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  „Die Puppenspieler” von Sy'la, Predator und Susanne   (Emailadresse siehe Autorenseite),   August 2003
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorinnen.
 
Thema:  Eine unheimliche tödliche Droge taucht auf der Erde auf, die den blauen Kristallen der Taelons für ihre Energieduschen ähnelt - Blue, die ultimative Killer-Droge. Die Symptome gleichen denen, die zur Spaltung der Taelons und Jaridians geführt hatten. Die Suche nach den Drahtziehern des heimtückischen Drogenhandels führt in den Weltraum....
Zeitpunkt:  das Jahr 2333
Charaktere:  Großpräsident Jakob Matsooni, General Ernest Rebelliand, die Ärztin und Kriminologin Cornelia Katz, der Kriminal-Agent Konrad Stoller, Andre Markus Andersen, Peter J. Combe; Sy'la mit ihrer Tochter Alexa, Ariel; die Taelons Da'an, Ko'lan, Mur'ru, Ka'sar, Ken'tau und Dar'den; die Jaridians Rj'lev und Palwyr, Korn't und Trestim, sowie Je'dir; die jugendlichen Taelons - namentlich Qui'sa, Blo'or und Pa'lol; die künstliche Schiffsintelligenz Roleta; unsichtbare Existenzen.
 

 

DIE PUPPENSPIELER

Kapitel 1

 

(Auf der Erde, in einem Regierungsgebäude:)
„Wir haben euch heute zusammengerufen, um eine äußerst ernste Angelegenheit zu besprechen.” Der gewählte Großpräsident der Erde, Jakob Matsooni, erhob sich instinktiv, als auch Da'an den Raum betrat. Ariel rückte ihrem Mentor rasch einen Stuhl um den Konferenztisch zurecht. „Es freut mich, dass ihr soweit meiner Einladung gefolgt seid. Wir sind nämlich auf eure Hilfe angewiesen, da nur ihr das Zefir-Schiff bewegen könnt, eine Expedition zu unternehmen.”

„Ich war schon lange nicht mehr auf dem Walzenschiff. Wie geht es dem lieblichen Elfenweib und Bordgehirn Roleta? Noch immer störrisch? - Aber ehrlich gesagt, ich weiß nicht, warum ich hier anwesend sein soll.” Andre M. Anderson lehnte sich auf seinem Sessel weit zurück und wippte mit ihm auf zwei Stuhlbeinen vor und zurück. Sy'la wartete nur darauf, dass der Clown entweder mit dem Sessel rücklings fiel oder aber der Stuhl zu Bruch ging.

„Ich war ebenfalls bereits länger nicht auf dem Schiff, doch will ich alles tun, um die künstliche Intelligenz des Bordgehirns zu überzeugen,” antwortete Da'an dem farbigen Großpräsidenten. „Aber sie hat einen eigenen Willen.”

„Wem sagst du das”, brummte der Großpräsident. „Weder duldet sie Menschen auf dem Schiff, die sie erforschen wollen, noch nimmt sie Weisungen an oder landet gar. Sie bleibt stur auf ihrer Bahn zwischen Mars und Jupiter, reist um die Sonne und rührt sich ansonst um keinen Zentimeter. Nur euch oder die damaligen Siedler duldet sie an Bord.”

„Was Großpräsident Matsooni wirklich sagen möchte” fuhr die rothaarige Frau zu seiner Rechten kühl fort, „ist, dass die Erde offenbar von außerhalb mit Rauschgift überschwemmt wird. - Ich darf mich vorstellen: Mein Name ist Cornelia Katz. Ich bin die mit der Sachlage betraute Ärztin und Kriminologin des Ministeriums.

„Was bedeutet hier: ‚von außerhalb'?” erkundigte sich der Taelon Dar'den. „Die Erde hat doch keinerlei Kontakt zu anderen Spezies außer zu unseren. Die Menschen sind doch technisch dazu viel zu unterentwickelt. Und ich wüsste auch nicht, was andere Völker auf diesem primitiven Planeten für Rauschgifte eintauschen könnten. Wozu also?”

„Ich möchte das Wort an General Ernest Rebelliand weitergeben, der die Untersuchungen leitet. - General - bitte!” Der Großpräsident deutete leicht zum bulligen fünf-Sterne-General, der auf der gegenüberliegenden Tischseite Platz genommen hatte.

