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  „Li'en” von Se'la   (Emailadresse siehe Autorenseite),   November 2003
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Entführung, neue Bekanntschaften, erste Hinweise.
Zeitpunkt:  dritte Staffel
Charaktere:  Da'an, Se'la, Zo'or, Liam, Li'en, Michael Jeran, Leihmutter, Arzt, Freiwillige, Augur
 

 

LI'EN

Kapitel 4

 

Nach dem Gespräch mit Liam hatte Da'an versucht, irgend etwas über den Aufenthaltsort Se'las zu erfahren. Er hatte Liam nicht alles sagen können.
Er war sich selber nicht sicher, was diese Sache betraf. Erst nach dem Gespräch mit Se'la würde er Klarheit haben. Was ihn gewundert hatte, war, dass Zo'or offensichtlich einen so großen Fehler gemacht hatte! Er hätte sich doch denken können, dass Liam mit ihm, Da'an, darüber reden würde und er natürlich wusste, dass keine Daten gestohlen worden waren. Er hätte es Liam sagen sollen. Aber da war etwas in ihm, das darauf bestand, dass er sich erst sicher sein musste. Liam hatte während des Gesprächs angedeutet, dass er Zo'or dafür verantwortlich mache und dass Da'an endlich mit der Synode über dessen Absetzung sprechen solle. Verstand er nicht, dass das nicht ging?
Dies war der Grund gewesen, dass er Liam nichts von seinem Verdacht erzählt hatte.
Liam hätte nicht verstanden.

Laut der Datenbank hielt sich Se'la auf der Mondbasis auf. Da'an ging zu seinem Portal und gab die Koordinaten ein. Es war Zeit, ihr einen Besuch abzustatten.
Aber er kam nicht dort an, wo er hätte ankommen sollen. Stattdessen fand er sich auf dem Mutterschiff wieder. Als er das Portalsystem überprüfte, stellte er fest, dass er umgeleitet worden war - und zwar auf Befehl Zo'ors.
Wütend ging Da'an zur Brücke, wo dieser sich aufhielt.
Als er seinem Kind gegenüberstand, zeigte er allerdings nichts davon, sondern gab sich gelassen.
”Seit wann ist mir der Zutritt zur Mondbasis verwehrt?”
”Der Zutritt ist nicht nur dir verwehrt, sondern allen Taelons, die nicht Teil des Teams für mein Projekt sind.”
”Was kann an diesen Projekt so wichtig sein, dass selbst die Synode nichts davon erfährt?”
”Wie du dir sicher vorstellen kannst, möchte ich die Synode bei diesem überaus wichtigen Projekt nicht enttäuschen, sollte es schiefgehen.”
”Sind Menschen ein wichtiger Bestandteil des Projekts?”
”Ich verstehe nicht, warum dich die Menschen so sehr interessieren! Aber wenn es das ist, worum du dir Sorgen machst - nein. Ich habe andere Möglichkeiten gefunden. Du wirst sicher verstehen, dass ich dir den Inhalt des Projektes nicht eher bekanntgeben darf als der Synode als Ganzem.”
Da'an neigte leicht den Kopf. Die Überheblichkeit in der Stimme seines Kindes war ihm nicht entgangen.
Dann drehte er sich langsam um und schickte sich an, die Brücke zu verlassen.
Unmittelbar vor dem Ausgang wandte er sich Zo'or noch einmal zu und fragte:
”Wenn Menschen kein wichtiger Bestandteil in deinen Projekt sind, warum lässt du sie dann für dich arbeiten?”
Mit einem leisen Lächeln und den Bewusstsein, seinem Sprößling etwas zum Nachdenken gegeben zu haben, ließ er diesen allein.

