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  „Feuer und Eis” von Susanne   (Emailadresse siehe Autorenseite),   verfasst 25. Januar 2012
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Die Welt der Happir gerät zwischen den Fronten.
Zeitpunkt:  irgendwann, bevor die Taelons zur Erde kommen
Hauptcharakter:  Fammer
 

 

FEUER UND EIS

 

Ich sitze hier in meiner Rettungskapsel und habe wirklich alle Zeit des Universums.
Ich habe rein gar nichts anderes zu tun, als hier in dieser engen Büchse zu sitzen und zu warten.
Dort hinten leuchtet Meriab in all ihrer grünen riesigen göttlichen Schönheit. Sie speit noch immer strahlendheiße Protuberanzen. Göttin! Erbarme dich und schweige doch still... Und doch ist das tödli­che Schauspiel gleichzeitig auch so unendlich schön... So fürchterlich schön...
Ich habe alles aufgezeichnet, ich hatte ja nichts anders zu tun. Obwohl vermutlich dieses Universum zu seinem Ende kommt ohne dass je die Aufzeichnungen irgendein Lebewesen abhören wird. Ich sitze hier in dieser Büchse wie in einer Konservendose mit Waklava-Echsenfleisch.... So, und jetzt habe ich auch noch Hunger, ich schnappe mir einen der Kekse und kaue lustlos darauf herum, ein paar habe ich noch. Auf Merhappi wären inzwischen bereits 100 Sonnenaufgänge gewesen. So lange in einer Konservenbüchse zu liegen und einfach zu warten ist nichts für einen Happir. Wir sind ein lustiges Völkchen, wir lieben Gesellschaft. Einsam schwerelos mitten im Weltraum zu treiben und einfach zu warten, ganz allein, und dabei immer wieder über das Vergangene nachzudenken, das kann doch nur depressiv machen. Bestimmt habe ich kaum noch Muskeln, und mein Schwanz fühlt sich bereits ganz taub an. Alle meine 16 Krallen habe ich bereits abgekaut! ... Perzu! Bist du auch da?
Ich wünschte mir einen süffigen Moskwit hierher zu den Blasrohrklängen von Wosson.
Ich wünschte mir ein angenehmes Schlammbad mit der weichem puddingartigen Erde Merhappis, in der man so wohlig, weich und sicher wie in einem Ei schlafen kann. Gemeinsam mit meiner Sippe. - Was mache ich eigentlich hier?
Aber wenn ich die Augen schließe, dann kann ich träumen, ja ich bin dort, in der Vergangenheit, und vergesse alles um mich herum, die Enge und Kälte und Verzweiflung... Ich falle und falle und - träume. Der Traum, inzwischen schon x-mal geträumt, er wird mich für Stunden aus dieser Realität erretten... wieder einmal...

