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  „Li'en” von Se'la   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Oktober 2006
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Da'an und Se'la treffen eine Entscheidung bezüglich des Projekts. Liam erfährt, wer Li'en ist.
Zeitpunkt:  dritte Staffel
Charaktere:  Da'an, Se'la, Zo'or, Liam, Li'en, Augur, Reneé
 

 

LI'EN

Kapitel 9

 

Botschaft in Washington

Da'an öffnete überrascht den Datenstrom. Offensichtlich war eine Nachricht angekommen. Nur konnte er nicht herausfinden woher und von wem die Botschaft war. Aber sie war unmissverständlich und es gab nur einen Taelon, der ihm diese Nachricht geschickt haben könnte- Se'la.
Er las sich sämtliche Experimente, Ergebnisse und Abläufe des Projektes durch, die Se'la ihm geschickt hatte. Dieses Projekt war faszinierend. Die Menschen schienen ein wichtiger Bestandteil zu sein. Er musste zugeben, dass dieses Projekt ihnen doch sehr helfen könnte. Das Einzige, was ihn störte, war die Tatsache, dass die Hybriden nicht mit Grundenergie erschaffen worden waren, sondern die DNS verschiedener, lebender Taelons hatten. Die meisten wussten nichts davon. In dem Sinne waren es aber ihre Kinder. Da'an wusste, dass das die meisten nicht stören würde. Doch für ihn wäre es etwas anderes, wenn sie aus Grundenergie entstanden wären, ohne die DNS eines Taelons.
Da'an war unsicher. Es nutzte den Taelons... aber er war eigentlich gegen das Projekt.
Da spürte er ein kurzes Tasten in seinem Geist. Sofort erkannte er Se'la.
*Können wir uns treffen?*
Da'an war verwirrt.
*Ich kann nicht mehr zur Botschaft kommen. Erwarte mich auf dem Mutterschiff!*
Schon war der Kontakt wieder unterbrochen. Wenn Se'la ihn freiwillig kontaktierte und noch nicht einmal mit sich reden ließ, dann musste sie etwas sehr Wichtiges mit ihm zu besprechen haben. Da'an ging zum Portal.

Auf dem Mutterschiff ging Da'an sofort in Se'las Quartier, zu welchem sie ihn durch das Gemeinwesen geführt hatte. Jetzt stand er in Se'las Quartier. Da Se'la noch länger wegbleiben würde, öffnete er den Datenstrom. Er durchsuchte ein paar Dateien, dann fand er etwas Interessantes. In einer Datei waren Codes und Sicherheitsmaßnahmen für die Mondbasis gespeichert. Dann waren dort aber auch noch andere Daten. Über einen Hybriden und auch der Name Rafaella fiel. Seines Wissens nach, war sie doch Wissenschaftlerin gewesen, sie war nicht Teil des Projektes gewesen!
Über den Hybriden gab es keine Protokolle von Experimenten oder ähnliches. Wurden an ihr keine vorgenommen? Wenn Se'la sie sogar namentlich erwähnte, musste sie eine wichtige Bedeutung haben.
Er war sich nicht sicher, ob Se'la es gewollt hatte, dass er diese Daten sah.
Als er spürte, dass Se'la sich ihrem Quartier näherte, deaktivierte er den Datenstrom und stellte sich ans Fenster. Se'la betrat den Raum.
„Ich habe deine Informationen über das Projekt bekommen. Was gibt es Wichtiges, dass du dich jetzt mit mir unterhalten musst?”
„Ich habe vor das Projekt abzubrechen! Dazu brauche ich deine Hilfe!”
„Ich werde mit Zo'or reden!”
Wie es aussah, nahm Se'la ihm die Entscheidung ab. Sie war Wissenschaftlerin, sie wusste besser, ob sie das Projekt beenden oder weiterführen sollten. Aber er wunderte sich auch über Se'las plötzlichen Sinneswandel.
„Das wird er nicht zulassen!” Se'la sprach fast drängend.
Da'an seufzte mental auf.
*Was hast du dann vor?*
*Auf die Basis zu kommen ist leicht. Ich habe alle Zugangscodes. Wir werden zur Basis gehen und ich werde in das Computersystem eindringen und ein wenig für Ablenkung sorgen. Diese Zeit kannst du nutzen, um die Hybriden zu holen und sie durch das Portal zur Erde zu bringen. Ich werde dann die Daten löschen, nur die wichtigsten Ergebnisse werde ich behalten, dann komme ich nach.*
*Ich bin nicht für diesen Weg!*
Se'la schien enttäuscht.
*Niemand würde verletzt! Und niemand würde erfahren, dass du es warst!*
*Wo hast du vor die Hybriden unterzubringen?*
*Darüber wollte ich mir erst Gedanken machen, wenn wir sie haben.*
Da'an dachte einen Moment lang nach.
*Wenn ich Liam fragen würde...* Nein! Sie würden auch so eine Lösung finden! Liam würde ihm nur vorwerfen, dass er ihm nicht vertraut und von seinem Verdacht erzählt hatte. Früher war Da'an auch alleine zurecht gekommen. Vielleicht hatte Zo'or Recht, wenn er sagte, er wäre schwach geworden. Nun fühlte er sich fast abhängig, von Liam!
„Ich werde erst mit Zo'or reden! Wenn das Projekt gestoppt werden kann, wäre das auch für die Hybriden besser! Ich werde dir später Bescheid sagen!”
Se'la nickte. „Bis morgen muss ich deine Antwort haben!”
Sie bedauerte, dass Da'an erst mit Zo'or reden wollte... Je'na konnte nicht mehr zur Erde gebracht werden.
Da'an kehrte zurück in seine Botschaft. Er hatte viel nachzudenken.

