ihnen. Und jetzt lass mich allein, ich muss nachdenken.”

 
* * *
 

Sie hatte die ganze Nacht nicht schlafen können, die fremden Schreie der vielen Tiere und andere mysteriöse Geräusche der Nacht hatten sie wach gehalten. Doch die Erschöpfung raubte ihr schließlich die Wachsamkeit und so kuschelte sie sich, ohne dass es ihr bewusst war, neben Mia und schlief ein. Seltsame Träume der vorherigen Tage hatten sich in ihrem Kopf breit gemacht und wollten sich von ihr nicht losmachen.

Sie sah wie sich Xi-aou vor Schmerzen und Qualen auf dem Boden wälzte und kaum noch Luft bekam. Sie konnte nur zuschauen und den Per-Peri trösten, aber mehr konnte sie für ihn nicht tu; und das war es, was ihr so im Herzen wehtat.
Dann diese Spinnen, die sich wie wilde Bestien auf den Körper des Toten stürzten. Wie abscheulich! Und die Rai hatte kein Mitleid für sie empfunden und sie sogar in diese fremde Welt hinausgejagt.

Ein Geräusch ließ Sy'la aus ihren Träumen aufschrecken. Was das wohl gewesen sein mag?
Sie stand vom kalten Fußboden auf und klopfte ihre Kleidung aus, an der sich Staub und Schmutz festgesetzt hatten.

Erst als sie sich umsah, stellte sie fest, dass sich Mia nicht mehr in der Höhle befand.

Sie ging nach draußen, ein warmer Windhauch kam ihr entgegen, was sie als sehr angenehm empfand. Vor sich hinreckend und streckend bemerkte sie gar nicht, dass sie viele Augen in der Nähe beobachteten.

„Mia!” schrie Sy'la mit einer kräftigen Stimme in die Wildnis. Dann horchte sie, es kam keine Antwort. Wieder ein Schrei, wieder keine Antwort. Es war zum verzweifeln! Wo Mia wohl blieb?

 
* * *
 

Derweil flog Mia elegant von einem Baum zum anderen und fing Käfer und Insekten.

Schon einige hatte die geschickte Jägerin gefangen. Das müsste wohl reichen, dachte sich Mia. Sie flog Richtung Boden und landete auf dem weichen Moos. Es war Zeit wieder zurück zur Höhle zu gelangen. Zum Glück hatte sie sich die Gerüche der Umgebung gemerkt, so dass es kein Problem war, wieder zu Sy'la zurückzufinden.

Mia fand auf dem Weg zurück zur Höhle eine Quelle, aus der frisches Wasser sprudelte. Erst versorgte sie sich selbst und nahm eine Unmenge Flüssigkeit in sich auf, dann nahm sie eine große und relativ feste Blüte eines Blumenbaumes und transportierte so das Wasser bis zu der Hybridin.

Diese war durstig und trank gierig und dankbar den Behälter auf einmal aus. Schmatzend ließ sie die Blüte auf den Boden fallen. Endlich hatte ihr Körper wieder Wasser bekommen! Zwar war sie ein Mischling und konnte es länger ohne Flüssigkeit als normale Menschen aushalten, doch ihr fester Körper brauchte trotzdem Wasser zum Leben. Die Käfer, die Mia ebenfalls mitgebracht hatte, sahen nicht besonders schmackhaft aus, aber sie waren wenigstens vitamin- und mineralstoffreich und schenkten neue Kraft für die lange Wanderung.

Nach der Brotzeit gingen die Zwei weiter ihren Weg.

 
* * *
 

Es war zum verzweifeln! Mia sah sich um. Wieder die gleiche Strecke - sie waren im Kreis gelaufen! Sy'la hielt an, um nach Luft zu schnappen. Der Weg war sehr anstrengend gewesen und Mia bewegte sich für die junge Frau einfach zu schnell; eine Pause einzulegen war also nicht verkehrt. Sie richtete ihre Augen in die Ferne auf eine der wild durchwachsenden Wiesen. Die Sonne stand etwa im Drittel des Himmels, ihre Hitze trieb vielen in den Schatten und so machten sich die vor ihnen befindliche Mammutsherden auf, um einen Rastplatz gegen die brennende Hitze zu suchen.