* * *

Ich bin ein junger Happir, und gehöre der wissenschaftlichen Kaste der M'frog an. Unserer Sippe ge­hören die großen wohlig warmen Sümpfe bei Pelbris auf Pakur, einem Inselkontinent auf Merhappi. Die Kaste der M'frog betreibt vor allem Astrophysik und Astronomie und unsere Universität auf Pa­kur gehört zu den besten Universitäten dieser Art. Eine meiner Vorfahrinnen baute das erste Ster­nenteleskop, und mein Ur-, Ur-, Urgroßvater hat viele Galaxienhaufen im Kosmos entdeckt und be­nannt.
Wie es sich für mich in der jugendlichen Blau-Haut-Phase gehört, dem die ersten roten Geschlechts­streifen auf dem Kopf wachsen, besuche ich eine Höhere Schule für männliche und weibliche Sip­penmitglieder der Kaste der M'frogs. Wie es sich gehört, studiere ich natürlich vor allem Mathematik, Physik, Astronomie und Musik, obwohl ich eher großes Vergnügen für Chemie hege. Vor allem für Lebensmittelchemie - ich koche, wo immer ich kann, obgleich das in meiner Sippe überhaupt nicht gerne gesehen wird. Kochen ist etwas für Automaten, sagt meine Mutter immer, aber doch nichts für die ehrwürdige Sippe der M'frog-Pauw! Und dann streicht sie mir einfach mein Recht auf mein nächtliches Schlammbad und lässt mich einfach im Gras schlafen. Höchst gemein, das. Denn ich bilde mir ein, dass ich weit bessere Krumtjalas und Kefkoys aus Tang, Blättern und Fleisch mache als jeder Automat.
„Sag es nicht weiter, Fammer”, tröstet mich meine Angebetete Farnu dann immer, „ich habe diesel­ben Probleme wie du, bei mir ist es der Maschinenbau. Mein Vater sagt immer, das wäre nur etwas für Automaten. Und die stellt nun mal die Z&srquo;Ningst-Kaste her. Dabei bastle, schweiße und hämmere ich doch so gerne.”
Und ich kann das bestätigen, Farnu ist höchst erfindungsreich, ihre selbstgebauten Geräte sind prak­tisch und - manchmal erfindet sie einfach Spielzeug zum Lachen. Ach, Farnu hat eine so wunderbare blaue Haut, sie leuchtet in so einem intensiven dunklen Blau wie ich es noch nie gesehen habe, und ihre kleinen runden Hornnoppen darauf sehen so glänzend aus wie kleine geschliffene Saphire. Über den Schultern trägt sie meistens einen kurzen Mantel aus kleinen cremefarbenen feuchtigkeitsab­weisenden Herlock-Federn. Ihre Sippe ist bekannt dafür, sie als ein Hobby herzustellen. Wenn ich an Farnu nur denke, an ihre zarte Figur, der duftigen Haut, an der der Schlamm spurlos abperlt, wenn ich mich an ihr Lachen erinnere, werde ich ganz - wuschig.
Gegen Abend versammelten wir Familien uns zum Essen im Gras, und ich erinnere mich genau, dass an diesem Abend mein Vater sehr nachdenklich ausgesehen hat. Er ließ uns alle jedoch vorher essen, ich glaube es waren - ja, gefüllte Sumpffrösche - und doch übertrug sich seine gedrückte Stimmung auch auf uns Kinder und Jugendliche, so dass wir entgegen unseren Gewohnheiten diesen Abend nicht nach dem Essen spielen wollten, sondern uns in der Nähe des Vaters hinhockten. Seine grüne Gestalt mit den gelb gewordenen Geschlechtsstreifen stand ja ganz krumm, und sein Schwanz klopfte unbewusst leise immer wieder auf den Boden.
„Meine liebe Familie, ich muss es euch einfach sagen, die Regierung unserer Kasten auf Kippur hat beschlossen, die Stille-Vereinbarung zu brechen und nun doch verstärkt elektromagnetische Wellen zur allgemeinen Kommunikation zuzulassen. Sie wollen in Zukunft nicht ausschließlich abgeschirmte Glasfaserkabel verwenden, sondern ebenso Funkfrequenzen und Radiowellen und so weiter. Das käme lokal gesehen einfach billiger. Sie sagen, damit könnte jede Familie ihr eigenes Multimedia-Unterhaltungsprogrammset haben statt dass die gesamte Sippe nur eins hätte, und zwar im gemein­samen Sippenhaus.”
„Das kann doch gar nicht sein”, empörte sich meine Großmutter, „unsere Kaste hat doch nachgewie­sen, dass einige elektromagnetische Frequenzen aus dieser Kategorie schädlich sind für uns, für di­verse Tierarten und auch die Flora des Planeten - sind die neuerdings verrückt?” Ihre weißen Ge­schlechtsstreifen auf der braunen Haut pulsierten richtig, soviel Blutserum pumpte sie unbewusst hinein. Sie hatte ihr ganzes Leben lang ein hitziges Temperament gehabt, sogar jetzt noch, im ange­sehenen Alter.
„Die anderen Physiker-Kasten, wie die As'schu oder M'wehes, meinten, man könnte ja nur die Fre­quenzen auswählen, die wenig Schaden verursachten. Ihr wisst, wie die sind, die haben enge famili­äre Kontakte zu den Geräteherstellern und Finanzleuten und erhoffen sich entsprechende Gewinne für ihre Kaste.”
„Die natürlich”, pfiff meine Großmutter verächtlich, „die sind doch keine echten Wissenschaftler, sondern nur halb-halb!” Was, wie jeder auf unserem Planeten wusste, eine arge Beleidigung dar­stellte. „Erinnert euch nur an die Langwellen, die man vor 200 Sonnenjahren in den Meeren verwen­det hat, zur Kommunikation und für den Radar - sie kostete vielen Fischen und Meeresechsen das Leben, ihre Gehirne und inneren Organe haben sich durch den elektromagnetischen Lärm einfach zersetzt! Sie vertragen diese Wellen einfach nicht! Unverantwortlich, unverantwortlich ist das!” Und sie klatschte ihren Schwanz wuchtig aus Protest auf den Boden.
„Wenn jede Familie ihr eigenes Multimedia-Set hat, dann hören doch die Sippenkontakte auf. Wir gehen doch alle gerne zum Sippenhaus, um gemeinsame Filme zu sehen, Musik zu hören oder über Nachrichten zu sprechen. Jeder würde in Zukunft nur noch zuhause vor den Geräten hocken!”
Dieser Einwand meiner Mutter war berechtigt. Obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass die Sip­penkontakte sich wirklich verringern würden... Immerhin konnten wir im Sippenhaus wundervoll in unseren eigenen Bands Musik spielen, Theater veranstalten, die Bücher aus der dortigen Bibliothek lesen. Dort lernte man seine Partner kennen, dort heiratete man, dort zelebrierte man die Rituale und Opfer an die große Göttin Meriab, dort hob man Steuern ein, sprach Recht und berief Volksver­sammlungen ein. Dorthin gingen die Jüngsten zur Schule. Und dort wurde auch der gemeinsame Besitz der Sippe verwaltet, die Kontakte zur gemeinsamen Kaste gepflegt und bedeutende Besucher empfangen. Das große Sippenhaus war einfach das große lokale Zentrum, um das niemand herum kam.
„Also ich freue mich auf mehr Abwechslung”, meinte meine Stiefmutter. „Es ist doch toll, wenn jede Familie eine eigene Anlage hat und nicht erst weit zum Sippenhaus laufen muss. Müsst ihr jede Neu­erung schlecht machen?” - Klar, sie musste wieder das Gegenteil von dem wollen, was meine Mutter wollte! Klema war die jüngere Zweitfrau meines Vaters, eine miserable Wissenschaftlerin wie ich fand, und weit weniger hübsch reptiloid als meine Mutter, aber mein Vater schien anderer Meinung zu sein. Sein Geschlechtstrieb benötigte mindestens zwei Frauen, wie er sagte, da jede Happir-Frau im Jahr nur einige Monate paarungsbereit war. Die übrige Zeit bewachten sie ihre Eiergelege und hatten mit einem Mann wenig im Sinn. Dabei waren dank moderner Medizin die meisten gelegten Eier ohnehin nicht befruchtet. Seit die Happir ihre Fruchtbarkeit gedrosselt hatten, führten sie keine Kriege um Ressourcen mehr, sondern widmeten sich intelligenteren Projekten. Zumal inzwischen fast alle Inselkontinente und alle Kasten seit Generationen eine einheitliche Zentralregierung auf Kippur bildeten. Konflikte trug man dort politisch aus und nicht mit Waffengewalt.
„Klema, zu viele unbefruchtete Eier der Göttin heuer geopfert? Oder warum sonst ist dir langweilig?” meinte meine Großmutter böse. „Sorge für mehr Junge und betreibe mehr Wissenschaft, dann brauchst du auch keine Anlage zuhause!”
„Mutter!” tadelte mein Vater. „Ich bitte um mehr Respekt für meine Frau Klema! Sie ist noch jung, sie hat noch Zeit für viele Kinder. Lass sie mit deinen Bemerkungen in Ruhe!”
Nun pochte hinten ein Schwanz energisch auf den Boden. Kophti, ein Zweitgroßvater unserer Familie und schon 213 Jahre alt, stand wackelig auf und stützte sich dabei mühsam auf seinen dunkelbrau­nen Schwanz. Seine Hautfarbe war bereits graubraun, von den einstigen schönen Geschlechtsstreifen am Kopf sah man kaum mehr etwas außer verwaschene Flecke. Der alte Happir war allgemein als Methusalem geachtet, entsprechend standen die älteren Jugendlichen sofort auf, eilten zu ihm und versuchten ihn diskret links und rechts aufrecht zu halten. Dankbar nahm er an und hielt sich mit den Händen an den kräftigen Armen der anderen fest.
„Ich habe schon viele Tage gesehen, und als ich ein junger Happir war, waren die letzten Kriege ge­rade vorüber, doch die Berichte über diese Zeit waren entsetzlich. Die Happir hatten Waffen, die den ganzen Planeten vernichten hätten können. Die Kosten für die Waffen und Kriege waren so hoch, dass auf den Inselkontinenten kein Geld mehr da war für wichtige Projekte. Es gab hungernde Happir und Verletzte und Waise, um die sich keiner kümmerte. Überall war Zerstörung, jeder dachte nur noch an sich selbst, denn es war nicht genug da für alle. Die Sümpfe vertrockneten, der Tang und die Blätter verdorrten, die Tiere fielen krank und verseucht zu Boden. Jeder wollte den anderen umbrin­gen und seine Ressourcen stehlen. Wer nicht verhungerte, starb an Seuchen, Verstrahlung oder an Blutgewalt: Krieg bedeutet die Vernichtung von Recht, Ordnung und Gewissen.
Zu dieser Zeit lebte der große Philosoph Hrorost, und er warnte uns eindringlich: wenn andere Le­bensformen im Kosmos nur im Geringsten so wären wie wir Happir, dann sollten wir niemals mit ihnen in Kontakt treten. Wären sie weiter als wir, warum sollten sie uns kontaktieren? Wären sie weniger weit als wir, könnten sie uns nicht kontaktieren. Und wären sie in etwa uns gleich, und wür­den sich für uns aus irgendeinem Grund interessieren, würden sie uns mit großer Wahrscheinlichkeit überfallen, töten, ausrauben oder versklaven. Weil wir etwas haben, was sie gerne hätten, und weil sie die Macht dazu haben.
Und damals, als wir nach zu vielen Toten den Krieg von Merihapp verbannt haben, die Kriegskasten zerschlagen haben, als wir die Zentralregierung gebildet haben, da haben wir uns auch geschworen, -am Schrein der Göttin Meriab geschworen, - dass wir niemals Fremde anlocken werden, und ihnen niemals zeigen werden, dass wir eventuell Dinge hätten, die sie von uns nehmen könnten.
Diese Technologie, ohne jede Abschirmung, würde bewirken, dass unser Planet im Kosmos strahlen würde wie ein Leuchtfeuer. Würde bewirken, dass wir gefunden werden würden. Würde bewirken, was wieder Krieg auf diesen Planeten zurückkehren würde. Ich verstehe nicht, wie man all das zulas­sen kann!”
„Zumal man elektromagnetische Wellen ebenfalls wieder als Waffe einsetzen könnte - man kann Gehirnwellen manipulieren, man kann Erdbeben auslösen, man kann das Wetter manipulieren, man kann Zusehern und Zuhörern unbewusste Gedanken und Emotionen einsuggerieren”, rief meine Großmutter. „Man kann mit Strahlung all das, was man mit den Kabeln nicht so ohne weiteres kann.”
„Ihr übertreibt”, sagte Klema, sich aufreizend vor meinem Vater am Boden räkelnd und kratzend. „Niemand will Krieg, niemand will Kriegswaffen oder Manipulation - wir Jüngeren wollen doch nur etwas mehr Unterhaltung! Was ist denn so schlimm daran?”
„Diese Politik der Unsichtbarkeit und Unhörbarkeit kommt ein wenig spät, denn wir haben bereits alle erforderlichen Technologien dazu entwickelt und angewandt -”, rief einer meiner älteren Halb­brüder, „- bevor der große Stopp kam und alle auf Kabel und Lichtmorsezeichen umstellen mussten. Seither dürfen wir keine Weltraumraketen mehr bauen und keine Satelliten. Die gesamte Technolo­gie in diesem Bereich stagniert. Unsere eigene Kaste ist ebenfalls davon betroffen! Soll das immer so weitergehen?”
„Immerhin hatten wir dadurch seit 200 Sonnenjahren Frieden!” beharrte meine Großmutter. „Ist das denn nichts?”
„Die Bedenken wurden alle der Zentralregierung vorgebracht”, erwiderte mein Vater, unglücklich aussehend, den Boden unbewusst mit seinen linken Fußkrallen scharrend. „Doch die Wünsche der Gerätebauer und der Finanzkasten fanden mehr Gehör als die Warnungen der Umweltfreunde und Philosophen. Die anderen Physiker-Kasten erwarten sich viele neue Erkenntnisse und Erfindungen durch die neuen Gesetze. Selbst mein eigener Sohn tut das. Es wird viel diskutiert werden, doch letztlich, was können wir als Familie, als Kaste denn tun? Letztlich werden wir uns der Mehrheit beu­gen müssen.”
Das war wirklich kein gutes Thema, so vor dem gemeinsamen Einschlafen im warmen Schlamm des Sumpfes. Zuviel war da zum Nachdenken. Vieles würde sich für uns im täglichen Leben nun ändern.
Ach mein lieber Vater, meine liebe Mutter, meine lieben Geschwister und Sipplinge, wie vermisse ich diese alten Zeiten mit euch, sogar jetzt in meinen Träumen! Lasst mich ein wenig schlafen...

