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  „Die Farm” von Shask,   September 2010
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Ein ganz normaler Tag im Leben eines Schafs. Einen Taelon jedoch hatte es vorher noch nie gesehen.
Zeitpunkt: Erste Staffel. Recht weit am Anfang.
 

 

DIE FARM

 

Es war noch früh am Morgen.
So früh, dass die kristallklaren Tautröpfchen noch auf den saftigen, grünen Stengeln des Grases saßen, über das es gewissenhaft kauend trabte. Und trotzdem machten die Menschen einen unerträglichen Lärm.
Das Wollschaf blickte auf, schlackerte mit den Ohren und witterte. Kein Wunder, dass es so laut war, es konnte viele Menschen riechen, aufgeregte Menschen jeden Alters und jedes Grades von Gesundheit. Das Schaf erkannte es am Schweißgeruch jedes einzelnen. Einige sehr unangenehme waren dabei und es fragte sich eine ganze Weile, wie die anderen Menschen es neben dieses Stinkern aushalten könnten, bis ihm einfiel, dass Menschen ja nicht riechen konnten. Nicht riechen und nicht hören, naja, zumindest sehr wenig. Außerdem waren sie sehr dumm. So dumm, dass das Schaf ab und an schon zu kauen hatte aufhören müssen, um den Kopf heftig zu schütteln. Beispielsweise gab es da diese stinkende Bude, an die sich die Menschen laut blökend drängten, um noch stinkenderes Fressen zu bekommen, wo doch keine hundert Meter entfernt von ihnen eine ganze Weide mit schönstem Gras lag. Bei der Erinnerung schüttelte das Schaf ein weiteres Mal den Kopf und wollte gerade wieder mit etwas Vernünftigem, dem Grasen und Wiederkäuen nämlich, beginnen, als mit einem lauten Ton ein blaues Rieseninsekt aus dem nichts kam.
Erschrocken und vorwurfsvoll blökte das Wollschaf auf und ließ sich von der allgemeinen Panik, die in seiner Herde ausgebrochen war, anstecken. Mit wilden Sprüngen jagte es orientierungslos über die Weide, bis seine Beine müde wurden und ihm die Hufe schmerzten. Erschöpft blieb das Wollschaf stehen. Horchte. Witterte. Nichts.
Die Menschenmenge hatte aufgehört, laut zu blöken und einen Moment fragte es sich, ob das Rieseninsekt sie wohl gefressen hatte. Nein, unmöglich, der Geruch war noch da. Allerdings lag durchaus auch Angst darin, aber auch Freude und Spannung. Mehr als mysteriös.
Die Herde hatte sich beruhigt, wieder mit dem Grasen begonnen, aber das Wollschaf konnte sich nicht recht dazu entschließen. Es wusste, dass es dumm war, wie es fühlte. Diese furchtbare Neugierde, die jedes Milchlamm inne hatte und das ihm mühsam aberzogen werden musste, damit es ein anständiges Schaf wurde, aber scheinbar hatte das bei ihm nicht ganz funktioniert. Das Wollschaf machte ein paar unsichere Schritte auf das Gatter zu. Wenn es sich überlegte, wie stolz der Farmer darauf war, dass ihm noch kein Schaf entkommen war, musste es wieder den Kopf schütteln. Das Gatter war leicht zu öffnen, beinahe so leicht, wie das Lieblingskraut aus der Weide zu wittern und es dort abzugrasen, aber weshalb sollte ein Schaf fort wollen, von seiner Weide und seiner Herde?
In einer Situation wie jetzt hätte der Farmer wohl gelernt, dass sein Stolz auf den Zaun unangemessen war. Mit geschickter Schnauze öffnete das Wollschaf das Gatter und schob es mit der Nase wieder ein Stück zu. Nur nicht zu auffällig werden. Dann trabte es zielstrebig in die Richtung, aus der es die Menschenherde immer noch riechen konnte.
Das blaue Insekt war immer noch da. Allerdings stand es regungslos, mit geöffnetem Maul scheinbar und zu seinem Schrecken musste das Schaf feststellen, dass es nach fast nichts roch. Sogar für eine Schafsnase. Nur ein klein wenig frische lag in der Luft, ein Geruch, der das Schaf an durchaus schmackhafte Kräuter erinnerte und auch ein leichter Geruch nach Mensch. Vielleicht hatte es doch schon welche gefressen? Aber das Maul war offen. Waren sie einfach wieder herausgekommen?
Das Wollschaf staunte. Das hätte es den Menschen gar nicht zugetraut.
In einem weiten Bogen schritt es um die Menschenmenge, die es nicht einmal zu bemerken schien und näherte sich schließlich von schräg links hinten einer Tribüne. Gegen den Wind. Wie ein Raubtier. Diese Vorstellung amüsierte das Wollschaf sehr. Mit einem Mal blieb es wie verzaubert stehen.