Auf dem Weg zum Portal suchte er im Gemeinwesen nach Se'la. Sie antwortete nicht sofort. Nach einer Weile aber spürte er ihre vertraute Berührung.
‚Se'la. Wir haben uns lange nicht gesehen!’
‚Was ist, Da'an?’
Der Angesprochene lächelte leicht. Er kannte seine Freundin und wußte, dass sie sich hinter dieser Frage über den unerwarteten Kontakt mit ihm freute. Aber er spürte auch ihre leichte Besorgnis.
‚Wir müssen reden!’
‚Ich habe keine Zeit!’
‚Über das Projekt, an dem du teilnimmst.’
Er spürte ihr Unbehagen und ihr Zögern.
‚Du solltest dich da heraushalten!’
‚Wo sollen wir uns treffen?’
Eine Weile war es still.
‚Ich komme auf das Mutterschiff.’
‚Es wäre besser, wenn du zur Botschaft kommst.’
Da'an spürte, dass Se'la damit überhaupt nicht einverstanden war. So fügte er schnell hinzu:
‚Wegen Zo'or ...’
Daraufhin übermittelte sie schließlich ihre Zustimmung. Dann unterbrach sie den Kontakt.
Zufrieden verließ Da'an das Mutterschiff.


Der nordamerikanische Companion hatte ihn heute nur am Morgen gebraucht. So hatte Liam sich vorgenommen, sich noch einmal am Tatort umzusehen.
Das Gespräch mit Da'an am Vortag hatte ihm nicht viel gebracht. Angeblich hatte dieser keine Ahnung von einem Projekt, sollte er aber noch etwas hören, würde er ihm Bescheid geben. Insgesamt war es sehr enttäuschend gewesen. Er hatte nicht die Antworten oder Bestätigungen bekommen, die er gerne gehabt hätte. Der Taelon hatte ihm immerhin erlaubt, sich weiter mit dem Fall zu beschäftigen, was aber schwierig werden würde, da die Leiche ja verschwunden war. Er hatte Da'an auch auf die Informationen angesprochen, die angeblich gestohlen worden waren, dazu hatte dieser sich jedoch nicht geäußert ...
Das hatte Liam in seinem Verdacht, es gäbe ein geheimes Projekt, eigentlich nur bestärkt - und eine Beteiligung seines alles andere als auskunftsfreudigen Gesprächstpartners daran hielt er inzwischen für mehr als wahrscheinlich ...

Liam war sich sicher, die Antwort auf der Etage zu finden, wo sie ermordet worden war. Er lief ein paar Mal die Gänge entlang, fand aber nichts Besonderes. Keine Hinweise, gar nichts ...
Ihm fiel auf, wie wenig Wissenschaftler hier herumliefen.
Aber das war nicht das, was ihn im Moment interessierte ...
Wo würde er eine Diskette mit Informationen verstecken, wenn er auf der Flucht wäre und nicht viel Zeit hätte?
Noch in Gedanken, hörte Liam Schritte, die sich ihm näherten. Leichte, fast unhörbare, zögernde Schritte ...
Als Liam keine mehr hörte, drehte er sich um.


Ein Mann kam auf sie zu. Er war groß und schlank, hatte kurze braune Haare und lächelte sie freundlich an.
”Mein Name ist Michael Jeran. Sie müssen wissen, meine Frau und ich wünschen uns schon lange ein Kind. Ich weiß, eigentlich ist es ungewöhnlich, eine Leihmutter damit zu beauftragen, aber...”
”Schon gut! Wieviel Geld kriege ich?” ‚Ich habe keine Lust mir seine halbe Lebensgeschichte anzuhören. Ich möchte nur meinen Job machen!’
Der Mann musterte sie aufmerksam. Sie war noch jung, hatte gefärbte Haare und wirkte auf den ersten Eindruck sehr selbstbewusst. Nicht gerade die beste Genkombination, aber man könnte die betreffenden Anlagen löschen. Insgesamt schien sie ihm für seine Zwecke geeignet.
”Über den Preis werden wir später reden! Ich bin mir sicher es wird mehr als genug sein!”
Er grinste. Er sah zwar, dass sie damit nicht ganz einverstanden war, aber sie war, wie alle anderen auch, auf das versprochene Geld begierig. So erstaunte es ihn nicht, dass es kaum Überredungskunst brauchte, bis sie schließlich auf sein vages Angebot einging.