* * *

Da leuchtet sie wieder auf, meine Erinnerung, und zieht, kaum aufgewacht, Spuren wie ein Komet durch meinen nachtschwarzen Kopf. Ich sehe mich mit etwa 60 Jahren, also im besten Mannesalter, im schönsten Grün mit wunderbar gelben Geschlechtstreifen am Kopf, ich stehe neben meiner Zweitfrau Farnu und ihrem Gelege. Sie hatte zwei der unbefruchteten großen hellgrünen Eier mit den scharlachroten Sprenkeln noch im Nest belassen, wie es Brauch war, damit die heilige Zahl drei das Gelege für die Geburt segnete. Die anderen Eier waren alle der Sonnengöttin Meriab geopfert und zerschlagen worden, so wie es das Ritual verlangte, wie es der Brauch war.
„Sieh doch Fammer, unser Erstes”, hauchte sie. Es pickte zart an der Schale mit seinem Ei-Pickel am Kinn, wie es die Babys noch haben. „Klopf. Klopf, Klopf-kratz,... klopf.”
„Es wird bestimmt ein musikalisches Baby”, erwiderte ich, „es klopft bereits eine ganze Weile, und schon jetzt hat es Beat und Rhythmus im Blut.” Ich konnte es nicht mehr erwarten, mein Schwanz wippte hinter mir unbewusst auf und ab. Die Familie wartete geduldig draußen, bis die Geburt vor­bei war, bis man das Kind zum Sippenhaus bringen und es der Sippe offiziell vorstellen konnte. Dort sollte dann ein großes Festmahl stattfinden, zu dem ich einige Leckerbissen sogar selbst zubereitet hatte. Traditionen hin oder her, das Kochen ließ ich mir nicht nehmen.
„Sollten wir nicht noch einige Klänge vom Speichergerät abspielen lassen?” fragte Farnu in ihrer Für­sorge. „So, für eine gute Stimmung?”
Es war das erste Kind von Farnu und mir, doch sollte ich Geburten bereits gelassener hinnehmen, meine Erstfrau Vellasu hatte mir schon zwei Kinder geschenkt. Wie das Leben so spielt, hatte ich mich damals doch zuerst für Vellasu entschieden, die auch meinen Eltern so überaus gut gefallen hatte. Farnu hatte einen anderen geheiratet, doch da gab es keine Harmonie, nur Unfrieden. Eine Ehe ohne ganze Eier, wie man so sagte, also erfolgte eine Trennung durch die Sippe. Als Farnu wieder frei war, dachte ich an unsere gemeinsame Jugend und den Spaß, den wir immer gemeinsam gehabt hatten, und nahm sie mir zur Zweitfrau. Längst hatten wir ein eigenes Haus mit Grasland und Sumpf­schlafplatz auf Sippenland. Meine Eltern blieben zwar bei ihrem eigenen Erstgeborenen, doch durch meine eigenen Kinder und den zwei Frauen, die sich gut miteinander vertrugen, hatte ich eine eigene ausreichend große Familie gründen können. Farnus Hobby bescherte uns allen zudem eine Reihe von Alltagsgeräten im Haus, die keine andere Familie im Umkreis sonst besaß. Und jede Menge krabbeln­des, fahrendes, surrendes, quietschendes und klingelndes Automaten-Spielzeug für die Kleinen. Im Moment hatte sie allerdings nur Gedanken um ihr Gelege.
„Da, das Kleine hat die Schale endlich aufgepickt”, deutete Farnu zum Ei. Und da flogen bereits die ersten Teile der Schale oberhalb zur Seite, und ein flauschiges gelbes Etwas guckte heraus, sich die wartenden Eltern mit seinem ersten Augenschlag gut einprägend. Es war Liebe auf den ersten Blick, ein Mädchen mit hellblauen Augen, noch im wasserdichten wärmenden Baby-Flaum. Es kickte sich frei und zirpte und guckte uns an, und ließ unsere Herzen vor Glück blubbern.
„Farnu, was hältst du von „Goldschein”, Perzu, als Name?” fragte ich lachend und umarmte meine schöne Reptilin mit meinen Armen und meinem Schwanz. „Sieh doch mal, dieser hübsche Baby- Flaum da!”
Das war der Tag, an eben diesem Tag, wo sich, für mich, Anfang und Ende trafen, wo die Happir als Volk inzwischen alles bekommen hatten, was sie sich an modernen Neuerungen gewünscht hatten: Unterhaltungsmedien, die auf Gedankenbefehl funktionierten und reichhaltig den ganzen Tag spru­delten, Automaten, die einem jede Arbeit abnahmen, ein effizienteres Transportsystem, ein endlich geregeltes Wetter, Überwachungs- und Steuerungssatelliten die hoch am Himmel kreisten, auf Funk- und Radiowellen basierende Kommunikationssysteme mit ihren Sendemasten, viele Geldeinnahmen für eine Reihe von privilegierten Kasten, und beruhigende Nachrichten von Seiten der Zentralregie­rung, - die das Sterben von diversen Tierarten und auch die Zerstörung von Naturparadiesen da oder dort aus fehlender Rücksichtnahme einfach in Kauf nahm und totschwieg. Hauptsache Fortschritt! Der Mehraufwand von Strom, der für all das erforderlich war, wurde durch jede Menge neuer Fusi­onsmeiler abgedeckt. Kurz und gut: alle schienen über die Neuerungen glücklich zu sein. Merhappi war im Weltall nicht mehr zu übersehen. Und wollte gar nicht übersehen werden.
Etwa 16 Sonnenjahre später erhielt die Zentralregierung eine interstellare Botschaft: „Wir kommen in Frieden und wünschen eine friedliche Kontaktaufnahme zum Wohle unserer beiden Spezies!” Das war doch kaum zu glauben, es gab außer den Happir tatsächlich andere Lebensformen im Weltall, und sie nahmen Kontakt mit uns auf, sogar in unserer eigenen Sprache! - Und da waren sie auch schon, mit ihren seltsamen Fluggeräten, die sich hoch über alle Inselkontinente verteilten. Mit einer Hülle, nicht aus bekanntem Metall oder Plastik bestehend, und genauso wenig rein biologisch, sondern irgen­detwas Künstliches dazwischen. Eine Mischung aus formbarer Materie und formendem Energiefeld.
Und sie selbst - eine fremdartige Rasse, die körperlich offenbar fünfmal größer war wie die unsere. Jedenfalls trat sie vor uns so auf, auch wenn sie - wie man heimlich hörte - überhaupt nicht so aus­sah, wie sie uns erschien. Diese Fremden waren imstande, mental ihre eigenen Energien so zu len­ken und Materie so zu beeinflussen, dass sie in der jeweiligen Körperform auftreten konnten, die sie für richtig hielten. Manchmal schien es, sie wären selbst nur Energie oder ernährten sich zumindest von einer speziellen Energie - aber das widersprach jeder Logik! Das konnte nur ein Gerücht sein! - Auf alle Fälle hielten sie es für richtig, uns zu imitieren, und für uns reptiloid auszusehen. Nur unseren schönen langen Schwanz, den hatten sie nicht. Und auch nicht unsere Vorliebe für Schlammbäder.
Die erste Zeit begegneten sie uns überfreundlich und hilfsbereit, gewillt all ihre Wissensschätze mit uns zu teilen - ob wir das wollten oder auch nicht. Sobald sie sich einen Überblick über den Planeten verschafft hatten, übernahmen sie ohne viel Rücksicht die Macht. Wir hatten diesen Fremden nichts entgegenzusetzen, denn wir hatten keine schweren Waffen mehr, alles was wir noch hatten waren Pläne für solche aus der Vergangenheit. Wir hatten kein Militär, und nur wenige Polizeieinheiten. Sie konnten mit uns daher machen, was immer sie wollten, und das taten sie auch. Sie ließen einfach ihre Hilfstruppen auf Merihapp landen, versklavte Hilfstruppen, die von einem anderen Planeten stammten, die für sie ab da alle schmutzigen Arbeiten übernahmen. Offiziell machten diese selbst­eingeladenen Fremden in den Medien weiterhin für alle den Eindruck, als wollten sie nur unser Bes­tes. Inoffiziell war unsere Zentralregierung gezwungen, mit den Fremden und ihren Hilfstruppen zusammenzuarbeiten und ihnen zu Willen zu sein. Inoffiziell durften die Medien auch nicht mehr frei berichten.
Unser Bestes sah dann aus der Warte der Fremden so aus: uns wurden alle höheren wissenschaftli­chen Forschungen untersagt - oder aber in bestimmten verbotenen Bereichen aufgezwungen -, im­mer mit dem Argument, die Fremden hätten alles Relevante längst erfunden und entdeckt und wä­ren ohnehin gewillt, das alles mit uns zu teilen. Es wurde nicht im geringsten auf unsere Traditionen und Gebräuche Rücksicht genommen. Es wurde keine Rücksicht auf unseren Planeten genommen. Rebellionen wurden nicht geduldet, Kritiker und Aufständische wurden verschleppt und wir sahen sie nie wieder. Sie machten genetische Experimente mit uns und mit unseren Eiern und verschleppten viele von uns auf ihr Mutterschiff im Weltraum. Ein Mutterschiff, das laut Hörensagen um vieles gi­gantischer war als die kleinen Shuttles, mit denen sie sonst am Himmel herumflogen. Man hörte von einigen Sklaven, die im Sterben lagen, die ihre mentalen Fesseln dabei abwerfen konnten, das Mut­terschiff sollte hinter dem Planeten Laban, das war der 6. Planet in unserem Sonnensystem, versteckt sein. Doch keiner der freien Happir gelangte je auf das Mutterschiff oder durfte mit einem der Kom­mandanten der Mission sprechen - nur mit den fremden „Botschaftern”, die sich inzwischen auf unserem Planeten festgesetzt hatten, in ihren riesigen befestigten Türmen.
Diese Botschafter hatten ein reges Interesse an alle Dinge, die dazu geeignet waren, die Bevölkerung zu manipulieren, dazu gehörten Medien und unsere Unterhaltungssendungen. Ihr Ziel war, vereint mit unterschwellig ausgestrahlten Botschaften, elektromagnetische Wellen in solchen Frequenzen auszusenden, dass sie Happir wie willenlose Automaten steuern konnten. Offenbar waren ihnen die Implantate, die sie den Sklaven in den Kopf pflanzten, dazu nicht ausreichend.
Sie selbst schienen keinerlei Emotionen zu besitzen, sie konnten nicht lachen, sich nicht freuen und nicht spielen. Sie lächelten uns mit ihren großen Augen seelenlos an, und sprachen zu uns als wären wir unwissende Haustiere. Sie in ihren falschen großen fahlen Reptilkörpern wiesen kein Geschlecht auf, und sie hatten selbst auch keine Kinder. Als wären sie selbst nichts anderes als biologische Ma­schinen oder Klone mit einem Herz aus eiskalter Energie. Sie waren uns vollkommen fremd, und sie waren uns vollkommen überlegen. Sie befahlen uns in den Botschaften zu sich, und wir mussten tun, was immer sie sagten - oder wir erhielten dort eine Fremdsteuerung in den Kopf gepflanzt, sofern wir unsere Weigerung überhaupt überlebten.
Nach zwei Jahren Okkupation hatte sich die Bevölkerung bereits um 15 Prozent reduziert, und es wurden immer weniger Babys auf normalem Wege gezeugt. Entweder war unserem Volk die Lust auf Kinder vergangen oder aber es steckte irgendeine gezielte Manipulation dahinter.
Bei all dem fragten wir uns, wenn wir uns unglücklich in unseren Schlammbädern zur Ruhe begaben, wo wir doch offiziell so „glücklich und sorgenfrei” durch die Fremden geworden sind, die uns alles so „freimütig und kostenlos” gaben, Technik, Energie, Medizin, Philosophie und Wissen über das Welt­all, was sie denn überhaupt von uns wollten? Was waren ihre Motive? Wer solche Raumschiffe be­saß, der benötigte unsere Rohstoffe doch nicht, und als Sklaven, Krieger und Soldaten taugten wir kleinen Echsen auch nicht wirklich. Waren wir für sie etwa nur Zuchtmaterial?
Fragen über Fragen damals, die einen nur traurig und verzweifelt stimmen konnten...

