Startseite Aktuelles Update Geschichten Kategorien Bilder Forum - Der Baum Links Hilfe Kontakt
  „Höllenengel” von Susanne   (Emailadresse siehe Autorenseite),   November 2004
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Die Mehr-Gen-Kinder treiben höllische Spielchen, Da'an intrigiert, die Crew der Roleta verursacht ungewollt auf der Erde ein Massensterben, Jack Hanao Lasquez sucht seine Identität, und vier Personen flüchten in Panik von Bord.
Zeitpunkt:  das Jahr 2346
Charaktere:  Sy'la, Kristin, Bethany, Alexa; Dr. Birgit Clares, Jack Hanao Lasquez, Zo'or, Haggis und Alex J. Chevelleau; Da'an, Blo'or, Tan Liü, Ko'lan
 
Warnung: Diese Geschichte beinhaltet Gewaltszenen.
 

 

HÖLLENENGEL

Kapitel 11

 

(An Bord der Roleta:)
„Kristin, meine Süße, so geht es nicht”, tadelte Sy'la ihre Tochter. „Du kannst nicht die ganze Zeit im Schiff umherstrolchen. Ich erwarte von dir, dass du als Teil dieser Familie Rücksicht auf mich und deinen Vater nimmst und dich freiwillig zu gewissen Zeiten hier einfindest, so zu gemeinsamen Mahlzeiten, zu gemeinsamen Spielen oder Training und selbstverständlich zu den Schafperioden.”

„Och, Mam”, maulte Kristin. „Alexa darf alles, sogar alleine wohnen, und nur weil ich ein paar Jahre jünger bin, werde ich zur Gefangenen mit Freigang. Ich bin mindestens so klug wie sie.”

„Du bist noch ein Kind und hast noch so manches zu lernen”, unterbrach ihre Mutter die Debatte. Sie wusste bereits, dass sie zu nichts führte. „Zum Beispiel, dass man im Leben nicht tun und lassen darf, was man will. Es gibt im Leben von Jaridian, Mensch oder Taelon Regeln. Und dann die Sache mit deinem Unterricht.”

„Mit meinem Unterricht?” stellte sich Kristin dumm und runzelte unwillig die Stirn.

„Loreen hat sich beschwert, dass du den Unterricht schwänzt; und wenn du zu erscheinen geruhst, dann benimmst du dich ausgenommen schlecht. Warum machst du das nur? Ich werde das leider mit Je'dir bereden müssen. Ich fürchte, du wirst demnächst zusätzliche Trainingsrunden in deiner Freizeit einschieben müssen.”

Kristin wurde innerlich richtig böse, ohne es äußerlich sonderlich zu zeigen. Diese alte Vettel! Sie konnte diese ältliche ewig nörgelnde Lehrerin nicht leiden. Seit einigen Monaten piesackte sie das Mädchen bereits. Und nun verpetzte sie Loreen auch noch bei ihren Eltern! Am besten wäre es... wäre es, sie würde überhaupt nicht existieren! Am besten für alle Kinder, sie wäre ausgelöscht! Ja, ausgelöscht!

„Kristin, hörst du mir überhaupt zu?” rief Sy'la. Sie kannte sich mit Kristin nicht mehr aus. Okay, sie war jetzt im schwierigen Alter auf dem Weg zum Erwachsenwerden, aber die Kleine war ausgesprochen eigensinnig, erzählte rein gar nichts mehr zuhause und wurde rasch ausgesprochen böse. Je'dir hatte für alle Verhaltensprobleme einer Jugendlichen eine einfache Lösung: Sport. Er war der Meinung, dass ein Jaridian bei nicht ausreichend körperliche Betätigung unglücklich und unleidlich würde. Ob das so einfach war?

„Kristin!” rief Sy'la ungehalten. Die dunkelhaarige Frau hieb klatschend auf den Tisch. Kristins abwesender Blick kehrte zurück, sie sah ihre Mutter an. „Ja?”

„Willst du dich nicht dazu äußern? Warum bitte, besuchst du den Physik-Unterricht von Loreen nicht mehr? Hast du denn Probleme? Dann sag mir bitte, welche das sein sollen.”

„Ich kenne keine Loreen!” sagte Kristin. „Du irrst dich. Meine Lehrerin in Physik ist Koki Tamura.”

Sy'la stutzte. Was hatte sie soeben noch gesagt? Wie kam sie nur auf den Namen Loreen?
Die Mensch-Taelon -Hybridin strich sich verwirrt über die Stirn und holte kurz Luft. „ Ich dachte - Loreen?”

„Aber Mam, du bist wirklich überarbeitet. Es gibt keine Lehrerin an Bord namens Loreen. Hat es noch nie gegeben. Du solltest ein paar Tage Urlaub machen. Siehst auch ganz blaß aus.”

„Wirklich...?” wiederholte Sy'la gedankenverloren. Was hatte sie noch sagen wollen? Sie hatte das Gefühl, es wäre wichtig gewesen. Sie hatte das Gefühl, zunehmend an Gedächtnisschwund zu leiden. Womöglich war sie tatsächlich krank?

„Hast du deine Übungen für die Schule schon gemacht?” fragte Sy'la aus Verlegenheit, um überhaupt etwas zu sagen.

„Aber gewiß, Sy'la”, antwortete Kristin. Das Mädchen stand brav auf, holte das Computerbuch in Heftgrößte und tippte auf eine Taste. Da war der fertige Text. Kristin musste die Aufgaben bereits gemacht haben, als... Ja wann eigentlich? Nun, die gelösten Aufgaben standen jedenfalls da.

„Siehst du, es ist alles in Ordnung, Mam. Darf ich jetzt Alexa besuchen?” fragte Kristin unschuldige und brav, mit einem innigen Augenaufschlag aus ihren grünen Augen, die aus den dreieckigen Augenbögen ihrer Rasse leuchteten. Die Lippen zu einem schmalen Lächeln verzogen. Sy'la und Je'dir konnten sich wirklich freuen, so eine liebe und fleißige Tochter wie die Kleine zu haben. Sie war einfach ein Augenstern.

 
* * *
 

Er schlug die Augen auf und war wie immer leicht benommen. Aber das Licht in der Krankenstation war nicht mehr so grell. „Vorsicht, Jack,” warnte Dr. Clares überflüssigerweise den Mann. „Es wird dir sonst wieder schwindlig.”

Jack Hanao Lasquez - so lautete angeblich sein Name - setzte sich mit leichtem Stöhnen auf. Die Ärztin hob den Injektionsstift und verabreichte ihm ein Mittel, welches angeblich das beschleunigte Vernetzen der Gehirnzellen fördern sollte. ”Hast du gut geträumt, Jack?” fragte sie dabei uninteressiert freundlich.

”Ich kann mich noch immer nicht recht an mein Leben erinnern, Birgit, wenn du das meinst”, antwortete der etwa 38jährige Mann philippinisch-asiatischer Abstammung. Er bewegte seine steifen muskulösen Schultern. ”Ich erinnere mich nur an einzelne verwaschene Szenen aus meinem Leben. So, als wäre ich nur 22 Jahre alt geworden. Wann, Doktor, kehrt meine Erinnerung endgültig zurück?”

”So wie Dr. Boss dir schon auseinandergesetzt hat, Jack, wird das wohl nicht mehr der Fall sein. Als du vom Baugerüst deiner Firma gefallen bist, hast du so schwere Schädelverletzungen davongetragen, dass es ein Wunder ist, dass du so wiederhergestellt werden konntest. Und nur dank der Technik auf diesem Schiff. Du warst jahrelang im Koma-Tank zuvor. Sei zufrieden mit dem, was du hast. Immerhin kannst du durch die Hypnoseschulungen wieder sprechen und musst die Schule nicht wieder besuchen. Du hattest Glück, Jack!”

