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  „Höllenengel” von Susanne   (Emailadresse siehe Autorenseite),   August 2004
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Me'wins überforderte Leute in der Haft des Volkes der Vier Winde beobachten das schreckliche Schicksal der BUCKINGHAM PALACE. Zur gleichen Zeit entwickelt man auf der Roleta neue Kriegswaffen.
Zeitpunkt:  das Jahr 2345
Charaktere:  Joel Ahrmann im Kreise von Familie und Freunde, Jodok Bilgeri; Me'win, No'ren, Onzo Kyriaki, Sergej Koljow, Paula Hofmann; Zwei-Feder-rot-eins-gelb, Grüne-Punkte-auf-weiß, Seidig-gelb-mit-violettem-Kamm; Da'an, Mur'ru, Ka'sar, Rombard Kieling, Bob Altenberg und Tan Liü.
 
Warnung: Diese Geschichte beinhaltet Gewaltszenen.
 

 

HÖLLENENGEL

Kapitel 10

 

Nach der Erdzeitrechnung war es der 24. Dezember; auf London im Hely-System war es der 5. des Blütenmonats. Demzufolge gab es auch keinen Schnee, sondern die örtliche Flora blühte in hellen üppigen Créme-Farben und verströmte einen wunderbaren Duft wie Honig. Von den fernen Hängen mit den bläulich-grünen niedrigen Gräsern zirpten verlockend die exotischen lilarosa Singblumen und warteten auf ihre Bestäubung. Auf den verzwirbelten Bäumen außerhalb der Stadt hingen die prächtigen gelben Geschlechtsbüschel, und diejenigen Londoner, die allergisch gegen Pollen waren, liefen mit Mundschutz durch die Stadt. Die Insekten - Nagel- bis Handteller-groß - schwirrten verwirrt zwischen den Häuserfluchten, die Flügel voll glitzerndem Pollenstaub - und scherten sich wenig um die zugezogenen Fremden. Sie mussten schließlich die Nahrung ins heimatliche Nest zu ihrer neuen Brut zu transportieren. Alle Londoner auf den Straßen waren normalerweise damit beschäftigt, den sonst friedlichen Tieren in ihrem Flug auszuweichen. Wer es nicht tat, bekam womöglich einen schmerzhaften Insektenstich ab.

Joel war vollgepackt mit Geschenken für seine Eltern. Egal, ob in 3 ½ Monaten die Welt untergehen würde oder nicht, sie sollten ihr letztes Weihnachtsfest so feiern, wie sie es alle Jahre bisher getan haben. Joel selbst hatte keine Partnerin und keine Kinder - zum Glück, denn so musste er sich keine Gedanken darüber machen, was aus ihnen werden sollte. Bereits im Flur kam ihm seine Schwester Miri entgegen, die ihm in die Arme fiel und wieder zum Heulen anfing. Sie, ihr Mann und die Kinder Cindy und Ramona waren ebenfalls gekommen. Niemand wollte es den Kindern sagen; die schienen aber die Sache bereits zu ahnen, so unruhig wie sie waren.

So wie es sich im Multi-Kulti-London eingebürgert hatte, wurde am 24. Dezember ein Baum mit bunten Kugeln, Bändern und Lichtern geschmückt, wobei der Baumschmuck als Sonnen und Planeten des Weltraums gedeutet wurde und der Baum als ein Zeichen des anzustrebenden spirituellen Wachstums. Die Wohnung selbst wurde mit Blumen dekoriert und mit Weihrauch und Blütendüften parfümiert. Ab dem Nachmittag wurden mit Freunden und Angehörigen eine Party gefeiert, vor der man sich gegenseitig besuchte. Um Mitternacht gingen die Londoner in ihre Kirchen, Tempeln, Moscheen oder Logen oder feierten zuhause im Kreise ihrer Angehörigen ihr Chanukka oder Lichtfest. Die einen beteten zur Ehre Gottes, die anderen feierten die Geburt Christi oder sie feierten schlicht eine Art Frühlings- und Fruchtbarkeitsfest. Am 25. Dezember am Morgen erhielten die Angehörigen und Freunde Geschenke und zu Mittag gab es ein Festessen.

Die Menschen waren hin- und hergerissen zwischen dem Versuch, das kommende Unglück zu ignorieren und das bisherige Leben einfach betont reglementiert fortzuführen, einen skurrilen schwarzen Galgenhumor auszuleben mit Dauerfeierstimmung oder in totale lähmende Verzweiflung zu verfallen. „Anfang April - Anfang April - Anfang April...” hämmerte es in den Gedanken der Menschen. Was dann? Dann würde London verschwinden. Wohin? Das wusste man noch immer nicht, aber wohl in die Auflösung. Was sagten die Taelons? Die hatten keine Antwort. Wo blieben denn die Zasas? War man nur von der Erde gerettet worden, um hier im Hely-System spurlos aus dem Universum zu verschwinden?

Ja, ein paar Auserwählte könnten ja mit einem Raumschiff verschwinden - war aber nutzlos. Die Schiffe hatten nicht genügend Reichweite, die Auflösungsfront würde die Flüchtlinge einholen.

Egal. Heute war Weihnachten. Joels Vater Abram stand schon in der Küche und bereitete das Festessen für den morgigen Tag vor - geschmorte zarte Trigun-Flugechse mit Pilzen, Gemüsen und bitteren Kräutern. Das ungesäuerte traditionelle helle Brot war schon fertig. Saron, die Mutter, war dabei, mit David den Baum zu schmücken. Er sollte heuer besonders schön und feierlich werden. Hinten auf der Anrichte sah Joel bereits den vorbereiteten siebenarmigen Leuchter stehen, den die Mutter immer zu dieser Zeit aus der Truhe hervorkramte.
„Weißt du ob die Schumanns ebenfalls kommen?” erkundigte sich Joel nach der Begrüßung seinen Schwager David, und legte die Geschenke sorgfältig auf den Stapel zu den anderen auf dem Boden.
„Ich glaube nicht”, sagte David leichthin. „Sie sind - verreist.”

„Wie, verreist?” fragte Joel. „Sie werden doch nicht mit einem der verrückten Prediger mit in die Wildnis gezogen sein? Sie wissen doch genau, dass der ganze Planet betroffen sein wird. Eine Flucht aus der Stadt bringt doch nichts.”

„Nein - die Schumanns sind noch viel weiter verreist. Noch viel weiter, Joel.”

Joel begriff nun betroffen. „Alle?” fragte er mit belegter Stimme.

„Ja. Alle - die Alten, das Paar, die Kinder. Sie haben es nicht mehr ausgehalten. Schlafmittel.”

‚Mein Gott!’ dachte Joel. ‚Zuerst die Zimmermanns, dann Nikki, Elliott, die Rosenbergs und nun die Schumanns.’

„Bitte lass uns heute von etwas anderem sprechen”, mahnte seine Mutter. „Heute ist ein Tag der Freude und der Besinnung auf unsere Wurzeln. Ich will nichts anderes heute hören.”

