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  „Insel der Vergessenen” von Se'la   (Emailadresse siehe Autorenseite),   August 2010
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Erste Bekanntschaften mit Hybriden und Menschen.
Zeitpunkt:  dritte Staffel, Fortsetzung von Li'en
Charaktere:  Li'en, Se'la, Liam, Da'an, Leonara, Angus, Richard, Rick, La'non, Relaya
 

 

INSEL DER VERGESSENEN

Kapitel 4

 

2. Tag

Vorsichtig öffnete Li'en die Augen. Sie hatte immer noch Kopfschmerzen und ihr Körper tat wie nach Krämpfen weh. Das helle Licht stach ihr zu sehr in die Augen, so dass Li'en sie wieder schloss. Sie beschloss ihre Umgebung vorläufig mit geschlossenen Augen zu erkunden. Sie lag auf etwas weichem, Nachgiebigem. Es konnte nur eine Matratze sein. Mit ihren Fingern fuhr sie über die Decke, die über ihr lag. Sie war weich und Li'en fühlte sich trotz der Schmerzen wohl. Irgendetwas sagte ihr, dass sie dort, wo sie war, in Sicherheit war. Wobei sich aber automatisch die Frage stellte: Wo war sie? Das letzte, woran sie sich erinnern konnte, war Se'la und eine Höhle. Der Rest war verschwommen, aber sie erinnerte sich noch daran Angst gehabt zu haben. Und jemand hatte sie festgehalten. Demnach verzichtete sie darauf in ihren Erinnerungen nach dem Geschehen zu suchen.
Ihre Hand arbeitete sich unter der Decke hervor und Li'en hob sie schützend über die Augen. Wieder öffnete sie diese vorsichtig. Das Licht war nun erträglich. Nach ein paar Minuten senkte sie die Hand und sah sich um.
Der Raum war groß und hell. Vor dem offenen Fenster hingen lila durchsichtige Vorhänge, durch die das Sonnenlicht hereindrang. Auf der gegenüberliegenden Seite des Bettes hing ein großer Spiegel mit einem blau verzierten Rahmen. Darunter stand eine Kommode. Ansonsten war der Raum leer.
Von allen Wänden hingen Tücher hinunter. Alle durchsichtig und in lila und blauen Farbtönen gehalten. Ihre Augen wanderten bis zur Perlmutt schimmernden Tür.
Was war das für ein merkwürdiger Ort? Sie hatte noch nie davon gelesen und auch nichts davon gehört.
Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung wahr. Sie drehte ihren Kopf nach links. Neben ihrem Bett stand ein großer Sessel, in dem Se'la saß. Sie hatte die Augen geschlossen und schien erschöpft. Se'las Energielinien drückten Sorge aus. Ihre Hand lag leicht auf Li'ens, durch welche sie auch ein paar Gefühle Se'las empfangen konnte. War Se'la die ganze Zeit dageblieben? Es musste wohl so sein, denn ihr Körper zeigte einen hohen Energiemangel.
Gegen ihren Willen erfüllte sie ein Gefühl von Wärme. Li'en lächelte leicht. Vielleicht hatte sie doch die Wahrheit gesagt. Hatte Se'la sie wirklich als einen Teil von ihnen betrachtet? Nur aus ihrer Sicht?
Dann allerdings erinnerte sie sich an ihre Träume und die Schmerzen, die sie dabei gehabt hatte. Se'la hatte ihr nicht geholfen, sie hatte Li'en nur weiter weh getan. Robin. Dieser Name hallte in ihrem Geist wider. Er hatte ihr geholfen. Ob er wohl auch da war?
Vorsichtig zog Li'en ihre Hand unter Se'las weg. Sie wollte sich an diesem Ort etwas umsehen. Die Schmerzen konnte man ignorieren und sie fühlte sich auch kräftig genug, um aufzustehen. Einen Moment lang fühlte sie Schuld gegenüber Se'la, sie hier einfach ohne ein Wort alleine zu lassen. Aber sie schuldete ihr ja keine Rechtfertigung. Jedenfalls nicht nach den vorigen Erlebnissen, selbst wenn Se'la nun die ganze Zeit neben ihr gewartet hatte, dass sie endlich aufwachte und sich Sorgen gemacht hatte. Eine leichte Bitterkeit stieg in ihr auf. Se'la hatte keine andere Idee gehabt, als genauso zu handeln wie in ihren Alpträumen. Li'en war froh, dass diese bereits verblassten.
Langsam hob sie den Kopf an, ignorierte die Kopfschmerzen und arbeitete sich in eine halb sitzende Position hoch. Li'en sah Se'la noch einmal dankbar an, dann schwang sie die Beine aus dem Bett. Sie hoffte Se'la würde ihr Verschwinden nicht zu früh bemerken. Sie würde Li'en nur von ihren Erkundungen abhalten.