* * *

Perzu, meine kleine Perzu, mein Goldschein, war abgeholt worden. Die anderen aus meiner Familie waren alle tot! Noch am Vorabend hatten wir im Gras über unsere Ängste gesprochen.
„Diese T...!”
„Bei Meriab, sprich bloß nicht den Namen dieser Dämonen aus!” rief Vellasu Farnu zu. „Man darf niemals Dämonen bei ihrem Namen nennen, sie hören es und kommen uns alle holen!”
„Niemand kommt uns holen”, versuche ich meine Frauen zu beruhigen. Die Jungen sahen bereits verängstigt genug aus. „Solange wir uns ruhig verhalten und kooperieren, bleiben wir am Leben. Wa­rum sollten sie uns denn holen?”
„Weil sie überall Mitglieder von wissenschaftlichen Kasten auslöschen oder verschleppen. Alle die ihnen gefährlich werden könnten. Denkt nur an die X'pitau, die O'mog und die M'wehes. Selbst wenn sie die Nachrichten zensieren, man erzählt sich ja doch davon.”
„Diese wissenschaftlichen Kasten”, erwiderte ich meiner Zweitfrau, „haben sich gegen die Fremden gestellt und terroristische Anschläge begangen. Sie haben gegen das Gesetz verstoßen.”
„Du hast dir doch wie wir alle ein Kopfnetz aufgesetzt! Das ist doch ebenfalls verboten!” Farnu spielte auf die feinen fast durchsichtigen Miniaturchips an, die viele von uns inzwischen am Kopf unter den Schuppen und den Geschlechtsstreifen versteckt befestigt hatten, um uns von den mani­pulativen elektromagnetischen Wellen abzuschirmen.
„Vielleicht sollten wir alle nach Murru fliehen”, meinte Vellasu. Sie sah die Skepsis in meinen Augen. „Murru ist kein mythischer Ort, Fammer, bestimmt nicht! Damals, als wir noch Kriege geführt haben, wurden Orte wie Murru angelegt, abgeschirmt und tief, tief unter der Erde, um die Bevölkerung zu schützen. Ich kannte mal als Kind einen Paria aus der ausgelöschten ehemaligen Kriegerkaste, der hat mir für eine Gefälligkeit den Zugang erklärt. Ich kann es dir später erklären, wenn du willst.”
„Sollten solche Anlagen wirklich noch existieren, tief unter der Erde, was sollten wir dort”, sagte ich unwillig. „Dort gibt es weder Sümpfe noch warmen Schlamm, keinen türkisfarbenen Himmel und nichts zu essen. Und die Fremden finden mit ihrer Technik ohnehin alles, sogar diesen Ort.”
Aber meine Erstfrau hörte nicht auf, mir davon zu erzählen, und ließ mich einfach nicht im Schlamm einschlafen. Dabei wusste sie, dass ich wegen einer Reparatur frühmorgens weg musste. Wie hätte ich wissen können, dass ich sie bei meiner Rückkehr von der Nachbarsippe tot vorfinden würde, halbverbrannt wie alle anderen! Nur Perzu fehlte unter den Leichen, doch wie ich von einem alten Mann erfahren konnte, der aus einem entfernten Versteck die Aktion vor unserem Haus beobachtet hatte, wurde die von den Sklaven der Fremden verschleppt. In ein Fluggerät geschoben und wegge­flogen.
Um mich war Tod! Verzweifelt begann ich, mit den Fußkrallen zu scharren, von einem Fuß auf den anderen zu treten und im Gras im Kreis zu laufen, denn es brannte in meinen zwei Herzen wie Feuer, ich konnte das alles nicht fassen, der Kummer tötete mich fast. Das alles überforderte meinen Ver­stand. Ich konnte einfach nicht mehr denken. Ich war unfähig, auch nur eine Leiche zum Sippenhaus zu tragen.
Da erhielt ich unerwartet einen kräftigen Tritt von der Seite, der mich hart auf den Boden warf.
Verwirrt sah ich auf und erkannte einen männlichen Happir, seinen Narben auf der Wange nach ein As'schu. Diese Kaste war eine der wenigen, die sich diese barbarischen Ziernarben noch beibrachte. „Hör auf zu jammern, M'frog!” fuhr er mich an. „Die Fremden beseitigen jeden Wissenschaftler, den sie nur in die Krallen bekommen. Meine Sippe haben sie auch versucht auszulöschen. Wir müssen sofort weg und alle zusammensammeln, die noch übrig sind!”
„Sammeln...?” stotterte ich. „Meine Perzu... ist...”
Er umfasste mit seinen zweimal zwei Fingern grob meinen Unterarm, um mich mit ihm zu ziehen, und nach anfänglichem Widerstand rannte und sprang ich ihm mit gekrümmten Rücken und wegge­strecktem Schwanz hinterher über die Sümpfe, immer versteckt zwischen den niedrigen Bäumen. Am Himmel sah man immer wieder die Shuttles der Fremden fliegen und sogar ab und zu helle Blitze auf irgendwelche Ziele abschießen. Man sah Rauch in der Ferne. Irgendwo auf einer Grasinsel musste ich verschnaufen. Zwei weitere Happir auf einem elektrischen Transportschlitten stießen voller Panik zu uns, eine Medizinerin und eine Biochemikerin. Ebenfalls Flüchtlinge. Doch wohin sollten wir alle ge­hen?
„Auf dem Nachbarkontinent Dasu gibt es angeblich eine unterirdische abgeschirmte Anlage unserer Vorfahren, ein geheimer Ort namens Murru”, begann ich, nachdem ich mich etwas gefasst hatte. „Ich habe davon gehört, vielleicht wären wir da erstmals sicher? Es gibt genügend Wasser auf diesem Planeten, auch tief im Erdinneren. Wir benötigten nur Nahrung und neues Saatgut für die Biosphä­ren. Es gibt dort unten Elektrizität aus Erdwärme und von Dampfturbinen und sogar Sauerstoff-Gene­ratoren.”
Immer darauf hoffend, dass wenigstens ein Teil von dem stimmte, was ich von Vellasu gehört hatte, schlugen wir uns zur Küste durch und organisierten uns heimlich ein Boot. Immer wieder mussten wir uns dabei in Erdhaufen und im Schlamm verstecken. Überall suchten die Sklaven der Fremden in den Shuttles nach Widerstandsnestern, töteten Happir oder verschleppten sie. Unter den Verschleppten waren vereinzelt ältere namhafte Wissenschaftler und viele offenbar genetisch ausgesuchte junge Frauen. Bei den Gelehrten war es wohl deren Wissen, welches die Fremden benötigten, doch was wollten sie mit den jungen Frauen? Was wollten sie mit meiner Perzu? Sexuelles Vergnügen konnte ich mir bei diesen seelenlosen Geschöpfen nicht vorstellen, also ging es wohl um DNA und genetische Experimente. Entsetzlich! Und es gab nichts, womit ich Perzu zurückbringen hätte können. Jedenfalls vorerst nichts.
Außerdem quälte mich nachts, wenn wir zu schlafen versuchten, die Vorstellung, dass ich meine Fa­milie nicht einmal ordentlich habe beerdigen können. Die Körper waren nicht rituell Meriab anemp­fohlen worden, die waren nicht im Grab unserer Sippe beerdigt worden. Es tat einfach weh. Die Fremden stürzten unser Volk mutwillig zurück in den Zustand von Barbarei und Unwissenheit!
Nachdem wir uns endlich auf Dasu bis zum Felshügel mit dem versteckten Zugangstor zu Murru durchgekämpft hatten, immer darauf vertrauend, dass die Fremden uns noch nicht entdeckt hatten und die wenigen Happir, die uns gesehen hatten, den Mund hielten, konnten wir den Zugangscode eingeben. Danke, meine Vellasu, er funktionierte tatsächlich noch! Mehrere dicke Stahltore gaben nach unten führende Grotten und Treppen frei, gerade groß genug für uns Happir. Es war stickig, feucht und kalt, und anfangs dunkel, wir mussten unsere gestohlenen Lampen benutzen, bis es uns gelang, ein Notstromaggregat anzuwerfen. Das primitive Transport- und Elektrizitätssystem, das es mal gegeben hatte, war außer Betrieb.
„Sollten wir wirklich weiter in die Tiefe gehen?” fragte die Wissensvermittlerin Herka ängstlich. „Be­stimmt sind wir bereits (500 Meter) tief abgestiegen und haben an die 12 Schotts passiert. Womög­lich kommen wir nie wieder heraus, oder verirren uns, trotz der Markierungen an den Wänden. Im­merhin sind wir bereits an mehreren Wachräumen vorbeigekommen. Eins hatte sogar ein Schlamm­bad.”
„Es ist so fürchterlich still hier unten”, meinte der junge Happir Stixo. „Wie in einem dunklen Grab.”
Inzwischen war unsere Gruppe bereits auf 13 Happir angewachsen, eine traumatisierte Gruppe aus Resten aller möglichen Kasten, deren Angehörige alle eliminiert worden waren und die nichts mehr zu verlieren hatten. Aber zu wenige Happir für einen echten Widerstand.
„Wir benötigen unbedingt mehr Lebensmittel und Saatgut”, meinte Datzin, ein realistisch eingestell­ter Ingenieur und Techniker. „Wasserhähne sind da, aber wir haben kaum Nahrung oder Medika­mente. Und sollte es hier unten irgendwo ein Biotop geben, müssen wir es reaktivieren. Und natür­lich das Kraftwerk. Wir benötigen Strom!”
„Wir sollten vor allem endlich mal zu Meriab um Hilfe beten und auch, dass alle unsere Verstorbenen heim ins Ur-Ei finden”, meinte Doghena, eine alte Priesterin aus der bäuerlichen Kaste von Dasu. Ihre Sippe war in Verdacht geraten, heimlich den Widerstand zu beliefern und war ausgelöscht worden. Im letzten Augenblick hatten wir sie aus einer versteckten Kammer des brennenden Sippenhauses gerettet.
In den nächsten 10 Sonnentagen gelang es, bis zur untersten Etage der Anlage vorzustoßen, die sich in (850 Meter) Tiefe befand. Wir konnten dort Maschinen, Geräte, Labors und Werkstätten aktivieren und das Biotop säubern und neu bepflanzen. Die Anlage war einfach, funktional-militärisch und für normale Happir viel zu beengt. Die Röhrengänge waren kein Ersatz für unsere wunderschöne Was­serwelt und das künstliche Licht, kein Ersatz für unseren weiten Himmel. Doch wir hatten keine Al­ternative. Unserer Gruppe wuchs allerdings auf 36 Happir beiderlei Geschlechts und verschiedensten Alters an. Überall an der Oberfläche irrten Frauen und Männer in den umliegenden Sümpfen umher, die vor den fremden Soldaten fliehen konnten und die verzweifelt Schutz suchten.
Eine realistische Analyse der in den tiefen Silos gefundenen noch größten Teils funktionstüchtigen Raketen ergab, dass die Waffen zwar auf der Oberfläche Merihapps große Verwüstungen verursa­chen konnten, aber leider nichts gegen das semi-biologisch-mineralisch-energetische Material der Fremden auszurichten vermochten, aus denen die Hülle ihrer Shuttles und Wehrtürme, die soge­nannten „Botschaften”, bestanden. Auch das Mutterschiff hinter Laban 6 war für sie unerreichbar. Alles war zudem wissenschaftlich veraltet. Wir mussten diesbezüglich weiterforschen und auf unser Glück hoffen.