Gedämpft nahm sie um sich Geräusche wahr. Leise Stimmen, Türen die zufielen und das Rattern von Rollen auf dem Boden. Vorsichtig öffnete sie die Augen. Das Licht blendete sie, aber das war nicht das einzige, was sie die Augen wieder schließen ließ. Ihr Kopf tat höllisch weh. Eine warme freundliche Stimme erkundigte sich nach ihren Wohlbefinden. Aber sie konnte nicht antworten, sie war viel zu verwirrt. Gerade hatte sie doch noch mit einem Mann über eine Schwangerschaft gesprochen und über das Geld. Was suchte sie nun in diesen Bett? Langsam hob sie den Arm in Richtung Kopf und öffnete gleichzeitig langsam die Augen. Ihre rechte Hand war mit einem Infusionsgerät verbunden.
”Wo bin ich hier?” brachte sie mühsam hervor.
”Machen Sie sich keine Sorgen. Sie müssen noch eine Weile hier bleiben, zur Beobachtung. Sie können von Glück sagen, dass der junge Mann Sie hierher gebracht hat.”
”Aber was ist denn passiert?”
”Das wissen wir auch nicht so genau. Der junge Mann sagte uns, Sie seien irgendwie zusammengebrochen. Offensichtlich haben Sie einen Gedächtnisverlust erlitten. Aber ich bin mir sicher, das legt sich bald wieder.”
”Wie lange bin ich schon hier?”
”Daran können Sie sich auch nicht mehr erinnern? Sie sind hier schon seit über zwei Wochen!”
‚Mist! Mir ist gerade ein Geschäft durch die Lappen gegangen!’
”Ich muss hier so bald wie möglich wieder īraus!”
”Ich kann Sie durchaus verstehen, aber es besteht die Gefahr, dass so etwas noch einmal passiert, jetzt, wo Sie bei Bewußtsein sind, daher müssen wir noch eine Weile auf Sie achtgeben. Und wir müssen beobachten, ob Sie Ihr Gedächtnis wiederfinden!”
Die junge Frau auf der Trage überlegte eine Weile, was ihr ihr schmerzender Kopf nicht gerade erleichterte, und schloss dann die Augen wieder, ohne sich dazu zu äußern.
‚Ich kann nur hoffen, dass sie ihr Gedächtnis nicht wiedererlangt! Aber selbst wenn - wir können sie so lange hier behalten wie nötig und sie weiter benutzen ...’ waren die Gedanken dessen, der mit warmer, freundlicher Stimme sprechen konnte, wann immer dies vonnöten schien ...

Forschungszentrum

Vor Liam stand eine große, schlanke Frau, er schätzte sie auf Anfang dreißig. Sie hatte schulterlange, schwarze und leicht gelockte Haare. Sie war fast vollkommen in Schwarz gekleidet, nur ihr Rollkragenpulli war fliederfarben. Sie trug einen Mantel darüber. Nur irgend etwas irritierte ihn an ihr. Nach einer Weile fiel ihm auch auf, was. Es waren ihre Augen! Sie waren von einen leuchtenden, klaren Blau. Der erste Vergleich, der ihm in den Sinn kam, war Da'an, oder überhaupt die Taelons. Sie schaute Liam mit etwas wie Trauer an, die sich hinter Strenge verstecken zu wollen schien.

