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  „Allein” von Sky   (Emailadresse siehe Autorenseite)
Alle hier vorkommenden Personen gehören den Eigentümern von Mission Erde/Earth: Final Conflict. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Da'an denkt über seine menschlichen Freunde nach
Zeitpunkt:  dritte Staffel, Wochen nach „Blutsverwandte”
Charaktere:  Da'an   (Boone und Liam werden erwähnt)
 
Gedanken sind kursiv geschrieben.
 

 

ALLEIN

 

Da'an stand am großen Panorama-Fenster in der Botschaft und blickte in Gedanken versunken nach draußen. Er war allein. Liam war mal wieder irgendwo anders. Der Junge - angesichts seines Alters und seiner noch immer relativ großen Unerfahrenheit konnte man Liam wirklich so bezeichnen - ließ sich in letzter Zeit nur noch selten in der Botschaft blicken.
Da'an konnte das auch irgendwie verstehen. Seit er vor wenigen Wochen gezwungen gewesen war, Liam zu hintergehen und zu verraten, war ihre Beziehung fast zum Gefrierpunkt abgekühlt. Warum habe ich Liam eigentlich verraten? Da'an stellte sich diese Frage immer wieder. Weil es notwendig war? Weil die Sache es erforderte? Zugegeben, es waren etliche Menschen deswegen umgekommen oder in Gefangenschaft geraten, aber hier ging es um das Wohl der Taelon-Spezies, und nicht nur der. Es ging um das Wohl aller. Da'an glaubte fest daran. War dieses kleine Opfer dann nicht gerechtfertigt? Liam sah das offensichtlich anders. Das war kein Wunder, schließlich hatte er die meisten dieser Leute gekannt. Sie waren seine Mitstreiter, sogar seine Freunde gewesen. Da'an hingegen hatten sie nichts bedeutet.
Der Taelon drehte sich kurz um, um sich zu vergewissern, daß er noch immer allein war. Und er war tatsächlich allein. Allein nicht nur im physischen Sinne, sondern auch im emotionalen. Auch wenn das Gemeinwesen allgegenwärtig in seinem Bewußtsein war, so konnten sie ihm doch nicht das Gefühl der Einsamkeit nehmen.

Er erinnerte sich an das vergangene Jahr, als Liam und er noch Freunde gewesen waren. Nun, eigentlich waren sie das nie gewesen, ihre Beziehung hatte eher der eines Elternteils zu seinem Kind geglichen. Er hatte damals gehofft, die Fehler, die er bei der Erziehung seines eigenen Kindes - beziehungsweise dem Fehlen davon - gemacht hatte, bei Liam zu vermeiden, aber offensichtlich hatte er versagt. Liam war schon von Anfang an voller Tatendrang gewesen und alle von Da'ans Versuchen, ihn ein wenig zu bremsen, ihm begreiflich zu machen, daß manche schmerzhaften Dinge einfach erforderlich waren, waren mit der Zeit kläglich gescheitert. Liam konnte oder wollte ihn einfach nicht verstehen.
Vielleicht kann es kein Verstehen zwischen Menschen und Taelons geben? Da'an gab die Hoffnung bereits langsam auf. Die meisten Taelons, allen voran natürlich Zo'or, dachten nur daran, wie sie die Menschen am besten manipulieren und für sich arbeiten lassen konnten. Viele Menschen hingegen waren nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht oder bildeten sich ein, sie wüßten, was für alle anderen das Beste war. Gibt es denn niemanden, der wirklich versteht? Nein, den gab es wohl nicht. Oder zumindest nicht mehr.