Und dieses Glück kam mit einem abgestürzten Shuttle und einem der fremdartigen Sklaven von einer anderen Welt. Es kostete uns viel Mühe und neun tote Happir, nachdem Informanten uns den Ab­sturz gemeldet hatten, das schwere Gerät heimlich zu bergen. Wir hatten keine Hemmungen, den verwundeten pelzigen Sklaven, der etwas größer war als wir, in ein Labor zu stecken und ihm den Schädel zu öffnen. Teile seines Gehirns im hinteren Bereich waren übersät mit Drähten und fremdem Biomaterial, welches in der Summe das Implantat darstellte, und welches seinen Träger zum willen­losen Sklaven gemacht hatte. Der Anblick war für uns abartig und grauenvoll. Dennoch machten sich die Mediziner daran, das Material vorsichtig aus dem fremden Gehirn zu entfernen, doch ohne Ge­währ, dass sie das Gehirn dabei nicht gravierend schädigten. Es war der einzige Weg, etwas über das dämonische Zeugs zu erfahren. Vor allem die biologischen fadenartigen Komponenten des Implan­tats versuchten dabei, durch Zusammenziehung die nahegelegenen autonomen Gehirnzentren für Atmung oder Herzschlag zu zerquetschen. Es war ein stundenlanger Kampf um das Leben dieser Kre­atur. Den Medizinern gelang es leider nicht, alle biologischen Komponenten zu entfernen und sie waren sich sicher, dass diese binnen 30 Tagen wieder nachwachsen würden. Wir hatten alles getan, was wir konnten, es blieb uns nur übrig, den Schädel zu schließen und das Wesen aus dem künstli­chen Koma aufzuwecken.
Die pelzige schwanzlose Kreatur erwachte tatsächlich aus der Operation, aber es war zu bemerken, dass sie schwerkrank war. Volley - sein Name - war dennoch erstaunlich lerneifrig und kooperativ, und binnen 14 Sonnentagen konnte man sich mit ihm so halbwegs, allerdings nur mit einfachen Wor­ten, verständigen. Mit unseren Zischlauten hatte er allerdings so seine Probleme. Er berichtete je­denfalls, dass er (vor etwa 10 Jahren) von seinem Heimatplaneten namens Tair verschleppt worden war. Tair war eine weit entfernte, kalte und wüstenartige Welt, welche ebenfalls, wie unser Planet, von den Fremden besetzt worden war. Seitdem diente er den Fremden willenlos und wie im Traum­zustand als Sklave auf ihrem Mutterschiff als auch auf ihren besetzten Planeten, von denen er selbst bereits zwei gesehen hatte.
Es gab Sklaven aus den verschiedensten Völkern, die die Fremden zu diversen Zwecken ausbildeten oder programmierten, um sie für sich auf ihren Raumschiffen und auf besetzten Planeten arbeiten zu lassen. Einige Sklaven trugen noch ausgeprägtere semi-biologische Implantate, die große Teile des Kopfes und des Rumpfes umfassten. Die Gehirnimplantate versetzten die Sklaven auch in die Lage, die eigentliche Sprache der Fremden, ihre dreidimensionale Schrift und ihre Dateien und Gerätean­zeigen zu lesen, um besser ihrer Arbeit nachkommen zu können. Sie vermittelten ebenso die Kennt­nisse, wie man Geräte bedient oder mit den Shuttles fliegt. Denn ohne diese implantierten Hilfen wären Schrift und Sprache der Fremden für andere Völker angeblich nicht erlernbar. Andere Kör­perimplantate verstärkten die Kraft und Ausdauer des Sklaven oder sie ermöglichten es, sich eine gewisse Zeit in giftigen Atmosphären zu bewegen oder in extremen Temperaturen zu überleben. Der Preis dieser körperlichen Überforderung war ein früher Tod des Sklaven nach dem natürlichen Zerfall des Implantates. Sklaven lebten gewöhnlich nicht länger als (10 bis 15 Jahre).
„Ihr müsst wissen”, sagte Volley keuchend - er vertrug unsere „modrige und schwefelige” Luft schwer - „für diese Wesen bedeuten wir alle - NICHTS. Sie betrachten sich als geistig soweit fortge­schritten und vervollkommnet, dass wir im Vergleich dazu für sie weniger als Tiere sind, nutzbares Vieh oder schnittbare Pflanzen. Wir sind rechtlos, wir können benützt, gezüchtet und nach ihrem Willen geformt werden, sie können sich von unseren Lebensenergien und Körpersäften nähren, sie können mit uns machen was immer sie wollen. Vor allem müssen wir all das für sie tun, was sie selbst als minderwertig und nicht vergeistigt betrachten. Sie selbst sind nur noch teilweise biologisch, im Grunde sind sie durch ihre Evolution halbenergetisch geworden, und nur wirklich starke energetische Waffen könnten diese Kreaturen verletzten. Aber nicht töten, ich habe noch nie den Tod eines dieser Fremden erlebt.”
„Bitte überanstrenge dich nicht”, warnte Gorko aus der Kaste der Mediziner, der mitgeholfen hatte, den Großteil des Implantats zu entfernen. „Du bist kränklich und schwach, und wie du weißt konnten wir nicht alles vom Implantat entfernen.”
„Es geht schon”, erwiderte der Pelzige tapfer. „Solange mir noch Zeit bleibt, werde ich euch alles sagen, was ich weiß.”
„Berichte mir von ihrem Mutterschiff und den Wehrtürmen”, verlangte der As'schu-Zir Tareq zu wis­sen, der mir damals - wie lange war das her - den heftigen Tritt verpasst hatte.
„Das Mutterschiff, ein Gebilde so groß wie eines eurer Kontinente oder wie ein kleiner Mond, ist aus demselben bläulich schimmernden Material, irgendetwas Gezüchtetes oder Geschaffenes, teilweise sowohl biologisch und metallisch als auch energetisch, selbstregenerierend, und nur mit starken energetischen Waffen beschädigbar. Das Material wird nicht mit Werkzeugen gebaut, sondern es wird programmiert um entsprechend selbst zu wachsen. Als wäre es eine Pflanze. Ihr habt es sicher gesehen: sie stoßen ein Samenkorn in die Erde und es entfaltet sich binnen weniger Tage ein gesam­ter Wehrturm. Diese Technik übersteigt bei weitem mein Verständnis! Das Schiff hat innere Kam­mern und Gänge, aber alles fremdartig wirkend und wie fließend aussehend.
Diese Wesen - unser Volk nannte sie „böse Geister”! - reisen weite Strecken im Weltraum, indem sie ein künstliches Wurmloch erzeugen. Auf dem Schiff nehmen die Fremden alle Kommandostrukturen und wissenschaftliche Tätigkeiten für sich in Anspruch. Alle niedrigen Dienste, wozu auch gewaltsa­mes Vorgehen gegen andere Völker gehört, überlassen sie den ausgehobenen Sklaven. Es ist uns in ihrer Gegenwart nicht gestattet, normal mit ihnen zu diskutieren oder zu kommunizieren, wir haben vor allem nur zu antworten, wenn wir gefragt werden, und Befehle auszuüben. Subordination wird mit zugefügten starken Schmerzen, Umprogrammierung oder Auslöschung bestraft.
In einigen ihrer Kammern an Bord finden genetische Experimente und Züchtungen statt, in anderen Folterungen und Verhöre. Andere Kammern dienen als Gefängnis, und manche dienen zur Gewin­nung von speziellen Körpersäften, die die Fremden gerne konsumieren... Manche Gefangene sollen ihnen ihr wissenschaftliches Wissen zur Verfügung stellen, sofern das die Fremden interessiert, und werden dann beseitigt. Oder sie müssen an den Forschungen an Bord mitwirken. Andere Kammern dienen dazu, den Sklaven Implantate einzusetzen oder als Sklavenquartiere. In einigen Bereichen haben sich die Fremden im Schiff ein Biotop von ihrer Heimat eingerichtet, doch uns Sklaven ist der Aufenthalt dort verboten.
Die Botschaften beherbergen alle diese Einrichtungen des Schiffs im kleineren Maßstab und sind vor allem bewaffnete Festungen.”
„Ich habe eine Tochter, Perzu, die verschleppt worden ist. Wo denkst du, wird sie gefangen gehalten?”
„Vermutlich wurde sie längst auf das Schiff gebracht, entweder als Zuchtmaterial oder um als Sklavin implantiert zu werden.”
„Aber was ist der Zweck von allem?” wollte Tareq wissen, dem man genauso wie uns übrigen die Erschütterung ansah. „Wozu benötigen sie lebendige Sklaven, wo sie sich doch leichtest Roboter erschaffen könnten? Oder wozu züchten sie andere Völker? Um sich von ihnen zu ernähren?”
„Ja wisst ihr es nicht?” erwiderte Volley mühsam. „Sie sind teilweise energetisch und laden sich mit bestimmten Sonnenenergien auf als wären sie eine Batterie oder eine Art Pflanze. Sind es noch Le­bewesen? Ich weiß es nicht. Körpersäfte konsumieren sie nur zu ihrem persönlichen Vergnügen, es stimuliert sie, genauso wie es ihnen Vergnügen bereitet, mit ihren Gerätschaften konservierte Emo­tionen oder Erinnerungen ihrer Gefangenen zu betrachten. Denn das alles kennen sie nicht, es ist für sie exotisch und interessant. Sie haben keine Gefühle, Triebe und Instinkte. Sie kennen keine Wut, keine Liebe und keine Trauer. Sie können sich nicht einmal normal fortpflanzen. Vielleicht war das früher in ihrer Evolution mal so, aber jetzt nicht mehr. Sie benötigen andere Spezies, um sich als Vo­yeure an deren Emotionen und Trieben zu weiden, und sie halten sich statt Roboter ihre Cyborgs, das heißt implantierte Sklaven, einfach um sie als Studienobjekte zu beobachten und auszubeuten. An­dere Spezies in allen Situationen zu beobachten, zu studieren, zu züchten und zu testen ist das ein­zige Vergnügen, das sie noch kennen. Es sind Psychopathen.”
„Meine verstorbene Frau Vallesu hatte Recht, es sind Dämonen. Alle guten Kräfte im Kosmos: steht uns bei!”
„Gibt es denn kein Mittel gegen die Fremden, nichts was uns weiterhelfen könnte?” fragte Tareq.
„Nichts. Das einzige, was ich weiß ist, dass sie sich seit vielen, vielen Jahrtausenden im Krieg befin­den. Nein, nicht nur mit den Völkern, die sie erobert haben. Sondern mit ihrer eigenen Art, einem Zweig in ihrer Evolution, welches sich abgespaltet hat und offenbar genauso unethisch ist wie sie selbst. Nur auf andere Art und Weise. Sie sind die einzigen, die sie wirklich fürchten, und genau des­wegen versuchen sie auch, aus Sklavenvölkern immer neue Soldaten heranzuzüchten, um gegen die anderen zu kämpfen. Denn das selbst zu tun betrachten sie als zu primitiv.”
„Meriab stehe uns bei”, flüsterte ich. „Es gibt noch schlimmere als sie?”
Wir hatten erwartet, durch Neuigkeiten ein Mittel zu finden, um die Fremden zu vertreiben. Und was hatten wir stattdessen gefunden? Ein kosmisches Komplott, welches sich über zahlreiche Planeten erstreckte, ein Gespinst des Bösen, gegen das wir noch weniger Chancen hatten.
Unsere einzige Chance schien, die „Anderen” zu finden und sich mit ihnen zu verbünden, und die einen Dämonen durch andere Dämonen zu vertreiben.