 
* * *
 

Später auf der Erde, Botschaft in Washington

Da'an hatte sich entschieden, dieses Mal nicht auf das Mutterschiff zu fliegen. Er wollte mit Zo'or über den Datenstrom reden. So setzte er sich auf seinen Stuhl und aktivierte ihn. Zo'ors Gesicht erschien. Er war leicht verwundert, als er Da'an sah. Hatte er ihm nicht alles gesagt? Oder wollte er mit ihm wieder über die Menschen sprechen? Er hatte sich schon eine passende Erklärung zurechtgelegt. Nicht dass er Da'an eine solche schuldig war...
„Zo'or, du musst das Projekt sofort abbrechen!”
Einen Moment war Zo'or zu verwirrt, um zu antworten. Wer hatte ihm das erzählt? In die Pause hinein erzählte Da'an weiter.
„Ich weiß alles über dein Projekt und ich kann dieses nicht dulden!”
Während Da'an redete, hatte Zo'or schon einen anderen Datenstrom neben dem bestehenden geöffnet und ein paar Informationen abgerufen.
„Ich glaube ich weiß wer Da'an die Informationen gegeben hat! Ich hätte Se'la nicht mit diesem Projekt betrauen dürfen!” So erübrigte sich die Frage an Da'an, woher er das wusste!
„Ich weiß nicht was dich dieses Projekt angeht! Zudem besteht eine große Chance, dass es den Schlüssel zu unserem Überleben birgt.”
Genau damit hatte Da'an auch seine Probleme.
„Auf Kosten anderer, die unsere Kinder sein könnten! Es gibt andere Möglichkeiten!”
„Sag mir eine!”
Als Da'an nicht antwortete, fuhr Zo'or fort zu erzählen.
„Du weißt es selber nicht! Wenn ich, im Gegensatz zu dir, versuche unsere Rasse zu retten, kann es dir doch egal sein, wie meine Methoden sind! Du hast bis jetzt noch keine nennenswerten Erfolge in Bezug auf unsere Probleme erzielt. Wir haben erste Lösungsansätze gefunden!
„Dennoch wird die Synode deine Handlungen nicht billigen!”
„Willst du mir drohen die Synode zu informieren?”
Da'an schwieg und sah leicht zu Boden.
„Du würdest mich niemals an die Synode verraten. Und wenn erst die Forschungsergebnisse in ein paar Jahren bekannt werden und wir unsere Rasse gerettet haben, wird sich niemand mehr dafür interessieren, wie wir dieses Wissen erworben haben.”
„Ich rate dir dennoch das Projekt einzustellen!”
„Sonst wirst du was unternehmen?”
„Ich werde Wege finden!”
Damit unterbrach Da'an den Kontakt. Er hätte es wissen müssen, dass es sinnlos sein würde mit ihm zu reden.
Was meinte er damit, er werde Wege finden? Hatte er etwas vor? Hatte Se'la vor ihn zu verraten? Zo'or nahm sich vor Da'an im Auge zu behalten. Und er würde Ji'tal warnen. Er sollte ein wenig auf Se'la achten. Er war sich fast sicher, dass die beiden etwas vorhatten.
Auch Sandoval verhielt sich merkwürdig. Er hoffte sein Beschützer hatte noch nichts erfahren, oder hatte Da'an ihm etwas erzählt und Sandoval sollte ihnen helfen?