Der Taelon, der in seinem Leben schon vieles gesehen hatte, blickte erneut hinaus auf die von Abenddämmerung umhüllte Hauptstadt. Seine Gedanken schweiften wieder ab, diesmal in eine etwa zwei Jahre zurückliegende Vergangenheit. Damals hatte er ebenfalls oft hier gestanden.
Ein Lufthauch streifte seinen Körper. Seltsamerweise konnte er ihn spüren. Die meisten Menschen dachten wohl, Energiewesen, wie die Taelons es größtenteils waren, würden solche trivialen Dinge nicht bemerken, aber Da'an tat es.
Vielleicht ist das der Teil von mir, der nicht mehr Taelon ist und nie wieder sein kann?
Der Teil, der Boones war? Der Teil, der ihm nun wie Segen und Fluch zugleich vorkam?
Da'an riß seinen Blick vom Panorama weg und betrachtete seine Hände. Sie schienen so zerbrechlich zu sein. Es war alles nur Illusion, das wußte er, aber dennoch spendete diese Illusion ihm Trost. Einem Ertrinkendem gleich, der sich krampfhaft am Rettungsring festhält, hielt sich Da'an an seiner menschlichen Erscheinungsform fest. Früher war sie nur Mittel zum Zweck gewesen. Um von den Menschen, mit denen er zu tun hatte, besser akzeptiert zu werden. Aber im Grunde war alles nur Selbsttäuschung. Wer akzeptierte ihn denn?
Liam tat es nicht, nicht mehr. Lili... sie war nicht mehr da. Und ob sie ihn je so akzeptiert hatte, wie er es sich gewünscht hatte, erschien ihm nun fraglich. Ja, sie hatte ihn gemocht, und nach den Erlebnissen nach ihrem gemeinsamen Shuttleabsturz hatte sie sogar Freundschaft empfunden, aber er bezweifelte, daß sie ihn je völlig akzeptiert hatte. Verstehen ist der Anfang. Das hatte Boone mal gesagt. Lili hatte ihn nie richtig verstanden. Dafür waren ihre Überzeugungen zu verschieden gewesen.
Nein, es gibt nur einen, der dich jemals verstanden hat, der dich akzeptiert hat.
Da waren sie wieder, diese tröstenden und zugleich schmerzhaften Gedanken. Gedanken an Boone, an seinen zweiten Implantanten, der nicht allzu lang darauf viel mehr geworden war.
Sie hatten oft hier gestanden und sich unterhalten. Über alles und nichts, über Belange der Taelons ebenso wie über für Menschen ganz alltägliche Dinge wie Freizeitaktivitäten und persönliche Vorlieben. Und dann, nach einiger Zeit, hatte Boone ihn gebeten, ihn in Eunoia zu unterrichten.
Da'an hatte eingewilligt, warum, das wußte er damals nicht so genau. Vielleicht war es sein Stolz gewesen, den anderen Taelons zu zeigen, daß auch Menschen, vor allem sein bevorzugter Implantant, mehr konnten, als sie ihnen zutrauten. Vielleicht. Oder war es vielleicht sein stiller, tief verborgener Wunsch gewesen, mehr Zeit mit jemand anderem zu verbringen? Mit jemanden, der sich dadurch nicht Profit, oder Macht, oder Ansehen erhoffte?
Er mußte sich eingestehen, daß er schon damals diese Leere in sich gespürt hatte. Sein Leben hatte bis dahin nur einem Zweck gedient, nämlich dem, seine Rasse vor der Vernichtung zu retten. Und auf seinem selbstgewählten Weg zur Erreichung dieses Ziels hatte er alles geopfert: sein Kind, seine persönliche Freiheit, eigentlich sein ganzes Leben.
Und dann hatte er endlich die Chance gesehen, wenigstens etwas davon zurückzugewinnen. Sein Implantant hatte ihm das Gefühl gegeben, daß es außer Pflicht und Arbeit noch etwas anderes gab. Freundschaft. Verständnis. Geborgenheit.
Akzeptanz.
Mit der Zeit hatte er all das bekommen.
Sein Blick fiel wieder auf seine Hände. Fast konnte er den Händedruck spüren, genauso wie damals, als er beinahe in die Leere eingegangen war. Er war bereit gewesen, sein Leben für das Wohl der Synode zu geben. Nur Boones Worte hatten ihn zum Weitermachen bewegt. Er erinnerte sich, wie viel Angst er damals gespürt hatte. Man hatte ihm zwar beigebracht, den Übergang nicht zu fürchten, aber dennoch hatte er Angst gehabt. Boones fester Händedruck hatte ihm geholfen. Er hatte nie gewußt, wieviel Trost eine einzige Berührung spenden konnte.
Und nun gab es niemanden, um ihn zu halten, um ihn zu trösten. Boone war tot, und es schien, als ob ihm jeder andere den Rücken gekehrt hatte.
Hätte ich doch nicht alles als so selbstverständlich betrachtet! Boone könnte noch leben, wenn ich besser aufgepaßt hätte. Wenn ich mich mehr um meinen Implantanten gesorgt hätte.
Aber damals war ich es, der nicht verstand. Der nicht verstehen wollte.
Seine Hände berührten sanft seine Wange. Es war Zeit, seine verlorene Energie wieder zu regenerieren. Da'an blickte ein letztes Mal wehmütig auf den Anblick vor seinem Fenster und ging dann zu seinem thronähnlichen Sessel. Vielleicht konnte ihn eine „Energiedusche”, wie die Menschen das zu nennen pflegten, auf andere Gedanken bringen?
Er aktivierte die Vorrichtung und lehnte sich zurück. Bald darauf lösten sich Unmengen winziger Energiepartikel aus seinem bis dahin solide erscheinenden Körper und schwebten in einem Teil des Raums herum. Sein Bewußtsein verband sich wieder mehr und mehr mit dem Gemeinwesen.
Aber ein kleiner Teil seines Ichs blieb isoliert, allein. Der Teil, der nicht mehr Taelon war und es auch nie wieder sein konnte. Der Teil, der für den Rest seines Daseins in Einsamkeit leben würde.

 

ENDE

 

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