* * *

Wie lange Volley noch durchhalten konnte, war unklar, denn die nachgewachsenen biologischen Komponenten seines Gehirnimplantats beeinträchtigten zunehmend seine Atmung und sein Herz. Wir schleppten den pelzigen Fremden durch für ihn viel zu enge Gänge wieder nach oben. Ich bedau­erte die Prozedur, denn in seinem Pelz blieb wirklich jede Erde und alles an Staub kleben und perlte nicht ab. Es schien ihm überall zu jucken. Volley war aber der einzige, der das provisorisch zusam­mengeflickte Shuttle der Fremden, welches seine äußere Hülle bereits wieder selbsttätig geschlossen - oder geheilt? - hatte, fliegen konnte. Wir planten, in einer geheimen Kommandoaktion eine riesige Bombe mit radioaktivem Sprengstoff aus unseren alten Raketen auf das Mutterschiff zu bringen und in dessen Innerem zu zünden. Wir versteckten die Bombe an Bord des havarierten Shuttles mit ei­nem Zünder, dessen Timer bei der Landung im Hangar zu laufen beginnen würde.
Unsere zweite Absicht war es, bis zur Sprengung so viele nützliche Informationen wie möglich aus den Dateien des Mutterschiffes zu stehlen. Zurückkehren sollten die Überlebenden der Aktion dann mit der programmierten Rettungskapsel, die wir intakt im Shuttle gefunden hatten, und die bequem für mehrere von uns Platz bot, selbst nach den technischen Modifikationen und Gerätschaften, die wir im Inneren der Kapsel eingebaut hatten. Waren wir doch viel kleiner als die Fremden. Und als Drittes: wenn nur irgendwie mit dem Auftrag vereinbar, wollte ich die Dateien des Mutterschiffs nach Perzu durchsuchen.
Ja, eine echte Wahnsinnsidee, und jeder von uns wusste, dass er die Mission vermutlich nicht über­leben würde. Volley würde überhaupt freiwillig auf dem Schiff zurückbleiben und dort sterben. Aber wir mussten es zumindest versuchen, wer denn sonst, als wir? Von der Regierung in ihrer Geiselhaft der Fremden war bestimmt keine Hilfe zu erwarten. Wir mussten selbst nach Chancen suchen. Wer weiß, vielleicht war es den Fremden dann einfach irgendwann zu mühsam, Merhappi zu halten und sie gingen freiwillig? Oder wir vermochten vom Schiff aus die „Anderen” zu kontaktieren, und sie müssten dann flüchten.
Tareq, Datzin und ich ließen uns von Doghena segnen, bevor wir aufbrachen. Es war gefährlich, das in einem unserer Raketensilos versteckte Shuttle herauszuschleppen und zu starten. Das Shuttle mit dem versteckten Sprengstoff und auch wir konnten zu leicht geortet und entdeckt werden. Wir mussten auf die ausgezeichnete Abschirmtechnik unserer Vorfahren vertrauen und auf die Vorse­hung, etwas anderes blieb uns nicht.
Aber alles ging gut, das strudelnde heranfliegende Shuttle meldete dem Mutterschiff automatisch mehrere gravierende Defekte an den Steuerungsgeräten und Triebwerken, und die Fremden waren von ihrer eigenen Sicherheit und Unantastbarkeit so überzeugt, dass sie den Sklaven Volley nach der Landung zwar zum Report bestellten - allerdings nicht sofort, denn sie schienen mit etwas anderem beschäftigt zu sein. Das beschädigte Shuttle durfte das energetische Abschirmfeld des Mutterschiffs zum Hangar hin passieren. Volley „verlor” dann bei der wackeligen Landung des Shuttle-Wracks auf der inneren Hangarrampe versehentlich die hinten angebrachte Rettungskapsel, die laut auf die Rampe zwischen den anderen Shuttles knallte und liegen blieb. Die anderen Sklaven im Hangar be­merkten unseren Ausstieg aus der Kapsel nicht, sondern achteten nur auf das herum taumelnde Wrack. Die waren auch hauptsächlich darauf programmiert, Reparaturen durchzuführen, und nicht Wachtposten zu spielen. An der sonst intakten und scheinbar leeren Rettungskapsel würden sie bestenfalls einen verklemmten Verschluss feststellen, ein Problem welches sie erst nach der Repara­tur des Shuttles zu lösen versuchen würden - hoffentlich.
Hilfreich waren für uns auch unsere Abschirm- und Tarnanzüge, die ein schwaches optisches Mi­mikry-Feld um uns errichteten. Für weiter entfernt stehende Betrachter wurde der jeweilige sicht­bare Hintergrund optisch um uns herumgelenkt und wir erschienen somit für andere kaum sichtbar. Für die anderen Sklaven an Bord mochte das ausreichen, aber bei den energetischen Fremden muss­ten wir aufpassen, womöglich nahmen sie Wärme- und Energiefelder oder Lichtfrequenzen anders wahr und der optische Trick unserer Anzüge war nicht ausreichend.
Erst einmal duckten wir uns hinter einigen Geräten und beobachteten die Vorgänge um uns herum, bis endlich Volley aus dem inzwischen gelandeten Shuttle erschien und zum Hangarausgang ging. Eilends folgten wir ihm.
Für uns kleine Happir in unseren Anzügen war der Marsch durch den riesigen Hangar, indem wir ständig auf der Hut sein mussten, äußerst strapaziös. Natürlich mussten wir die Helme oben lassen, einerseits weil die Atemluft an Bord für uns nicht optimal war und um das Mimikry-Feld nicht zu stö­ren. Als wir endlich den Hangar mit Volley verlassen konnten, kam der noch schwierigere Teil durch die fremdartigen Gänge. Meine zwei Herzen pochten vor Furcht. Kamen Wachtrupps vorbei, blieb Volley demütig mit gesenktem Kopf, aber teilnahmslos blickend, an der Wand stehen, um sie vorbei­zulassen, während wir blitzartig kleine Verstecke für uns finden mussten, um ihren Füßen auszuwei­chen. Es gab, wie wir dabei feststellen mussten, noch mindestens eine weitere versklavte Spezies an Bord, weit größer und schwerer als die Tairer oder wir, gedrungen und mit vier Armen.
In der Nähe der Sklavenquartiere beeilten wir uns, an der unregelmäßigen Wand in die Höhe zu klet­tern und uns in eine Informationskonsole einzuhacken. Die Technik der Konsole war nicht mehr ganz fremd, hatten wir doch das Shuttle gründlich analysiert. Unser Ziel war es, in vorhandene Informati­onsdateien des Mutterschiffes vorzustoßen und so viele Informationen zu rauben wie möglich. Volley versuchte dabei, uns einiges aus den geöffneten Dateien rasch zu übersetzen, doch das meiste an Daten mussten wir unbesehen in großer Eile auf unsere mitgebrachten Speicherkristalle herunter laden. Auswerten mussten wir einfach später. Es war bestimmt nur eine Frage von Minuten, bis die Fremden den unbefugten Download bemerken würden.
Unglaublich, wie viele Planeten allein dieses Schiff bereits heimgesucht hatte! Das nächste Ziel schien auch schon festzustehen: es sollte der dritte Planet einer kleineren gelben Sonne werden, mit etwas weniger Wasser als unsere Heimat, und mit einer dort dominanten schwanzlosen Lebensform mit rosa bis brauner Hautfarbe und hellem, braunem oder schwarzem Pelz auf dem Kopf; ohne sonstige Federn, Schuppen und Verhornungen, aber mit zwei nach vorne gerichtete Augen wie es Raubtiere hatten, und einer Mund-Nase-Schnauze-Partie ähnlich unserer. Aber wenn wir Erfolg hatten und der Sprengstoff hoch ging, würde für dieses Mutterschiff aus dem nächsten beabsichtigten Flug nichts werden!