 
* * *
 

Liam hatte Rebekka, bevor sie zu Augur gingen, noch mit zum Friseur genommen. Ihre Haare wurden auf Schulterlänge abgeschnitten, was ihr gar nicht gefallen hatte. Sie waren rotbraun gefärbt worden, gegen blond hatte sie heftig protestiert. Ihre Kontaktlinsen waren braun-grün. Wer nicht wusste, wer sie war, hätte sie gar nicht, oder nur schwer wiedererkannt. Liam war zufrieden und entschied, sie so mit zu Augur zu nehmen. Angst, dass sie ihn verriet, musste er ja nicht haben, sie war ja selber auf der Flucht.
Augur war über ihre Ankunft nicht gerade sehr erfreut.
„Hoffentlich niemand, den ich durch Liam aufnehmen muss!”
„Hi, Augur!” Liam war offensichtlich gut gelaunt.
Rebekka sah sich staunend in Augurs Domizil um. Sie fand es faszinierend.
„Augur, sie braucht eine neue Identität!” Als Augur nicht antwortete, sondern weiter auf seinen Computer eintippte, setzte Liam noch hinterher.
„Sie heißt Rebekka!”
Zu Rebekka gewandt sagte Liam: „Ich denke, die Arbei, die Sie ausüben werden, wird am besten die einer Wissenschaftlerin sein, nur am besten weit weg von den Taelons!” Er lächelte sie bei den letzten Worten an. Sie nickte als Antwort ebenfalls lächelnd.
Rebekka traute sich durchaus zu eine solche Arbeit auszuführen. Schließlich war sie ja selber durch Genforschung entstanden und in ein paar Wochen wären die Blockaden um ihr Wissen sicher abgebaut.
„Kommt in einer Stunde wieder.”
Liam wollte noch etwas fragen, aber Augur kam ihm zuvor.
„Und da Sie selbstverständlich einen Schlafplatz brauchen, Rebekka, hat Liam sicher nichts dagegen, wenn Sie bei ihm schlafen!”
Fast triumphierend lächelte er Liam an.
Rebekka sah, dass Liam das nicht sehr zu gefallen schien.
„Aber ich habe doch gar keinen Platz, Augur!” flüsterte Liam leise drängend zu Augur. Dieser grinste unverschämt.
Trotz des Gesichtsausdrucks von Liam, der halb verzweifelt, halb unwillig war, konnte sie sich nicht zurückhalten.
„Dieses Angebot nehme ich gerne an. Danke, Liam...ich werde selbstverständlich auf ihrem Sofa schlafen!”
Sie lächelte ihn liebenswürdig an. Liam seufzte ergeben. Dann sagte er:
„Sie können in meinem Bett schlafen.”
Äußerlich nickte sie nur dankbar, innerlich jubelte sie. ‚Man kann ihn gu beeinflussen!’
„Wir kommen in einer Stunde wieder, Augur!”
Liam warf ihm noch einen strafenden Blick zu, dann verschwand er mit Rebekka im Fahrstuhl.

