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  „Kerzen im Wind” von Sujen   (Emailadresse siehe Autorenseite)
Alle hier vorkommenden Personen gehören den Eigentümern von Mission Erde/Earth: Final Conflict. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Eine Geschichte über Becketts Tod und die Gedanken und Gefühle, die dieser in ihr selbst, aber auch in Sandoval und Liam auslöst
Zeitpunkt:  Die Story spielt in der zweiten Season, parallel zu den Ereignissen der Episode „Das letzte Tribunal”
Charaktere:  Siobhan Beckett, Sandoval, Liam
 

 

KERZEN IM WIND

 

„Es ist unser Schicksal zusammenzukommen,
so sehr Sie sich auch dagegen wehren.”

(Beckett zu Sandoval in „Fremdkörper”)

 

Prolog
 

Die Rune des Schicksals ...
Wie kühl und glatt sie sich anfühlte, und doch schien sie in ihrer Hand zu brennen, entflammt von dem Ausdruck in seinen Augen, der andere Worte sprach als sein Mund.
Beckett suchte Sandovals Blick und hielt ihn fest.
Sie lächelte, während der flackernde Schein der Kerzen Schatten an die Wand warf und auf sein Gesicht, in dem sie bestätigt fand, was sie von Anfang an gewußt hatte.
Er konnte sich selbst genauso wenig täuschen wie sie.
Das Schicksal hatte sie zusammengeführt.
Als er sich verabschiedete und ging, wußte sie, daß es eine Flucht war.
Sie betrachtete die Rune in ihrer Handfläche.
Die beiden Kerzen auf ihrem Bett flackerten leicht im lauen Abendwind, der durch das geöffnete Fenster des Hotelzimmers hereinwehte.
Zwei Kerzen, Symbol zweier Leben, die untrennbar miteinander verbunden waren.
Auf Dauer würde Sandoval sich dem Schicksals nicht widersetzen können, so sehr er es auch versuchte.
Sie konnte warten.
Ganz gleich wie lange es dauern mochte.
Am Ende würde sie siegen.
Beckett beugte sich vor und legte die Rune auf das Laken zwischen die flackernden Kerzen.

 

1. Akt
 

Lieutenant Siobhan Beckett war immer sehr stolz auf ihre Kondition gewesen. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals ernsthaft krank gewesen zu sein. Die Implantierung hatte ihre Konstitution weiter verbessert. In den drei Jahren, in denen sie nun den Taelons diente, hatte sie sich stets gesund und fit gefühlt. Um so mehr beunruhigte sie der pochende Kopfschmerz, der sie seit einigen Tagen peinigte. Sollte er nicht bald vergehen, würde sie gezwungen sein, einen Arzt aufzusuchen. Sie mochte Ärzte nicht, aber die Schmerzen beeinträchtigten ihre Konzentrationsfähigkeit und damit ihre Effektivität für La'el. Wie alle Taelons forderte der britische Companion jederzeit den vollen Einsatz der Menschen, die ihm dienten, und von seiner Implantantin Beckett erwartete er, daß ihr persönliches Engagement dasjenige der einfachen Freiwilligen um ein Vielfaches übertraf.
Beckett konzentrierte sich darauf, ihre Bewegungen dem Rhythmus der Melodie anzupassen, eins zu werden mit der Musik, die aus unsichtbaren Lautsprechern kam.
Die helle, klare Stimme der Sängerin strich wie eine zarte Berührung über Becketts Haut. Der Text der alten keltischen Ballade handelte von der leidenschaftlichen Liebe eines stolzen Kriegers zur Hohepriesterin der Göttin der Erde, die lieber starb, als ihre Göttin in seinen Armen zu verraten.
Fast alle keltischen Sagen nahmen ein trauriges Ende.
Heißer Schmerz durchzuckte Becketts Schläfen. Ohne Vorwarnung begannen die Wände des Zimmers sich zu drehen.
„Du hast dich verändert, Siobhan, ich erkenne dich kaum wieder. Was ist nur aus deinen Träumen geworden?”
„Ich habe mehr erreicht, als ich mir jemals erträumt habe, Mutter.”
Verzweifelt konzentrierte Beckett ihren Blick auf einen festen Punkt, während viele Stimmen zu ihr flüsterten.
„Commander Boone dürfte mehr Ihrem Geschmack entsprechen.”
„Du hast dich verändert, Siobhan.”
„Lieutenant Beckett wird Ihnen bei der Suche nach dem Atavus helfen.”
„Ich erkenne dich kaum wieder.”
„In meinem Leben ist kein Platz für private Gefühle.”
„Was ist aus deinen Träumen geworden?”
So viele Stimmen, die hinter ihrer Stirn wisperten. Beckett sackte zu Boden.
„Weshalb weigern Sie sich, ein Companion-Beschützer zu werden, Captain Marquette?”
„Vielleicht aus demselben Grund, aus dem meine Unabhängigkeit Sie offenbar so bedroht.”
Schwarze Nebel begannen Beckett einzuhüllen.
„Kennen wir uns, Major Kincaid?”
„Nicht aus diesem Leben.”
Becketts Bewußtsein versank in einem Strudel aus Schmerzen, Stimmen und Nebelschwaden.