Li'en legte sich keine Einleitung zurecht, sondern kam direkt auf den Punkt. Sie fand, dies sei die beste Strategie, ihren Plan auszuführen.
Li'en wußte, dass dieser Mann Liam Kincaid hieß, sie hatte ihn am Tag zuvor bei den Männern gesehen, die Rafaella wegbrachten. Ihm konnte sie vertrauen. Er war wie sie. Es war noch jemand anderes dagewesen, ein Agent Sandoval. Vor ihm hatte sie Angst, er hatte über ”böse” Sachen mit einem Freiwilligen gesprochen. Er war böse, eine andere Bezeichnung kannte sie noch nicht. Li'en war sich auf jeden Fall sicher, dass sie ihm nicht vertrauen durfte.
”Du glaubst auch nicht, dass sie Selbstmord begangen hat?”
Liam sah sie leicht irritiert an. Das hätte er am wenigsten erwartet.
”Wie kommen Sie darauf?”
Sie beantwortete seine Frage nicht.
”Ich war eine gute Freundin von Rafaella!” ‚Zu lange und doch zu kurz.’
Li'en seufzte leise. Eine Weile sah Liam sie leicht misstrauisch an, dann sagte er: ”Mein Name ist Liam Kincaid”, - und streckte die Hand aus.
Irritiert zögerte Li'en, ergriff schließlich flüchtig die dargebotene Hand, zog aber die eigene rasch wieder zurück.
Liam blickte sie verständnislos, aber auch auffordernd an. Was wollte er? Dann fiel ihr etwas ein. Vielleicht wollte er auch ihren Namen wissen.
”Rebekka.”
Mehr sagte sie nicht, aber Liam schien sich damit zufrieden zu geben. Rebekka lächelte leicht, stolz auf ihren Erfolg. Den Namen hatte sie auf der Straße gehört.
”Da Sie...”
”Warum sagst du nicht einfach ”du” zu mir, Liam?” fragte Rebekka verwundert. Sie war doch nur eine Person!
”Da du mit Rafaella befreundet warst - weißt du vielleicht, warum man sie umgebracht hat?”
Rebekka tat, als wäre sie unschlüssig.
”Du kannst mir ruhig vertrauen!”
Rebekka lächelte schüchtern. Als wenn sie das nicht wüsste!
”Rafaella hat manchmal von einem Projekt erzählt. Sie hat oft gesagt, sie wolle dafür sorgen, dass es aufhört. Genaueres weiß ich aber auch nicht darüber!”
Liam triumphierte. Es gab also doch ein Projekt!
”Wo würde sie eine Diskette verstecken?”
Rebekka sah sich um und gab sich nachdenklich. Sie dürfte es ihm nicht zu schnell sagen, sonst würde er wieder misstrauisch werden! Langsam ging sie den Gang entlang, Liam folgte ihr.
”Ich denke, sie würde sie - dort verstecken!”
Sie zeigte auf den Lüftungsschacht.
Liam stöhnte.
Darauf hätte er auch selbst kommen können ...
Lächelnd beobachtete sie, wie er zum Gitter ging und es heraus brach. Aber sie wußte auch, dass es damit noch nicht vorbei war. Rebekka hoffte nur, dass ihr Plan auch wirklich aufgehen würde. Schon hielt Liam das Kästchen mit der Diskette in der Hand.
‚Das ist der Beweis!’
Er dachte wieder an Da'an. Es schmerzte ihn, dass dieser offensichtlich an diesen Projekt beteiligt war und ihm auf jeden Fall nicht mehr vertraute. Er sah zu Rebekka herüber. Sie stand noch immer an der gleichen Stelle. Sie erschien ihm unerfahren, in einer Art merkwürdig. Sie wußte offenbar nichts über Höflichkeit, Umgangsformen oder ...
‚Wie ein Kind’, war das Einzige, was ihm dazu einfiel.