 
* * *
 

1 Stunde später

Liam und Rebekka standen wieder in Augurs Domizil. Sie hatte Liams Wohnung schon gesehen. Beide hatten miteinander gesprochen, aber nicht viel, Rebekka war sehr wortkarg gewesen. Das erste Mal hatte Rebekka ein wenig angedeutet, dass sie hoffte er könne das Projekt stoppen und die Hybriden retten. Seitdem war er nachdenklich geworden und sie überlegte, ob sie etwas Falsches gesagt hatte.
Augur saß mit dem Rücken zu ihnen an einem Computer und schien sie nicht zu beachten. Rebekka wurde schon nach kurzer Zeit ungeduldig. Sie würde nun eine neue Identität bekommen, dann bei Liam übernachten und danach verschwinden. Irgendwo in sich spürte sie deswegen Bedauern. Rebekka mochte seine Art, er war wie sie. Liam gab ihr das Gefühl nicht alleine zu sein und noch brauchte sie ihn. Aber wenn er die Hybriden befreit hätte, wovon sie sicher war, dass er es auch tun würde, wäre sie nicht mehr alleine. Liam wäre überflüssig und lästig. Rebekka wollte sich nicht von Liam beeinflussen lassen und sich sagen lassen, was sie zu tun hatte und was lieber nicht. Sie war durchaus in der Lage alleine Entscheidungen zu treffen. Dass sie sich in dieser Welt nicht zurechtfand, musste nicht zwangsläufig so bleiben. Sie würde sich anpassen. Sobald sie ihre neue Identität hatte...
Ihre Aufmerksamkeit wurde wieder auf Augur gelenkt, der sich mittlerweile wieder umgedreht hatte. Er übergab ihr ihren neuen Pass, Lebenslauf und alles andere.
„Sie sollten sich mit ihrem Lebenslauf bekannt machen.”
Sie lächelte Augur an.
„Danke.”
Augur machte eine abwehrende Handbewegung und wandte sich an Liam.
„Die Daten von deiner Diskette habe ich mir auch angesehen. Die gelöschten konnte ich nicht mehr vollkommen herstellen, aber einen Teil.”
Augur wandte sich wieder seinem Computer zu und Liam trat hinter ihn. Rebekka sah Augur fast geschockt an. Ihr Herz fing heftig an zu schlagen. Wenn sie nur den Namen und einige Daten wiederherstellen konnten, war das für sie ungefährlich, nicht aber das Bild...
Sie biss sich nervös auf die Lippen und ballte die Hände zu Fäusten. Am besten wäre es zu fliehen. Sie schielte zum Fahrstuhl. Es bestand eine durchaus reelle Chance, dass Rebekka es, ohne dass Liam oder Augur etwas merkten und sie demnach hindern konnten, schaffen konnte. Langsam begann sie sich rückwärts zu bewegen, ihre neue Identität fest in der Hand haltend. Auf dem Computer konnte sie sehen, wie sich das Bild langsam aufbaute. Bis jetzt sah man nur schwarze Haare und einen Teil ihres Gesichtes. Schnell drehte sich Rebekka um und ging leise, aber schnell zum Fahrstuhl. Zu ihrem Pech baute sich das Bild zu schnell auf und Liam erkannte sie. Bevor Augur auch nur etwas machen konnte, hatte Liam den Fahrstuhl außer Funktion gesetzt. Rebekka stand trotzig davor.
„Was willst du jetzt machen, Liam? Mich zu den Taelons zurückbringen? Solltest du das tun, werde ich sehr interessante Informationen für sie haben. Du und dein Freund, dieser Augur, werden von den Taelons geholt!”
In ihren Augen flackerte Panik. Sie war unsicher.
„Oder bringst du mich um?”
Rebekka war nervös und schlug absichtlich einen etwas schüchternen Ton ein. Dass Liam sie umbringen würde, glaubte sie eigentlich nicht. Vielleicht würde er sie gehen lassen.
Eine Weile herrschte Stille. Dann ergriff Liam das Wort.
„Ich hatte keines von beidem vor.”
Das einzig, was Liam in diesem Augenblick sah, war eine verängstigte Frau, von der er jetzt wusste, dass sie nicht mehr als ein Kind war. Liam konnte ihre Handlungsweise teilweise sogar verstehen. Es sah nicht so aus, als hätte sie eine andere Wahl gehabt. Sie brauchte nur jemanden, der sie verstand...und vielleicht auch erzog.
Rebekka sah ihn verwirrt an. Was hatte ihn zu dieser Aussage bewogen? Wollte er sie nur beruhigen? In Liams Augen sah sie aber, dass er nicht log. Wieso hatte er so reagiert? Rebekka verstand seine Handlungsweise nicht. Sie war bereit ihn jederzeit zu verraten oder zu töten, wohingegen Liam diese Möglichkeit noch nicht einmal in Erwägung zog.
‚Mitleid?’ Diesen Gedanken schob sie schnell beiseite. ‚Er ist dumm!’
Als er einen Schritt näher trat, wich sie zurück, bis ihr Rücken die Aufzugstüren berührte. Sie hatte Angst. Vielleicht hatte sie mal gespürt, dass sie ihm vertrauen konnte, aber da wusste er noch nicht, wer sie war. Er arbeitete für einen Taelon. Rebekka konnte ihm nicht mehr vertrauen! Er wollte sie nur in Sicherheit wiegen, um sie dann doch zu verraten. Selbst wenn er den Hybriden helfen wollte, hieß das nicht zwangsläufig, dass er sie nicht doch verriet. Er könnte sie auch einfach einsperren, damit sie ihn nicht verraten konnte. Auch wenn Liam ihr sympathisch war, machte sie doch nicht den Fehler ihn zu unterschätzen.
Liam sprach jetzt beruhigend auf Rebekka ein. Ihre Hand war unwillkürlich zu ihrem Messer gewandert. Es gab ihr ein Gefühl der Sicherheit. Niemand würde ihr je wieder weh tun können, weder physisch noch psychisch. Dafür würde sie auch töten. Aber eine leise Stimme wisperte gehässig im Hintergrund: „Auch Liam?”