Leise schlich sie sich aus dem Zimmer. Erst als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, atmete sie auf. Sie stand in einem Flur. Mit Bewunderung bemerkte sie, dass der Boden aus vielen kleinen Mosaiksteinchen bestand. Li'en selber stand auf einem riesigen Wal, der inmitten eines leuchtend blauen Meeres schwamm. Alles sah echt aus und war bis ins Detail gearbeitet. Li'en hatte noch nie so etwas Schönes gesehen. Vor Staunen stand ihr Mund offen. Das ganze Bild schien sich zu bewegen, die einzelnen Steine verschwammen vor ihren Augen. Schon nach kurzer Zeit taten ihr die Augen weh. Von all dem verwirrt wandte sie den Blick ab und sah auf die Wände. Auch diese waren verhangen, was sie nicht verstand. Sie verstand auch nicht, warum der Gang so leer war.
Dafür hatten sie dort aber andere Farben, grün und gelb. Li'en fand nirgendwo ein Fenster, dennoch war der Gang hell. Eine Lichtquelle konnte sie auch nicht ausmachen, das Licht war einfach da. Li'en runzelte die Stirn. Sie waren bestimmt nicht in einer normalen Stadt! Eine Sekte? Panik stieg in ihr hoch. Was wollten sie dann von ihnen?
Nur wenn wirklich Gefahr drohte, warum würde Se'la sich dann so ausruhen und ganz entspannt sein?
Sie beruhigte sich langsam wieder und ließ ihre Umgebung auf sie einwirken. Der Gang mit den Bildern und Tüchern schien in einer fließenden Bewegung zu sein, zu pulsieren.
Li'en ging weiter, immer darauf bedacht, sich nicht zu sehr verwirren zu lassen. Sie hätte niemals gedacht, dass die Umgebung einen so beeinflussen konnte. Schon seit einer geraumen Weile fühlte sie einen stärker werdenden Druck in ihrem Kopf. Vielleicht sollte sie doch zurück gehen. Gerade als sie sich umdrehen wollte, kam sie an eine Weggabelung. Der Gang, der den ihren kreuzte, hatte viele Fenster, nur ohne Glasscheiben. Die Wand war weiß, es hingen diesmal keine Tücher von den Wänden, was sie schon etwas irritierte. Sie ging auf die Fenster zu.
Durch das Fenster konnte sie einen wunderschönen Garten sehen. In der Mitte stand ein riesiger, kristallartiger Springbrunnen. Die Wege, die sie sehen konnte, bestanden aus kleinen roten Steinen. Der Garten war menschenleer. Sie konnte nur die schönen Blumen und verschiedenen Vögel sehen.
Li'en atmete tief ein. Der Geruch der Blumen ließ sie niesen. Dennoch war dort alles schöner, als in ihrer Wohnung oder in der Stadt. Sie verspürte das Verlangen, so schnell wie möglich in diesen Garten zu gehen. Ihr Herz klopfte schneller vor Freude. Ungeduldig lief sie an den Fenstern vorbei, um einen Eingang zu finden. Aber sie fand keine Tür. Um darüber zu kommen, hatte sie nicht genug Kraft. Traurig sah sie in den Garten.
Dort sah sie dann auch endlich jemanden. Ein Mädchen, vielleicht 13 Jahre alt, groß und schlank, mit hellen schwarzen Haaren und wunderschönen blauen Augen. Sie schlenderte durch den Garten, hüpfte manchmal über ein paar Steine und summte leise vor sich hin. Verträumt sah Li'en ihr zu. Sie kam ihr bekannt vor. Schließlich rief sie einmal laut.
Sofort kam das Mädchen auf sie zu. Jetzt erkannte Li'en auch, dass sie ein goldenes Schimmern in den Augen hatte. Ihr Blick erfüllte Li'en mit Wärme. In diesen Moment wusste sie, dass dieser Ort das war, wonach sie sich ihr ganzes Leben gesehnt hatte.
„Hallo! Ich bin Leonara. Du musst die sein, die Robin hergebracht hat?”
Li'en nickte, nun etwas schüchtern geworden.
„Ich bin Li'en!”
Etwas sagte ihr, dass sie es ruhig sagen konnte. Leonara war keine Gefahr für sie.
„Komm, ich helf' dir rein. Der Eingang ist zu weit weg.”
Sie nahm Li'ens Hand und half ihr in den Garten zu kommen. Als ihre Hände sich berührten, spürte Li'en deutlich ihre Energie. Befreiend lächelte sie. Leonara war wie sie selber, Li'en war keine Fremde!
„Sind alle hier wie du?”
Leonara spürte ihre Hoffnung und lächelte.
„Die meisten!”
Glücklich ließ sich Li'en von ihr in den Garten ziehen. Leonara hatte ihr erzählt, dass sie nur drei Jahre älter als sie war. Schon bald waren beide nur noch auf sich und ihr Spiel konzentriert. Alle Fragen, die Li'en gehabt hatte, wo sie war und wie sie dort hin gekommen war, waren vergessen.