Beide verließen das Gebäude. Rebekka sprach endlich das an, was sie schon die ganze Zeit beschäftigte.
”Ich weiß nicht genau, was diese Diskette enthält - ich weiß nur, dass eine Reihe von Experimenten darauf gespeichert sein muß, an denen auch Menschen teilnehmen.”
Sie zögerte einen Moment.
”Ich würde gerne wissen, für welche Informationen Raffaela gestorben ist!”
Gespannt wartete sie Liams Antwort ab.
Dieser überlegte.
Warum hatte sie das über die Experimente erst jetz gesagt? Sie musste mehr darüber wissen, wenn sie ihm so wenig vertraute. Eigentlich war er dagegen, sie mit in seine Wohnung zu nehmen. Nur dort konnte er die Daten auf der Disk in aller Ruhe abrufen. In der Botschaft war das nicht möglich wegen Da'an, und zu Augur konnte er sie auch nicht mitnehmen ... Er bedachte all das und kam zu dem Schluß, Rebekka könne ihm durchaus noch nützlich sein.
So nickte er zustimmend.
Rebekka gab sich damit zufrieden, auch wenn sie spürte, dass er nicht damit einverstanden war. Aber das konnte sie nicht ändern, er müsste sich halt damit abfinden, wenn er die Informationen haben wollte. Danach wäre auch ihre Aufgabe erfüllt. Liam würde bestimmt allen helfen können.
Sie hatten das Shuttle fast erreicht, als vor ihnen eine Gruppe von Männern auftauchte. Alle waren schwarz gekleidet, ihre Gesichter wurden von Masken verdeckt. Trotzdem wußte Rebekka, dass es Freiwillige waren. Sie hatte gewusst, dass so etwas passieren würde. Sandoval hatte über so etwas mit ein paar Freiwilligen geredet. Sie durften sie nicht umbringen, er wollte nur die Diskette. Dennoch war sie vor Schreck blass geworden. Selbst dieses Wissen konnte ihr die Angst nicht nehmen.
Liam hingegen blieb ruhig und sah sich unauffällig um. Zwischen ihnen und dem Shuttle standen die Männer. Sie konnten nicht ohne weiteres an ihnen vorbei kommen, und Liam wollte Rebekka nicht gefährden. Mittlerweile waren auch Maskierte hinter sie getreten, deren Waffen aber hauptsächlich auf Liam zeigten. Rebekka sah man scheinbar nicht als Gefahr an.


Da'an saß auf seinem Stuhl in der Botschaft. Er wartete auf seinen Beschützer. Er hätte längst da sein und ihn zu einer Veranstaltung fliegen müssen. Zo'or und Sandoval waren bestimmt schon aufgebrochen. Er hatte Liam zwar erlaubt, seine eigenen Nachforschungen anzustellen, das hieß aber nicht, dass er darüber seine Pflicht ihm gegenüber vergessen durfte. Er war verstimmt und stand auf. Zu einem Freiwilligen sagte er:
”Sollte Major Kincaid kommen, sagen Sie ihm, ich habe mir einen anderen Piloten genommen und erwarte ihn bei der Veranstaltung.”
Er wusste, dies würde sein Kind wieder dazu ausnutzen, ihn zu überreden zu versuchen, Liam zu implantieren. Er seufzte mental. Das war momentan nicht sein wichtigstes Problem. Er hatte nicht viel Zeit, weshalb er auch das Gespräch mit Se'la immer weiter hinausschieben musste. Somit gab er ihr die Chance, sich passende Antworten zurechtzulegen ... Aber er würde die Informationen bekommen, die er wünschte. Se'la würde reden, er wusste, wie er sie dazu bringen konnte. Manchmal war sie leicht zu beeinflussen. Zudem hatte sie auch ihre Zweifel, das würde es leichter machen. Da'an war fest entschlossen, alles über dieses Projekt herauszufinden.