Dieser redete nun mit leiser fast sanfter Stimme auf sie ein, mit besänftigen Gesten seine Worte unterstreichend. Rebekka legte leicht den Kopf schief. Sie hörte nicht wirklich, was er sagte. Der Klang seiner Stimme beruhigte sie mehr, als seine Worte es jemals könnten. Langsam entspannte sie sich und zog die Hand vom Messer weg. Er hatte ihr das Leben gerettet und würde sie jetzt doch nicht verraten?
Aber sie wollte doch gar nichts mit ihm zu tun haben! Er war nur Mittel zum Zweck! Er war unwichtig!
Dennoch wusste sie, dass sie bleiben würde. Und sei es auch nur, um seine Gesellschaft zu genießen, jetzt wo sie nicht mehr lügen musste. Irrealerweise fühlte sie sich befreit.
Als Liam schließlich vollends zu ihr trat und ihre Hand nahm, ließ sie sich von ihm zu einer Coach führen. Augur hatte die ganze Szene sehr angespannt beobachtet. Er hatte keine Ahnung, was wohl alles kaputt gegangen wäre, wenn sie ihr Shaqarava aktiviert hätte, sofern sie es konnte.
Augur ging, um, wie er sagte, Kaffee zu kochen.
„Du arbeitest für die Taelons!”
Ihre Stimme klang fast vorwurfsvoll und noch immer saß sie steif auf der Coach und umklammerte ihre Identität.
„Fangen wir am besten am Anfang an. Wie heißt du?”
Es ging ihn doch überhaupt nichts an, wie sie hieß! Aber wenn sie seine Hilfe wollte, musste sie dafür, wie es aussah, ihm ein wenig entgegenkommen.
„Li'en!”
Liam nickte.
„Du hast recht, ich arbeite für die Taelons, bin aber auch der Führer der Widerstandsbewegung.”
Er spürte, dass er Li'en trotz ihres Verhaltens vertrauen konnte.
„Was sagt dein Taelon dazu?”
Liam grinste. „Wir sollten mehr über dich reden! Viele Fragen haben sich jetzt mir schon beantwortet. Du warst in großer Gefahr!”
Als ob sie das nicht wusste! Irgendwie rührte sie Liams Sorge. Sie war sich sicher, dass er sie nicht zurückbringen würde.
„Wirst du meinen Brüdern und Schwestern helfen?” Li'en sah ihn flehend an.
„Dafür müsste ich dir vertrauen können!”
Was hatte das mit Vertrauen zu tun? Er sollte sie einfach um ihretwillen herunterholen, nicht um Li'ens! Was fand Liam nur an Vertrauen so wichtig? Er hatte doch vor ihr am wenigsten zu befürchten! Dennoch senkte sie scheinbar reumütig den Kopf. Es war ja für einen guten Zweck. Und danach würde er ihren Brüdern und Schwestern noch eine neue Identität besorgen. Dann könnten sie endlich gemeinsam in Frieden leben.
„Ich... ich kann dir helfen, wie du die anderen finden kannst...” sagte sie zögernd.
Liam nickte.
„Vielleicht solltest du mitkommen. Die Hybriden werden dir vertrauen!”
Was hatte eine Befreiungsaktion denn nun schon wieder mit dem Vertrauen der Hybriden zu tun? Die Hybriden würden jedem folgen, der versprach sie hinauszubringen!
Langsam wurde Li'en ungeduldig. Liam ging ihr auf die Nerven! Wie konnte man nur so etwas wichtig finden? Sie ignorierte dabei die Tatsache, dass sie selber Vertrauen wichtig fand.
Zudem wollte sie nicht zurückkehren! Wenn er sie dort zurücklassen würde... Sie wollte lieber nicht daran denken, was geschehen könnte.
Liam musste ihren Schrecken gesehen haben.
„Niemand erkennt dich. Ich werde dich schon nicht vergessen!” Er lächelte sie freundlich an.
Irgendetwas in ihr jubelte. Sie würde nach der Übernachtung doch nicht sofort weggehen, obwohl sie damit verhindern könnte, zur Basis gehen zu müssen. Eine Weile könnte sie noch bei ihm bleiben. Und danach würde sie zusammen mit ihrer Familie leben können.
„Ich muss morgen noch arbeiten, wir werden es danach machen!”
Li'en war erleichtert, auch wenn sie sich erinnerte, dass sie eigentlich noch gar nicht zugesagt hatte.
Augur kam mit dem Kaffee zurück. Als er Li'en einen Becher reichte, sah sie misstrauisch hinein.
„Was ist das? Schmeckt so ein Zeug überhaupt?” Li'en hatte sich beruhigt und entschieden das meiste von dem Gespräch zu vergessen.
„Es ist gewöhnungsbedürftig”, antwortete Liam und trank einen Schluck.
Li'en sah noch immer in die Tasse, überlegend ob es für sie verträglich wäre, oder nicht. Sie sah Liam wieder an und legte den Kopf leicht schief.
„Wer bist du, Liam? Du bist nicht ganz Mensch!”
Sie sah, dass ihn diese Feststellung wunderte, aber nur wenig. Die Antwort verstand sie nicht mehr ganz. Sie verstand noch etwas von Kimera, dann wurden die Stimmen zu laut. Es war ein leises Flüstern und Wispern. Noch im Hintergrund, aber sich stetig weiter nach vorne drängend. Sie konnte nicht wirklich etwas verstehen, aber es war nicht wirklich unangenehm, wenn es nur nicht so laut gewesen wäre! Es war fast so etwas wie Harmonie darin, nur konnte Li'en diese nicht empfinden. Es war eine einzige Qual, die stetig lauter und mehr wurde. Ihr Kopf fing an zu schmerzen. Es waren unzählbar viele Stimmen. Sie glaubte fast wahnsinnig zu werden, entweder durch die Stimmen oder die Schmerzen. Ihr Blick verschleierte sich. Das Einzige, was sie noch hören konnte, waren die Stimmen. Alles andere lag außerhalb ihrer Wahrnehmung.
Die Schmerzen wurden schlimmer. Li'en hielt sich beide Hände an den Kopf und rollte sich halb auf der Coach ein. Erst als ihre Tasse klirrend auf dem Boden zerbrach, begriff Liam den Ernst ihrer Lage. Vorher war ihm nur ein unkonzentrierter Blick aufgefallen.
Während ihre Welt in Dunkelheit versank, lief Liam zu ihr hinüber und Augur rief Dr. Park.
Aus irgendeinem Grund fühlte Li'en selbst noch in ihrer Bewusstlosigkeit, dass sie in Sicherheit war.
Ihre Entscheidung, hing von seiner nächsten Entscheidung ab.