Der General blätterte kurz in seinen Notizen, und schaute dann auf und in die Runde. „Vor vier Jahren entdeckte die lateinamerikanische Polizei ein neues Rauschgift auf dem Markt, welches wir anfangs für ein Derivat von anderen bekannten Sorten hielten. Bei unseren Untersuchungen stellten wir vor einem Jahr endlich eine merkwürdige Übereinstimmung in der Schwingungssignatur mit dem Stoff fest, die die Taelons auch in ihren „Energieduschen” verwenden - derselbe Stoff, der, manifestiert, aussieht wie ein blauer synthetischer Kristall.” Der General schaltete ein Hologramm ein, welches die chemische Struktur plakativ aufzeigte. „Das Rauschgift ist ähnlich - aber nicht exakt dasselbe. Es wird als grobkörniges Salz oder in Form von kleinen grünblauen Kristallen gehandelt.” Rebelliand lächelte säuerlich. „Natürlich haben wir alle Taelons auf der Erde überprüft und auch die Archive über Aufzeichnungen von früher durchforstet - sofern noch existent. Wir haben nichts gefunden, was direkt auf die Taelons verweist.”

„Danke für dein Vertrauen, General Rebelliand”, erwiderte Da'an frostig. „Wir Taelons haben in der Tat nichts damit zu tun. Wir haben erkannt, dass wir besser MIT den Menschen leben anstatt GEGEN sie. Eine süchtige Menschheit ist nicht in unserem Interesse.”

„Das Rauschgift führt zu euphorischen Zuständen und wirkt bewusstseinserweiternd. Die Süchtigen meinen, unglaubliche Erkenntnisse damit zu erlangen. In der Tat werden alle Gehirnfunktionen angeregt und die Süchtigen erleben lange Perioden von Alpha- und Theta- Gehirnwellen. Der Preis dafür ist absolute Gefühlskälte. Die meisten Süchtigen beginnen allmählich über Monate hinweg zuviel körperliche Energie freizusetzen - sprich: hohes Fieber zu entwickeln, die sie mit immer stärkeren Dosen zu beseitigen suchen, bis der Körper völlig überhitzt, dehydriert und ausgebrannt ist.” Doktor Katz blendete einige Tabellen in das Hologramm ein. „Die Zuwachsraten unter den Süchtigen auf der Erde ist erschreckend. Die Süchtigen erscheinen anfangs überhaupt nicht im üblichen Sinne als Junkies. Sie gehen zur Arbeit und erscheinen für Jahre normal, nur eben - überintelligent, sprühend vor Energie und Einfällen. Die Droge muss seit Jahren kursieren, denn erst jetzt zeigen sich die schrecklichen Folgen. Der körperliche Verfall stellt sich nach etwa drei Jahren ein und führt zum Zusammenbruch aller Körperfunktionen bis hin zum Tod. Allein heuer starben weltweit über 100 Millionen Menschen! Tendenz: extrem rasch ansteigend.”

„Shabra!” fluchte Mur'ru. „Das ist mir extrem bekannt!”

„Ungeheuerlich!” rief Korn't. „Genau dasselbe führte zum Krankheitsbild der Jaridians!”

„Erklärt mir das!” rief der Großpräsident, während die auf taelonisch und jaridianisch dahinschwätzenden Taelons und Jaridians äußerst beunruhigt und aufgebracht erschienen. „Was meint ihr? Sprecht doch bitte meine Sprache!”

„Ich nehme mal an, gutes Zureden, eine Entziehungskur und fiebersenkende Mittel nützen wohl nichts?” warf Anderson ein.

„Die Patienten kennen nur noch einen Willen: den des Rauschgifts. Alles wird dem Konsum unterstellt - alles! Sie haben keinen eigenen Willen mehr. Sie leben in einer inneren Scheinwelt. Dafür beginnen die Süchtigen, richtiggehend heimlich zusammenzuarbeiten und konspirative Pläne auszuhecken. Ich habe sagen hören, sie möchten eine „erleuchtete Gemeinde” gründen, wie die Taelons seinerzeit.”

‚Siehst du, Da'an, wie wichtig es war, den Kindern den Zugang zu verbieten!’ meinte Mur'ru geistig zu Da'an. ‚Ra'maz und die Energieduschen sind schuld an allem Übel, das uns in den letzten Jahrtausenden widerfahren ist!’