Die Türglocke läutete. Mallak und Ahima Darkat waren zur Party vorbeigekommen. Wenigstens die waren nicht zu erschüttern. Joel begrüßte seine Freunde erleichtert. Er führte sie nach nebenan in den Salon, wo bereits Snacks und alkoholische Getränke vorbereitet waren für die Party. Seine Eltern hatten den Salon sehr schön mit Luftballons, Girlanden und Blumen geschmückt. Er bot dem Paar einen Platz an und reichte ihm etwas zu trinken. Mallaks Frau wirkte nicht gerade glücklich. Sie war mager geworden, die Haut war bleich und die dunklen Augen lagen tief in den Augenhöhlen. Joel bedauerte, dass Ahima vor drei Monaten die Schwangerschaft beendet hatte, aber er konnte ihre Motive verstehen. Jetzt war keine Zeit, Kinder in eine ungewisse Zukunft zu setzen. Außerdem hatte Mallak seine Arbeit verloren, nachdem der Firmeninhaber einfach den Betrieb zugesperrt hatte, um die letzten Monate im Urlaub zu verbringen.

Gerade als Joel Musik auflegen wollte, traf eine Meldung für ihn ein: Er möge sich doch morgen nachmittag auf sein Schiff einfinden. Die hatten Nerven - einfach so in den Festtagen hinein Leute einzuberufen!

„Sei doch froh”, meinte Mallak dazu. „Du hast immerhin die Chance, etwas aktiv zu tun und einen Weg zur Rettung zu finden. Wir anderen können nur herumsitzen und auf das Ende warten. Fast meine ganze Verwandtschaft weint oder betet den ganzen Tag in der Moschee. Und keiner hat Arbeit. Selbst unser Geschäft ist geschlossen. Wer kauft denn heute noch aus unserem Geschäft neue Modellkleider?”

„Keiner weiß etwas. Immer wieder starten wir, um Messungen zu machen oder Versuche, aber bis jetzt hatte nichts Erfolg. Das ist frustrierend. Es wird eine genauso frustrierende Reise werden wie alle vorigen. - Aber heute ist heute. Reden wir nicht von morgen.”

 
* * * 
 

Der Kommandant des kleinen Schiffs namens BUCKINGHAM PALACE war Jodok Bilgeri. Das weiße (ca. 250 m-lange) Schiff bestand aus drei Triebkräfte-Röhren mit den Neutrino-Antineutrino-Reaktoren und einer vierten kleineren Röhre mit dem Interdimensionsantrieb. An der Spitze der Röhren war die kegelförmige Steuerkapsel; seitlich zogen sich zwei „Flügel” von der Steuerkapsel bis zur Hälfte der seitlichen Röhren hinab. Die Flügel waren gefaltet; bei Bedarf konnten sie für Flüge in der Nähe einer Sonne zu einer Art Sonnensegel ausgeklappt werden oder zu Tragflächen für einen Flug in einer Planetenatmosphäre. Der Steuerkegel konnte entweder 15 Mann Besatzung plus etwa 180 Passagiere in kleinen Schlafkojen oder entsprechend viel Fracht transportieren. Die Reichweite menschlicher Raumschiffe - Hin- und Retourfahrt zusammengezählt - betrug bislang bestenfalls 1600 Lichtjahre, dann waren Treibstoff-, Wasser-, Sauerstoff- und Nahrungsmittelvorräte nach einer wochenlangen Reise zu Ende und die Reaktoren mussten generalüberholt oder ausgetauscht werden. Das konnte bislang auf den großteils vollautomatisierten Weltraumstationen erledigt werden, die in Etappen auf geeigneten Planeten oder Monden zwischen dem Hely-System und der Erde angelegt worden waren, dort, wo sich auch die Interdimensionsportale für Reisende befanden. Stationen, die - jene nahe London ausgenommen - anscheinend mehrheitlich spurlos verschwunden waren.

Joel Ahrman meldete sich an Bord und legte seine wenigen Habseligkeiten in die Koje. Er teilte sich mit drei anderen Besatzungsmitgliedern einen Raum, der aus abschließbaren Bettkojen - ähnlich den Billighotels in Tokyo Anfang des 21. Jahrhunderts - bestand, vier Spinde, einen Tisch und vier Stühle. Er begab sich anschließend sogleich zu seinem Arbeitsplatz an Bord, der Ortungs- und Funkanlage. Die Spezialisten der Regierung im Bereich der Physik, Matthew Stevens, Mary Winters und Annabella Ricci waren bereits an Bord. Als letztes kam der neue Mediziner Boromir Slavko auf das Schiff. Der frühere Arzt hatte gekündigt, um in den letzten Wochen bei seiner Familie bleiben zu können.

Der Countdown wurde abgezählt, und das Schiff startete als Flugzeug wie immer recht umständlich, die Menschen in die weichen Sitze drückend. Bald durchbrach das Schiff die Atmosphäre und versenkte sich in die Schwärze des Weltraums. Hier konnten die Neutrino-Antineutrino-Reaktoren gezündet werden, um jene Kraft und Geschwindigkeit zu erzielen, die der Interdimensionsantrieb erforderte. Das dauerte an die (30 Stunden). Das Schiff würde danach mehrmals aus dem Interdimensionsflug in den Weltraum zurückfallen, einerseits zwecks Orientierung, andererseits wegen der geringen Reichweite des geschaffenen Wurmlochs des Interdimensionsantriebs. Im Grunde „hoppelte” man mit kurzen Sprüngen durch das Weltall und konnte froh sein, sich nicht versehentlich ganz woanders im Weltraum wiederzufinden, als man es sich vorgestellt hatte. 23% des Weltraums war immerhin voll von dunkler, hauptsächlich nicht sichtbarer wolkenartiger neutral gepolter „Materie”, entstanden aus dem Urknall. Ohne diese Dunkelmaterie hätten sich im Universum keine Galaxien, keine Sterne, keine Planeten gebildet. Ohne Dunkelmaterie hätte es keine menschliche Evolution gegeben. Materiepartikel, die ganz anders aufgebaut waren als die herkömmliche grobkörnige mit ihren poligen Ladungen.

1933 von Fritz Zwicky in Kalifornien postuliert, begannen die Menschen die Dunkle Materie erst Anfang der 1970er Jahre zu erforschen. Bald stellte sich heraus, dass Kometen, Planeten, erloschene Sterne oder schwarze Löcher (das heißt „Machos” = Massive Compact Halo Objects) nur einen kleinen Teil der unsichtbaren Masse im Universum bildeten. Nein, dunkle Materie war gleichmäßig in allen Galaxienhaufen als feinste Elementarteilchen verteilt. Sie konnte nicht allein aus Neutrinos bestehen, obwohl auch die elektrisch neutral waren, kaum mit Materie in Wechselwirkung traten und folglich fast unbemerkt durch feste Materie durchrasten. Neutrinos waren zum Ballen und Verklumpen viel zu heiß, zu schnell und zu selten und hatten eine minimalste Masse, wie man 1998 festgestellt hatte. Ihre Gravitation hätte nicht ausgereicht, um das Universum mitzuformen. Und so stießen die Menschen, bereits vor Ankunft der Taelons, neben den Neutrinos auf „Wimps” (= Weakly Interacting Massive Particles, aus denen die Neutrinos hervorgehen) und den noch kleineren Neutralinos. Sie waren unglaublich schnell, elektrisch neutral, waren extrem kollisionsscheu, und prasselten als Teil der kosmischen Strahlung durch jeden festen Quadratmillimeter, ohne sonderlich Spuren zu hinterlassen.