Rebekka spürte Liam neben sich und wußte irgendwie, dass alles gut werden würde. Er strahlte eine Ruhe aus, die auf sie überging. Es gab keinen Grund, Angst zu haben, die Daten waren in Sicherheit. Liam war da und er würde bestimmt alles regeln. Rebekka wusste, diese Einstellung war eigentlich falsch ... Sie musste doch bald gehen und dann wäre Liam nicht mehr da, um ihr zu helfen. Für einen kurzen Augenblick wünschte sie sich, bei ihm bleiben zu können oder wenigstens sich von ihm helfen zu lassen. Aber sie hatte zu große Angst davor, was er tun würde, wenn er erfuhr, wer sie war. Er war ihr ähnlich, sogar sehr, das spürte sie, dennoch wußte sie nicht genau, wie er reagieren würde - er arbeitete schließlich für die Taelons. Genauer gesagt für Da'an, dem sie auf keinen Fall begegnen wollte.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Liam sie ungeduldig anstieß. Er tastete nach ihrer Hand und versuchte, ihr die Diskette zu übergeben. Nein! So durfte diese Aktion nicht ablaufen! Es war so nicht geplant gewesen!
Sie nahm den kleinen flachen Gegenstand dennoch unbemerkt entgegen und ließ ihn in ihrer Tasche verschwinden.
Einer der Freiwilligen trat vor und senkte die Waffe, die anderen hielten ihre Waffen weiter auf Liam gerichtet.
”Wir wollen nur die Diskette!”
”Wir haben keine Diskette! Sie müssen sich irren.”
Liam grinste leicht. Ihm schien der verwirrte Ausdruck auf dem Gesicht des Mannes zu amüsieren.
Dieser hielt allerdings nicht lange an.
Der Maskierte machte eine Handbewegung und ein anderer Freiwilliger trat vor und durchsuchte Liam, um seine Aussage zu überprüfen. So, wie es aussah, würden sie die Diskette nicht finden. Aber dann würde Liam ihr auch nicht mehr helfen können.
Natürlich fand der Mann nichts. Verunsichert sah er seinen Anführer an. Dieser nickte nur in Rebekkas Richtung.
”Geben Sie mir die Diskette zurück!” wisperte Liam leise.
Rebekkas Hand fing an zu zittern. Sie verlor die Kontrolle über ihren Plan! Sie überlegte fieberhaft, wie sie bewerkstelligen konnte, dass die Freiwilligen den Datenträger nicht bekamen und gleichzeitig Liam nicht Verdacht schöpfte und misstrauisch ihr gegenüber wurde.
Da sie ihm die Diskette noch immer nicht wiedergegeben hatte, versuchte dieser, ein Gespräch mit den Anführer zu beginnen.
”Woher wußten Sie, wo wir waren?”
”Wir haben so unsere Quellen!”
Liam sah zu der jungen Frau hinüber, die noch immer zögerte. Sollte Rebekka etwa für diesen Mißerfolg verantwortlich sein? Sie ließ aber nicht erkennen, dass sie sich angesprochen, oder schuldig fühlte. Er musste einräumen, dass sie es vielleicht doch nicht war. Nur - wer war es dann?
Der Einzige, der ihm jetzt noch einfiel, war Sandoval. Er wußte von den Daten und würde unter Garantie alles tun, um an die Informationen zu kommen.
In der Zwischenzeit wurde Rebekka die Entscheidung, was sie tun wollte, brutal abgenommen. Sie wurde von Liam weggerissen, wobei die Diskette zu Boden fiel. Liam starrte sie wütend an, wohingegen in den Augen des Anführers Triumph aufblitzte.
”Wir gehen! Wenn ihr nicht doch noch wollt, dass wir Euch umbringen, solltet ihr uns lieber nicht folgen.”
Damit rannten alle in Richtung eines der Gebäude.
”Los, hinterher!” rief Liam.
Er wartete nicht, bis sie sich ebenfalls in Bewegung setzte, sondern packte sie einfach an der Hand und zog sie mit sich. Sie versuchte sich ihm zu entwinden, aber im Laufen war das ein schwieriges Unterfangen.
‚Es ist doch nicht nötig! Die Diskette ist unwichtig!’ dachte sie verzweifelt.
Liam ließ sich durch sie nicht im geringsten verwirren. Als sie um die Ecke des Gebäudes kamen, sahen sie gerade noch wie eine Gruppe von Männern durch ein transportables Portal verschwand, das sich danach selbst zerstörte.