* * *

Mit einer einladenden Handbewegung bedeutete ihnen Angus sich zu setzen. Da es keinen anderen Sitzplatz mehr gab, außer dem einen Stuhl, auf dem Angus selber saß, ließen sich beide auf Kissen nieder. Nun waren auch die bewaffneten Männer wieder da, die ihre Waffen aber hauptsächlich auf Da'an richteten.
„Ich werde Ihnen erzählen, warum wir hier leben. Dann werden Sie verstehen, warum wir so misstrauisch sind.”
Er erzählte ihnen, dass sie alle abgestürzt waren. Einige mit Militärmaschinen, die Leute waren dann später die Anführer geworden, einige auch mit Privatflugzeugen und einmal stürzte auch ein Passagierflugzeug ab. Von letzterem hatten nur wenige überlebt. Manchmal kamen auch Menschen von sinkenden Schiffen zu ihnen. Diese dachten meistens, diese Insel wäre ihre Rettung, obwohl sie gerade das Gegenteil war. Auf die Frage Liams, warum man die Insel sonst nicht sehen konnte, hatte er auch keine klare Antwort. Seine Augen glühten schon fast verrückt, als er weiter sprach.
„Daran sind nur Sie Schuld!”
Liam sah ihn verständnislos an. Was sollten er und Da'an schon damit zu tun haben? Sie waren doch gerade erst angekommen!
„Sie verbergen es. Irgendwie. Genauso wie Sie dafür sorgen, dass wir hier abstürzen und nicht mehr weg können. Sie haben vor uns zu beherrschen. Am Anfang...”
„Entschuldigen Sie, aber wer sind „sie”?”
„Sie sind verrückt! Vollkommene Wahnsinnige! Sie halten sich für Nachfahren eines Lichtwesens, wie er eines ist!” Er zeigte auf Da'an. „Sie denken sie wären etwas besseres als wir und könnten mit uns machen, was sie wollen. Aber da haben sie sich geirrt. Wir werden sie bekämpfen und sie zwingen uns gehen zu lassen!” Er schlug mit der Hand auf die Lehne seines Sessels. „Sie wissen, wie wir hier fort kommen können. Wenn es sein muss, werden wir sie alle umbringen und selber einen Weg von hier runter finden. Die Lösung liegt in einer ihrer Städte.”
Er sah Liam durchdringend an. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Wir sitzen im selben Boot!”
Da'an und Liam schwiegen verwirrt. Hatte er gerade gesagt, dass auf dieser Insel Hybriden lebten? Und dass sie diese nicht mehr verlassen konnten?
Als Angus sah, dass die beiden nicht mehr reden würden, fuhr er fort: „Sie werden hier in diesem Lager bleiben müssen. Noch kann ich Ihnen nicht vertrauen. Sie werden hier Quartiere bekommen. Nach ein paar Monaten ist es Ihnen erlaubt sich eine eigene Hütte zu bauen.”
„So lange werden wir nicht bleiben!” widersprach Liam.
„Haben Sie nicht zugehört? Sie können hier nicht weg!”
„Warum reden Sie nicht mit ihnen?”
„Das ist zwecklos. Als die ersten hier hin kamen, wohnten sie noch in den Städten. Auch ich war einer der ersten und ihre Städte sind mir sehr bekannt. Sie behaupteten immer, sie wüssten nicht, wie sie uns helfen könnten. Dabei habe ich einmal mitbekommen, wie sie darüber sprachen, dass sie uns nicht gehen lassen könnten. Es würde sie in Gefahr bringen. Ich und viele nach mir haben versucht mit ihnen zu reden, aber sie behaupteten immer, sie hätten keine Ahnung! Dann haben wir uns von ihnen abgewandt. Sie sollten dankbar sein, dass wie sie vor ihnen gerettet haben. Sie hätten Sie und ihn da doch nur ausgenutzt!”
Mit einer Handbewegung entließ er sie. Liam wollte noch mehr Fragen stellen, aber die Soldaten sorgten schon dafür, dass die Befehle ihres Anführers befolgt wurden.
Kurz bevor sie draußen waren, stellte Liam trotzdem noch einmal eine Frage: „Sind wir Gefangene?”
„Nein. Sie sind nur eingeschränkt.”

Draußen merkte Liam, dass es aufgehört hatte zu regnen. Die Umgebung war nun besser zu erkennen. Aber man ließ ihnen keine Zeit sich genauer umzusehen. Sie wurden über eine Leiter noch höher geführt. Am Ende standen sie auf einem Plateau. Es war nur klein.
Sie konnten vier „Baumhäuser” erkennen. Alle waren groß, drei von ihnen hatten zwei Etagen, das letzte stand leer. Zu diesem wurden sie auch geführt.
„Müssen wir hier bleiben?”
Der Mann lächelte Liam fast freundlich an.
„Dies ist Ihr neues Heim. Sobald Sie länger hier sind, dürfen Sie sich ein Haus bauen, wo Sie wollen. Bis dahin müssen Sie dieses bewohnen.”
Liam nickte. „Mein Name ist Liam Kincaid”
Er hatte irgendwie das Gefühl gehabt, das sagen zu müssen, um vielleicht in einer Weise die Freundlichkeit des Mannes zu erwidern. Endlich sprach mal jemand mit ihm und behandelte ihn nicht wie einen Feind. Auch wenn er es nicht so ganz zugeben wollte, war er doch erleichtert, offenbar nicht mehr ignoriert zu werden.
„Richard. Meine Frau und ich wohnen hier auf derselben Ebene. Wenn Sie also etwas brauchen oder Fragen haben...”
Liam nickte dankbar. Nur Da'an wurde noch ignoriert.