Die Botschafterin wollte wieder weiter, doch Sy'la war mit einem Mal wie verschwunden, nervös schaute sie in alle Richtungen. Da war sie! Das Mädchen lief gerade aus, in die Prärie, als ob sie wusste, wohin sie gehen musste. Mia lief ihr mit hastigen Schritten hinterher. Was hatte sie bloß vor? Als ob sie einen Geist gesehen hätte, blieb sie, wie vom Blitz getroffen stehen und beobachtete den Boden unter ihren Füßen.

Mia war endlich bei ihrer Freundin angekommen und sah auch auf die kahle Stelle, auf der die beiden gerade standen. Seltsam, sie konnte nichts entdecken. „Was ist denn los? Warum stehst du hier und siehst wie erstarrt den Boden an?”

„Na, siehst du das denn nicht?” Sy'la richtete ihren Zeigefinger auf einer Stelle des steinigen Feldes. „Nein, ich sehe absolut überhaupt nichts!” sagte Mia skeptisch und nahm sie eigentlich nicht ernst. Die Hitze hatte ihr wahrscheinlich den Rest gegeben, dachte sie sich. „Ich sehe einen riesigen blau-lila Fleck auf diesem Boden, du kannst mir doch nicht erzählen, dass du das nicht siehst?” Sy'la deutete nochmals dorthin. Mia kam jetzt näher an den Platz hin. Sie kniete sich hin. Der Boden war seltsam weich und sandig. Ihre feine und empfindliche Nase roch an einigen Grashalmen. Langsam stand sie wieder auf. „Du hast Recht, irgend etwas hier riecht streng vertraut. Es ist das Schiff!” Ihr Gesichtsausdruck verzerrte sich und man konnte daraus Angst erkennen. „Bist du dir da wirklich sicher?” fragte sie Sy'la mit verzweifelter Miene. „Ja, das war unser Schiff, ich habe mir den Duft genau gemerkt. Aber, wie konnte es sich in Luft auflösen? Und was ist mit Myinga und Haggis bloß passiert?” Mia dachte nach. Hoffentlich hatte die Katastrophe sie nicht erwischt.

Ein paar Schritte entfernt, hatten sich die Rai wieder auf der Lauer gelegt. Ihre kleinen Augen ließen Mia und Sy'la nicht los. Sie mussten am laufenden bleiben und dem blauen Riesen von den Ereignissen berichten.

 
* * *
 

(Bei Myinga und Haggis:)
Da stand er nun, neben den Liegen mit den komatösen Patienten, umgeben von Päckchen, Kisten, Behältern, kleine Geräte und einem Stromaggregat, die der Taelon dem Doktor gnadenhalber am Felsplateau überlassen hatte, bevor er daran ging, ihnen das Schiff zu stehlen. Der Taelon, der offenbar seine eigene Sprache als verpflichtende Universalsprache auffasste, hatte sich wenig Mühe gemacht, sich mit Myinga zu verständigen. Seine kleinen elfenartigen Wesen hatten den Doktor mit schmerzhaften Speerspitzen aus dem Schiff getrieben.

Myinga kramte in den Schachteln. Immerhin war neben Atemmasken, Nahrungsmitteln und Wasserflaschen auch eine Munitionswaffe da, die zwar für einen Taelon nicht gefährlich war, aber helfen konnte, die wilden Tiere fernzuhalten. Es war wohl so, dass er länger hier bleiben musste! Wie der Arzt aber auf Dauer seine Patienten am Leben erhalten sollte, das wusste er nicht. Eigentlich waren sie zum Sterben verurteilt.