Dank des Wissens der Taelons hatten die Menschen des 21. Jahrhunderts ihr theoretisches Wissen um das Supersymmetrie-Modell (SUSY) vom Aufbau der Fermionen und Bosonen vervollständigen können. Freilich, nachdem die Taelons vor langer Zeit zu Energiewesen geworden waren, hatten sie die Forschungen bezüglich Wimps ihrerseits eingestellt. Wimps konnten größere Ballungen von „Dunkelmaterie” im Weltraum bilden, „ladungslosen Zonen”, die alle energetischen Vorgänge einfroren. Zonen, in denen alle Geräte ausfallen und Schiffe vom Kurs abkommen konnten, wenn man ihnen zu nahe kam. Die Taelons gingen dieser Materieform tunlichst aus dem Weg und benützten zum Reisen vornehmlich die bekannten leuchtenden Materiebrücken, nicht die unerforschten Regionen und nicht die Weiten des lichtlosen Raums. Leider konnte man nicht mehr auf deren umfangreiches Kartenmaterial zurückgreifen.

Man musste sich den Weltraum so vorstellen: nur ganze 4% des Universums bestand aus für Menschen „normale” atomar aufgebaute Teilchen-Materie, und nur etwa ein Zehntel davon sandte Licht aus. Die materiellen Galaxienhaufen schwammen vernetzt aneinandergereiht als glitzernde dünne Blasenwände in einem universellen „Schaum”, bildeten sogenannte kosmische Materiebrücken mit Zusammenballungen an den Schnittstellen, während im Inneren der gigantischen Schaumblasen scheinbar nichts als Leere war. Leere? Nein. So etwas wie ein „Nichts” gab es im Universum nicht. 73 % des Urknalls war einst als unsichtbare „Dunkle Energie” freigesetzt worden, welches für die fortschreitende Expansion des Universums verantwortlich war. Das Universum dehnte sich aus, weil die „Blasen” anschwollen, und Schuld daran war die wirkende Dunkle Energie in ihnen. Die Menschen nannten sie auch „Quintessenz” oder Äther. Die Taelons einfach pragmatisch „die Leere”. Physikalisch gesehen war diese Quintessenz ein expandierendes Kraftfeld, verursacht durch ”„zusammengerollte”, für Menschen nicht wahrnehmbare weitere Dimensionen, vermutlich zwischen 6 bis 7 oder gar 9 an der Zahl, die zu denen die manifestierten sichtbaren vier der Menschen dazugezählt wurden (= drei Dimensionen plus die Zeit).

Selbst Jahrhunderte nach den Forschungen auf diesem Gebiet war die Welt der Dunkelmaterie rätselhaft. Atome, anorganische oder organische Materie, Gestein, leuchtende Sterne, Galaxien - damit konnte man etwas anfangen. Das brachte herkömmliches Leben hervor, das konnte man messen und sehen. Aber ungeladene fremdartige feinste Partikel, die unerkannt durch Materie hindurchschossen und irgendwo im Raum als unsichtbare „Wolken” dahinschwebten, und die in höheren Konzentrationen den Raumschiffen die Energieversorgung lahmlegte - damit war absolut nichts anzufangen, das war für Menschen nicht recht in eine universelle Evolution einordbar, das war nur störend. Und was die Leere betraf, da waren bestenfalls mathematische Genies in der Lage, weitere Dimensionsparameter zu errechnen. Die Taelons hatten zwar höherdimensionale Mathematik einst beherrscht, doch ging dieses Wissen so gut wie völlig verloren.

Es lag daher irgendwie nahe, dass man in der Krise dem Unbekannten die Schuld am Verschwinden der Weltraumstationen gab. Unbekanntes wie Dunkelmaterie, Zeitreisen, Dunkle Energie, die Einwirkung fremder Dimensionen. Gleichermaßen beliebte Theorie: das Phänomen wurde durch fremde außerirdische Aggressoren verursacht.

Joel traute seinen Augen kaum, als er die Zielkoordinaten für den Flug sah.
„Wir sollten die Milchstraße verlassen und in den Leerraum fliegen?” fragte er Jodok. „Was soll denn das für eine Schnapsidee sein?”

„Ricci meint, das wäre der zweitbeste Ort, um Messungen zur Dunklen Energie anzustellen. Wenn wir schon nicht imstande sind, zu einer Blase zu fliegen. Wir kommen nicht mal zu der, die sie Erdensonne bedroht hat. Also fliegen wir raus.”

„Ricci!” schimpfte Joel. „So wie ich es hörte, gehört sie überhaupt nicht zu der Handvoll Spezialisten in höherdimensionaler Mathematik. Da hätten wir noch eher einen der Taelons mitnehmen sollen.”

„Da ist kein Mathematiker darunter”, antwortete der Kommandant. „Ist ja auch egal, ob Ricci das kann oder nicht. Wir haben keine Ahnung von dieser Region und werden die größten Schwierigkeiten haben, zurück zu kehren. Und dann ist die Frage, ob London noch existieren wird, sollten wir es schaffen. Aber sollten wir einfach nur rumsitzen und warten? - Also mach dich an die Arbeit!”

 
* * * 
 

Der Wind fegte über die sandige Oberfläche des Planeten und wirbelte den rötlich-gelben Sand auf. Täglich waren sie draußen, um den Sand vom Beiboot wegzuschaufeln, und täglich wurde das kleine Raumschiff wieder zugeweht. Paula Hofmann konnte mittlerweile schwören, dass sie den ewigen Wind durch das Schiff spüren konnte, und Onzo Kyriaki fühlte bereits auf Schritt und Tritt den Sand unter seiner Montur. Die grüne Sonne ging auf und wieder unter, und solange sie schien, tauchte sie den Planeten in ein schwülstiges verfremdetes Licht. Auch das war kaum mehr zu ertragen.

„Ich werde wahnsinnig!” schimpfte Sergej Koljow, der eben von draußen kam, von gelben Staub überzogen. Er legte den Kopfschutz des Raumanzugs ab und kauderwelschte irgendwelche Flüche auf russisch. „Ich könnte diesen Vögeln den Hals umdrehen! Die Treibwerke sind voller Sand. Vier Stunden habe ich daran rumgeputzt. Wenigstens Schutzschirme könnten sie uns erlauben!” Der ältere Mann strich sich die spärlichen Haarsträhnen nach hinten über dem Kopf glatt. „Sand, Sand, überall Sand!”

„Wie viele Wochen sitzen wir hier fest? Ich bekomme Klaustrophobie in dieser Nussschale!” sagte Onzo, der im Pilotenstuhl saß, die Füße übereinandergeschlagen und auf dem Pult gelegt. „Das ausgebaute Funkgerät, das ich und Paula inzwischen einige (100 Meter) entfernt aufgestellt haben, funktioniert dort genauso wenig wie hier. Die Vögel müssen die Energienutzung für die gesamte Region gesperrt haben. Ausgenommen unsere Lebenserhaltungssysteme. Nett, nicht? Solange sie es sich nicht anders überlegen. Sogar Nr. Acht ist off-line.”