Beide betraten das „Haus”. Liam konnte sich selbst in Gedanken nicht dazu überwinden, das Gebilde, was er sah, ein Haus zu nennen. Es sah erstens nicht sehr stabil aus und zweitens bezweifelte er, dass es wasserdicht war. Dass Menschen in so etwas leben konnten... aber er sah auch, dass es besser gebaute Gebilde gab, die doch schon etwas stabiler aussahen. Vielleicht war es aber auch nur so, dass in dieser Hütte alle Neuen hinein kamen und da sie eh wieder auszogen, niemand es für nötig hielt, diese zu erneuern oder instand zu halten. Liam schwor sich, würde es dort hinein regnen und er wusste ja wie schlimm es dort regnete, würde er zu diesem Angus gehen und ihm gehörig was erzählen. Oder doch zumindest so lange dort bleiben, bis der Regen vorüber war.
Da'an musste unweigerlich an Zo'or denken. Sein Kind hätte dies alles als sehr primitiv angesehen und hätte mit großer Wahrscheinlichkeit viele Probleme gemacht. Er hingegen fand dies alles neu und interessant. Jetzt als er an ihn erinnert wurde, stieg auch Sorge in ihm hoch. Wenn auf dieser Insel nur Menschen dieser Art wären und sie Zo'or gefangen genommen hatten, würde er sich sicherlich nicht so schnell beruhigen lassen, wie Da'an selber. Und gerade jetzt konnte er über das Gemeinwesen keinen Kontakt mit ihm aufnehmen! Er konnte gar keinen Kontakt mit irgendjemandem im Gemeinwesen aufnehmen! Das belastete ihn sehr.
Liam sah sich unterdessen um. Das Haus bestand aus zwei Zimmern. Im ersten, in dem er stand, waren ein Tisch und zwei Stühle. Er konnte durch eine mannshohe, unregelmäßige Öffnung zwei Betten sehen. Davon würde Da'an kaum eines brauchen!
Beide Räume waren hell und hatten je zwei Fenster. Liam ging zu einem und sah hinaus. Etwas unter sich zwischen den Bäumen konnte er eine große Transportmaschine liegen sehen. Die Schatten hinter den Fenstern zeigten ihm, dass es bewohnt war.
Da'an hatte sich auf einen Stuhl gesetzt. Er war still und nachdenklich. Aber Liam kam zu dem Schluss, dass er ihm momentan eh nicht helfen konnte.
Während er hinauf in die Bäume sah, überlegte er sich, wie er am besten unbemerkt von der Insel fliehen könnte. Vielleicht war es tatsächlich so, wie Angus gesagt hatte, dass sie nicht mehr von der Insel fliehen konnten. Aber so einfach wollte er das auch nicht akzeptieren, nicht ohne Beweise. Und Angus schien ihm nicht der Mann, der ihm diese Beweise geben konnte. Eher war er verrückt und etwas dümmlich. Wahrscheinlich glaubte er auch noch an Feen und Elfen, so wie Liam seinen Charakter einschätze. Obwohl er gut verstehen konnte, dass man auf solch einer Insel wahnsinnig werden konnte, immer in dem Gedanken daran, dass man sie nicht mehr verlassen konnte. Nie wieder seine Familie sehen, oder seine Freunde. In diesem Bewusstsein dort zu leben, musste schlimm für diese Menschen sein. Aber Liam hatte auch nicht gesehen, dass sie versuchten etwas gegen diesen Zustand zu tun! Er würde alles daran setzen wieder zusammen mit Da'an zurückzukommen. Die große Frage war natürlich wie plötzlich die Kontrollen hatten verrückt spielen können. Um das herauszufinden, müsste er zum Shuttle gehen. Vielleicht wären dort noch ein paar Daten zum Auswerten, die einen Hinweis auf das Warum geben konnten. Vielleicht war es irgendeine Unregelmäßigkeit, aber egal was es war, Liam war sich sicher, dass es ihn nicht lange auf dieser Insel halten könnte.
Blieb nur noch das Problem Da'an. Liam musste ihn in dieser Situation als Problem ansehen. Würde er ihn mitnehmen und sie würden ihn erwischen, wüsste er nicht, was sie mit ihm machen konnten. Er glaubte nicht, dass sie wirklich die Mittel hatten, Da'an ernsthaften Schaden zuzufügen. Dennoch würde es ihm nicht gefallen, wenn sie getrennt würden. Wie sollte er sich dann um Da'an kümmern?
Würde er ihn allerdings da lassen und jemand würde kommen, hätte Da'an keinen Beschützer und Liam wollte ihn eh nicht dort bei diesen Menschen alleine lassen.
Da'ans Gedanken verweilten woanders, bei den Hybriden. Er verstand nicht, wie sie auf die Insel hatten kommen können. Wenn es denn wirklich Hybriden waren. Angus konnte noch nie eines ihrer „Lichtwesen” gesehen haben! Woher wollte dieser also wissen, dass er eines dieser war?
Wie lange diese Hybriden auf dieser Insel wohl schon lebten? Sie hatten kein solches Projekt, erst recht nicht seit Jahren! Denn so lange mussten die Hybriden ja schon da sein, wenn diese Menschen auch schon lange auf der Insel waren.
Aber welchen Sinn hatte es Hybriden zu erschaffen und sie hier auf die Insel zu bringen, die für die meisten Menschen noch nicht einmal existierte und dann auch noch Flugzeuge abstürzen zu lassen? Wieso sollte man so etwas tun sollen? Zu Kriegszwecken? Der Einzige, der ihm einfiel, der die Zeit gehabt hätte so ein Projekt durchzuführen, wäre Ma'el gewesen. Aber dieser war doch Wissenschaftler und hatte auch nichts davon erwähnt! Und nach Ma'els Botschaften hatte Da'an auch nicht gedacht, dass er so etwas tun würde.