Noch (zwei Stunden) bis zur programmierten Detonation.
Da war sie, die Datei mit den Verschleppten von Pakur!
„Ich sterbe”, hauchte Volley plötzlich atemlos und sank in sich zusammen. „Ich kann euch nicht län­ger übersetzen oder helfen! Ihr müsst jetzt alleine weitermachen!”
„Nein, nein”, rief ich voller Panik. „Meine Tochter, sag mir noch wohin ich gehen muss?” Ich steckte überhastet die Kristalle ein und sprang zurück auf den Boden.
Volley schaffte es noch sterbend, uns in etwa den Weg zu deuten, als wir einen Trupp Wache-Sklaven laufen hörten, die sich uns näherten. Panikartig liefen wir drei Happir mit gestreckten Schwänzen und gekrümmten Rücken den entgegengesetzten Gang entlang und verkrochen uns gerade noch rechtzei­tig hinter einer Wandausbuchtung. Der Wachtrupp der Mehrarmigen hatte inzwischen die Leiche des Tairers bei der Konsole entdeckt. Sie war ihnen suspekt, auch wenn sie in der Nähe der Sklavenquar­tiere lag. Sie nahmen sie mit, wohl um sie zu untersuchen. Das bedeutete, dass man uns bald ent­decken musste!
Aber ich musste dennoch unbedingt wissen, was aus meiner Tochter geworden war, Perzu, meinem Goldschein. So liefen wir drei hastig bei den Sklavenquartieren vorbei, wandten uns dann nach links, bei entgegenkommenden Sklaven leise vorbeischleichend, und gelangten in die verbotene Zucht- und Brutanlage. Dort entdeckten wir das blanke Grauen. Mehrere Mädchen, darunter auch Perzu, hingen mit amputierten Beinen und fast ausgeweidet an Ketten und Schläuchen in maschinellen An­lagen, wo sie wider jede Natur im geöffneten Bauchraum riesige Eier ausbrüten sollten, vermutlich für riesige, genetisch mutierte Happir-Soldaten. Die Eier waren viel zu groß für den Bauch und das Becken der Frauen, zu groß um auf natürliche Art in ein Nest gelegt zu werden, daher hatte man ihnen einfach alles unterhalb, was im Weg stand, weggeschnitten, wegamputiert.
„PERZU...!” schrie ich laut mit so viel Entsetzen und Weh in meiner Stimme, dass es eher wie ein Gurgeln klang als wie ein Name. „Perzu...” Ich riss mir den Helm vom Kopf, und das Mimikry-Feld erlosch. Meine Gefährten machten es mir erschüttert nach.
Die Frauen hoben mit apathischen Augen den Kopf und sahen zu uns, rüttelten an ihren Fesseln. Trotz ihres Zustandes schienen sie uns als Happir zu erkennen.
„Papa...” sagte Perzu murmelnd. „Papa..” Und als wir uns ansahen, wusste ich was sie von mir ver­langte. „Tu es. Bitte. Tu es. Lass mich nicht so hier.”
Es war das einzige, was wir noch für sie tun konnten. Und da zogen wir unsere Waffen und töteten alle, auch die genetisch veränderte Brut in den Eiern.
„Komm”, rief Tareq, und verpasste mir den zweiten Tritt in meinem Leben. „Traure später! Wir müs­sen weg, sonst entdecken sie uns, wir müssen zurück zum Hangar!” Er zwang uns, unsere Helme wie­der aufzusetzen und loszurennen.
„Glaubst du wirklich, dass wir es noch schaffen?” rief uns Datzin, der uns hinterherlief, zu. „Ich denke nicht. Ich werde hier bleiben und für Unruhe sorgen. Nur so könntet ihr es noch schaffen. Bevor sie mich lebend erwischen, werde ich mich selbst töten. Vergesst nicht: aus dem Ei sind wir alle gekom­men, zum Ei kehren wir alle wieder zurück. Lebt wohl, meine Freunde!” Und schon lief er einen an­deren Gang entlang und verschwand aus unseren Augen. Wir hörten nur, dass er offenbar um sich schoss und viel Lärm verursachte. Und hetzten weiter.
Ich war am Ende meiner Kraft. Da war dann endlich der riesige Hangar, aber es herrschte eine furchtbare Aufregung. Soldaten-Sklaven stürzten zu den Shuttles und hoben ab, verließen fluchtartig den Hangar mit unbekanntem Auftrag. War das wirklich alles wegen uns? Das sah nicht so aus, unser mit Sprengstoff präparierter Shuttle stand noch da, offenbar als defekt und unbenützbar abgeschal­tet. (15 Minuten) bis zur Detonation.
Ich hastete schweratmend auf die Rettungskapsel zu, als ich hinter mir ein lautes Aufstöhnen hörte. Ich wandte mich um, und sah da Tareq mit einer großen blutenden Kopfwunde am Boden liegen. Irgendetwas hatte seinen Kopf getroffen und den Helm zertrümmert, entweder eins der großen Werkzeuge im Hangar oder eines der Shuttles beim Abflug. Was es auch war, Tareq war schwer ver­letzt. Das Blut spritzte auf seinen Tarnanzug und auf den Hangarboden.
„Ich glaube, für mich ist es hier zu Ende, alter M'frog-Pauw!” keuchte er. „ Steig ein, Fammer, rette dich, und berichte zuhause, was wir gehört und gesehen haben. Einer von uns sollte zurückkehren!”
Ich hockte mich kurz neben ihn. Er starb, man konnte ihm hier nicht mehr helfen. „Vom Ei sind wir... „ versuchte er noch zu sagen, aber er konnte es nicht mehr beenden.
Ich erhob mich, lief die letzten Schritte zur Rettungskapsel und kletterte hinein, und als ich sie gerade schloss, sah ich mit den Augenwinkeln, durch die kleine Scheibe der Kapsel und durch den noch halb­offenen Hangar, die Sonne Meriab explodieren, heller als alles, was man sich vorstellen konnte. Zum Glück schützte das äußere Energiefeld des Mutterschiffs und die Beschaffenheit der Kapsel mich vor der starken Strahlung und dem Erblinden. Das Mutterschiff schüttelte sich, und die Kapsel wurde im Hangar wirbelnd herumgeschleudert. Instrumente versagten für Sekunden, es wurde für mich an­schließend stockdunkel, bis das Notlicht in der Kapsel zurückkehrte und die Instrumente wieder an­sprangen. Die innere Polsterung der Kapsel hatte dafür gesorgt, dass außer einigen Prellungen mir nichts weiter geschehen war.
Zuerst dachte ich, der Sprengstoff in dem präparierten Shuttle wäre bereits losgegangen, aber es war noch (um einige Minuten) zu früh. Irgendetwas war mit der Sonne passiert, aber was?
Während die programmierte Rettungskapsel vom Hangarboden abhob, Fahrt aufnahm und langsam aus dem Hangar und durch den Schutzschirm der Fremden in den offenen Weltraum flog, erstaunli­cherweise ohne entdeckt zu werden, bemerkte ich eine per Radiowellen vor (Minuten) eingegan­gene Botschaft auf dem Instrumentendisplay, die ich später abhören sollte. Doch für den Moment konnte ich nur fasziniert beobachten, wie das von der Sonne grell beschienene Mutterschiff, gerade als es mit unbekanntem Ziel zu beschleunigen und zu verschwinden begann, plötzlich ein riesiges Stück vom Heck verlor. Unsere Mehrfachbombe war im Inneren hochgegangen. Und ich hoffte in­ständig, dass das Schiff es nicht schaffen würde, sich genauso selbst zu regenerieren wie es das Im­plantat oder die Shuttlehülle gekonnt hatten. Ich wünschte die fremden Invasoren in die tiefste Hölle.