Paula saß hinten im Cockpit mit zerzausten Haaren auf dem Boden, mit einem Becher Apfelschnaps in der Hand, an die Wand gelehnt, mit Tränenspuren im Gesicht, und war wieder einmal nicht mehr ansprechbar. Sergej konnte nur den Kopf schütteln. Entweder war Paula neuerdings ständig verkatert, hatte Kopfschmerzen und Alpträume, oder sie heulte offenbar aus Sehnsucht nach ihrem Partner, oder sie war betrunken. Nun, lange konnte sie nicht mehr so weitermachen, denn langsam gab es keinen Alkoholvorrat mehr an Bord.

„Warum lässt du das Weib sich immer ansaufen?” fragte Sergej unwirsch, auf Paula deutend. „Wie die wieder aussieht! Die Haare ganz wirr. Wenn wir starten müssten, könnte die keinen Finger rühren!”

„Bist auch wieder da?” fragte Paula mit schwerer Zunge. „Du hast es gerade nötig. Schau dich selber an, du... du ...”, sie starrte plötzlich lange und intensiv auf ihren Becher, bis ihr wieder einfiel, dass sie etwas sagen wollte. „Warum warst du nicht da?” greinte sie weinend, um dann loszuschimpfen: „Du stinkst uns das Cockpit voll. Bist auch nur ein Schwein.”

„Was? - Du blöde...”

„Keine Streiterei!” fiel Onzo Sergej ins Wort und stellte sich Sergej in den Weg. „Das darfst du nicht ernst nehmen. Die ist zu, die meint es nicht so. Lass sie in Ruhe!”

„Sag endlich Me'win, dass sie sich um Paula kümmern soll!” sagte Sergej brummig. „Die soll auch etwas tun, statt es sich mit No'ren ständig im Habitat gutgehen zu lassen. Überhaupt sollten wir ebenfalls dahin übersiedeln. Oder wenigstens Paula solle dahin. Hier ist es doch viel zu klein.”

„Sollten wir das Schiff unbeaufsichtigt lassen, mitten im Sand?” sagte Onzo empört. „Kommt nicht in Frage!”

„Nr. Acht wäre auch noch da.”

„Das Bordgehirn”, spottete Onzo. „Das haben die Vögel doch zuerst manipuliert. Er überlegte. „Aber vielleicht sollten wir Paula tatsächlich ins Habitat schaffen. Vielleicht geht es ihr dort wieder besser. Komm, hilf mir mal.”

Paula wehrte sich maulend und weinend, so gut sie konnte, aber ohne viel Erfolg. Die Männer zerrten sie zum Interdimensionsportal, stellten das Programm ein, und schon waren sie in einer paradiesisch anmutenden Südsee-Schein-Welt. Das Volk der Vier Winde hatte sich bemüht, eine kleine künstliche Welt zu erschaffen, die den Bedürfnissen der Menschen völlig entsprach. Me'win und No'ren, die gemeinsam einen kleinen Bungalow bewohnten, lagen nebeneinander Sand, mit nur wenig Freizeitbekleidung bekleidet, sich an den Händen haltend. Sie sahen auf, und Me'win stand auf und eilte zu Paula, die, losgelassen, in sich zusammenfiel.

„Stören wir euch zwei vielleicht?” sagte Sergej mit ätzendem Spott. „Ich meine, wenn ihr so ganz euren Job vergesst...? Ihr wisst schon, den auf dem Beiboot?”

„Was habt ihr mit Paula angestellt?” fragte Me'win empört und deutete auf die großen blauen Flecken an ihren Armen und am Hals. „Ihr Monturverschluss ist gewaltsam zerrissen. Und wieso ist sie so betrunken??”

„Wir haben gar nichts mit ihr angestellt”, stellte Onzo klar. „Jedenfalls nichts, was sie nicht auch wollte. Das Leben auf einem engen Beiboot ist recht eintönig. Aber euch geht es ja inzwischen super hier, nicht wahr?”

„Was soll diese Eifersucht?” sagte No'ren, der nun auch näherkam. „Ihr hättet jederzeit hierher übersiedeln können. Ihr seid selbst schuld, wenn ihr dem Volk der Vier Winde nicht vertraut.”

„Vergesst bloß nicht, dass wir eines Tages wieder nach Hause kommen werden”, sagte Me'win mit einem wütenden Blick auf die zwei Menschenmänner. Sie hegte einen unausgesprochenen Verdacht. „Ich warne euch”, fauchte die Taelon, „spätestens dann werden Verfehlungen geahndet!” Sie wandte sich zur Frau und hob Paulas Kopf an. Die Frau war bleich mit rotverweinten Augen und halb bewusstlos vom Alkohol. „Bringen wir sie zum Ausschlafen in das Häuschen da. - Na los!”

Sie legten Paula im Bungalow auf die Liege und gingen dann wieder hinaus. Sergej sah auf das rauschende Meer hinaus, das täuschend echt aussah. „Wo liegt dieses Habitat eigentlich?” fragte er sich laut. „Ist das eine unterirdische Halle, oder ein Gebäude? Und woher kommen diese Pflanzen?”

Plötzlich flog ein kolibrigroßes Vogelwesen heran und setzte sich ganz nahe bei No'ren auf den Ast eines Busches. Es war Zwei-Feder-rot-eins-blau. Das Vogelwesen zwitscherte etwas, und der Bordchip übersetzte umgehend das Gezwitscher zu verstehbaren Worten, die die Vier im Kopf hörten.

„Das ist gut, dass ihr endlich hierher gekommen seid, statt euch auf eurem kleinen Schiff einzusperren”, lobte das fremde Wesen. „Es trifft sich insofern, als dass wir soeben gestartet sind. Euer Schiff bleibt einstweilen hier, denn wir müssen unsere Tarnung benützen.”

„Wir sind doch nicht etwa auf einem eurer Schiffe?” fragte Onzo alarmiert. „Dieses Habitat...?”

„Ist auf unserem Schiff”, bestätigte Zwei-Feder-rot-eins-blau. „Die Zasas sind nicht die einzigen, die die Technik der Interdimensionsblasen und Miniaturisierung beherrschen.”

Onzo musste dazu erst schlucken.

‚Ihr habt eine Gefahr festgestellt?’ fragte No'ren geistig das Vogelwesen. Dieses spreizte sein Gefieder, um sich den leichten Wind durch das Gefieder streichen zu lassen. Man konnte zwischen den Federn kurz die winzigen verschränkten dreifingrigen Ärmchen auf der Brust wahrnehmen.

Zwei weitere kleine Aliens flogen heran und setzten sich auf die Palmwedel. Grüne-Pünktchen-auf-weiß und Seidig-gelb-mit-violettem-Kamm. Zwei-Feder-rot-eins-blau streckte den Kopf vor, drehte ihn schief und äugte gurrend zu den zwei hinüber. Grüne-Pünktchen-auf-weiß verbeugte sich kopfnickend zur Begrüßung, während Seidig-gelb-mit-violettem Kamm mit den zwei Beinen, seitlich greifend wie ein Papagei, den herabhängenden Palmwedel weiter hinaufwanderte. Dann drehte der Vogel seinen Kopf nach rechts und links, um Ausschau zu halten. Das Wesen schien den Menschen nicht recht zu trauen. Kein Wunder, sie hatten bei jedem Kontakt versucht, eines der Vögel einzufangen. Natürlich ohne Erfolg.