Es klopfte an der Tür. Kurz danach trat eine junge Frau ein. Sie schien etwas eingeschüchtert. Ihr Körper war schlank und sie war sogar noch etwas größer als Liam. Ihre Haare waren weiß, zeigten aber Spuren vo rot. Die Augen waren von einem klaren Blau, das Liam sie automatisch mit Da'an vergleichen ließ. Sie war noch jung, ihr Gesicht war ohne Falten und dennoch war ihr Blick alt und traurig. Kurz nach ihr kam ein Mann herein, woraufhin sie sich fast angstvoll beeilte. Ihr gesamtes Auftreten war unsicher, Liam konnte aber ihren Stolz sehen, den sie verbarg. Mit einer leisen, wohl klingenden Stimme sprach sie ihn an.
„Bitte, setz dich dort hin. Man hat mir gesagt du wärst verletzt...”
Sie kam weiter auf ihn zu. Liam winkte ab.
„Es ist nicht schlimm!” setzte sich aber dennoch auf einen Stuhl. Er war sich nahezu sicher, dass das eine der Hybriden war, von denen Angus erzählt hatte. Sie ähnelte in keinster Weise Li'en, diese Frau schien weiter zu sein. Wenn er ehrlich war, konnte er sich nicht vorstellen, dass sie auch nur jemals im Ansatz so wie Li'en gewesen war. Es passte nicht zu ihr. Vielleicht war es aber auch nur so, dass sie unter ihresgleichen aufgewachsen war und mit ihr keine Experimente gemacht wurden. „Wer sind Sie?” fragte er zögernd, irgendwie eingeschüchtert. An ihrer Stelle antwortete der Mann. „Das spielt keine Rolle! Du bist neu und es ist logisch, dass du viele Fragen hast, aber sie werden zur richtigen Zeit schon beantwortet!” Der Frau schickte er einen warnenden Blick zu, die ihren daraufhin senkte und sich vor Liam hinkniete. Mit langen, schmalen Fingern ergriff sie sanft seine Hände. Liam sah ein Aufleuchten an ihren Händen. Sie hatte ein Shaqarava! Demnach musste sie einfach eine Hybridin sein. Er spürte ein leichtes, angenehmes Kribbeln an seiner Hand, als diese heilte. „Danke!” sagte er während er mit Interesse auf sie herab sah.
Etwas verwirrt hob sie den Kopf. Er war anders. Dieser Mann, von dem sie gehört hatte, dass er Liam hieß. In ihm spürte sie eine Energie, die definitiv nicht Taelon war. Er war ihnen ähnlich und dennoch anders. Sie suchte schnell in ihrem Wissen, bevor sie die Energie, die sie in ihm spüren konnte, wieder verlieren würde. Denn für sie war es einfacher, die Art seiner Energie zu bestimmen, wenn sie noch im Kontakt mit ihm war. Obwohl es ja nur eine Möglichkeit geben konnte. Er war offenbar zu einem Teil Kimera! Es war so eingetroffen, wie man es ihnen gesagt hatte. Unwillkürlich lächelte sie. Nun würde sich zwar nicht das Blatt ihrer Situation wenden, aber das des Ganzen. Wenn sie etwas wusste, dann war es, dass Liam wichtig war. Sie mussten ihn nur überzeugen, dass er ihnen auch half. Obwohl sie nahezu sicher war, dass er es tun würde. Wenn sie ihm erst einmal alles gezeigt hätten, würde er sicher ihre Meinung teilen. Man müsste ihn halt nur überzeugen und das ginge wohl am besten durch ihr eigenes Handeln.
Schnell fasste sie sich wieder und stand ruckartig auf. Hastig ging sie wieder zu dem Mann, der sie wieder hinaus zerrte, aber es reichte ihr, dass sie nun wenigstens wusste, dass er endlich da war.