Liam war wütend und ließ Rebekkas Hand los. Die Informationen waren ihnen gestohlen worden und er hatte nichts dagegen tun können. Er schaute die junge Frau an. Sie schien erschöpft.
Sein Global piepte.
”Entschuldigen Sie mich einen Moment!”
Rebekka setzte sich auf dem Boden, mit dem Rücken an eine Wand gelehnt, und sah, wie Liam außer Hörweite ging und sein Global aufklappte. Augur erschien auf dem Schirm.
”Hey Liam! Ich habe ein wenig nachgeforscht. Der Brief war gefälscht, aber ich kannte ganz zufällig den Hacker, der ihn auf ihren Computer eingespeist hat. Dieser schuldete mir noch einen Gefallen und hat mir den Namen seines Auftraggebers genannt - dieser stellte sich als Aleric vor. Ich schicke dir eben die Beschreibung von ihm und seinen Aufenthaltsort.”
”Danke, Augur.”
Dieser nickte und unterbrach den Kontakt.
Nach den Daten war dieser Aleric meistens in verschiedenen Clubs anzutreffen, sein Wohnort war unbekannt. Liam ging zurück zu Rebekka. Diese saß noch immer auf dem Boden. Lächelnd stand sie auf.
”Tut mir leid, dass es schief gelaufen ist!”
Liam spürte, dass sie es nicht wirklich ernst meinte. Sie wirkte sogar erleichtert! Aber warum? Wenn sie wirklich Rafaellas Freundin gewesen war, musste ihr dann nicht viel an der Offenlegung dieses Projektes liegen? Er konnte sie beim besten Willen nicht durchschauen. Es war, als würde sie sich vor seinen Augen verändern. Und was ihn immer noch irritierte, waren ihre Augen! Er hatte sie noch nie so intensiv bei Menschen gesehen. Vielleicht würde er sie irgendwann danach fragen ...
Er sah sie abschätzend an, dann sagte er:
”Ich habe Hinweise darauf, wer der Mörder sein könnte. Er heißt Aleric und hat sie auf einen Auftrag hin ermordet. Durch ihn können wir erfahren, wer Schuld an ihren Tod hat. Ich werde ihn aufsuchen und befragen.”
”Ich werde mitkommen!”
Aus irgendeinen Grund war Liam das nicht recht. Es war zu gefährlich für sie und es war wichtig, dass sie überlebte. Rebekka wirkte zu unerfahren und naiv. Sie würde mit der Situation nicht umgehen können.
”Hör zu, das geht nicht! Dort, wo ich hingehe, wärst du nicht gut aufgehoben!”
”Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen. Und wo ich ‚gut aufgehoben’ bin, weiß ich doch wohl am besten!” antwortete sie giftig.
‚Was soll daran so schwer sein? Wir fragen ihn einfach und fertig! Daran ist doch nichts Gefährliches!’ ergänzte sie in Gedanken.
‚Oh, oh’, dachte Liam. ‚So einfach werde ich sie nicht abhalten können ...’
Er überlegte kurz. Auf irgendeine Weise schien diese seltsame junge Frau plötzlich etwas wie der Schlüssel zu dem zu sein, was er - jetzt erst recht - unbedingt aufgedeckt wissen wollte - zu dem, was so viel mehr zu umfassen schien als nur den Mord an einer unbedeutenden (?) Wissenschaftlerin ...
”Gut, wenn du dabei sein willst, kannst du mitkommen. Aber du wirst genau das tun, was ich dir sage!”
Abwartend schaute er Rebekka an.
Ihr gefiel dieser Vorschlag gar nicht. Sie ließ sich nicht gerne sagen, wie sie sich zu verhalten hatte. Rebekka hatte zwei Jahre lang nur das getan, was andere von ihr wollten - und war dem endlich kanpp entkommen ... Und nun wollte Liam ihr ihre Entscheidungsfreiheit wieder wegnehmen!