”Ich habe keine Angehörigen?” fragte Jack zum wiederholten Male. ”Du sagst mir immer wieder dasselbe, aber ich kann das einfach nicht glauben. Habe ich wirklich nie geheiratet? Ich hatte nie Kinder? Wie sahen meine Freundinnen aus? Wie sah mein Haus aus? Hatte ich keine Freunde? Welche Hobbies hatte ich?”

”Ich kann dir mit diesen Auskünften nicht dienen, Jack”, antwortete Dr. Clares. ”Du wurdest damals im Koma-Tank auf das Schiff gebracht, weil du auf der Erde nicht geheilt hättest werden können. Und dann kam auf der Erde die Hell's Angels Party an die Macht, und du konntest nie mehr zurückkehren. Alles, was wir haben, sind ein paar Daten über dich und die paar Erinnerungs-Gegenstände, die Urkunden, die Ausweise, das Fotoalbum und ein paar Kleidungsstücke.”

”Das Fotoalbum”, sinnierte Jack. ”Die Fotos darin sagen mir gar nichts.”

”Laut Datenbank wurdest du als einziges Kind deiner Eltern in Manila geboren. Vielleicht erkennst du wenigstens deine Eltern wieder? Oder deine Schulkameraden in der Oberstufe?”

Birgit verstand ihn nicht, und er interessierte sie nicht wirklich. Jack zog sich sein Hemd über und verabschiedete sich wieder bis zur nächsten Nachuntersuchung mit Hypno-Schulung. Okay, er konnte sprechen und sich so verhalten wie ein Erwachsener. Er konnte sich auch nicht über eine mangelnde Bildung beklagen. Und die Leute vom Schiff hatten ihm eine Arbeit in der Warenproduktion und Warenverteilung beschafft - denn an Bord benötigte man beim besten Willen keinen Baumeister. Er hatte eine kleine Wohnung und wurde bestens versorgt. Nur, besonders herzlich wurde er von niemanden behandelt. Er wusste nicht, woran das lag. Es war nur offensichtlich, dass die Menschen verstummten und ihm aus dem Weg gingen. Sie sagten aber auch nicht, warum das so war. Jack konnte es sich nur so erklären, dass man ihn als Erdling nicht als Crewmitglied akzeptierte. Da akzeptierten die Leute sogar eher Jaridians und Taelons.

Also stöberte er in seiner Freizeit selbst in den Daten der Roleta. Geschichte interessierte ihn besonders. Er konnte keine Widersprüche in der Darstellung seiner Lebensgeschichte finden. Er ging seine Biographie durch und den rekonstruierten Stammbaum seiner Familie aus Manila, soweit die Roleta Daten vorrätig hatte. Er konnte bei sich keine Ansätze einer Erinnerung feststellen. Warum erinnerte er sich an die gelesenen alten Legenden eines Temudschin besser an seinen eigenen Lebenslauf? Und seine Mutter, eine warmherzige Frau, soll eine Wäscherei betrieben haben. Kann man das Gesicht seiner eigenen Mutter vergessen? Und sein Beruf... Baumeister... War das alles, was er in seinem Leben erreicht hatte? War das nicht .... einfach bedauerlich?

Das einzige Bemerkenswerte war, dass er aus einem Familienzweig stammte, der mit Ronald Sandoval verwandt war. Das war eine recht interessante Persönlichkeit gewesen, dieser damalige Mitarbeiter des Taelonanführers Zo'or, und dieser Sandoval von damals hatte sogar eine große Ähnlichkeit mit ihm selbst und auch seine Figur. Aber dieser herrschsüchtige brutale Mensch trug in den Videobildern seine dunklen Haare nicht so natürlich wie er, sondern streng nach hinten mit viel Spray und Gel fixiert und trug ewig einen dunklen altmodischen Anzug mit dieser lächerlichen Krawatte, wie die Mode damals eben war. Ein antiquierter Mann in den Fesseln seiner Gesellschaftsnormen und Verklemmtheit, tippte Jack mal. Dass dieser ”FBI-Agent” Unschuldige habe foltern lassen, passte zu so einen altmodischen Konservativen von damals. So jemand hätte sich vermutlich nie tagelang mit Bartstoppeln unter Menschen blicken lassen wie Jack.
Was hätte er, Jack, in so einer Position getan? Wäre er ebenfalls in Machtrausch verfallen? - Warum interessierte ihn die ersten Jahre des 21. Jahrhunderts so sehr?

Wenn er die Augen schloss, da tauchte das verwaschene Gesicht einer älteren Asiatin auf und das Gesicht eines älteren europäischen Mannes, sowie das Gesicht einer blonden schlanken Frau, doch wenn er sich auf die Gesichter konzentrierte, so verflüchtigte sich die Erinnerung und die Konturen lösten sich auf. Sie mussten alte noch erhaltene Erinnerungen an alte Bekannte sein. Wie seine Eltern ausgesehen hatten, wusste er dank seines Fotoalbums hingegen ganz genau.
Sein Unterbewusstsein foppte ihn, das war es wohl. Immer wieder träumte er von einem blauen Schiff und fremdartige Taelons. Menschen in Uniformen und vage Schatten. Dr. Clares hatte ihm das so erklärt, dass das Erinnerungen aus dem Geschichts-Hypnoschulungsprogramm seien. Jeder an Bord wusste aus dem Geschichtsunterricht, wie das letzte Taelon-Mutterschiff ausgesehen hatte. Warum war er nur davon so fasziniert? Warum diese Träume?

Nun, niemand an Bord konnte ihm mehr von den damaligen Taelons und Sandoval Auskunft geben als Zo'or und Da'an. Er beschloss, bei Gelegenheit die Taelons an Bord aufzusuchen, egal ob die Crew das als Belästigung betrachten würde oder nicht. Er hatte von seinem eigenen Leben fast keine konkreten Erinnerungen mehr - kein Wunder, dass er sich für die Familienbiographie und besonders die Geschichte eines seiner bedeutenderen Vorfahren interessierte.

 
* * *
 


Zu Jacks größter Überraschung war ausgerechnet die Taelon Zo'or diejenige, die ihn zum Gegensatz zu allen anderen freundlich behandelte. Da'an hatte sich schlichtweg geweigert, mit ihm zu sprechen, und daher war er froh, Zo'or Fragen stellen zu dürfen. Diese Neo-Taelon war eine faszinierende Erscheinung. Sie sah mit ihrer schlanken knabenhaften Figur aus wie ein schönes exotisches weibliches Fotomodell - seltsam, wie kam er zu diesem veraltetem Ausdruck? - und hatte ihm anfangs jede Menge Angst eingeflößt. Schließlich war sie gut und gerne 1300 Jahre alt, wie er in Erfahrung gebracht hatte. 1300 Jahre! Sie hatte eine reichlich sarkastische Sprache und eine gewisse dominante Art und musste den Berichten nach in ihrer früherer energetischen Erscheinungsform Anfang des 21. Jahrhunderts ein richtiges böses Biest gewesen sein.