* * *

Se'la öffnete die Augen. Sie war sehr mit den letzten Geschehnissen beschäftigt gewesen. Die Wärme, die sie vorher noch an ihrer Hand gespürt hatte, war fort. Sie sah zur Seite. Li'en lag nicht mehr in ihrem Bett. Der Raum war leer bis auf sie selber.
Se'la kannte diesen Raum schon und auch den Weg durch den Komplex dort hin. Die Umgebung, in der sie sich befanden, war nicht wichtig.
Ein Mann namens Robin hatte sie gefunden und her geführt. Er war mehr als nur unverschämt gewesen, als er zu ihnen gekommen war. Aber sie konnte nicht leugnen, dass er Li'en geholfen hatte, besser als sie es getan hatte. War Li'en deswegen so schnell abgehauen, ohne ihr Bescheid zu sagen? Vielleicht war es ein Fehler gewesen, aber das war die einzige Art die sie kannte... und die einer Hybridin zustand, von einem Taelon. Se'la hätte niemals so gehandelt wie Robin! Die Bewohner schienen wie er ebenfalls auf keinen Fall ganz Mensch zu sein, denn sie verschwanden mit Li'en in einen Raum und als sie hinaus kamen, ging es ihr nahezu schon wieder gut, sie brauchte nur noch etwas Ruhe. Als sie Li'en hinaus trugen- in das Zimmer, in dem sie nun war- hatte Se'la noch kurz die Möglichkeit gehabt ihre Energielinien zu überprüfen. Sie waren wieder hergestellt, es zeigten sich nur noch wenige Defekte, nur der Energiestand war noch beunruhigend niedrig.
Wieso hatte Robin nicht erzählt, dass es noch mehr Hybriden gab? Dass er in einer Stadt lebte war klar, aber wenn sie es bisher richtig gesehen hatte, gab es dort mehr als nur ein paar Hybriden.
Was sie allerdings viel mehr beschäftigte, als der Zustand, in dem Li'en sich befand, war eher wie diese Menschen das geschafft hatten. Wobei noch nicht einmal sicher war, dass es Menschen waren. Se'la hatte lange genug mit Hybriden aller Art gearbeitet, dass sie Energie, die anders war, als normale Menschen sie hatten, sofort spüren konnte. Und diese Leute hatten definitiv nicht die Ausstrahlung eines Menschen. Das was sie bei ihnen gespürt hatte, war so ähnlich wie bei Li'en, nur hatte sie keine Chance gehabt, das auch nachzuprüfen. Man hatte sich zwar ihr gegenüber sehr höflich benommen, aber als man gemerkt hatte, dass sie darauf nicht wirklich einging, hatte man sie in Ruhe gelassen und war ihr fast mit so etwas wie Angst begegnet. Sie legte den Kopf leicht schief, als sie sich neuerlich Gedanken über diese Leute, die sie dort getroffen hatte und offenbar in einer recht großen Stadt lebten, machte. Wenn das wirklich Hybriden waren, konnte man doch sicherlich annehmen, dass sie die gesamte Insel bevölkerten. Und für die Taelons wäre das sehr nützlich. Da das eine Projekt, zugegeben durch ihre und Da'ans Sabotage und Hilfe der Menschen, beendet worden war, müssten sie sich nun nicht mehr so viel Mühe machen, diese erst zu erschaffen. Sie waren ja schon da! Vor allem konnten sie dieses Projekt nun mit Zustimmung der Synode durchführen, es war zwar nicht klar woher sie kamen, was man natürlich auch noch erforschen musste, aber man hätte nun die Chance sie auch in ihrer Entwicklung zu beobachten. Die Insel war größer, man konnte größer angelegte Experimente durchführen, vielleicht auch Kämpfe, die in einem Areal statt fanden. Eine kleine Forschungsstation konnte sicherlich gebaut und gesichert werden, Problem wäre nur, dass man ihre Intelligenz nicht eingeschränkt hatte, sie demnach viel Schaden anrichten könnten. Zudem war da noch die Tatsache, dass alle diese Hybriden- Se'la ging einfach davon aus, dass es welche waren- nur in Freiheit gelebt hatten. Li'en und die anderen ausihrem Projekt waren nichts anderes gewohnt und fügten sich einfach. Diese würden auf jeden Fall Widerstand leisten. Man müsste dann natürlich auch ausprobieren, ob Implantate bei Hybriden wirkten, wäre dies der Fall könnte man sie so kontrollieren, wenn nicht, müssten sie neue Möglichkeiten finden. Und natürlich verhindern, dass sie von der Insel fliehen konnten. Insgesamt wären diese Experimente wohl aufschlussreicher, als das Projekt, dass sie nun schon seit Jahren führten, und natürlich auch noch mit weniger Aufwand. Die Synode wäre davon mehr als begeistert. Nun müsste es Se'la nur noch schaffen, das Vertrauen des Synodenführers wieder zu gewinnen, damit sie an diesem Projekt ebenfalls teilnehmen konnte. Dabei hätte sie dieses Mal keine Probleme damit, die Hybriden wären in einer Art immer noch frei, Se'la würde sie nicht verkümmern sehen, was ihr immer auch weh getan hatte. Das Potential, das sie hatten nicht ausüben können, würde nun nicht verloren gehen. Es eröffneten sich völlig neue Perspektiven in dieser Art der Forschung. Se'la konnte sich kaum vorstellen, welche Ergebnisse damit erzielt werden könnten! Interessant würde es werden, vor allem wenn man einige Hybriden in bestimmten Situationen alleine ließ und zusah, wie sie überlebten. Natürlich konnte dies erst später gemacht werden, man musste erst dafür sorgen, dass sie abhängig von den Taelons wurden. In ihrem jetzigen Zustand waren sie zu selbstständig, als dass diese Experimente wirklich neuartige Ergebnisse erbringen konnten.