 

2. Akt
 

Sandovals Blick folgte Zo'or. Die offen gezeigte Beunruhigung des Taelons überraschte ihn, ohne daß er es sich anmerken ließ.
„Was ist, wenn Lieutenant Becketts Implantat versagt?”
Sandoval hatte mit dieser Frage gerechnet. Er wußte, welche Antwort Zo'or erwartete.
Auf diese Frage gab es nur eine Antwort.
Doch da war Becketts Gesicht, ihr Blick, der hinab bis auf den tiefsten Grund seiner Seele zu reichen schien, ihr Lächeln, das ihre Worte begleitet hatte.
„Bisweilen muß man in die Tiefe springen, ohne Sicherheitsnetz.”
Wieso mußte er gerade jetzt daran denken?
An die Gefühle, die Beckett gegen seinen Wunsch in ihm geweckt hatte. Gefühle, die er nicht haben wollte, weil sie ihn irritierten und von seinen Aufgaben und Zielen ablenkten.
Bei der Nachricht, Ha'gel hätte sie getötet, hatte er Erleichterung empfunden, gemischt mit Schmerz - und Trauer, um das, was hätte sein können.
Als er die Meldung erhielt, daß Beckett noch am Leben war, hatte er alles stehen und liegen lassen und war in sein Büro geeilt, wo sie auf ihn gewartet hatte. Schmerz und Verwirrung hatten in ihrem Blick geflackert. Ihre Verletzlichkeit hatte in ihm das Bedürfnis geweckt, sie zu beschützen, gegen wen und was auch immer. Er hatte neben ihrem Stuhl gekniet und zu ihr aufgesehen, und sein Herz hatte in seinen Augen gelegen. Doch sie war zu durcheinander gewesen, um es zu bemerken.
Er hatte gegen diese Gefühle gekämpft, und er tat es auch in diesem Moment.
Er wollte nicht daran denken, wie er nach dem Kampf gegen den Atavus im Krankenhaus an ihrem Bett gesessen hatte, daran, wie nah er sich ihr in diesem Augenblick gefühlt hatte, an das zarte Wispern, das durch die Schwärze der Nacht zu seinem Bewußtsein durchgedrungen war und seitdem unaufhörlich in ihm widerhallte.
„Sie und ich gehören zusammen.”
Beckett war zu einer Gefahr für die Taelons geworden.
Daran - und nur daran - wollte er denken.
Sandoval verbannte jeden anderen Gedanken aus seinem Bewußtsein.
„Wenn Lieutenant Becketts CVI versagt, muß sie eliminiert werden”, erwiderte er ruhig.

 

3. Akt
 

Alles hatte sich verändert. Die vielen Stimmen hatten sich zu einer einzigen vereint, deren sanfter Klang sich wie Balsam auf ihre Seele legte. Mit dem Instinkt, der jedem Lebewesen zu eigen war, wußte Lieutenant Siobhan Beckett, daß sie starb.
Doch sie verspürte keine Furcht.
Wie hätte sie den Tod fürchten können, der sich ihr als Befreier offenbarte?
Die durch das CVI erzeugte Klarheit war einer neuen Klarheit gewichen, welche Beckett ihr Leben in einem anderen, neuen Licht sehen ließ.
Alles war vergänglich.
Alles, was entstand, ging einmal zugrunde.
Ihr Leben verlosch mit jedem Schlag ihres Herzens ein wenig mehr.
Doch die Erinnerung an sie würde in Liam weiterleben.
In Liam, ihrem Sohn.
Er war das Vermächtnis, das sie hinterließ.
Er würde die Schuld tilgen, die sie im Dienst der Taelons auf sich geladen hatte.
Mit dieser Gewißheit konnte sie in Frieden in Liams Armen sterben.
In den Armen ihres Sohn, den sie liebte.
Auch wenn es nicht sein Name war, der auf ihren Lippen lag, als sie starb.