„Sag diesem Menschen hinter mir, er soll seinen kindischen Raubtiergang aufgeben und nach vorne kommen”, zetterte Seidig-gelb-mit-violettem-Kamm beleidigt in Richtung Me'win und richtete empört seinen Kopfbüschel auf. „Ich unterbreche nicht meine Arbeit und komme hierher, um kindische Spielchen zu machen!”

Sergej richtete sich auf und trat nach vorne. Diese Biester merkten aber auch alles!
Sie schienen sogar seine Gedanken zu lesen, so schief wie sie ihn nun anlugten.

„Wieso verträgt ihr mit einem Mal diese Atmosphäre?” wunderte sich Onzo. „Ich dachte, ihr benötigt eine ganz andere Umgebung als wir?”

„Das Habitat ist eine Fiktion, die für euren Verstand absolut real ist. Die Welt, wie sie uns erscheint, entsteht in unseren Köpfen. Was in unseren Köpfen real wird, IST real”, antwortete Zwei-Feder-rot-eins-blau kryptisch. „Für uns ist in diesem Moment eine andere Welt real.”

„Wir möchten euch eine Gefahr aufzeigen, die ihr, wenn ihr wieder zum großen Zefir-Schiff zurückkehrt, dort begreiflich machen müsst”, unterbrach Grüne-Pünktchen-auf-weiß. Plötzlich tauchten Pulte mit Gerätschaften in der Südseelandschaft auf. Sie waren offensichtlich in Betrieb „Wenn ihr zurückkehrt, - und, so wie wir es sehen, werdet ihr zurückkehren -, wird die Crew die Ereignisse vergessen haben. Das Schiff muss sich jedoch auf einen eventuellen Angriff rüsten. Daher werdet ihr das, was ihr sehen und messen werdet, gut dokumentieren. Dies sind solche Instrumente, wie ihr sie benützt. Bitte macht euch Aufzeichnungen.”

„Was geschieht denn da?” fragte Sergej, der an einen 3-D-Holoschirm herangetreten war. „Das ist doch ein menschliches Schiff, ich tippe mal auf Londoner Produktion. Wo befindet es sich in der Realität?”

„Es verläßt gerade die Milchstraße. Wir vermuten, dass es Messungen anstellen will. Unglücklicherweise fliegt es genau in die Richtung einer tödlichen Gefahr. Wir können nichts für das Schiff tun; wir bleiben neutral und dürfen uns selbst aktiv unter keinen Umständen in den Konflikt einmischen. Wir können euch nur aus der Ferne die Daten zuspielen.”

 
* * * 
 

Die BUCKINGHAM PALACE hatte endlich den Leerraum erreicht. Unter dem Schiff lag der äußere Seitenarm der Milchstraße in seiner ganzen hellen silbernen Pracht. Mit viel Glück reichte der Treibstoff unter Ausnutzung der Sonnensegel gerade noch, wieder nach London zu kommen. Matthew Stevens, Mary Winters und Annabella Ricci waren bereits eifrig dabei, Messungen anzustellen, mit alten Aufzeichnungen zu vergleichen und Theorien aufzuwerfen. Hatte sich etwas an den Messungen bezüglich Dunkelmaterie von früher verändert? Gab es Anomalien in der Geschwindigkeit der Expansion des Universums, die anzeigen würden, dass etwas mit den höheren verborgenen Dimensionen nicht stimmte? Dass etwas mit dem Zeitverlauf nicht mehr stimmte?

Was die Besatzung nicht wissen konnte - die feindlichen Dunkelmächte waren auf der Suche nach der menschlichen fernen Kolonie. In dieser Zeitlinie war der Ort Londons nicht bekannt, doch hatte es für die Dunkelmächte Anzeichen gegeben, dass die Zasas Menschen auf einen anderen Planeten gerettet haben müssten. Da war das fremde Schiff, welches im neuen Machtbereich der Dunkelmächte namens „Erde” aufgetaucht war. Woher war es gekommen? Die Dunkelmächte stellten verärgert fest, dass sie diese Daten in der alten Zeitlinie, das heißt vor der Zeitmanipulation, gehabt hätten. Vor oder hinter der expandierenden korrigierten Zeitlinie - die Daten auf der Erde waren gleichermaßen unerreichbar. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als den Planeten zu suchen. Um eine zukünftige Bedrohung ihrer Macht im Keim zu ersticken.

Die BUCKINGHAM PALACE flog ihrem Verband geradewegs entgegen und wurde von sieben schattenhaft-unsichtbaren tiefschwarzen Schiffen umzingelt, ohne sie überhaupt zu registrieren. Die Fremden waren vor soviel Glück hellauf begeistert: es musste von der Kolonie stammen! Und seine Reichweite schien nicht sonderlich groß zu sein, was bedeutete, dass die Kolonie der Menschen sich in der Nähe befinden musste. Der Verband beschloß, das primitive Menschenschiff nicht sofort zu pulverisieren, sondern zu scannen, um an die Daten des Bordcomputers zu gelangen, und gleichzeitig zu pfählen, entweder um eine neue Waffe auszuprobieren, oder einfach aus purer Zerstörungsfreude. Kapseln mit einer Art Nanobots wurden ausgeschüttet und suchten sich selbständig ihren Weg, leise, leise, unerkannt, als wären sie kosmischer Staub. Sie dockten sich in der Schwärze des Weltraums an die Wände des Schiffes an und wurden mit einem Impuls aktiviert.

 
* * * 
 

Die Experten an Bord waren ihren Messungen nachgegangen. Und tatsächlich hatten sie bei den peniblen schwierigen Messungen im Leerraum, ohne die ständigen störenden Gravitationsfelder von Sternen aus der Milchstraße, einige Anomalien in der allgemeinen Raum-Zeit-Konstante entdeckt. Annabella Ricci gelang es die Quelle der Anomalien zu berechnen. Es war gerade so, einfach gesprochen, als ob der Raum um die Gegend der Erde „gekrümmter” war als normal, eine unnatürliche Krümmung, die sich ausweitete, in den Raum expandierte und dabei abflachte, sich zunehmend an die normalen Raum-Zeitkonstanten des Weltraums anpasste. Als ob die Erde sich in einer fremden Raum-Zeit-Dimension oder -Blase befand und jene expandierende Dimension alles tat, sich an das normale Universum anzupassen. Die Expansionslinie markierte genau die an London heranebbende mysteriöse Welle, die beim Eintreffen alle Weltraumstationen verschwinden ließ. Die Schlußfolgerung war, dass irgend jemand oder irgendetwas auf oder nahe der Erde eine gravierende Raum-Zeit-Verschiebung ausgelöst haben musste.