Se'la begann bereits weiterführende Pläne zu machen. Die etwas Älteren konnte man schon in den Kampf schicken, sie hatten keine andere Wahl. Die Jüngeren wären leichter beeinflussbar, schon alleine weil die Älteren nicht mehr anwesend waren, was ihnen einen großen Vorteil verschaffen würde. Das einzige, was Se'la noch machen musste, war Zo'or zu finden und ihn davon zu überzeugen, was ihr nicht schwer fallen würde. Schwieriger würde es werden, selber an dem Projekt teilzunehmen. Ji'tal hatte schon sehr deutlich gemacht, dass er das, was sie ihm erzählt hatte, nicht glaubte und sie so schnell nicht aus den Augen lassen würde. Er wäre auf keinen Fall damit einverstanden, dass sie wieder als Wissenschaftlerin tätig sein dürfte. Da müsste sie eine Art von Beweis finden, dass sie tatsächlich nicht an der Flucht der Hybriden beteiligt gewesen war. Es hatte leider nur ein Hybrid, Li'en überlebt. Und alle wussten auch, dass ein Hybrid überlebt hatte, man hatte über jeden genau Protokoll geführt und alle verzeichnet. Sicher, alle Dateien waren zerstört, das hieß aber nicht, dass Ji'tal, oder auch ein anderer beteiligter Taelon an diesem Projekt nicht wusste, wie viele Hybriden sie gehabt hatten. In ihrem jetzigen Auftreten würde niemand Li'en wieder erkennen können. Nur Se'la und Da'an wussten, wer sie war.
Se'la verlor kurz ihre Fassade als ihr klar wurde, worüber sie in diesem Moment nachdachte. Li'en könnte ihr helfen, wieder angesehen zu werden und das Vertrauen des Synodenführers zu genießen. In Gedanken versuchte sie sich bereits zu rechtfertigen. Ihr Leben auf dieser Insel wäre besser als auf einer Forschungsstation, abgesehen von den Experimenten. Aber ihr Leben wäre doch auf jeden Fall besser, als vorher!
Se'la stand auf, öffnete die Tür und trat hinaus auf den Gang. Sie musste sich erst einmal über ihre Gedanken klar werden. Vor Monaten hatte sie Li'en gerettet mit anderen und nun wollte sie genau das Gegenteil von dem tun, was sie vorher getan hatte und noch mehr!
Unbeeindruckt von den Bildern auf dem Boden und den Tüchern an den Wänden ging sie den Gang entlang. Sie hatte dies alles schon gesehen, als man sie her geführt hatte und es beeindruckte sie wenig. Ein schwacher Versuch der hier lebenden den Eindruck von Lebendigkeit zu erwecken, nichts weiter. So gesehen waren diese Behausungen, auch wenn sie eine gewisse Schönheit nicht leugnen konnte, noch unterentwickelter, als die der Menschen im Allgemeinen! Noch nicht einmal so etwas wie Elektrizität schien es zu geben, auf jeden Fall hatte sie noch keine Leitungen gesehen, oder Lampen, die in den Städten der Menschen dominierten. Was sie sonst als Lichtquelle noch nutzen konnten, war ihr nicht klar.
Sie ging genau den Weg, den Li'en schon vorher eingeschlagen hatte und so dauerte es nicht lange, bis sie an der Kreuzung angekommen war, die auch Li'en schon vorher erreicht hatte. Se'la fiel auf, dass sie diesen Weg, als sie das erste Mal her geführt worden waren, nicht genommen hatten, sondern einen anderen. Bei ihrer Richtungswahl hatte sie nicht allzu sehr darauf geachtet, erst als sie vor den Fenstern und der weißen Wand stand, fiel es ihr auf.
Die Fenster waren große Bögen mit einer verschnörkelten Verzierung, die für Se'la keinen Sinn ergaben. War es nur eine Dekoration, oder hatte es wirklich eine Bedeutung? Es passte aber gut in ihre Umgebung.
Se'la hatte schon als sie näher gekommen war, Geräusche gehört, die sie jetzt, da sie lauter waren, als Lachen identifizieren konnte. Langsam trat sie an eines der Fenster und sah hinaus, direkt in einen großen Garten. Was allerdings viel mehr ihre Aufmerksamkeit auf sie zog, waren weniger die Bäume und Blumen, sondern eher Li'en und ein vielleicht 13 Jahre altes Mädchen, Se'la war sich dessen nicht so sicher. Ihr Umgang mit den Menschen beschränkte sich auf die Wissenschaftler und bei denen war es eigentlich egal, wie alt sie waren. Dieses Mädchen war auf keinen Fall erwachsen, dafür war sie zu klein und auch ihre Verhaltensweise sprach dagegen. Beide waren in ein ausgelassenes Spiel vertieft, was bei Li'en einen etwas merkwürdigen Eindruck erweckte, da sie größer war, als dieses Mädchen und alleine schon deswegen erwachsen wirkte. Wenn Se'la sich allerdings ihren Gesichtsausdruck ansah und das Strahlen in ihren Augen, sah sie doch eher wie ein Kind aus. Mehr noch, wie ein sehr glückliches Kind. So hatte Se'la sie noch nie gesehen und dieses Bild gefiel ihr eigentlich gut.
Gleich darauf war sie aber auch besorgt. Sie kannten diese Leute, die dort lebten nicht und wussten auch nicht, warum sie Se'la und Li'en nun wirklich gerettet hatten. Vielleicht hatten sie auch etwas vollkommen anderes vor! Sie konnten durchaus gefährlich sein und es war wohl das beste, wenn Se'la sie dort heraus holen würde.
Obwohl sie zugeben musste, dass Hybriden wohl kaum eine Gefahr für Li'en werden konnten. Nach dem, was sie bisher bei Robin erlebt hatte, derart respektlos wie er war, könnten sie wohl eher eine Gefahr für sie selber werden, allein aus diesem Grund wollte sie Li'en bei sich haben. Ganz ohne einen Beschützer, sie hatte noch nie einen gehabt, war aber auch noch nie außerhalb der Basis gewesen, wo man ihr mit Furcht und Respekt begegnete, an diesem Ort fühlte sie sich nicht wohl. Da war es besser mit jemanden zusammen zu sein, der war, wie ihre Umgebung und von der sie wusste, dass er ihr nichts tun würde. Niemals würde Li'en es wagen!
Bevor sie allerdings ihren Entschluss in die Tat umsetzen konnte, Li'en dort so schnell wie möglich raus zu holen, hörte sie leise Schritte hinter sich. Etwas zu schnell drehte sie sich um.
Vor ihr stand ein großer Mann. Er sah Robin ähnlich, allerdings hatte er einen leichten Braunton in seinen Haaren, auch waren seine Augen etwas dunkler. Insgesamt erschien er Se'la nicht ganz so hell, wie Robin, der einen sehr ungewöhnlichen Eindruck auf sie gemacht hatte.
„Du brauchst dir keine Sorgen um sie zu machen! Ihr wird hier nichts passieren, Leonara wird auf sie achten!” sagte der Mann mit einem Lächeln. „Mein Name ist Rick” fügte er noch an.