Das merkte man ihr nicht an, von einem gelegentlichen Anflug eines arroganten Lächelns abgesehen. Sie trug einen weinrotfarbenen gemusterten Hosenanzug mit breitem schwarzblauen Gürtel und einen tiefen schwarzblauen Halsausschnitt, der geradezu einlud, mit den Blicken den schlanken Hals abwärts zu fahren.
„Was kann ich für dich tun?” fragte sie melodisch und bot ihm Platz an. „Du bist doch - Jack Hanao Lasquez, nicht wahr? Der, der seine Erinnerung verloren hat.”

Plötzlich war es da, das Knistern, wenn zwei passende Partner aufeinandertrafen. Sie sahen sich mit einem langen abschätzenden Blick an. Aus Zo'ors eisblauen Augen strömte eine Kraft, die den Mann fast in sie hineinzog... Jack fühlte, wie sein Puls beschleunigte und das Blut abwechselnd in den Kopf und in den Unterleib floss. Zum Donnerwetter! Das doch nicht! Doch nicht wegen dieser scharfen Taelon-Katze?

Jack wandte den Blick ab, sah kurz zu Boden, bis er die Beherrschung wieder fand, und sah sie dann scheinbar unbewegt an. „Ich hoffte, du könntest mir etwas über Ronald Sandoval erzählen”, meinte er. „Ich habe mich über meine Familiengeschichte informiert. Alles an diesem Vorfahren interessiert mich.”

„So. Tust du das.” Das war alles, was Zo'or sagte. Statt auf seine Bitte zu reagieren, statt zu sprechen, saß sie nur abwartend da und betrachtete ihn.

„Weißt du wie es ist, sich wie eine Reinkarnation zu fühlen?” fuhr er nach einem Moment des Wartens fort. „Ich habe jede Menge Erinnerungen im Kopf, und kann sie nicht einordnen. Menschen. Ereignisse. Immer wenn ich bewusst danach greife, sind sie verschwunden. Wo ich auch dabei ansetze, ich höre in mir immer wieder diesen Namen. Ich sehe in mir Bilder, als wären es seine Bilder. Seine Augen.”

„Eine Reinkarnation?” fragte Zo'or erheitert. „Etwa von Sandoval?” Sie schloss die Augen und erblaute. So wie sie die Lippen zusammenpresste und sich schüttelte, hatte sie soeben das taelonische Pendant eines Lachanfalls. Die Frau mit der dunkelblonden wuscheligen Kurzhaarfrisur beruhigte sich und öffnete wieder die Augen, um ihn anzustrahlen. „Nein, ich versichere dir, die geistige Reinkarnation von Agent Sandoval im Jahre 2346 bist du gewiss nicht. Wieso stellst du dir überhaupt solche Fragen? Ich hoffe für dich, du behältst diese okkulten Vermutungen für dich und erzählst sie nicht Dr. Boss oder Dr. Clares. Sie sind keine Taelons, sie haben kein Verständnis dafür.”

„Bestimmt nicht, Zo'or. Ich möchte keine Psychotherapie.” Er beugte sich vor und berührte ihre Armlehne, berührte ihre Hand auf der Armlehne. Zo'or wäre fast im ersten Moment weggezuckt, beherrschte sich jedoch.

„Erzähle mir bitte alles aus deiner Zeit als Synodenführer”, bat Jack. „Ich interessiere mich persönlich für diesen Vorfahren namens Sandoval. Und was weißt du über unseren Zweig der Familie? Ich wäre dir für jede Information dankbar. Ich suche nach Antworten.”
Jetzt, da er ihre Hand berührt hatte, stieg sein Pulsschlag wieder. Er zog die Hand weg und setzte sich aufrecht. Diese Neo-Taelon.... Sie war wahrhaftig erregend! Und das sollte mal ein asexuelles kahlköpfiges Wesen gewesen sein?
Er wippte unbewusst leicht am Boden mit den Haken, um die innere Spannung abzubauen, während er im Sitzen seine leicht geöffneten Oberschenkel mit den Händen massierte.

Zo'or amüsierte sich. Der kleine Mann schimmerte mit seiner Aura voll Verlangen, und das war ein dankbarer Punkt für jede Mange Sarkasmus. Sandoval hatte ihr stets nur scheinbar etwas vorspielen können. - Sollte sie tatsächlich verschütterte Erinnerungen wachrufen?
„Du wirkst so - heiß”, sagte sie ablenkend mit amüsiertem Lächeln, statt zu antworten. „Als ob du krank wärst. Du wirst doch nicht etwa Fieber bekommen?”
Sie stand auf und tänzelte an ihn heran, besah ihn von links und rechts, als suchte sie etwas, strich ihm seidenweich über die Wangen, und ergriff schließlich seine Hand. „Einen Moment”, meinte sie. „Ich werde das befühlen.” Ihre Finger strichen innen so hauchzart und sacht über seine Handfläche dabei, dass sie fast kitzelnden. Sie wusste inzwischen genau, was Menschenmänner anmachte. Sie konnte es nicht lassen. Es machte einfach Spass, Menschen aufzuziehen. Sie kam nur selten zu diesem Vergnügen. An Bord gab es zuwenig Abwechslung.
Jack musste einen tiefen erregten Atemzug nehmen. Blumig-süßer Parfüm. Die Luft getränkt von ihren geruchslosen Pheromonen, wie sie bereits die Atavus auszuschütten verstanden.
„Nein”, sagte sie dann, sich aufreizend aufrichtend. „Fieber hast du nicht. Du solltest dir ehest eine Freundin suchen. Ich denke mir, du brauchst das.”

Sie war wirklich frech und unglaublich selbstbewusst. Er musste einfach kopfschüttelnd leise lachen. „Bist du sicher?” meinte er dann dazu, scheinbar wieder gelassen. „Ich fürchte, auf dem gesamten Schiff gibt es kein geeignetes weibliches Spielzeug. Bitte beantworte mir einfach meine Fragen.”

 
* * *
 

Die anderen taten einfach, was sie für richtig hielten, und Roleta befolgte einfach die Stimmenmehrheit in der Zentrale. Da'an hatte sich mit seiner Skepsis nicht durchsetzen können. Die Lager waren inzwischen durch die neue Produktion von Ersatzteilen und Nano-Bazillen aufgefüllt, die Fahrt zur Erde konnte angetreten werden. Da'an wäre froh gewesen, wenn ihn wenigstens Zo'or oder eines seiner anderen Kinder unterstützt hätte, doch das war nicht der Fall. Zo'or war entweder ständig mit diesem Sandoval-Lasquez-Verschnitt zusammen oder heckte etwas aus, das fühlte Da'an. Offiziell sollten sie, Alex J. „Augur II.” Chevelleau und Haggis sich bemühen, die Koordinaten eines der alten kimerischen Wissensspeicher zu errechnen. Die Crew hätten kimerische Waffen jetzt gut gebrauchen können. Sie sollten längst fertig damit sein. Da'an oder einem anderen aus dem Kimera-Mensch-Taelon-Jaridian-Kollektiv war es nicht gestattet, dabei zu helfen. Die Daten waren nicht in ihrem Bewusstsein, und wenn sie es gewesen wären, hätte das Kollektiv es nicht gestattet. Die Nachfahren mussten selbst den Schlüssel finden.

‚DDDAAA'AAANNN!’ hauchte es in seinem Inneren. ‚Komm zurück ins Kollektiv....!!!’

‚Noch nicht!’ antwortete er. ‚Es ist noch nicht soweit. Noch sind die Kinder in Gefahr!’