Sie hörte leise Stimmen. Vorsichtig öffnete sie die Augen. Das Licht tat weh, ebenso wie ihr Kopf. Dennoch schloss Li'en sie nicht. Mühsam richtete sie sich etwas auf. Sie sah, dass Liam mit einer Frau sprach. Hatte er sie zurückgebracht?
Als beide Li'en bemerkten, unterbrachen sie das Gespräch und die Frau verschwand aus dem Raum. Sofort war Li'en wieder misstrauisch. Und dabei hatte sie nun festgestellt, dass sie Liam gerne als Freund gehabt hätte.
„Wer war das?”
„Dr. Park. Sie weiß auch über mich Bescheid und wird dich nicht verraten!” Liams Stimme klang eindringlich. Li'en seufzte nur.
„Du hattest wahrscheinlich eine Verbindung zum Gemeinwesen. Du wirst Medikamente nehmen müssen, die diese blockieren können.”
Li'ens Augenbrauen zogen sich zusammen und sie sah ihn fast wütend an.
„Ich werde gar keine Medikamente nehmen, die etwas unterdrücken! Nie mehr!”
Li'en wollte weder abhängig noch beeinflussbar sein.
Liam war über den Widerstand erstaunt. Er hatte geglaubt sie wenigstens ein wenig überzeugt zu haben, dass er nicht ihr Feind war.
„Wenn du es nicht tust, wird man dich finden!”
Für diese Argumente war sie taub. Egal was Liam sagen würde, sie würde sich nicht von ihm zwingen lassen.
„Niemand kann mich dazu zwingen!”
‚Liam ist genau wie die Taelon.’ dachte sie mit plötzlicher Enttäuschung. Er wollte sie anhängig machen! Von ihm!
Tief in sich spürte sie, dass sie ihm Unrecht tat. Wütend ignorierte sie dies aber.
Liam schwieg. Auf einen Tisch neben ihr legte er ein Röhrchen mit Tabletten und verließ den Raum. Bevor er draußen war, sagte er noch: „Du hast Recht. Es kann dich niemand zwingen.”
Li'en konnte fast seine Enttäuschung aus seiner Stimme heraushören. Sie warf sich wütend in das Kissen zurück und verschränkte die Arme. Li'en konnte nicht verhindern, dass ihr Tränen aus den Augen liefen.
Nun hatte sie, was sie immer gewollt hatte. Die Macht eigene Entscheidungen zu treffen.
Sie könnte sich freiwillig blockieren.
Aber es wäre dasselbe wie bei den Taelons.
Sie wollte nicht in das Gemeinwesen!
Mit von Tränen verschleiertem Blick sah sie zu dem Röhrchen.