‚Das denke ich ganz und gar nicht,’ widersprach Dar'den. ‚Die Jungen haben ein Recht darauf, die Energieduschen zu erhalten und damit ganz zu einem Taelon zu werden. Es ist ein Verbrechen, sie ihnen nicht zu gewähren, sie einem neuen Gemeinwesen zu entziehen und sie altern zu lassen!’

‚Was erfahre ich da’, rief Ka'sar telepathisch dazwischen, der körperlich momentan eigentlich in Mexiko war. ‚Dieses Zeug ist auch hier aufgetaucht? - Und: Dar'den! Dieser Stoff führte uns nicht nur zu höherem Bewusstsein, sondern auch in den Untergang. Wir müssen dem Schicksal danken, nochmals eine Chance zu bekommen und neu anfangen zu dürfen. Deine Worte schaden unserem Volk!’

‚Und machen unsere Kinder wütend! Was kümmern uns die Menschen? UNS schadet die Core-Energie nicht!’ Jetzt mischte sich auch noch Ken'tau geistig ein.

„Meine Erfahrungen und mein Joining mit den Jaridians erlauben mir nicht, zu schweigen”, sagte Da'an laut in die Runde. „Ja, es ist wahr - vor vielen, vielen Jahrhunderttausenden hatten wir einen Anführer namens Radamaz, oder auch kurz: Ra'maz. Zu dieser Zeit benützen wir noch unsere Shakaravahs, vermochten zwar zu „essen” - wie ihr von unseren Kindern es auch wisst - , aber ernährten uns auch ab und zu noch zusätzlich vampiristisch von lebendigen Geschöpfen. Unser Kimera-Anteil zwang unsere Körper ständig dazu, viel Energie zu benötigen, sehr viel. Doch wir wollten das nicht mehr und suchten nach einer Möglichkeit, unsere Bioenergie zu speichern und so im größeren Umfang nutzbar zu machen. Nach langem Suchen entdeckten unsere Raumfahrer ein spezielles vergessenes „Salz” wieder, welches wir ab da lange aus einer gewissen fernen Region des Weltalls bezogen. Das salzartige Substrat verwandelte sich in einem geheimen Verfahren unter Zuführung von Bioenergie - oder Lebensenergie, wie ihr es nennen würdet - in besagte strahlende blaue Kristalle. Die gespeicherte Energie der blauen Kristalle wurden Teil unserer Ernährung. Jedes Schiff führte genügend Kristalle und Energieduschen an Bord mit. Unser Bewusstsein, unser Energieniveau wurde mehr und mehr angehoben, bis wir zu den Taelons und dem Gemeinwesen wurden, wie die Menschen sie Anfang des 21. Jahrhunderts kennengelernt haben.”

„Was Da'an hier nicht gesagt hat”, setzte Rj'lev aufgebracht fort: „Wie unter den Menschen vertrug die Mehrheit unserer Vorfahren das angereicherte Salz NICHT. Die Überlebenden blieben trotzdem süchtig; das kimerische Erbe verschärfte noch das Problem. Denn durch den fortgesetzten Konsum der energieliefernden Droge mutierten unsere Vorfahren zu einige wenige als Energieform existierende Taelons in der Nachfolge Ra'maz, die durch die Kristallen auf Kosten unseres Gesamtvolkes fast ewig lebten, und die fieberleidende kurzlebige restliche Mehrheit, aus denen die Jaridians entstanden. Beide benötigten Core-Energie, auf ihre Weise. Die Taelons zur Nahrung. Wir Jaridians zur Kühlung. Die Taelons hatten das Kristall-Monopol und machten die Vorfahren der Jaridians fast zu Sklaven. Bis wir das Joch hinter uns ließen und den Kampf gegen die Taelons begannen. Der Rest ist Geschichte.”

„Kommt doch alles Gute von den Taelons!” warf Anderson zynisch ein.

„Verwendet ihr jetzt auch noch Kristalle?” fragte Peter Combe, der bisher still geblieben war.

„Es gibt nur noch Restbestände an Kristallen und die eine Energiedusche von Ko'lan, sowie die von uns”, erwiderte Mur'ru. „Doch Ka'sar und ich gingen dazu über, uns wieder zusätzlich zu ernähren. Und dann gibt es noch das synthetische Kryss als Ersatz.”

„Ho'shin und ich benötigen nach unserer Existenz im Taelon-Jaridian-Mensch-Kimera-Kollektiv vorerst für lange Zeit keine Energie,” erwiderte Da'an. „Ich nehme an, das gilt auch für Palwyr und Trestim. Und die Taelonkinder, Ariel oder Sy'la haben nie damit angefangen.”