‚DDDAAA'AAANNN! Komm zurück....! .....Es ist Zeit.....!!’
Da'an war sicher, dass auch die Jaridianerinnen Trestim und Palwyr und der verschollene Taelon Ho'shin die immer lauter rufende Stimme hören mussten. Er sah es in den Augen der zwei Frauen, wann immer sie sich begegneten: sie wollten ebenfalls noch nicht gehen. Die anderen Taelons merkten davon nichts, trotz ihrer innigen telepathischen Verbindung. Das Kollektiv rief von einer weit höheren Ebene aus seine vier Teilindividuen zu sich. Eines Tages würden sie vier einfach verschwunden sein, und Da'an konnte nur hoffen, dass ihnen noch die Zeit blieb, sich zu verabschieden.

„Woran denkst du?” fragte Blo'or, sein Kind, mit Besorgnis in den Augen. „Ich kann deinen Gedanken mit einem Male nicht mehr folgen.”

„Ich werde gerufen”, gab Da'an mit kurzem Zögern zu. Jedes seiner Kinder war eine interessante Persönlichkeit und trug Elemente seines Charakters mit sich. Blo'or war aufgeweckt und experimentierfreudig, Qui'sa war vertrauensgewinnend und bedächtig, Me'win war hilfsbereit und ehrlich und die hochintelligente, um vieles ältere Zo'or war mutig und wagelustig, eine geborene Anführerin.

„Ich nehme keinen Ruf wahr!” erwiderte Blo'or etwas verwirrt. „Was meinst du denn? Wer ruft dich?” Ja, die Geduld war Blo'ors Sache nicht. Dieser junge Taelon verlangte immer nach Antworten.

Da'an machte eine weit ausholende Geste, die das Universum darstellen sollte, untermalte das Gedankenbild geistig mit einem „Schauer von Größe”, welches perfekt zu Wort und Gestik passte, und sagte dazu: „Das Kollektiv ruft mich. Mein Schicksal ruft mich.”

Als er die Aussage voll erfasst hatte, erschrak Blo'or so sehr, dass kurz ein blauer Energieschimmer über seinen Körper lief. 'Nein, das kannst du nicht tun!’ dachte Blo'or nach dem ersten Entsetzen und unterstrich seine Gedanken mit einer langsamen streuenden Geste. ‚Es ist die Saat noch nicht vollends aufgebracht, noch nicht vollends aufgegangen! Verlasse uns nicht!’

‚Nein, nein!’ riefen jetzt auch noch die anderen Taelons gemeinsam. ‚Du und auch Ho'shin, wo immer er ist, ihr dürft uns nicht verlassen!

‚Mein Leben auf dieser Ebene war nur ein Scheinleben; ihr wisst es wohl. Diese Ebene der Lebenden habe ich längst verlassen. Mein wirkliches Leben vollzieht sich seit Jahrhunderten im neuen Kollektiv auf der höheren Ebene. Der Ruf des Kollektivs wird immer stärker. Irgendwann in nächster Zeit werden ich, Ho'shin, Trestim und Palwyr verschwunden sein. Unsere Arbeit ist getan, unsere Kinder sind erwachsen. Ich bitte euch, erklärt es dann den Jaridians und den Menschen. Unterstützt die, die zurückbleiben. Erklärt es auch den Menschenjungen Lukas oder meiner Freundin Tan Liü!’

‚Wir werden das gewiß tun’, versicherte Mur'ru im Namen von Ka'sar, Ko'lan und Ken'tau.

„Du machst uns ganz betrübt”, sagte Blo'or. Er stand einfach in seinem blauen Licht da, aufgewühlt, sprachlos. Seine Aura und seine Emotionen drückten Kummer aus. Darin waren sich alle Neo-Taelons an Bord mehr oder weniger einig. Nur Zo'or sah es gelassener - sie kannte Da'ans melodramatischen Auftritte.

„Noch ist es nicht soweit”, antwortete Da'an.

‚Dennoch fliegt dieses Schiff zur Erde, Da'an’, sagte Zo'or geistig. ‚Mur'ru und die anderen geben ihren Entschluss nicht auf.”

 
* * *
 


Mit sämtlichen Tarnvorrichtungen flog die Roleta vorsichtig in die dichte plasmaartige Atmosphäre von Jupiter ein. Die Aktion sollte aus tarnungstaktischen Gründen direkt mit dem Hauptschiff erfolgen, nicht mit Beibooten. Es war leichter, ein Schiff zu verstecken als ein ganzes Dutzend. In der Zentrale hatten sich alle führenden Persönlichkeiten des Schiffes eingefunden und beobachteten das Manöver von den bequemen bunten Couchsesseln und Caféhaus-Tischen aus.

Im Moment schienen keine schwarzen Schiffe im Sonnensystem vorhanden zu sein; die Gelegenheit war günstig - also rasch zur Erde geflogen und raus mit den Nanobazillen! Das Schiff achtete darauf, mit keinem der Reste der zerstörten Satelliten zusammenzustoßen und so seine Tarnung zu gefährden. Richtig plaziert, öffneten sich die Ladeluken und bliesen den künstlichen Staub hinaus. Wie ein hauchdünner Schauer aus feinen Kometenpartikeln glitzerte die Waffe kurz auf, bevor sie sich in der bläulichen Atmosphäre der Erde verteilte. Was sollte schon schiefgehen? Die Roleta hatte schon mal biologische Waffen eingesetzt, damals gegen die Tzeks. Warum sollte sich der Erfolg nicht wiederholen?

Das einzige, was die Roleta tun konnte, war drei bis vier Tage versteckt abzuwarten, bis die gezüchteten Nano-Bazillen die Krakencyborgs befallen hatten, um dann die H.A.P.-Machtzentren der Erde mit roher Gewalt auszuschalten. Irgendwo da unten hauste auch noch die Imperiale Margret Cost-Camdsten, und solange sie und ihr Kabinett noch am Leben waren, würde es keinen Frieden geben. Beim Scannen konnte die Bordintelligenz aber keine Spur von ihr auf der Erde finden; sie musste sich in einem wirklich guten Versteck aufhalten. Das uralte Schiff der ausgestorbenen Zefir zog sich in die Atmosphäre des Jupiters zurück und verbarg seine (ein-Kilometer)-Tonnengestalt.

Hinten in der Zentrale saßen Bethany und Alexa mit Kristin in ihrer Mitte. Bethany naschte an einer heißen Schokolade, einem Getränk, dem Alexa gar nichts abgewinnen konnte. Als Kind hatte sie immer Bauchschmerzen von Schokolade bekommen. Stattdessen saugte sie die kleinen wohlschmeckenden Schneckchen aus ihren dünnen Häuschen aus Horn, die aus der Zucht an Bord der Roleta stammten. Geschmacklich erinnerten sie an einer Mischung zwischen Geflügelpastete und Schinken und wurden roh mit ein paar Tropfen Zitronensaft aus den Schalen geschlürft. Die Schmagga-Schnecken waren eine Weiterzucht einer Art, die in dem kalten Ozean Jaridias lebte. Sie schmeckten am besten, wenn sie noch im Mund zappelten. Sofern man ein Jaridianer war. Dazu biß sie zwischendurch mit ihren feinen perlweißen Zähnchen in den Buttertoast, den es dazu gab. Alexa jüngere kleine Schwester Kristin löffelte an einer süßen eisgekühlten Eierspeise mit Himbeerfruchteis. Wenn sie schon die Zentrale aufsuchten, dann konnte man sich ruhig eines der Leckereien gönnen, die man nur hier von den Servobots bestellen konnte.