Mary Winters war über den ersten Erfolg ihrer Mission überaus froh. Bilgeri, als Kommandant immer knauserig beim Verbrauch von Vorräten, erlaubte zur Feier des Tages sogar ein paar Gläser Alkohol und ein feierlicheres Essen. Ja, so hoffte Winters voller Optimismus, hat man erst das Übel erkannt, würde sich auch noch eine Lösung einfinden. Und wer sagte, dass es die Menschheit auf der Erde nicht mehr gäbe, nur weil da eine Zeitverzerrung existierte? Es war wichtig, eine Hoffnung zu haben. Und das gemeinsame Essen war vorzüglich und hob die Laune zusätzlich.

Joel als Ortungsspezialist an Bord, der bei den Messungen geholfen hatte, war ihr sehr sympathisch. Jeder sah es mehr unbewusst als bewusst, außer Mary selbst, dass er ihr ähnlich sah. Und er war ebenso dem Wesen nach ein ruhiger Mensch wie sie es war. Sie waren sich mit der Zeit nähergekommen, und später, nach diesem Essen und leicht betrunken, hatte sie die Leidenschaft in Joels Koje geführt. Als ob es das letzte Mal wäre, mit einem Partner schlafen zu können. So war die Zeit: man hoffte äußerlich auf die Zukunft und doch dachte man instinktiv an den eigenen Untergang.

Die Folgen waren für Joel die intensiven kurzen Tagträume in der folgenden Schicht. Die Erinnerung an die vergangene Nacht war prickelnd und erregend. Ob Mary Winters ihre Beziehung fortzusetzen gedachte? Mary mit den schönen weichen Haaren, den süßen Lippen, die einladenden Hüften. Mary mit den leuchtenden braunen Augen und den schönen Augenbrauen. Die kleinen zarten Fingerchen ihrer schmalen Hand, die so wunderbar in seine größere gröbere Hand passten. Ob Mary wohl seiner Mutter gefallen würde? Ob es für sie eine Zukunft gab?

Es knirschte plötzlich in einem Ton, wie es Joel Ahrmann noch nie gehört hatte. Alles war doch in Ordnung gewesen? Es war, als ob das weiße Schiff aufstöhnen wurde. Der Mann sah verwirrt, aus seinen Träumen gerissen, auf die Ortungsgeräte, doch da war nichts da draußen! Aber das Schiff meldete Hüllenbrüche an gut hundert Stellen. Das konnte doch nicht sein!? Er hieb auf den roten Knopf. Jetzt bemerkte auch der Kommandant die urplötzlich hereingebrochene Katastrophe.

Der Alarm gellte auf in der eingeübten bestimmten und gefürchteten Tonfolge, und Joel riß seinen Raumanzug aus dem Fach hinter dem Sessel. Neben sich sah Joel Murrad Sayed und Castor Kranz dasselbe tun. Was war das? Ein Meteoritenschauer? Die Schiffshülle war doch gehärtet?! Dass die Schleusen geschlossen wurden, half bei der großen Anzahl der Hüllenbrüche auch nichts mehr. Die einzige Überlebensmöglichkeit war, rascher in den Raumanzug zu schlüpfen, als die Atmosphäre entwich. Die Monturverschlüsse auf. Warum ging das nicht schneller? Endlich. In die Anzugsfüße schlüpfen; geht das nicht noch schneller? Umständlich in die Arme und Handschuhe. Die Luft aus der Zentrale strömte mit einem Pfeifton hinaus, es wurde unglaublich kalt. - Warum schloss das flüssige Metall in den Zwischenwänden des Schiffes die Lecks nicht automatisch? - Montur schließen, schnell, schnell. Mit maßlosem Entsetzen sah Joel, wie ein schwarzer armdicker Speer durch die Wand brach, als wäre sie aus Papier, wie der Pfahl durch die Brust von Sayed stach und weiter nach hinten wuchs, rasend schnell. Das Blut spritze heftig wie rotes verschüttetes Wasser über Konsole. Knistern und lautes Krachen. Ein weiterer Speer schoß durch den Boden, und durchspießte mit einem zerreißenden Ton den Unterleib von Kranz. Der schrie gellend auf und hielt seine Hand an das herausgerissene Stück Darm unter dem dicken nach oben strebenden lichtlosen Pfahl, von dem das Blut dunkelrot auf den Boden tropfte. Joel stand einen Moment wie gelähmt, riss instinktiv den Kopf beiseite, als ein weiterer schwarzer Speer von der Wand seitlich herausschoss und den Monitor, in das er hineinwuchs, zertrümmerte. Auf einmal bekam Joel keine Luft mehr. Die Kapuze! Er zog sie instinktiv über dem Kopf als antrainierter Reflex und aktivierte die Helmfunktion. Der Anzug führte ihm Atemluft und Wärme zu. Begreifen konnte der Mann nicht, was da vorging, denn es war zu entsetzlich. Von allen Seiten brachen diese Pfahle durch Wände und Decke, wirr durcheinanderwachsend wie Mikado. Keine Fluchtmöglichkeit. Nur der Zentralcomputer wurde nicht durchbohrt. Vorne in der Zentrale wurde gerade Jodok Bilgeri aufgespießt. Joel spürte mit Entsetzen, wie ein Pfahl durch den Sessel stieß und ihm den Fuß zertrümmerte. Ein anderer wuchs heran und durchstieß seine Schulter. Es war zuende. Mary! Mary!

Das Licht fiel aus, und in absoluter Finsternis spürte Joel einen weiteren Pfahl als Druck durch seinen Magen stoßen, bevor er erstickte.

 
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Me'win, No'ren, Onzo Kyriaki und Sergej Koljow starrten entsetzt auf die 3-D-Holoschirme. Das menschliche Schiff sah aus wie mit hunderten Pfeilen gespickt. Dort konnte niemand mehr am Leben sein. Die sieben schwarzen flackernden Schiffe tanzten geradezu um ihre Beute.

‚Warum konntet ihr nicht helfen?’ klagte Me'win telepathisch, von Grauen erfüllt. ‚Wie könnt ihr dabei zusehen?’
‚Wir dürfen offiziell nicht eingreifen, sonst würde der Konflikt in einem ungeheuren Krieg münden, von dem ihr euch keine Vorstellung machen könnt’, erwiderte Zwei-Feder-rot-eins-blau geistig. ‚Alles, was wir tun können ist, euch zu ermöglichen, dass ihr euch selbst helfen könnt.’

Kaum war das Schiff „erlegt” oder „gepfählt”, wohl alle an Bord tot und alle Funktionen ausgefallen, deaktivierte ein Impuls die Struktur der schwarzen Pfähle. Sie fielen zusammen und lösten sich auf. Zurück blieb ein durchlöchertes Wrack. Eines der Schatten-Schiffe zog es näher heran und pellte die Wrackhüllen mit eingesetzten Energien weg als wären es Schalen, bis die Frucht übrigblieb - das Deck mit dem Bordcomputer, der in das Schiff der Dunkelmächte eingesogen wurde.

‚Wenn das ein Schiff der Londoner war, so waren diese schwarzen Schiffe hinter den Koordinaten des Hely-Systems her’, meinte No'ren. ‚Die Dunkelmächte werden demnächst über London auftauchen. Sie werden die Menschen entweder versklaven oder töten. Und meine Taelon-Geschwister - wohl auch!’

‚Das ist wahr, es sei denn, ein bereinigtes Raum-Zeit-Kontinuum beendet diese Vorgänge.’