Korn't sah nachdenklich in die Runde. „Der Kontakt mit den Menschen und Taelons hat unsere Fieberschübe merkbar eingedämmt. Wahrscheinlich durch die biomagnetische Interferenz unserer Auren. - Haben nicht die Zazas die Menschheit selbst als gezogenes Heilmittel für unsere Völker bezeichnet? Um so niederträchtiger, sie von Unbekannt süchtig zu machen.”

„Was wurde aus dem Salz?” erkundigte sich Combe nochmals nachdrücklich.

„Das Salz wurde für die Taelons, die die Quelle geheimhielten, aus einer Region des Kosmos bezogen, die durch die Eroberungen der Jaridians für uns unzugänglich wurde. Am Ende hatten wir kein Salz mehr, um mit Bioenergie Kristalle machen zu können, keine alten Kristalle mehr - zumal Ma'els Schiff verloren ging - und keine Core-Energie. Es blieb uns nur noch, zu sterben - oder ein Leben als Atavus zu führen. Wenn ein Taelon einmal vom angereicherten Salz kostet, kann er niemals mehr unschuldig und frei wie ein Kind sein.” Da'an schwieg und ließ die Teilnehmer miteinander sprechen. Dann sagte er, nach einigem Ringen: „ Aber ich kenne die Region im Weltraum, wo das Salz zu finden ist. Es ist 1500 Millionen Lichtjahre von hier entfernt. Eine halbe Ewigkeit.”

„Irgend jemand scheint das Zeug jetzt dem menschlichen Organismus gemäß molekular angepasst zu haben,” gab Combe zu bedenken. „Diese Parallelen - das ist kein Zufall. Wo steckt er, und was will er?”

„Es gibt für uns nur drei Dinge zu tun,” meinte General Rebelliand, „hinzufliegen, den Handel zu unterbinden; die Händler, die uns Menschen wie Marionetten tanzen lassen wollen - wer weiß, wozu - , ausfindig zu machen - im Weltraum und auch hier auf der Erde. Und drittens - die Süchtigen von der Sucht zu befreien, möglichst bevor sie sterben. Heimlichen Schätzungen zufolge werden wir Ende dieses Jahres über eine halbe Milliarde sterbende Süchtige haben. Und dann ist die Erde ein Tollhaus.”

 
* * *
 

(Irgendwo im Kosmos:)
Das Zupfen in ihrem Innersten wurde stärker. Jemand suchte dringend auf telepathischem Weg den Zugang zu ihr. Nur sehr widerwillig ließ sie ihre Barriere sinken.
‚Sie ahnen etwas - sie wollen mit dem Zefir-Schiff in unser beschütztes System kommen.’
Ihr geistiges Lachen hallte leise im Kopf des Informanten wider. Dann kam Antwort: ‚Das ist gut. Solange sie fern ausserhalb ihres Sonnensystems suchen, ist der Weg für uns frei! Höre! Tausche unsere Händler auf dem Verfahren des Zufallsprinzip zwischen stündlich, täglich und wöchentlich aus.’
‚Ja.’
‚Wie viele sind schon auf unserem Weg?’
‚Tausende. Doch zu viele sterben nach zu kurzer Zeit, sie erreichen unser Ziel nicht. Sie brennen aus.’
‚Hm. Ich werde deine Informationen weiter leiten. Energie sei mit dir,’ beendete sie die Verbindung.
Kurz in sich und ihre Gedanken versunken, wendete sie sich dem Großen zu, öffnete ihre Barrieren und gab die Informationen weiter. ‚Sie sind zu schwach,’ fügte sie dazu.
‚Es wird ein paar geben, die stark genug sind.’
‚Der Preis ist zu hoch.’
‚Nein, es gibt genug von ihnen.’
‚Vielleicht könnten wir das Mittel etwas verändern.’
‚Nein, dann wäre das Ergebnis verfälscht.’
‚Energie sei mit euch.’
Sie zog sich zurück. Das erste Mal in ihrem langen Leben war sie unsicher, ob wirklich alle Mittel ein Recht heiligen.