Als die Roleta wieder Bezug in der dichten Atmosphäre des Riesenplaneten Jupiter getaucht war, leerte sich die Zentrale langsam. Alexa hatte ein altes antiquiertes irdisches Buch mitgebracht. „Da”, sagte sie und schob es ihrer Schwester hin. „Das Buch von Madeline Stove. Lies doch mal vor. Seite 181.”

„Alexandra”, verwandte die Kleine die lange Namensform ihrer Schwester, um anzuzeigen, wie ernst es ihr war. „Treibe mich ja nicht in die Enge. Das würde dir nicht bekommen. Du hast es herausgefunden. Na und?”

„Du hast die Menschen manipuliert, die Taelons und die Jaridians. Warum, Kristin?”

„Bah, dass ist doch nur ein Roman über Liam Kincaid. Ich habe ein paar Seiten erfunden und als Manifestation eingefügt. Na und? Mir war langweilig.”

„Du hast mehr getan”, warf jetzt Bethany ein. „Du hast unser aller Gegenwart manipuliert. Wie verantwortungslos! - Wie lange machst du das schon?”

„Nicht so laut!” zischte Kristin böse. „Ich weiß nicht, was ihr habt. Ich bin hauptsächlich auf diesem Schiff aufgewachsen, auf diesem langweiligen Schiff über diesem langweiligen Planeten im äußeren Seitenarm dieser unwichtigen Galaxis. Ich habe endlich für etwas Abwechslung gesorgt, das ist alles.”

„Das mit Zo'or? Das mit Sandoval?” erinnerte Bethany. „Ja, guck nicht so erstaunt. Wir haben deinen Entwurf für unsere Gegenwart gefunden und gelesen.”

„Ach die!” maulte das Mädchen. „Die braucht das. Die verdient das irgendwie.”

„Ich verlange, dass du das umgehend so behebst, dass wir in die echte Realität zurückkehren,” sagte Alexa energisch. „Ich verlange, dass du umgehend diese Spielereien sein lässt! Sonst wird früher jemand auf uns Mehr-Gen-Lebensformen aufmerksam. Wie sollen wir mit den Menschen zusammenleben, wie sollten wir unsere Gene weitergeben, wenn sie das entdecken?”

„Die Menschen!” sagte das Mädchen verächtlich. „Du weißt genau, das WIR, nur WIR Mehr-Gener die echten authentischen Nachfahren der Kimera sind. Wir allein haben alle ihre Eigenschaften. Wir können die Menschen benützen und unsere Gene durch sie verbreiten, so wie die Kimera einst die Ur-Taelons benützt haben. Sie sind geradezu geschaffen dafür! Dann wird die ferne Zukunft in 100 000 oder 200 000 Jahren unseren gemeinsamen Nachfahren gehören. Falls es jedoch einen Krieg geben sollte, dann werden WIR übrigbleiben und eine neue Spezies bilden; und sie werden aussterben. WIR, und nur WIR, sind die dominierende Spezies!”

„Ich gebe dir Recht”, bestätigte Bethany. „Wir sind eine überlegende Lebensform und werden früher oder später die Menschen dominieren. Doch für jetzt brauchen wir die Menschen und dürfen sie nicht auf uns aufmerksam machen. Und, so nebenbei, die Menschen sind gar nicht mal so übel. Etwas dumm sind sie vielleicht, aber dafür recht unterhaltsam. Ich würde sie vermissen. Und ich würde einen Partner vermissen.”
„Wir dürfen die ethische Komponente nicht vergessen”, mahnte Alexa. „Nicht alles, was möglich ist, ist uns auch erlaubt.”

„Wo kein Kläger, da kein Richter”, erwiderte Kristin.

„ICH WILL DAS NICHT!”, sagte ihre Schwester streng. „Hörst du? Du wirst damit aufhören. Leid über andere zu bringen - verstehst du DAS etwa als Fortschritt? Ist DAS etwa für dich lustig? Und DU redest vom Erbe der Kimera! Du verhältst dich doch wie ein Atavus!”

„Ich muss jetzt Alexandra recht geben”, setzte Bethany fort. „Die Kimera waren Forscher und keine Spielernaturen. Auch wenn sie überall im Universum Kuckuckskinder gezeugt haben. So etwas wie deine Realitätsmanipulationen macht man einfach nicht aus Langeweile! Mir wäre so etwas zu tun nie im Traum eingefallen. Also behebe das gefälligst.”

„Oh Bethany! Oh Schwesterchen Lexis!” rief Kristin entsagungsvoll und fügte entsprechende emotionale taelonische Gesten zur Besänftigung ein. „Was seid ihr zwei doch für Heuchler! Euch fehlt dazu einfach die Courage. Die Kimera gehörten zu den Alten Völkern, das sagt alles. Ich bin nicht der einzige in diesem Universum, der mit hohem Einsatz spielt. - Nun gut, ich werde mich nach euch richten. Jedenfalls für die nächste Zeit. Zufrieden?”

„Gut”, meinte Alexa nachdenklich. „Du bist noch jung. Wenn du älter bist, wirst du verantwortungsbewusster sein. Hoffe ich.”

 
* * *
 

Tan Liü trat nach Aufforderung ein. Ihr gelbes Kunstseiden-Kostümchen raschelte etwas, als sie mit elegant-zierlichen Schritten in die Räume des Taelon eintrat. Sie sah sich kurz in dem blaugetönten Raum mit den Wellenmustern an den Wänden um, die wie eine Art Meereswogen aussahen, zwischen denen funkelnde Tropfen schwebten. Das erinnerte sie kurz daran, dass die Taelon-Vorfahren von einer Welt stammten, deren Oberfläche in einem noch stärkeren Ausmaß von Wasser bedeckt war als die Erde. Der schlanke gutaussehende Taelon erhob sich höflich von seinem Ruhesessel und lud sie mit einer weitschwingenden Geste ein, auf einem grünlichen Sofa Platz zu nehmen. Solche Sofas standen in ihren Quartieren eigens für menschliche Gäste da, deren Gebräuchen man sich anzupassen suchte.

„Du kannst offen sprechen, Ariel ist nicht hier”, ermunterte der kahlköpfige Taelon im blauen Bio-Anzug die Chinesin. Er setzte sich mit geschlossenen Beinen, nach Taelonart, ihr gegenüber. „Was hast du mir zu berichten?”

„Ich schäme mich”, sagte die Frau und schlug ihre dunklen, mandelförmigen Augen kurz nieder. „Meine Gefühle zu Da'an sind gewachsen. Es ist nicht recht, ihn auszuspionieren.”

„Und doch wirst du es für mich tun”, erwiderte Ko'lan. „Ich habe dich Da'an vorgestellt und ich könnte jederzeit Da'an von unserem kleinen Arrangement berichten. Denkst du, dass Da'an dir dann noch soviel Vertrauen entgegenbringen würde? - Nein, sicher nicht. - Außerdem entsteht für Da'an kein Schade; ich möchte nur wissen, woran wir mit ihm sind. Nichts weiter.”

„Ja, das ist wahr, Da'an würde mir das Vertrauen entziehen, aber ich könnte immer darauf hoffen, dass er mir verzeiht. Eines Tages. Oder nicht?”

„Taelons und Jaridians pflegen weder etwas zu vergessen, noch etwas zu verzeihen. Ich würde nicht darauf hoffen, Liü”, zerstörte der Taelon ihre Illusionen. Und lächelte wie immer scheinbar freundlich dabei.

„Warum fragst du nicht deine Frau, Ariel? Hätte sie nicht weitaus bessere Voraussetzungen, Da'an auszuhorchen, als ich?”