„Woher habt ihr gewusst, dass die Dunkelmächte diesem Schiff auflauern werden?” fragte Onzo Kyriaki die Vogelwesen, nachdem er die Bilder vorerst verdaut hatte. „Wieso wisst ihr überhaupt so viel von Dingen, die erst geschehen werden? Nur aus Wahrscheinlichkeitsrechnungen? Glaub’ ich nicht.”

„Präkognition”, antwortete No'ren stattdessen knapp.

„In der Tat”, gab Zwei-Feder-rot-eins-blau zu. „Die Zukunft ist eine berechenbare Wahrscheinlichkeit, wenn man nur genügend unterstützende Daten besitzt. Unser Volk brilliert nicht nur in unserer Musikalität, sondern auch in Mathematik und in der Berechnung von mehrdimensionalen Wahrscheinlichkeiten. Das sind uns angeborene Gaben. Das erscheint anderen Völkern als Präkognition. Wir haben das Schiff der Londoner beobachtet und die Flugmanöver des Dunkelmächte-Verbandes. Leider ist es uns nicht gestattet, aktiv einzugreifen, tut uns leid. Dafür werdet ihr die Möglichkeit erhalten, eure Leute zu warnen.”

„WANN?” fragte Sergej. „Wann gebt ihr uns endlich frei und lässt uns zurückfliegen?”
„Bald. Habt Geduld”, vertrösteten die Vogelwesen die Anwesenden, und entfernten sich aus dem Habitat.

 
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Auf der Roleta:
Rombard Kielings Team hatte in Zusammenarbeit mit dem Taelon Ka'sar ganze Arbeit geleistet. Voller Stolz führte Kieling Da'an und Mur'ru die neue Erfindung vor: Eine Kombination von Nanobot und Bazille. Nachdem man die Zusammensetzung der überaus widerstandsfähigen Hülle des Krakenrobots analysiert hatte, konnte ein Mittel gefunden werden, die Hülle zu durchbohren. Die Hülle des Cyborgs bestand aus einem künstlich gebauten Element, dessen Atome so perfekt aneinander gereiht waren, dass keine winzigen Brüche auftreten konnten. Außer, man weichte das Material vorher durch eine chemische Reaktion auf. Genauer gesagt, hatte das Team diese Chemikalie erst mit Hilfe der Wissenschaft der Zefir entwickeln müssen.

Der zweite Schritt war, einen Weg zu finden, ein Nanobot unbemerkt an die Krake andocken zu lassen. Sie müsste sich so plazieren, dass der Cyborg mit eines seiner Beine auftrat. Das wiederum bedeutete, es würden Abermilliarden von Nanobots produziert werden müssen, um die Cyborgs auf der Erde dezimieren zu können, selbst wenn sie halbintelligent sich selbst in die Nähe der Kraken zu steuern vermochten. Die Nanobots mussten auch einen Aktivierungs- und Deaktivierungsmodus erhalten und einen Mechanismus, der sie entweder wieder zur Roleta zurückbringen oder nach einer Ablaufsfrist sich selbst zerstören lassen musste. Andernfalls hätte der bakterielle Sondermüll womöglich die Erde verseucht.

Womit zum Hauptbestandteil der Miniaturwaffe übergeleitet werden kann: dem Bazillus. Diese aus Grippe- und Herpesviren herangezüchtete Lebensform sollte in den durch die Chemikalien gerissenen Minimalstspalt in den Krakenroboter eindringen, selbständig durch die Leitungen wandern, die Absicherungen umgehen, sich vermehren und das Paraka-Gehirn befallen und letztlich auflösen.
„Und wie rasch kann so ein erfolgreich eingesetzter Nanobot einen Krakenrobot ausschalten?” wollte Mur'ru wissen.

Ka'sar schickte Mur'ru geistig ein Gefühl der Liebe und Bewunderung und machte dazu eine entsprechende taelonische weich fließende Geste. „Es wird wohl so an die drei bis vier Tage dauern, bis die Krakenroboter ausfallen. Immer vorausgesetzt, die Feinde finden kein Gegenmittel. Der Bazillus wird sich anfangs zwar vermehren, seine Aggression aber erst am Ende entfalten.”

„Ist das denn für die Menschen nicht gefährlich?” wollte Da'an wissen. „Um diesen Schlag überall gleichzeitig durchzuführen, müssen riesige Mengen von Nanobots freigesetzt werden. Wenn das nicht passiert, können die Feinde womöglich rechtzeitig ein Gegenmittel finden, und alle Bemühungen wären umsonst.”

„Diese Bazille sollte Menschen nicht angreifen, oder bestenfalls, sofern sie mutiert, eine Art Grippe- oder Herpes-Epidemie auslösen, für die es Medikamente gibt.”

„Ich bin kein Biochemiker und kein Arzt”, gab Da'an zu. „Aber der Instinkt von Vorjak in mir als Arzt sagt, dass das gefährlich ist. Niemand kann tatsächlich vorhersehen, zu welchen Bazillenstämmen diese neue Lebensform mutieren könnte. Ich gebe außerdem zu bedenken, dass auf der Erde viele Lebensformen leben - nicht nur Menschen. Es könnte auch die Tier- und Pflanzenwelt befallen und eine Umweltkatastrophe auslösen. Es könnte genauso gut Taelons oder Jaridians befallen.”

„Entschuldige, dass ich mich einmische”, sagte Roleta, die als lebensecht wirkendes, allerdings leicht in der Luft schwebendes Hologramm materialisierte. „Das Team sah keine andere Möglichkeit, denn würden wir Chemikalien oder Nanobots direkt in den Cyborg schleusen, würden die Abwehrprogramme des Roboters sofort reagieren. Durch innen befindliches organisches Material fühlt sich der Roboter nicht angegriffen, er ist nicht darauf programmiert. Das Paraka-Gehirn in Inneren hingegen fühlt sich durch die Hülle und den Schutzschirm absolut sicher.”

„Das macht Da'ans Bedenken nicht nichtig”, erwiderte Mur'ru. „Es wäre fatal, wenn wir zwar die Krakenroboter los würden, aber die Menschen würden durch eine Epidemie dahinsiechen und sterben. Oder wir Taelons, die Jaridians, Flora und Fauna. Mit einer verseuchten Welt ist uns nicht gedient.”

„Wir haben mit Hilfe der Roleta Sicherheitsmaßnahmen eingebaut”, erinnerte Kielings Assistent, Bob Altenberg. „Wir hätten per Signal die Möglichkeit, die Nano-Bazillen entweder zurückzurufen oder zu zerstören.”

„Ja, die Nano-Bazillen vielleicht, obwohl sicher ein paar ausfallen würden”, gab Da'an zu. „Doch die Krakenroboter selbst wären dann hochinfektiös. Ein Bazillus, der durch den geschaffenen Spalt in der Hülle eindringen kann, kann auch wieder austreten.”

„Aber in minimalsten Mengen, wenn überhaupt”, versicherte Roleta in ihrem feuerroten Kapuzenmantel. „Und dann bekommen die Menschen allenfalls eine leichte Grippe. Für Mutationen sind diese kleinen Mengen nicht ausreichend. In der Nähe befindet sich ein geeigneter erzreicher Mond, wo wir die Produktion beginnen könnten.”