Der ältere schwarze Mann entdeckte an der Felswand in ein paar Meter Höhe eine größere Höhle, die er mit Rauch und Feuer von Insekten und kleinen Tieren säuberte. Mühsam machte er sich daran, die Ausrüstung in die Höhle zu schaffen. Die größeren Kisten, Liegen und sogar die Patientin, zog er mit Hilfe einer Seilwinde und Seilen hoch. Gegen Abend zu war er fix und fertig. Er schaffte es noch, den Eingang mit Stangen und Holzlatten zu verkeilen und am Eingang ein Feuer anzuzünden, doch es war ihm unmöglich, länger wach zu bleiben. Er hoffte, die Stangen würde die Raubtiere abhalten. Er war zu müde. In den nächsten Tagen, seufzte er, bevor er einschlief, musste er noch irgendwie eine Holzleiter und eine Tür anfertigen.

 
* * *
 

(In der Energiekammer des Taelons:)
Ko'lan kam zur Überzeugung, dass er mit den zwei fremden Spezies kooperieren müsse. Einmal waren sie größer und besser ausgebildet als die Rai; zum anderen würden sie ihm bestimmt Schwierigkeiten machen, wenn er sie nicht für sich einnehmen könne. Und dann war drittens noch diese interessante Hybridin.

Nachdem er sich in seiner Energiekammer erfrischt hatte, setzte er sich auf einem Hügel unter einem Baum und ließ sich von den Rai berichten, was die Fremden machten. Der Arzt war offenbar dabei, sich am Felsplateau wohnlich niederzulassen. Die kleine geflügelte Fremde, die wie eine Rai aussah, irrte mit der Hybridin durch die bewaldete Ebene, einige Kilometer davon entfernt. Sie hatten offenbar kleine Vögel erbeutet und, aus Hunger, roh verspeist. Wasser hatten sie auch schon entdeckt. Ko'lan sorgte dafür, dass einige Rai-Kinder auffällig und „ganz zufällig” in ihrer Nähe Klebes von einem Baas-Baum einsammelten und aßen, und intelligenterweise machten es die zwei bald nach. Klebes war süß, reich an Vitaminen, Mineralstoffen und Protein, ein Ausscheidungsprodukt der Baas-Baum-Made. Menschen hätten Klebes als eine Art „rosa Zuckerwatte” beschrieben, welches an den Blumenbäumen hing. Zuvor hatten die zwei auch schon eine Wasserquelle und Käfer entdeckt.

Ko'lan fand es als Wissenschaftler höchst interessant, die Fremden dabei zu beobachten, wie sie sich in der für sie fremden Welt zurechtfanden. Sprechen wollte er sie vorerst noch nicht, denn mit einer gewissen Berechnung sagte er sich, wenn sie erst mal eine Zeit lang in der Wildnis herumgeirrt waren, sie wahrscheinlich ihren Groll vergessen würden und dann froh wären, ihn zu sehen.

 
* * *
 

(Andre Markus Andersen, einige Tage vorher irgendwo auf Rais:)
Andre war in eine tiefe Erdhöhle gefallen. Es war stockdunkel. Er hockte zitternd am Boden und versuchte, sich ja nicht zu rühren, um keines der riesigen Raubtiere, die schattenhaft oben vorbeizogen, auf sich aufmerksam zu machen. Ihre Füße streiften Erde ins Loch. Oben hörte man die Todesschreie der gerissenen Tiere durch die Nacht hallen.

 

Gegen Morgen zu wurde es ruhiger, und er wagte es, sich zu erheben. Er steckte in einem drei Meter tiefem Loch. Sooft er hochklettern wollte, rutschte er zurück. Kläglich begann er schließlich um Hilfe zu rufen, als plötzlich unter ihm der Boden sich bewegte, etwas wie ein Tentakel seinen Fuß umschlang und begann, ihn in das Erdreich hinabzuziehen.