Sie hatte vorgehabt, mit diesen Aleric genau das zu tun was er mit Rafaella gemacht hatte. Ihn töten. Nicht unbedingt, weil er sie umgebracht hatte - sie war fast der Meinung, damit war ihr nur Recht geschehen! Aber er hatte ihr die Chance auf Hilfe genommen - und nun musste sie mit Liam kooperieren!
‚Liam macht mir alles kaputt!’ dachte sie unwirsch.
Aber sie hatte keine andere Wahl. Nur er wußte, wo Aleric war!
Liam fühlte ihren Widerwillen, sie schien gar nicht einverstanden mit seiner Idee zu sein, obwohl er ihr so sehr entgegengekommen war.
Er befürchtete, Rebekka würde irgend etwas - Impulsives tun. Er sah förmlich, wie es in ihren Gehirn arbeitete. Nervös wartete er, bis sie ihn erlöste und nickte. Er konnte nicht verhindern, dass er laut aufatmete.
Rebekka betrachtete ihn amüsiert. Dachte er etwa, sie würde etwas Unüberlegtes tun? Sie lächelte hinterhältig. Sie würde ihren Willen schon bekommen!
Um seine Bedenken der jungen Frau gegenüber nicht allzu deutlich sichtbar werden zu lassen, schaute Liam schließlich auf die Uhr - und erschrak. Irgend etwas sagte ihm diese Uhrzeit doch, er wusste nur nicht mehr genau, was ... ‚Da'an!’
Er hatte den Taelon doch zu einer Veranstaltung fliegen müssen ...
”Wo wohnst du?”
‚Ja, wo wohne ich?’ Rebekka wusste, diese Frage war berechtigt, aber was nutzte das? Sie überlegte fieberhaft.
‚Bei Rafaella, in einem richtigen, großen Haus! Mit Möbeln drin!’
Das konnte sie ihn doch nicht sagen ...
Er sah sie ungeduldig an.
”In der Nähe der ... der Botschaft”
Die Antwort war gut, befand sie. Er allerdings sah fast enttäuscht aus.
Vertraute sie ihm immer noch nicht? Aber wahrscheinlich hatte sie nur Angst, ebenso zu enden wie ihre Freundin Rafaella.
”Ich kann dich in der Botschaft absetzen, wenn du willst!”
‚Will ich? Ich könnte dort endlich meine Aufgabe erledigen ...’ Rebekka nickte.
Beide gingen zum Shuttle und Liam flog sie zur Botschaft, wo ein Freiwilliger ihm mitteilte, dass Da'an sich von einem anderen Piloten habe an sein Ziel bringen lassen.
Er ließ Rebekka allein in der Taelon-Einrichtung, sie versicherte ihm, den Weg nach Hause auch ohne Hilfe zu finden.
Der eigentliche Grund, weshalb sie überhaupt dorthin gewollt hatte, war natürlich ein anderer als die Nähe der Botschaft zu ihrem angeblichen Zuhause.

Rebekka ging in den Empfangsraum des nordamerikanischen Companions, wo auch Kincaids Schreibtisch stand. Hier fühlte sie sehr deutlich Da'ans Präsenz.
Trauer kam in ihr auf.
Sie rief sich zur Ordnung.
Dazu war keine Zeit!
Sie wandte sich energisch dem Schreibtisch des Companionbeschützers zu.
Noch an diesem Abend wollten sie sich treffen.
Wenn Liam fand, was er finden sollte, wäre sie längst fort.
Sie hatte alle Daten, die sie selbst betrafen, gelöscht.
Dennoch war sie sich sicher, Liam würde ihnen helfen.
Sie verließ die Botschaft mit einem Gefühl des Abschlusses und Erleichterung. Die Aufgabe, die sie sich selbst auferlegt hatte, würde noch in dieser Nacht beendet werden.

 

Ende von Kapitel 4

 

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