„Ich habe dennoch Bedenken.”

„Wir nehmen deine Bedenken zur Kenntnis, Da'an”, erwiderte Mur'ru. „Aber wir werden uns diese Waffe nicht ausreden lassen. Ka'sar, Ko'lan, Trestim und das Kieling-Team haben sich jede Mühe gemacht, diese Miniaturwaffen zu entwickeln. Und sie IST sicher.”

„Wir werden diese Waffe auch in der Zentrale den anderen an Bord präsentieren”, erwiderte Rombard Kieling. „Wie Mur'ru schon sagte, wir sind sicher, dass sie funktioniert. Sind einmal die Kraken weg, bleiben nur noch die H.A.P.-Fanatiker übrig. Wenn wir uns beeilen, dann sind die Nanobots früher fertig, als sie ihre militärischen Anlagen wieder errichten könnten.”

„Wir übernehmen dann mit Hilfe der Roleta die Macht über die Erde, befreien die unterdrückten Menschen und sperren die Hells Angels in ein Camp zur psychologischen Umerziehung”, setzte Mur'ru fort.

„Da kennt ihr die Menschen nicht”, erwiderte Da'an. „Machtübernahme und Umerziehung nach unseren Vorstellungen, das dachten wir Taelons damals auch.”

„Wir kämen doch als Befreier, Da'an!” meinte Ka'sar protestierend. Die Taelons an Bord gaben geistig ihrer Unzufriedenheit mit Da'ans ewigen zögerlichen Bedenken zum Ausdruck. ‚Du hast an jedem Plan etwas auszusetzen’, hörte Da'an den leisen Spott Zo'ors heraus, die sich in einem anderen Sektor des Schiffes befand. ‚Ohne Risiken keine Befreiung.’

‚Still, Zo'or!’ wies Da'an sein Kind ärgerlich zurecht. ‚Spiel du weiter mit deinem menschlichen Spielzeug!’ -
‚Ein Plan ist nur etwas wert, wenn er keine Schwachstellen hat’, verteidigte er sich gleich anschließend geistig gegenüber seinen Taelon-Geschwistern. -
Um laut zu den anderen gerichtet, eine unwillige Geste machend, kritisch fortzufahren: „Und auf die Schiffe der Dunkelmächte habt ihr ebenso leichtfertigerweise vergessen!”

„Immer eins nach dem anderen”, meinte Mur'ru dazu.

 
* * * 
 

„Die anderen deiner Art teilen deine Bedenken nicht?” fragte Liü Da'an, der auf seinem Wohnstuhl Platz genommen hatte. Die zierliche anmutige Chinesin mit den schönen mandelförmigen Augen spielte des öfteren in Da'ans fast möbellosen Suite auf ihrer modernen Harfe. Durch die Hinzufügung von drei elektrischen Saiten aus einem speziellen Material waren besondere psychedelische Effekte in der Musik möglich. Damit versuchte Tan Liü, alte taelonische Weisen nachzuspielen, die normalerweise für ein etwas anderes Instrument geschrieben worden waren. Da'an, der diese taelonische Musik kannte und liebte, konnte ihr so manche Hinweise geben für den besonderen Ausdruck. Er liebte die Musik, und er liebte mittlerweile auch die Gesellschaft Liü's.

„Es ist offenbar das Vorrecht der Jugend, nicht auf die Weisheit des Alters zu hören”, erwiderte Da'an nüchtern.. „Sie wollen immer voran und alles sofort haben. Die Weisheit des Altern ist bedächtiger.”

Dieser Taelon mit seinem kahlen Haupt und dem faltenlosen ausdruckstarken zartem Gesicht war fast unsterblich. Und man hörte nicht auf seinen Rat?

Liü spielte einige besänftigende Sätze auf dem Instrument. Da'an schloß die Augen und erblaute, so sehr ergriffen ihn innerlich die Töne. Diese junge Menschenfrau war wirklich eine außerordentlich fähige Musikerin. Als sie mit der Melodie fertig war, öffnete er seine Augen. „Das war wirklich vollendet gespielt”, lobte er sie. Dann bemerkte er, dass sie ihre Fingerspitzen betrachtete. Sie bluteten. Der Taelon erhob sich von seinem Sitz und eilte zu Liü hinüber.

„Ich habe mich wieder an den scharfen Saiten geschnitten”, klagte sie. „Das Material der drei Saiten ist wunderbar, aber um den Klang zu bewahren, sind sie leider scharfkantig. Das passiert immer wieder.”

„Und trotzdem hast du zu Ende gespielt”, wunderte sich der Taelon. „Das wäre nicht nötig gewesen.”

„Etwas Heilsalbe drauf, und es ist bald wieder gut.”

„Vielleicht heilt es so schneller”, antwortete der Taelon, nahm ihre Hände, schloß die Augen und konzentrierte sich. Er verwandelte sich kurzzeitig in ein blaues Energiewesen und gab mit einem Ausatmen heilende Energie an Liü ab. Dann ließ er ihre Hände los. Die kleinen Schnitte an den Fingerspitzen der auf dem Hocker sitzenden Frau schlossen sich soeben und verschwanden.

Liü sah auf ihre Hände, dann voller Bewunderung in Da'ans Augen. Der Taelon stand noch immer da und sah sie mit seinen himmelblauen Augen an. „Danke!” sagte sie.

„Nein, ich habe dir zu danken. Ich bin tief bewegt von der Art und Weise, wie du zu spielen verstehst. Ich danke dir, dass du hierher kommst, um zu spielen. Es gibt wenige Menschen, denen ich mich wirklich nahe fühle. Die Musik ist ein starkes Band.” Er zögerte etwas, während Liü bescheiden und anmutig den Kopf senkte, und dann fragte er sie doch: „Es ist schon lange her, das ich einen Menschen darum bat, Tan Liü. - Würdest du mir die Ehre erweise, dich mit mir geistig zu vereinigen?”

„Geistiges vereinigen? Wie denn?” fragte Liü, sah verlegen zu Boden, um den von ihr verehrten Da'an dann wieder anzusehen.

„Wir legen unsere Hände aufeinander und tauschen dann solcherart Energien und alle unsere innersten Gefühle aus. So können wir uns noch viel besser kennenlernen und das Band zwischen uns festigen. Möchtest du das?”

Da'an hob seine Hände ohne weitere Worte und legte sie auf die von Liü, die scheu zustimmend genickt hatte und langsam vom Hocker aufgestanden war. Während der Taelon vor innerer Bewegtheit blau anlief und sich in die Seele Liüs versenkte, fühlte die Chinesin das Bewusstsein Da'ans wie einen erregenden warmen Schauer durch ihren gesamten Körper fließen, bis er ihre tiefsten Gefühle erreichte und sie vor Glück weinen hätte können. Ihre beiden Seelen verschmolzen kurz wie Musik zu einer wunderbaren gemeinsamen Harmonie. Die bläulichen Energien des Taelon tanzten über ihren Körper. Dann war es vorbei, und die beiden sahen sich, sich an den Händen haltend, nur stumm an. In diesem Moment gab es keine Worte, nur die unhörbare Musik des Seins.

 

Ende von Kapitel 10

 

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