Liam hatte sie zu seiner Wohnung geführt. Vorher hatte sie noch das Röhrchen eingepackt. Vielleicht wollte sie die Tabletten ja doch noch nehmen...
Am Abend gingen beide früh schlafen. Es würde anstrengend werden und zu Liams Erholung trug nicht gerade bei, dass er auf dem Sofa schlafen musste.
Li'en hingegen schlief gut, allerdings nur für kurze Zeit...

Sie ging durch die langen blau-lila Gänge, die ihr in den zwei Jahren schon so vertraut geworden waren. Li'en spürte die Gegenwart Se'las neben sich und ein Gefühl des Trostes. Sie konnte sich nicht erinnern, es jemals in ihrer Gegenwart gespürt zu haben. Vielleicht hatte sie es aber auch nur in all ihrem Hass und ihrer Hilflosigkeit verdrängt.
Sie führte Li'en zurück in den Raum. Dort sah sie schon von weitem Me'lan. Er stand mit dem Rücken zu ihnen und sah aus dem Fenster. Als sie eintraten, drehte er sich um. Li'ens und seine blauen Augen begegneten sich und sie spürte die Wärme, die trotz allem dahinter stand. Er lächelte leicht.
Se'la verließ den Raum und schloss die Wand. Li'en wusste, dass sie den Raum nicht mehr verlassen konnten.
Sie ging auf Me'lan zu. Er sah ihren Schmerz in den Augen und nahm nur vorsichtig ihre Hand. Sie spürte seine sanfte Berührung in ihrem Geist. Er tröstete sie und schenkte ihr ein Gefühl des Wohlbehagens. Sie hatte ihn so sehr vermisst...
‚Bruder.’ Sie spürte seine liebevolle Wärme, die er immer für sie übrig gehabt hatte.
Beide spürten im Kontakt wie Je'na den Raum betrat. Auch sie verband sich mit ihnen, teilte mit ihnen ihre Schmerzen. Li'en fühlte sich geborgen und sicher, ließ sich treiben auf den Wellen ihres gemeinsamen Rhythmus.
Jäh wurde dieser unterbrochen. Der Schmerz war wie ein blendend, greller Blitz, durchlief ihren ganzen Körper, trennte sie voneinander. Es wurde schwarz um sie. Me'lan blieb nur schwach mit ihr verbunden, aber Je'na wurde vollkommen von ihnen getrennt. Li'en spürte Je'nas Angst wie ihre eigene und schrie sowohl vor Angst als auch vor Schmerzen. Sie durften sie nicht wieder alleine lassen! Je'na entfernte sich immer weiter von ihr.
„Sie nehmen sie mit! Sie nehmen sie mir weg!” rief Li'en, als sie begriff. Mit einem Mal fühlte sie sich wieder hilflos...

Ihr Kopf tat weh. Sie glaubte er würde ihr gleich zerplatzen. Li'en fühlte sich einfach nur elend.
Sie bemerkte, dass sie ihre Arme kaum bewegen konnte. Langsam öffnete sie die Augen und sah über sich Liam. Verwirrt sah sie ihn an. Er hielt ihre Hände fest. Als sie hinsah, bemerkte sie, dass ihr Shaqarava leicht aktiviert war. Liam hatte versucht die Hände in einem Winkel zu halten, in dem sie weder sich, noch ihn selber verletzen konnte. Die Wand hinter ihm sah schon etwas demoliert aus. Als Liam erkannte, dass sie wach war, ließ er sie los. Li'en sah ihn immer noch geschockt an, dann hob sie ihre Hände.
„Wie konnte... das passieren?” Fragend sah sie Liam an.
Dieser zuckte nur die Schultern.
„Am besten du schläfst jetzt wieder! Du bist erschöpft und es ist noch früh.”
Liam verließ das Zimmer, noch bevor sie protestieren konnte. Ergeben legte sie sich zurück und fiel schnell in einen traumlosen Schlaf.