 
* * *
 

(Auf der Erde:)
„Ich frage mich nur, warum ausgerechnet die Menschheit? Ist dort draußen vielleicht eine Spezies, die einen Keil zwischen uns treiben will?” fragte sich Ariel laut, als sie mit den anderen aus dem Versammlungsraum kam. Sie schien sehr nachdenklich zu sein, irgend etwas irritierte sie an der ganzen Sache. Ihr Instinkt meldete sich in ihrem Kopf. Es war mit großer Sicherheit etwas faul! Was hatte Korn't vorhin erwähnt? Die Menschheit wäre ein Heilmittel für die Jaridians und die Taelons? Was, wenn jemand diese zwei Spezies ganz aus dem Weg haben wollte? So wenig sie noch waren! Ganz klar, man vernichtet die Menschheit, und die anderen beiden Arten werden dahingerafft. War das absurd? Übertrieben? Unvorstellbar, aber es konnte die Realität werden, der Anfang war schon gesetzt.

Ko'lan nahm beim Gehen die Hand seiner Gefährtin und hielt sie fest, als ob er wüsste, was sie dachte. Oder vielleicht tat er das sogar. Beide erinnerten sich ihrer abenteuerlichen Reisen ins All. Sie hatten schon mehrere Male dem Tod ins Gesicht gesehen, und scheuen würden sie sich vor dem gerade erhaltenen Auftrag bestimmt nicht. Solange sie nur zusammen waren...

Ein kleines Mädchen in einem Jeanskleid lief näher, schlüpfte wie ein Wirbelwind durch die Erwachsenen vorne hindurch, ihre strahlenden blauen Augen suchten in der kleinen Gruppe nach ihren Eltern weiter hinten. Sie sah genau so aus wie ihre Mutter, und sie hatte das ungestüme Temperament ihres Vaters. Alexa hatte sie gefunden. Sie umklammerte die Hand Sy'las und stellte wieder bohrende Fragen, die nie zu enden schienen. Draußen im Flur stand die ratlose Babysitterin, die das kleine braunhaarige Mädchen nicht hatte aufhalten können, neben ihr ein weiteres Kind im fast gleichen Alter wie Alexa.

 
* * *
 

(Irgendwo im Kosmos:)
Tief griff sie in die Erinnerungen ihrer Energien, holte die am Rand wie verloren schwebenden Partikel, ließ diese sich wieder in ihre augenblickliche Befindlichkeit einbinden und die damit sich wiederherstellenden Erlebnisse neu aufleben.

Lange betrachtete und analysierte sie die Geschehnisse und fasste ihren Entschluss.

Schneller als das Licht griff sie mit ihren Gedanken gezielt nach einer ihr endlos vertrauten Energieform, die sich in einer ihr völligen Fremde aufhielt, und klopfte behutsam an. Fast sofort wurde ihr geistig geöffnet: ‚Wie schön! Dich habe ich nicht erwartet! Licht sei mit dir.’

‚Energie mit dir. Höre, ich brauche eine Hülle.’
‚Du willst hierher kommen? Es gibt nur sehr wenige dieser Hüllen hier, die uns ertragen.’
‚Was meinst du damit?’
‚Die meisten Hüllen, die wir anfangs besetzten, starben sofort oder nach einiger Zeit. Es ist sehr schwierig, eine haltbare zu finden.’
‚Ihr habt welche gefunden.’
‚Ja.’
‚So finde auch eine für mich.’
‚Wie du wünschst. Wissen die Großen von deinem Vorhaben?’
‚Nein. Ehe ich sie informiere, brauche ich dringend Fakten, die ich nur selbst finden kann, mit eurer Hilfe, so ihr dazu bereit seid.’
‚Ich auf jeden Fall. Die anderen werde ich fragen.’
‚Ich danke dir und erwarte deine Ergebnisse. Energie mit dir.’

 
* * *
 

(Auf der Erde, in der großen Villa Da'ans:)
„Das ist ganz und gar inakzeptabel.”
Qui'sa erschauerte innerlich und „kroch geistig in sich selbst hinein”. Der Taelon-Teenager wirkte wie ein Häufchen Elend. Wenn Da'an eine Standpauke hielt, musste sich jeder Betroffene für das nutzloseste Geschöpf des gesamten Universums halten.