„Ariel ist loyal, sie würde nie darauf eingehen”, erwiderte Ko'lan. „Für sie ist Da'an, der auch noch mit Vorjak vereint worden ist, so etwas wie ein Vater. Und Da'an würde sie nie für so harmlos halten wie dich.”

„Nun gut”, sagte Liü und wischte sich eine Träne aus den Augen. Ko'lan hatte sie in der Hand. Nichts hatte sie sehnlicher gewünscht, als eine Ausbildung als Musikerin an Bord, und wie es sich so traf, war Ko'lan der einzige, der Kenntnis von alter taelonischer Musik besaß. Die alten Taelons waren in Kasten hineingeboren worden, und Teile ihres Wissens waren angeboren. Wie es so kam, besaß Ko'lan noch genetisch ererbtes Wissen über Musik in sich, obwohl er zur Kaste der Wissenschaftler gehört hatte. Ko'lan brachte ihr Musik bei, aber mit der Auflage, dass sie dafür einige Gefälligkeiten übernahm. Diese „Gefälligkeit” betraf nun Da'an. Für Ko'lan waren Trestim und Palwyr keine richtigen Jaridian und Da'an kein echter Taelon mehr; sie waren Teil des Taelon-Jaridian-Mensch-Kimera-Kollektivs, das ein total neues Etwas war, auch wenn es scheinbar vertraut klang. Sie schienen der Besatzung gegenüber loyal zu sein, aber genauso gut möglich war, dass sie und das neue Kollektiv nur bisher gemeinsame Ziele verfolgt hatten - wie die der Vernichtung gemeinsamer Feinde. Im Grunde wusste keiner an Bord etwas von diesem Kollektiv der anderen Ebene. Keiner wusste etwas über dessen Möglichkeiten, und die drei erzählten auch gar nichts davon. Angeblich hatten sie davon kaum Erinnerungen. Da'an war mindestens so gut darin, seine innersten Gedanken den anderen Taelons zu verbergen, wie Ko'lan es war. Sie waren da, um über die Kinder zu wachen? Wirklich? - Das Kollektiv musste doch zusätzlich irgendwelche Ziele verfolgen? Nur, welche?

„Vergiß nicht, Ko'lan, wenn unser Arrangement publik wird, dass auch du Ariel und Da'an wirst unangenehme Fragen zu beantworten haben!” erinnerte die Chinesin. „Es war auch nicht viel los. Da'an wirkt abwesend, es scheint, als ob er in Kontakt zum Kollektiv stünde. Blo'or gegenüber kündigte er an, dass er eventuell bald zum Kollektiv zurückberufen werden könnte.”

„Ja, ich weiß”, bestätigte Ko'lan. „Weiter.”

„Gegen Mur'ru und Ka'sar hat er sich offenbar verbündet, um die Idee, Nanobazillen zur Erde zu bringen, doch noch zu hintertreiben. Dazu wurden diverse einfallsreiche Intrigen an Bord gegen Befürworter inszeniert, und zwei Mitglieder Crew, die sich nicht beschwatzen hatten lassen, waren vor der Abstimmung mysteriöserweise in die Bordklinik eingeliefert worden, mit einer schweren Infektion.”

„Das war zu erwarten”, seufzte Ko'lan. „Da'an ist ein Meister der Intrige.”

„Dieser ehemalige Komapatient Hanao Lasquez wollte mit ihm sprechen, wurde aber abgewiesen. Da'an meint, Zo'or verbringe zuviel Zeit mit diesem Mann, allerdings war er wiederum zufrieden, dass Zo'or sich seinetwegen nicht in dem Plan mit den Nanobazillen eingemischt hat. Der Mann läuft Zo'or aus unerfindlichen Gründen nach, als wäre er ihr neues Schoßhündchen.”

Das schien Ko'lan leicht zu erheitern, denn er verzog den Mund zu einem Lächeln, doch schien er von dieser Meldung nicht überrascht.

„Da'an hat sich in letzter Zeit häufig mit den zwei Jaridianfrauen getroffen und sich über die Eigenschaften ihrer Kinder erkundigt, ob ihnen etwas aufgefallen sei. Aber ganz unauffällig. Er hat sich auch über alle Maßen für das Verhalten der Neo-Taelons an Bord interessiert. Aber am meisten Zeit verbrachte er darin, Bethany, Alexa und Kristin heimlich zu überwachen.”

„Die Eigenschaften der Kinder...?” überlegte Ko'lan laut. „Die Eigenschaften meiner Bethany...?” Was wollte Da'an mit der Überwachung seiner und Ariels Tochter? Bethany war ein Mischling, ein Hybridkind, und hatte Anteil an den Eigenschaften von Mensch, Taelon und Jaridian. Genauso wie - Alexa und Kristin, richtig. Abgesehen davon, was sollte daran ungewöhnlich sein?

„Es ist so, als suche Da'an irgend etwas an ihnen, etwas Außergewöhnliches. Er hatte auch eine historische Datenbank offen, darin las ich die Namen „Liam Kincaid” und „Joyce Belman”. Mehr kann ich dazu nicht sagen.”

„Ich werde mich darum kümmern”, sagte Ko'lan und erhob sich. „Und wenn ich deswegen Zo'or fragen müsste. Ich danke dir, Tan Liü, das war diesmal ein interessanter Bericht.”

 
* * *
 

Dazu kam es nicht mehr.

Die Lage an Bord der Roleta schien friedlich zu sein. Die Kinder spielten in den hydroponischen Gärten oder besuchten die Schule, die Crewmitglieder arbeiteten oder gingen ihren Freizeitvergnügungen nach. Man hing in der dichten plasmaartigen Atmosphäre des Gasriesen Jupiter und wartete ab. Einige an Bord hörten die Nachrichten ab, die auf der Erde kursierten. Natürlich war das meiste noch von der H.A.P. zensuriert. Aber schon war die kursierende Unordnung erkenntlich. Sender fielen aus. Die fehlenden Nachrichten wurden durch die Sendungen der Miniatur-Spionagetools ergänzt, die mit den Nanobazillen über die Erde entleert worden waren. Demnach lagen bald überall schrottreife Kraken auf den Gehwegen, und die Bevölkerung kam nicht mehr mit dem Einsammeln nach. Das war doch wahrhaftig ein Grund zum Feiern!

Die schlechte Nachricht war, dass die Imperiale Margret Cost-Camdsten den Befehl gegeben hatte, die Cyborgs zu öffnen und die Ursache deren Ausfälle zu ergründen. Teufel auch! Natürlich waren die Menschen neugierig. -Umgehend wurde eine Nachricht von der Roleta ausgestrahlt, dies zu unterlassen, weil die Kraken biochemisch verseucht seien. Keiner an Bord der Roleta hätte sich ohnehin vorstellen können, dass die Menschen die Cyborgs hätten öffnen können. Dazu fehlte schlichtweg die Technik. Aber man wollte wenigstens gewarnt haben. Inzwischen rüstete man sich an Bord zur letzten Schlacht, die den H.A.P. nach 16 Erdjahren Diktatur den Garaus machen sollte. In den Hangars warteten Tausende vorbereitete Kriegszenturios mit ihren Robot-Kriegsrobotern. Bis dann die demokratischen Strukturen wiederaufgebaut waren, sollte die Crew der Roleta die Macht interimsmäßig übernehmen.