Liam ging zurück ins Wohnzimmer. Er sorgte sich um Li'en, sie war noch ein Kind und er sah ein, dass sie Hilfe brauchte. Er hatte nicht genug Zeit, um ihr die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie brauchte. Müde ließ er sich auf seinem Sofa nieder.
Schon bevor Li'en angefangen hatte so zu schreien, hatte er schon Reneé kontaktiert. Er hatte ihr ja schon zu Anfang versprochen, sie auf dem Laufenden zu halten. Über das Global hatte er ihr schon alle Daten geschickt, so dass er ihr nicht alles erklären musste.
Es klingelte an der Tür. Liam stand auf und führte Reneéhinein, die sich auch sofort auf einem Sofa niederließ. Ohne Umwege kam sie auf das Thema zu sprechen.
„Augur konnte die Daten also wieder herstellen. Und du bist sicher, dass sie eine der Hybriden ist?”
Liam nickte. „Du solltest dir mal mein Schlafzimmer ansehen!”
„Du hast mich doch nicht hierher geholt, nur um mir zu sagen, dass Li'en eine Hybridin ist!”
Sie lehnte sich im Sessel zurück.
„Ich wollte dich um einen Gefallen bitten. Li'en braucht jemanden, der sie leitet und in die Gesellschaft einführt. Es wäre nur für eine kurze Zeit, bis sie sich wieder zurecht findet!”
„Ich habe nun dafür wirklich keine Zeit!”
„Sie würde zu dir eher Vertrauen fassen, als sie es zu mir tut. Du bist eine Frau!”
Reneé sah ihn noch zweifelnd an.
„Und dann?”
„Augur wird einen Ort und eine Arbeit suchen, in der sie so wenig wie möglich mit Taelons zu tun hat.”
Reneé beugte sich nun vor. „Weißt du, ob sie ihr Shaqarava aktivieren kann?”
Liam seufzte. „Sie hat es gerade.” Er merkte wie ihr Interesse stieg.
„Dann denke ich es wäre besser, wenn du sie in deiner Nähe lässt. Im Notfall kannst du sie vielleicht dann noch kontrollieren.”
Sie sah in seinen Augen nur zögernde Zustimmung. Schnell sprach sie weiter.
„Da sie einen Taelon sozusagen als Vater hat, hat sie auch Wissen über die Taelons! Durch sie können wir viele Informationen über sie bekommen. Wenn sie Mitglied im Widerstand werden würde, hätten wir viel bessere Chancen...”
Liam unterbrach Reneé „Ihr Wissen ist blockiert, Reneé! Und es gibt andere Probleme. Sie ist noch ein Kind! Li'en braucht jemanden, der sie einfach leitet!”
„Natürlich! Aber wir müssen auch weiter denken! Und so weit ich verstanden habe, wird sie nur durch Drogen eingeschränkt. Sie wird kaum bereit sein, diese weiter einzunehmen.”
Liam erinnerte sich an die Tabletten, die sie vorm Gemeinwesen schützen sollten und wie sie sich selbst dagegen gewehrt hatte. Er nickte.
„Wir können sie so auch viel besser beschützen!”
„Zuerst müssen wir sie fragen! Ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich gegen die Taelons agieren würde! Es ist unumgänglich, dass sie sich in einer Art nach ihnen sehnen wird.”
Reneé lächelte. „Dann rede mit ihr!”
Reneé stand bereits auf.
„Wirst du Li'en nun helfen?”
„Ich kann diese Mutterrolle nicht spielen! Es gibt wichtigere Dinge, um die ich mich kümmern muss!”
„Wichtiger, als dem Widerstand zu helfen? Du sagtest selber sie wäre wichtig. Und zudem reicht es, wenn du eine gute Freundin für sie bist... mit einer Mutter könnte sie sicher nicht zurecht kommen!”
Reneé seufzte.
„Ich werde sie dir morgen vorstellen und ihr nahe legen, des Öfteren Zeit in deiner Gesellschaft zu verbringen!”
Damit führte er Reneé hinaus. Danach legte er sich wieder auf das Sofa. Er machte sich, trotz dass das Gespräch gut verlaufen war, Sorgen um Li'en. Sie schien unkontrollierbar. Einen Teil der Kontrolle konnten sie erlangen durch Reneeé. Liam machte sich aber mehr Gedanken um ihr Shaqarava.
Endlich schlief er wieder ein.

 

Ende von Kapitel 9

 

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