„Euer Verhalten ist einfach eine Schande für einen Taelon. „Dass du - ,” er sah missbilligend auf Qui'sas Begleiter in seinem von den Menschen abgeguckten farbigen Aufzug „ab und zu an den elektrischen Leitungen der Menschen ‚nuckelst und saugst’, wie du es wohl nennst, bis im ganzen Bezirk Kurzschlüsse auftreten, ist etwas, was ein Taelon nicht tun dürfte. Wenn das die menschliche Presse aufgreift!” Da'an schloss entsagungsvoll die Augen und schüttelte tadelnd den Kopf. „Dabei weißt du ganz genau, dass diese zusätzliche Energiezufuhr unnütz und ungesund für dich ist!” Blo'or senkte scheinbar reumütig sein Haupt und machte eine Ergebensheitsgeste vor der Brust. Etwas besänftigt wandte sich Da'an wieder seinem eigenen Kind zu und entließ nach weiterer Schelte Blo'or, der erleichtert hinauseilte.

Qui'sa - übersetzt bedeutete der Name soviel wie „kleiner Falter” - war schon immer ein Energiebündel gewesen; klein, aber ungemein übermütig und pfiffig. Es war Zeit, das sein Kind endlich das würdige Verhalten eines erwachsenen Taelons anzunehmen begann. Schluss. „So, während du auf dem Uni-Campus die Wissenschaften der Menschen studieren solltest, schwänzt du den Unterricht.”

„Aber - , aber” --- begann der Unglücksrabe. „DAS IST JA SOOOO LANGWEILIG! Warum soll ich denn überhaupt Mathematik, Physik oder Medizin studieren? Ich gehöre doch zur Kaste der Diplomaten!”

„Gerade ein Diplomat muss über alles Bescheid wissen”, konterte Da'an streng. „Du hast genügend Wissen genetisch ererbt, aber das ist kein Grund, sein Wissen nicht durch Lernen zu erweitern. Nimm dir ein Beispiel an den Menschen. DIE müssen tatsächlich ALLES jahrelang erlernen.” Da'an ergriff ein Blatt Papier, welches er vor sich bereitliegende hatte.

„Das ist ein Bericht der Universitätsleitung”, setzte er pathetisch tadelnd fort. „Qui'sa - du hast einen Intelligenzquotient von mehr als 380 - was für einen Taelon sehr gut ist - kannst du mir dann erklären, wieso du in Mathematik und Physik mit „nicht ausreichend” bewertet wirst? Noch dazu bewertet von menschlichen Professoren? Mit ihrem rückständigen Wissen?? - Ich kann nur sagen: was für eine Schande!” Da'an wurde ganz weiß-blau.

Sein Elter verstand rein gar nichts. „Diese Fächer interessieren mich nicht ein bißchen!” maulte der Jugendliche. ”Ich WILL sie nicht lernen! Das ist alles Blödsinn. Und die Menschen, die - sind ja so etwas von langsam und begriffsstutzig...”

„Ja, stattdessen willst du, in diesen lächerlichen menschlichen Kleidungsstücken, nachts mit den anderen heimlich ausgehen. Ich weiß, dass ihr in diversen Tanzlokalen wart, gib es nur zu.”

Qui'sa schwieg trotzig.

„Die anderen Taelon-Jugendlichen werden nicht mit uns mitkommen, denn diese Reise ist nichts für sie. Aber dir, mein Junges, sage ich: du kommst mit und Ken'tau, Dar'den und Ko'lan sollen dich unterrichten! Ich werde deinen Unterricht persönlich überwachen.” Da'an machte eine ärgerliche Geste, die Qui'sa zu gehen befahl. Da'an sah ihm nachdenklich nach - und vermeinte wieder einmal, den Hauch von Aura noch wahrnehmen zu können, von Boones Schwester...

 
* * *
 

(Auf der Erde, Ministerium für Innere Sicherheit:)
„Die Waffen werden euch nützlich sein. Ich aber muss fort, werde weggebracht. Sucht mich im Salz! Zo'or.”

„Ja, und?” Der Chef der Inneren Abwehr der Erde, General Rebelliand, sah Agent Stoller auffordernd an. „Zo'or war ein Alptraum von Synodenführer. Er hatte keine Kristalle und keine Energie mehr. Natürlich träumte er am Ende seiner Tage vom Salz.”

Konrad Stoller hob wieder das Goldtäfelchen hoch, in das die letzten Worte und Signatur Zo'ors eingraviert worden waren. Sie hatten es in den Alpenstollen zusammen mit „der Waffe”, die sie gegen die Tzeks eingesetzt hatten, gefunden.

„Das hier kann ein Wunschtraum sein, aber auch ein echter Hinweis. Jedenfalls sehr mysteriös. - Wann, General, dürfen wir Agenten denn endlich an Bord gehen? Ich persönlich brenne darauf, meine erste Raumfahrt miterleben zu können.”