Eine Stimme sprach, eine schöne, weiche Stimme, wenn auch in der seltsamen Sprache der Menschen. Das Schaf blökte entzückt. Was für eine Stimme! Warum es sie nur an so wenig wohlklingende Töne verschwendete! Neugierig lugte es zur Tribüne, um das Wesen, dass es da hörte, auch zu sehen.
Es war enttäuschend. Der Sprecher sah nicht viel anders aus als ein Mensch. Derselbe, seltsam lange Körper, dieselbe Unsitte, auf zwei Beinen zu gehen. Und doch, obwohl es enttäuschend war, dass das Wesen kein bisschen flauschig war, seine Haut war so seidig weiß wie feine Wolle. Das Schaf warf einen stolzen Blick auf die eigene. Damit konnte es sich natürlich nicht messen.
Neugierig und erstaunlich furchtlos kam das Wollschaf näher. Es konnte das Wesen noch nicht riechen und das irritierte es maßlos. Hatte es keine Witterung? Sowie das Rieseninsekt, das immer noch, wie tot, an derselben Stelle stand? Gab es so etwas denn? Das Wollschaf schnaubte.
Nein, kein Tier war ohne Witterung, dass weiße Wesen musste eine haben, vielleicht so gut getarnt, dass selbst eine Schafsnase es schwer hatte, aber da musste sie sein. Und die Schande, mit einem Mal ebenso wenig riechen zu können, wie ein Mensch, nein, das konnte sich das Wollschaf nicht bieten lassen.
Und noch etwas zog es an. Die Blumen. Und die konnte es riechen.
Das weiße Wesen hatte Blumen vor sich liegen, auf einem Pult, wohl zur Zierde. Wieder so ein Beweis menschlicher Dummheit. Etwas so Schmackhaftes nicht Fressen zu wollen! Wirklich!
Vorsichtig kam es näher. Seltsam, aber noch immer bemerkte es niemand. Alle Menschen konzentrierten ich vollständig auf das Wesen und seine unverständlichen Menschenworte. Es selbst war es, dass endlich das Schaf entdeckte.
Es erstarrte. Mitten im Kauen.
Es hatte die Blumen erreicht und vorsichtig vom Pult gezogen, in der Hoffnung, sie am Boden unbemerkt fressen zu können, aber nun legten sich sämtliche Augen der Menschenherde auf sein Tun.
Und auch die des Wesens.
Sie waren blau, herrlich blau, schön wie Himmel und Meer zusammen und sie strahlten eine Intelligenz aus, die das Wollschaf bei Menschen niemals erlebt hatte. Es blökte. Es fühlte sich verzaubert. Die Blumen waren vergessen.
Das Wesen hob geradezu unglaublich grazil die Hand und führte sie behutsam an die gedankenverloren wiederkäuende Schnauze des Schafes. Es war unglaublich. Die Hand war kalt, aber das Wollschaf fühlte Wärme wie noch nie, fühlte, dass das Wesen ein Ich haben musste, ganz so, wie ein Schaf. Anders als die Menschen (jedes Lamm wusste, dass Menschen kein ernst zu nehmendes Bewusstsein hatten) und doch so seltsam nah an ihnen orientiert. Nochmals blökte das Wollschaf leise. Das Wesen, der Taelon, zog die Hand weg.
Taelon. Das Schaf wusste nicht, woher es das wusste, aber sehr wohl, dass es stimmte. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass es es nun endlich riechen konnte. Ganz leicht nur, eine sanfte frische, sowie ein lauer Frühlingsmorgen. Nach Herde roch es ein wenig, aber auch etwas nach Einsamkeit. Zu seltsam.
„Verzeihen Sie, Da'an”, sagte mit einem Mal die Stimme des Farmers und er packte das Schaf an einem seiner kleinen Hörner. Es blökte ärgerlich, wehrte sich aber nicht weiter. Es war viel zu fasziniert, dass es mit einem Mal verstehen könnte, was der Mensch sagte in seiner komischen Sprache.
‚Da'an’, der Taelon, lächelte nur sachte und sichtlich in dem Wissen, dass er allen hier überlgen war und griff nach den restlichen Blumen.
„Für meine neue Freundin”, sagte er.
Wenig später lag das Wollschaf wieder auf der Weide und kaute unter den neidischen Blicken der anderen Schafe seine Blumen. Der kluge Taelon war wieder fortgeritten auf seinem Rieseninsekt, aber das Wollschaf würde ihn nie vergessen. ‚Freundin’ hatte er es genannt, das strotzte doch nur so von Intelligenz. Es hatte scheinbar verstanden, dass es sich besser mit Schafen abgeben sollte, als mit diesen Menschen. Wiederkäuend blickte das Schaf in den Himmel. Ob Da'an wohl einmal zurückkehren würde, auf seinem Insekt? Dann würde das Schaf ihm die schönsten Kräuter auf der Weide zeigen. Die Allerschönsten.

 

ENDE

 

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