Alles schien optimal vorbereitet. Fast. Die Dunkelmächte hatten einen heimtückischen Mechanismus in die Kraken eingebaut, ein Programm, welches das Team an Bord wiederum nicht gefunden hatte. Das war auch unmöglich gewesen: zufälligerweise war das Exemplar an Bord, welches untersucht worden war, genau in diesem betreffenden Sektor zerstrahlt worden. Die spinnenartigen Kraken aber auf der Erde, die so einfach umfielen und liegen blieben, waren noch „scharf”. Da binnen 48 Stunden die verstorbenen Cyborgs nicht aufgesammelt und deaktiviert worden waren, flogen sie wie kleine Plasmabomben in die Luft. Abgesehen davon, dass die Explosionen überall auf der Erdoberfläche hunderttausenden Menschen das Leben kosteten und etwa die zehnfache Anzahl verletzte, wurden die Bazillen, die als Träger der mutierten Herpes- und Grippeviren dienten, ungehemmt ohne mechanische Hülle, in den Städten freigesetzt.

Die Bazillen als Träger der mutierten Herpes- und Grippeviren befielen Mensch und Tier. Okay, die meisten Menschen hätten diese Krankheiten überlebt. Wie es jedoch so ist, wenn x-milliardenfach gezüchtete Bazillen im Umlauf sind, traten am 6. Tag nach dem Abwurf der Nanobazillen die gefürchteten Mutationen auf. Darunter eine neue für Menschen, Affen, Schweine, Ratten und Mäuse hochgradig ansteckende tödliche Seuche: HG-37, die 37.Mutation der Bazille mit den ins Erbgut eingeschleusten vereinigten Herpes- und Grippeviren. Sie befiel Gehirn, Muskel- und Nervenzellen, zerfetzten diese und ließen die Befallenen in Agonie bis zum Tode dahinsiechen. Ein Tod, der binnen 24 Stunden mit Organversagen eintrat. Als von der Seuche unter diesen chaotischen Zuständen endlich berichtet wurde, war es schon zu spät - die Seuche breitete sich längst aus. Der Seuche fiel auch die Imperiale Margret Cost-Camdsten zum Opfer.

Längst war an Bord der Roleta tiefste Betroffenheit ausgebrochen, die Befürworter und Gegner der Nanobazillen-Aktion befetzten sich mit Worten. Überall schlichen die Menschen bedrückt umher, weinten oder erbrachen vor Ekel darüber, was sie angerichtet hatten. Gott, die Befreiungsaktion entwickelte zum Fiasko-Bumerang. Die Roleta sah sich gezwungen, am 8. Tag den Ortungsschatten zu verlassen und trotz der Gefahr durch die Dunkelmächte zur Erde zu fliegen. Vielleicht konnte man den HG-37- Bazillus isolieren und schleunigst ein Gegenmittel finden, um die tödliche Seuche zu beenden.

 
* * *
 


„Musst du mir jeden Tag hinterherlaufen!” schimpfte Zo'or. Sie konnte Jack Hanao Lasquez heute nicht gebrauchen. Eben hatte sie von Da'an geistig als eine der Ersten erfahren, dass eine tödliche Seuche auf der Erde ausgebrochen war. Alle Taelons waren innerlich in höchster Aufruhr. Sie konnte sich kaum auf etwas Äußerliches konzentrieren. „Musst du nicht arbeiten? Oder kannst du nicht zur Abwechslung einer Erdenfrau deine sexuellen Wünsche bekanntgeben? Oder mach deine Ahnenforschung. Ich habe heute keine Zeit für dich!”

„Aber Zo'or”, beschwerte sich der amerikanisch-asiatisch-philippinische Mann. „Von niemand am Bord lerne ich soviel wie in deiner Begleitung. Es ist fast so, als ob sich Stück für Stück ein Schleier lüftet.”

„Der Schleier soll sich aber nicht lüften!” sagte die Taelon gereizt. „Es ist, wie es ist. Finde dich endlich damit ab!” Sie flüchtete in ihre Suite, aber der Mann war unhöflich genug, nicht draußen zu bleiben, sondern ihr nachzufolgen.

„Der Schleier soll sich nicht lüften...?” fragte Jack gedehnt. Zo'or drehte sich um und funkelte wütend an.
„Das passt. Erkläre mir doch, Zo'or...”, fragte er langsam, „erkläre mir doch, wieso ich in meinem Kopf mehr Erinnerungen von der irdischen Lebensweise um 2000 im Kopf habe als Erinnerungen aus dem 24. Jahrhundert?”

Zo'or setzte sich wütend in ihren Ruhestuhl. „Ich wünsche, dass du gehst!” befahl sie scharf. Dann drehte sie den Stuhl gegen die Wand, lehnte sich zurück und verwandelte sich einfach in einen blauen Energiekörper. Damit gab sie zu verstehen, dass sie kein Wort mehr sagen würde. Sie ließ den Mann einfach stehen.

Jack stand unschlüssig da, dann sah er sich um und wollte schon gehen, als er mit den Augenwinkeln auf einem Regal etwas glitzern sah. Er ging leise hinüber zur Wand und hob das kleine rundliche Ding hoch. Eine Uhr! Eine Taschenuhr. Instinktiv legte er sie kurz ans Ohr und lauschte kurz auf ihr ticken, um sie dann aufzuziehen, als er wie erstarrt innehielt. Sie Augen weiteten sich. Das war doch nicht möglich? DAS KONNTE NICHT SEIN?! Bilder, Bilder stiegen auf, aus dem Unterbewusstsein freigegeben. Unvollständig. Bruchstückhaft, aber doch... Schreckliche Bilder. Schöne Bilder. Aber mehr schreckliche Bilder. Isolation. Uhr und Ring. Er hatte sich selbst indoktriniert. In einer Zeit, wo überall der menschliche Wille gebrochen wurde, in einer Zeit, in der die Persönlichkeiten von Menschen mutwillig gelöscht worden waren, hatte er sich selbst willentlich einen strikten hypnotischen Befehl gegeben: Erwache! Erwache! Werde wie du warst! Erwache beim Anblick von Uhr und Ring...

Was war nur geschehen? Er war total verwirrt. Da waren die künstlichen Erinnerungen, die genau entgegengesetzt zu denen waren, die jetzt aufstiegen. War er wahnsinnig? Er griff sich stöhnend an den Kopf und flüchtete, die Uhr in der Hand, geradezu aus Zo'ors Suite. Zo'or, natürlich, spielte damals wie heute eine Rolle, sie sollte ihn ja zu seiner Erinnerung zurückführen... Oder nicht? Das war doch das 24. Jahrhundert? Oder doch nicht? Was zum Teufel war wirklich los mit ihm? WER war er wirklich? Was war geschehen? Eine Kopfoperation. Er musste überlegen...
Er ging aufgewühlt und blass in seine kleine Wohnung, die Menschen, die ihm begegneten, wirkten wie unwirkliche Gespenster. Er schaltete in der Wohnung alle Störfaktoren ab, um Ruhe zu haben, und warf sich aufs Bett. Er musste nachdenken, musste sich erinnern.... Aber da war vieles nicht mehr da. Die Kopfoperation.... Warum? Ein Unfall? Aber er war doch gestorben, oder nicht? WER war er, WO war er, WARUM war er hier? In seinem Kopf war außer diesen verstörenden Bildern weiterhin ein riesiges Erinnerungsloch.