„Das wird keine Vergnügungsreise, vergesst das bloß nicht! Ihr geht als Kriminalisten mit - du, vier andere Agenten und die Ärztin Cornelia Katz als Spezialistin für Drogen. Das Bordgehirn Roleta verbat sich ausdrücklich militärisches Personal an Bord. Ich muss mich also ganz auf euch sechs Personen verlassen können.” Der General stand von seinem wuchtigen Stuhl in seinem Büro auf und reichte Stoller die Hand. „Ihr reist in drei Stunden ab. Kommt gut wieder nach Hause, und am besten mit einem Gegenmittel. Und: zeigt es den kosmischen Drogendealern!”

 
* * *
 

(Auf dem Schiff Roleta: )
„Kannst du mir sagen, was Dar'den und Ken'tau ständig in Lateinamerika zu suchen haben?” kritisierte Ka'sar. „Die wollten nicht mal an dieser Mission teilnehmen, aber Da'an setzte sich dann doch durch. Ich dachte, sie halten diesen Planeten für so furchtbar primitiv?”

„Mein Liebster - sollen sie doch machen, was sie wollen!” Mur'ru war voll mit Berechnungen beschäftigt und wollte oder konnte nicht zuhören. „Viel interessanter ist es, dass die Zazas offenbar die Programmierung des Schiffs geändert haben. Roleta darf noch eine Weile weiterexistieren. Ich habe bereits das Weltall vermisst!”

‚Die Jugendlichen wollen auch mit’, warnte Ko'lan geistig. ‚Sie hecken irgend etwas aus. Ich weiß nur nicht, was.’

‚Natürlich wollen sie nicht allein auf der Erde zurückbleiben, aber Da'an weiß schon, was er tut’, erwiderte Ka'sar gedanklich.

 
* * *
 

Wusste er es?

Die Taelon-Jugendlichen waren verärgert. Keineswegs wollten sie zurückbleiben, wo es doch um das geheimnisvolle Salz ging. Die Hälfte von ihnen wäre allzu gerne „vollwertiger” Taelon geworden, auch wenn dies bedeutete, niemals die völlige biologische Reife erleben und sich fortpflanzen zu können. Aber: dafür Jahrtausende lang zu leben, mit allerhöchstem spirituellen Bewusstsein, unkörperlich! Kein Hitze, keine Kälte, keine Nahrung anders als Energie. Keine Gefühle. Eine Existenz als Energiewesen.

Die anderen hingegen waren froh, dass sie nicht mehr - wie in früheren Taelonzeiten - einfach dazu gezwungen wurden, die Kristalle einzunehmen. Sie waren intelligent genug, die Folgen so einer Existenz für ihre Spezies zu erkennen: sie würde verlöschen! - Nein, ein paar Jahrhunderte Lebensdauer, unter Menschen, war ihnen auch genug. Aber das wollten sie gefälligst selbst mitentscheiden.

Pa'lol riß mit seinen Zähnen Stücke vom noch blutigen Braten heraus und aß kauend. Ab und zu wischte er sich mit der Hand den blutigen Mund ab. Die anderen sahen schauernd zu ihm hin. Jeder hatte eben seine eigenen Methoden gefunden, mit dem häufigen Gefühl der Schwäche, Mattigkeit und Energielosigkeit fertig zu werden. Pa'lol war momentan, nach dem Jahr der „Salat- und Gemüse-Phase”, und der „Rohen-Fisch-Phase” zuvor, jetzt in der „Fleisch-Versuchs-Phase”. Er würde bald herausfinden, dass das nicht viel brachte. Sie waren die ersten nach vielen Generationen, die wieder normal leben sollten und sich an feste Nahrung gewöhnen mussten. Irgendwann würde sich das Erbgut wieder einpendeln.

„Also abgemacht”, erinnerte Blo'or nochmals die anderen. „Wir haben den Roboter so konditioniert, dass er den Tank, in dem wir uns jetzt befinden, als Ladegut getarnt an Bord bringt. - Wofür habe ich Robotik studiert? - Wir werden uns zuvor in ein künstliches meditatives Koma versenken, in der wir für Roleta fast wie leblose organische Materie wirken müssen. Nach zwei Tagen wachen wir wieder auf, und Qui'sa lässt uns raus. Dann sind wir weit genug von der Erde entfernt, die bringen uns bestimmt nicht mehr zurück!”