 

Andre schrie entsetzt auf. Der ehemaliger Widerstandskämpfer erinnerte sich an das Messer in seiner Tasche. Er zog es und begann verzweifelt, auf den Tentakel einzustechen. Blut spritzte. Er bemerkte gar nicht, dass er sich selbst eine tiefe blutende Fleischwunde am Fuß zufügte. Unerbittlich zog in das Lebewesen hinab in den erdigen Grund, vorbei an blutbeschmierte Kleidungsfetzen. Die Atemmaske wurde ihm vom Kopf gerissen, die Atemluft brannte in seinen Lungen wie Feuer, und entsetzt versuchte er, wenigstens sein Gesicht vor der Wucht der Erde zu schützen.

 

Das Tier zog ihn tiefer und tiefer hinab durch ein enges verschachteltes unterirdisches Röhrensystem, doch irgendwann machten sich die Verletzungen bei ihm bemerkbar. Das Tier gab ihn frei, noch bevor es mit der Beute sein Nest erreichen konnte, und verendete. Andre steckte, lebendig begraben, in den finsteren Röhren und brach in Tränen aus. Verzweifelt versuchte er, sich kriechend und windend fortzubewegen - doch wohin? Unterbrochen von Pausen der Erschöpfung und in Momenten, in der er sich wunderte, warum er noch nicht erstickt war, trotzdem Rais zuviel Kohlenmonoxid und Stickstoff in der Atmosphäre hatte, kroch er viele Stunden durch das Röhrensystem. Er sah kaum etwas, seine Augen hatten sich nur wenig an die phosphoreszierenden Wurzeln und Bodenbakterien gewöhnt, von denen die Rai offenbar ihre Phosporfarbe bezogen. In seiner Erinnerung tauchten schemenhaft die Gesichter von Verwandten und Freunden auf, um wieder der Verzweiflung Platz zu machen. Haare, Gesicht - alles war voller Erde, Sand und Wurzelwerk. Er hatte bereits großen Durst.

 

Er stieß auf eine kleine Mine der Rai, in der sie offenbar etwas abgebaut hatten. Doch dann war sie aufgegeben worden. Die Wände glühten im grünlich-weißem Phosphorschein. Kleine Werkzeuge lagen herum. Vorsichtig schob er sich hinein. Da musste doch auch irgendwo ein Ausgang existieren! Andre tastete die kleine Erdhöhle ab. Da war eine metallene Tür! Hastig grub er sie mit den Händen frei, öffnete sie mühsam und kroch hinein. Die Wände wurden licht, und er konnte sich in der großen Röhre unter Schmerzen aufrichten. Die Luft roch sauber und fast frisch. Humpelnd ging er, sich die Erdklumpen abstreifend, vorwärts. Sein verwundetes Bein pochte und schmerzte. Noch zweimal passierte er eine metallene Schleuse, auf der fremdartige Buchstaben angebracht waren; keineswegs in taelonisch. Der Schwede wunderte sich - was war das für eine Kultur?

 

Als er das Ende des Ganges erreicht hatte, sah er sie unter sich, die kristallene Stadt. Sie lag unter einer gigantischen Kuppel und glänzte wie ein funkelndes Juwel, von Feuerflammen geheimnisvoll beleuchtet. Kleine Fahrzeuge kreisten wie Murmeln auf Bahnen um die schlanken aufragenden Türme. Gerade als er niedersank, sah er große weiße Schlangen mit kleinen Extremitäten unter dem Kopf herbeieilen, bevor er durch Erschöpfung und Blutverlust bewusstlos wurde.


Die weißen Schlangen bildeten einen Kreis, beschnupperten ihn, sahen sich an, und eine große weiße mit einer goldenen Kette mit Anhänger auf der Brust und schönen großen, türkisfarbenen Augen kam herbei und schien mit den anderen telepathisch zu kommunizieren. Die Gruppe schlüpfte plötzlich unter den Menschen, hoben ihn hoch und trugen ihn mit ihren Schlangenleibern weg, um dem fremden Verletzten zu helfen. Denn das war ihnen klar: Das war ein Außerirdischer, von außerhalb, niemand von oberhalb, niemand von der Welt Rais. Er musste untersucht werden.

 

Ende von Kapitel 3

 

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