Nach einigen Stunden stand er auf, und ließ sich von Ronald Sandoval noch mal alles an Material vorspielen, was bekannt war. Einige Dinge erkannte er wieder. An andere konnte er sich nicht erinnern. Er las immer wieder, was Ronald Sandoval für Verbrechen begangen hatte. Wäre er, Jack, fähig gewesen, so zu handeln? Er konnte sich nicht vorstellen, so gehandelt zu haben. Aber WENN er Sandoval war, dann hatte er das alles getan... Dann hatte er gemordet und gefoltert und die Erde verraten, dann waren seine Hände voller Blut und jeder Mensch tat recht darin, ihn zu verachten... Und dann auch noch die Sache mit Liam... Er war vor Schock noch immer innerlich erstarrt.

„Was geht hier vor?” fragte hinter ihm jemand mit dunkler melodische Stimme. Er wandte kurz den Kopf, um dann dieser auf den Schirm zu sehen. „Das hier ist privat, Roleta. Lass mich alleine.”

„Das geht mich auch etwas an. Woran erinnerst du dich?”

„Ich erinnere mich, wer ich war, aber ich kann nicht glauben, das alles getan zu haben. Es ist schrecklich.”

„Wir wollten, dass du alle diese Dinge vergißt”, sagte das Bordgehirn. „Diese Erinnerungen sollten verschwinden wie die kranken zerstörten Areale in deinem Gehirn. Nachdem wir dich gerettet hatten, wollten wir dir ein neues Leben geben.”

„Gerettet durch eine Zeitreise vermutlich, wie auch immer. Zeige mir, was an meinem Gehirn so mangelhaft war”, verlangte Sandoval. Er besah sich stumm die Ergebnisse der Untersuchungen. Dann schwieg er einige Minuten.

„Wir mussten einiges in der Vergangenheit richtigstellen, und Zo'or nahm dich einfach mit”, erläuterte die Bord- intelligenz. „Aber so wie du warst, psychisch krank und schwer verletzt, konnten wir dich nicht belassen. Entweder wir hätten dich dein Leben lang eingesperrt müssen, oder wir mussten dir eine neue Erinnerung geben.”

„Das war absolut logisch gehandelt”, gab Sandoval zu. „Und jetzt, was hast du jetzt mit mir vor?”

„Die psychologischen Tests zeigen, dass du wieder, von den Erinnerungen abgesehen, klar denken kannst und keine psychopathischen Merkmale mehr aufweist. Die Entscheidung, was mit dir geschehen soll, obliegt der Crew, aber der „alte Sandoval” der Taelon-Zeit existiert nicht mehr. Vorerst bleibst du für alle Jack, und ich behalte dich unter Aufsicht. Die Crew hat im Moment ganz andere Sorgen.”
Roleta verschwand, und Sandoval blieb mit seinen Erinnerungen allein. Irgendwann sank sein Kopf gegen seine Brust und er begann, hemmungslos zu weinen.

 
* * *
 

Als Sandoval, wieder zur Fassung gelang, seine Wohnung verließ, waren alle Leute in den Gängen völlig außer sich. Er konnte nicht glauben, was er so unterwegs aufschnappte. Die Menschen auf der Erde schienen in einer wahrhaft verfahrenen Situation gelangt zu sein.

In der Tasche hatte er die Taschenuhr aus Zo'ors Wohnung eingesteckt; er erinnerte sich vage, die Uhr vor seiner Gehirn-Operation Zo'or geschenkt zu haben. Er musste vermutet haben, dass er durch sie seine Erinnerung wiederfinden würde. Sie war nicht in ihrem Quartier, sondern laut Bordauskunft in den Labors bei einer Haggis und einem Alex J. „Augur II.” Chevelleau. Er schlenderte zu den Bordlaboratorien, schon aus Neugierde darüber, was Zo'or wieder als Überraschung ausheckte, und sah durch die durchsichtige Tür aus virtuellem Glas in den Raum, wo die Taelon gerade mit den zwei Menschen lebhaft diskutierte.

„Wir müssen ‚es’ nochmals wagen”, betonte die Taelon mit lebhaften Gesten, „die Situation wird immer verfahrener. Und jetzt die vielen Toten auf der Erde! Dieses Zeituniversum wird zur Realität, wenn wir nicht endlich handeln. Wir haben die Karten, wir haben das Gerät, worauf warten?”

„Langsam weiß ich gar nichts mehr”, sagte Alex. „Manchmal kann ich mich an eine andere Zeit nicht mehr erinnern. Es ist wie ein Traum, der verblasst, während das hier die Realität ist. Ich meine, WIRKLICH unsere Realität. Vielleicht sind wir nur verrückt geworden?”

„Diese Zeitlinie wird zur Normalität, und bald werden wir alles andere vergessen haben”, wiederholte Zo'or.

Da ging es urplötzlich los. Ein gellender Alarm schepperte los, und das Schiff rüttelte sich verzweifelt. Höchste Gefahr! „Umzingelung durch 13 aufgetauchte Dunkelmächte-Schiffe!” hallte es durch das Schiff. „Alle Beiboote sind sofort zu bemannen, die Kinder in die sicheren Sektoren!” Keine 10 Sekunden später: „Achtung, feindliche Tools setzen auf Hülle auf! - Achtung, Dunkelmaterie durchbricht die Hülle! Hüllenrisse! In die Anzüge!”

Sperrartige schwarze Stäbe durchbrachen plötzlich von allen Seiten das Schiff. Auch durch das Laboratorium brachen einige Sperre. Es ging viel zu schnell! Draußen am Gang hörte man das dumpfes Wehgeschrei von sterbenden Menschen.

„Das überleben wir nicht, wir müssen fliehen! Sofort” rief Zo'or. Sie lief instinktiv auf das Interdimensionsportal im Labor zu und hieb eine Programmierung aus dem Gedächtnis in das Ding. Hinter ihr klirrten die wie Glas zerbrechenden Geräte und Wände.

„Das ist Wahnsinn”, gellte Haggis. „Der einzig erreichbare Ort ist die Erde!”

Ein schwarzer Speer schrammte seitlich an Augurs Kopf vorbei und riß ihm die Wange blutig. „Keine andere Möglichkeit!” rief er. Haggis, schnapp dir das Zeitgerät und nichts wie weg!”

Beide liefen in Richtung Zo'or, die es gerade noch schaffte, das Interdimensionsportal mit der Gegenseite aufzubauen, und Sandoval sprang vom Laboreingang hinzu. Dort, wo er eben noch gestanden hatte, brach ein schwarzer Sperr durch den Boden. Sie portalten sich zu Viert zur Erde, zu dem Platz, wo sie damals bei ihrem Einsatz noch eine inaktive Portalstation zurückgelassen hatten. Auf eine Erde voller H.A.P.-Krieger und einer wütenden tödlichen Seuche. Das Wurmloch brach auch sofort nach ihrem Sprung zusammen. Hinter sich ließen sie ein zerstörtes Zefir-Schiff, das soeben von Millionen von tödlichen Sperren der 13 Dunkelmächte-Schiffe durchlöchert wurde. Die energetisch neutralen Stäbe aus Dunkelmaterie durchstießen das Energiefeld und die silberne Hülle aus Mell-Metall wie weiche Butter. Keiner an Bord überlebte, alle Männer, Frauen und Kinder wurden aufgespießt oder starben durch den eistoten Weltraum, von Da'an, Palwyr und Trestim abgesehen, die unverzüglich aus der Not heraus ins Jaridian-Taelon-Mensch-Kimera-Kollektiv zurückkehrten. Am Ende verwandelte eine Zefir-Sicherheitszündung das silberne tote (ein-Kilometer-) Tonnenschiff in Staub. Die Gegner sollten nicht von der erbeuteten Technik profitieren.

 

Ende von Kapitel 11

 

Zurück / Back

 

Zum Seitenanfang