„Sollten wir nicht doch noch Da'an um Erlaubnis zur Reise fragen?” meinte einer der Jugendlichen verunsichert. „Er wird sehr wütend sein, wenn er das herausfindet.”

„Auf gar keinem Fall! Erstens: das Salz geht auch UNS an, nicht nur die Erwachsenen. Und dann dürfen auch die Hybridkinder und die Jaridian-Kinder mit, ein paar Menschenkinder und Qui'sa. Aber uns acht will man zurücklassen! Ganz schön unfair. - Wir machen das wie geplant.”

„Wirklich kein Risiko?” fragte Pa'lol mit vollem Mund.

„Och, hör endlich auf, dieses widerliche Fleisch in dich hineinzustopfen!” schimpfte Blo'or. „Es geht jetzt los. Lasst uns die Hände reichen, gehen wir in Trance. Bald werden wir auf dem Schiff erwachen.”

Sie legten sich dicht gedrängt nebeneinander und reichten sich die Hände. Sie waren im tiefsten Tiefschlaf, ohne Gehirnaktivität und völlig erstarrt, als der Container sich zu bewegen begann.

 
* * *
 

(Irgendwo im Kosmos:)
Sie öffnete sich sofort dem leisen Anklopfen.
‚Licht sei mit dir.’
‚Energie mit dir. Was hast du gefunden?’
‚Ich habe eine Hülle gefunden, die möglicherweise in Frage kommen könnte.’
‚Weiss sie, dass ich sie brauche und wozu?’
Erst nach einigem Schweigen kam die zögerliche Antwort: ‚Nein - wir nehmen keinen Kontakt vorher mit ihnen auf, Schwester.’
Der sanfte Tadel verwunderte sie: ‚Dennoch halte ich das für sinnvoller. Denn es ist sicher leichter für uns und sie, wenn wir zusammen arbeiten, anstatt gegeneinander.’
‚Es ist nicht üblich.’
‚Es interessiert mich nicht, was üblich ist. Bringe die Hülle an einen unbeobachtbaren Raum. Ich werde sie vorher um ihre Mithilfe bitten.’
‚Schwester. Diese Spezies verstehen uns nicht. Sie kann uns weder erkennen, noch begreifen, geschweige denn verstehen. Das ist auch der Grund unserer Übernahme ohne vorherige Kontakte.’
Kurz hüllte sie sich in Schweigen. Wieder suchte sie an der Peripherie ihrer Vergangenheit um Erkenntnisse. Sie wurde fündig: ‚Ich weiss, dass Kontakte möglich sind, Schwester. Was für eine Bildung beinhaltet diese Hülle?’
‚Das können wir nicht überprüfen.’
Ihr Aufseufzen hielt sie in sich zurück. ‚Wo befindet sich die Hülle gerade? Kannst du mir wenigstens ihre Energie zeigen?’
Unruhig flackerte ein schwaches Energiefeld neben dem ihrer geistigen Informantin auf. Sie hielt diese Erscheinung in ihrer Erinnerung und bestätigte nochmals ihren Wunsch nach vorheriger Kontaktaufnahme.
‚Es sei, Schwester. Ich werde dich informieren, wenn ich es arrangiert habe. Licht mit dir.’ ‚Energie auch mit dir.’

War es wirklich möglich, dass das Ganze regelrecht vergessen hatte, was ihm für Fähigkeiten zur Verfügung standen?
Sie untersuchte eingehend den in ihrem Gedächtnis zurückgebliebene Eindruck vom Energiefeld der Hülle. Ja, schwach und undeutlich, ja sogar kränklich, grau, wirkte es auf sie. Das war nichts Ungewöhnliches an dieser Spezies. Doch was war mit der geistigen Intelligenz? Ist sie auch so krank wie dieses Energiefeld, - und ihre Erfahrung sagte ihr, dass dies sehr wahrscheinlich war -, dann war diese Auswahl eine der schlechtesten.

‚Was dir wirklich wichtig ist, erledige selbst,’ huschte eine Erinnerung durch sie.
Entschlossen bündelte sie ihre Energie auf ein einziges Ziel und verließ all das, was ihr einmal wichtig erschien.
Sie wusste, was sie suchte.
Und sie wusste, dass sie es finden würde.
Je mehr sie sich geistig ihrem Ziel näherte, desto deutlichere Spuren fand sie, und erfreut erkannte sie, dass sie sogar wählen konnte.

 

Ende von Kapitel 1

 

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