 

4. Akt
 

Liam Kincaid glaubte, an dem Schmerz zugrunde gehen zu müssen. Er hielt Becketts Körper in den Armen, so warm und doch so bar jeglichen Lebens. Sie war seine Mutter gewesen, und er hatte sie geliebt, allem, was sie im Dienst der Taelons getan hatte, zum Trotz.
„Wenn Ihre Mutter jetzt hier wäre, was würden Sie ihr sagen?”
„Ich würde sagen: Ich liebe dich.”
Wäre es möglich, sie dadurch wieder zum Leben zu erwecken, würde er ohne zu zögern sein eigenes Leben für sie geben.
Ihr Kopf ruhte an seiner Brust, und er streichelte sanft ihr rotes Haar, während er sie wie ein Kind wiegte. Es spielte keine Rolle, daß sie nichts davon mehr spürte, er konnte nicht anders. Viel zu lange hatte er die Wahrheit verbergen und seine Gefühle unterdrücken müssen.
„Kennen wir uns, Major Kincaid?”
„Nicht aus diesem Leben.”
Im Leben hatten sie einander nicht Mutter und Sohn sein können. Erst ihr Tod hatte es ihm ermöglicht, sich ihr zu offenbaren.
Doch zu welchem Preis?
Ein leises, kaum wahrnehmbares Geräusch veranlaßte Liam aufzusehen.
Über ihm auf einem Felsvorsprung stand Agent Sandoval und sah schweigend zu ihm hinab.
Wieviel hatte er von dem Gespräch zwischen Mutter und Sohn mit angehört?
Liam forschte in Sandovals ausdrucksloser Miene, ohne eine Antwort darauf zu finden.
Indessen, in den Tiefen der Augen, die ihn unverwandt musterten, vermeinte er für die Dauer eines Herzschlages, den Hauch einer Regung zu entdecken, die er nicht zu deuten vermochte.
Doch so schnell, wie dieser Ausdruck aufgeflackert war, verschwand er, und Liam war sich nicht mehr sicher, ob er überhaupt je da gewesen war.
Vermutlich nicht.
Die trüben Lichtverhältnisse in der Höhle mußten ihm einen Streich gespielt haben.

 

Epilog
 

Die Rune des Schicksals ...
Wie kühl und glatt sie sich anfühlte, und doch schien sie in seiner Hand zu brennen, entflammt von seinem Herz, das andere Worte sprach als sein Verstand.
Sandoval schloß die Augen und tauchte mit Hilfe seines CVI's in die Erinnerungen an jenen Abend ein, als er die Rune zum ersten Mal gesehen hatte ...
Becketts Blick hatte seinen gesucht und festgehalten.
Sie hatte gelächelt, während der flackernde Schein der Kerzen Schatten an die Wand warf und auf ihr Gesicht, in dem er bestätigt fand, daß sie ihn durchschaute.
Er hatte sie genauso wenig täuschen können wie sich selbst.
Das Schicksal hatte sie zusammen geführt.
Er hatte sich verabschiedet und war gegangen.
Doch sie hatten beide gewußt, daß es eine Flucht war.
Sandoval öffnete die Augen wieder und betrachtete die Rune in seiner Handfläche.
Die beiden Kerzen, die er entzündet hatte, flackerten leicht im lauen Abendwind, der durch das geöffnete Fenster seines Büros hereinwehte.
Zwei Kerzen, Symbol zweier Seelen, die auf ewig miteinander verbunden waren.
Er hatte versucht, sich dem Schicksal zu widersetzen.
Nun hatte er den Kampf verloren.
Becketts Tod hatte seine Niederlage besiegelt. Denn jetzt gab es für ihn keinen Grund mehr, seine Gefühle für sie zu fürchten.
Sandoval steckte die Rune ein.
Dann beugte er sich vor und blies die Kerzen aus.

 

ENDE

 

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