* * *

Sicher hätte einer unserer alten Philosophen gesagt, man sollte vorsichtig mit dem sein, was man sich wünscht. Denn während ich mit dem Finden von Murru bis hin zu unserer einsamen Komman­doaktion beschäftigt gewesen war, hatten auf Merhappi andere Ereignisse stattgefunden. Andere Gruppen hatten ebenso wie wir alte Militäranlagen der Vorfahren reaktiviert und kleine Wider­standsnester gegründet. Und irgendwie hatten sie ebenso wie wir von den Anderen erfahren und gehofft, in ihnen einen Verbündeten zu finden.
Die Zentralregierung versuchte diese Ambitionen verzweifelt zu unterbinden. Nicht nur, dass sie den Invasoren wie eine Marionette zu gehorchen hatte, die sich mit verlogenen Ausreden und Drohungen immer schlimmere Eingriffe in die Gesellschaft von Merhappi erlaubten bis hin zur Aushebung von „Rekruten”, sprich: Soldaten-Sklaven. Die Fremden drohten der Regierung sogar mit der totalen Auslöschung des gesamten Volkes, wenn der Widerstand innerhalb der Bevölkerung nicht beendet wurde. Die Option für die Zentralregierung war somit, entweder mit dem Feind zu kooperieren und Teile der Bevölkerung der Versklavung auszuliefern, um versklavt wenigstens teilweise zu überleben. Um vielleicht in einer ferner Zukunft einmal doch das Joch abschütteln zu können. Oder aber: die sofortige totale Auslöschung der Gesamtbevölkerung.
Also kooperierte man, um zu überleben. Dummerweise bedeutete das, eine gewisse vor knapp zwei Jahren heimlich übermittelte Botschaft von einem anderen Alien-Volk zu ignorieren: „Wer immer mit unserem Brudervolk kooperiert, mit dem wir uns seit vielen Jahrtausenden im Krieg befinden, der wird von uns wie ein Feind behandelt und ausgelöscht. Seid klug, überlegt es euch gut!”
Die hatten gut reden, die waren ja nicht da, nur diese energetischen gefühllosen Fremden waren da, also merkte man sich die „Absenderadresse” aus einer anderen Galaxie und kooperierte offiziell wei­terhin brav und gehorsam. Ließ die Fremden genetisch Soldaten züchten und sie auch gegen die ural­ten Feinde der Fremden einsetzen. Was die Fremden mit allen rekrutierten Sklavenvölkern taten. Mit allen unvorsichtigen Völkern, die sie im Weltraum antrafen.
Die Feinde der Invasoren, diese „Anderen”, waren evolutionär aus denselben gewalttätigen macht­hungrigen Vorfahren der Fremden entstanden, genauer gesagt waren sie das erste Produkt einer genetischen Züchtung einer eigenen Rasse von Kriegern gewesen, damit die Fremden, die sich einer Ideologie folgend „vergeistigen” wollten, all diese lästigen, aber nötigen profanen Dinge, die zur Er­haltung von Macht und Ausbeutung nun mal erforderlich waren, nicht mehr selbst erledigen muss­ten. War das Ergebnis bei ihnen wirklich Vergeistigung und Suche nach dem Ewigen, Schönen und Edlen? Nein, denn dieses angeblich so vergeistigte und fast unsterbliche Volk, welches sich inzwi­schen fast als „Göttervolk” betrachtete, delegierte einfach alle seine Schattenseiten und alle seine niederen Instinkte auf andere Wesen, damit diese die hässlichen Arbeiten für sie erledigten. Denn bei aller Sucht nach Vergeistigung konnten sie eines nicht: von ihrer gewonnenen Macht, Bequemlichkeit und Hybris ablassen.
Aber diese gezüchtete Kriegerrasse, gezüchtet um perfekte gnadenlose Krieger zu sein und keine Konkurrenten um die Macht in ihrem beanspruchten Territorium zu dulden, machte sich selbständig und somit hatten sich die Fremden - ihre eigenen ebenbürtigen Gegner geschaffen! Gegner, die sich nicht vergeistigen wollten, sondern ihrem genetischen Programm folgend, sich körperlich als Krieger vervollkommnen und als Militärmacht perfektionieren wollten. Krieger, die sich in jeder Hinsicht, ihren Instinkten folgend, austoben wollten, die kämpfen wollten, die Schrecken verbreiten wollten. Sie legten nicht wie das Brudervolk ihre Emotionen und Instinkte ab um sich zu „vergeistigen”, son­dern sie kultivierten bewusst alle dunklen Triebe und Leidenschaften, um gewaltsam große Territo­rien im Weltraum zu erobern. Wer sich nicht freiwillig bedingungslos unterwarf, wer Widerstand leistete, wurde mitleidlos vernichtet. Was die unterworfenen Völker dann weiter mit ihrem Leben machten, war ihnen egal, solange sie nur ihren Territorialherren gehorchten.
Man könnte sagen, eine jede Kriegsseite fürchtete und jagte mit seinen Mitteln die andere und sorgte mit seinen Handlungen dafür, dass der Bruderkrieg niemals aufhörte.
Die beiden Völker waren wie böse Zwillinge, wo der eine war, war auch der andere nicht weit, bis zum Ende ihrer Existenz als Feuer und Eis aneinander gebunden, einander spiegelnd, und zahlreiche Galaxien durch ihren Machthunger verheerend. Beide wollten von anderen Völkern auf ihre Weise die bedingungslose Unterwerfung, und kannten in diesem Sinne keine Ethik, Ehre oder Logik. Nur Lüge, Machthunger und Zerstörung.
Die „Anderen” ließen sich, wie schon unzählige Male zuvor, ein neu entstehendes und sie angreifen­des Sklaven-Soldatenvolk ihres Brudervolkes nicht bieten. Sie schickten eine eigene Spezialtruppe aus. Die nistete sich heimlich im grünen Sonnensystem Meriab ein und platzierte eine gewaltige Bombe so in die Sonne, dass bei ihrer Explosion ein gigantischer Flare entstehen würde, der alles Leben auf Merhappi auslöschen musste. Das Magnetfeld des Planeten würde von der riesigen Son­neneruption weggeblasen werden, die Hitze würde das Wasser verdampfen und das Land völlig ver­brennen. Die Mikrowellen der entstehenden kosmischen Strahlen würden (ein bis zwei Kilometer) tief in die Planetenoberfläche eindringen und den letzten Rest von Leben vernichten. Das übliche Standardverfahren dieser Kriegerrasse eben für alle, die mit dem Feind kooperierten, egal ob freiwil­lig oder unfreiwillig. Übrig blieb immer eine tote, sterile Welt. In tausenden Fällen bisher. Und dann kam hinterher die Flotte der „Anderen”, um die letzten Reste des Brudervolkes aus der Region zu vertreiben. Sofern die nicht bereits vorher die Gegend fluchtartig verlassen hatten.
Bevor sie aber die Bombe gezündet hatten, ließen die „Anderen” den Happir (und damit auch ihrem Brudervolk) eine Nachricht voller Häme zukommen: „Wir hatten euch damals gewarnt, erinnert ihr euch an diese Botschaft? - ‚Wer immer mit unserem Brudervolk kooperiert, mit dem wir uns seit Jahr­tausenden im Krieg befinden, der wird von uns wie ein Feind behandelt und ausgelöscht. Seid klug, überlegt es euch gut!’ - Ihr habt gedacht, ihr könnt euch über unsere Aufforderung hinwegsetzen. Tragt nun die Konsequenzen, denn wir löschen euch hiermit aus!”

* * *

Und seht nun, hier sitze ich in der einsamen Rettungskapsel, die weit vom programmierten Kurs ab­gekommen ist, und treibe hinaus in die Unendlichkeit des schwarzen Weltalls mit seinen wundervol­len Sternen, die ich mir einst als Astronom, in meiner Jugend, so sehr gewünscht hatte klar und deut­lich zu sehen... Und selbst wenn diese Rettungskapsel umkehren und Kurs auf Merhappi nehmen würde, es wäre mein Ende. Alles was mir bleibt, ist ein wenig von meinem Volk zu berichten und was mit uns geschehen ist, bevor wir endgültig mit mir erlöschen. Ich treibe Tag um Tag in dieser Kapsel und träume, wie es war und wie es hätte sein können, wenn nicht... Vielleicht wird der Traum wahr und die Realität verblasst zum Traum... Was ist schon Traum was ist schon Realität... Wer kann das schon unterscheiden... Ich kann es langsam nicht mehr sagen...
Doch wer weiß, ich hege manchmal verzweifelte, irrationale Hoffnungen. Merhappi hatte unterir­disch große Wasservorkommen, und vielleicht hat irgendwer da unten trotz aller Zerstörungen überlebt... gefangen nun in einer Militäranlage, die doppelt so tief angelegt war wie die von Murru... gefangen in absoluter Todesstille... gefangen in seinem Schicksal wie ich... Wer weiß, vielleicht haben die Abschirmvorrichtungen der Ahnen wirklich was genützt. Wer weiß, vielleicht kühlt der Planet rasch ab und kann wieder aufgebaut werden... über viele Jahrtausende hinweg... Doch - sollte man das wirklich jemanden wünschen...?
Ich habe noch ein paar Kekse, ein paar Schluck Wasser und für ein paar Tage Luft zum Atmen.
Dort hinten leuchtet Meriab in all ihrer grünen riesigen göttlichen Schönheit. Sie speit noch immer strahlendheiße Protuberanzen. Göttin! Erbarme dich und schweige doch still... Und doch ist das tödli­che Schauspiel gleichzeitig auch so unendlich schön... So fürchterlich schön...
Aus dem Ei sind wir alle gekommen, zum Ei kehren wir alle wieder zurück.

 

ENDE

 

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