Rick wollte immerhin nicht, dass der Taelon ihn für einen Fremden hielt, wobei es ihm schon alleine eine Ehre war einem Taelon gegenüber stehen zu dürfen.
Er schaute kurz in den Garten hinein. Leonara erfüllte ihre Aufgabe mit Li'en wirklich gut. Die Auswahl in Bezug darauf war richtig gewesen. Sie war nicht viel älter als Li'en und auch vom Wesen her waren sie sich leicht ähnlich. Natürlich nicht so sehr, wie alle es gerne gehabt hätten, aber so jemanden wie Li'en gab es dort einfach nicht. Sie war zu sehr durch die Experimente geschädigt worden, als dass irgendjemand ihren Gedanken entsprechen könnte. Aber vielleicht wären sie in der Lage Li'en ihnen anzupassen. Dieser Taelon würde dabei eher hinderlich sein und er würde Li'ens jetzigen Zustand nur beenden. Aus diesem Grund war es nötig ihn von diesem Mädchen zu trennen. So konnten sie dieses verändern und den Taelon vielleicht auch... oder zumindest doch auf ihre Seite ziehen, dass er ihnen half. Und dies würde sehr einfach gehen.

Se'la nickte auf seine Aussage hin bloß. Sie war geneigt ihm zu vertrauen, er hatte etwas Vertrauenerweckendes. Dennoch störte sie auch etwas an ihm.
„Wenn ich mich nicht irre, ist es eine Eigenart der Menschen, jemanden mit der Höflichkeitsform anzusprechen!” sagte sie und rührte sich nicht von der Stelle. Robin hatte wenigstens diese Art von Anstand gehabt, alle Menschen siezten sie und zeigten wohl so ihren Respekt. Dass dieser es nicht tat, war etwas Ungewohntes für sie und gleichzeitig auch fast schon etwas Unverschämtes.

Verlegen sah er den Taelon an. Das hatte Rick vollkommen vergessen. Aber weil in ihrer Stadt derartige Umgangsformen einfach nicht herrschten, hatte er nicht daran gedacht, dass dieser Taelon darauf bestand. So weit er wusste, behandelten sich auch Taelons nicht so untereinander. Rick war dieser Fehler mehr als unangenehm, immerhin wusste auch er, wie die Taelons von den Menschen außerhalb der Insel behandelt wurden und dass er wohl in den Augen dieses Taelons ebenfalls nicht mehr als ein Mensch war. Vielleicht war auch ein Hybrid einfach nicht hoch genug, um mit den Taelons auf einer Ebene zu kommunizieren, das sah er ein. Und er erkannte in diesem Augenblick ebenso, dass er es sehr an dem nötigen Respekt hatte mangeln lassen. Schnell formte er den Taelongruß und begrüßte ihn auch auf Eunoia. Dann sprach er weiter. „Es tut mir leid, wenn ich Euch beleidigt haben sollte! Wir sind es gewohnt ohne Höflichkeitsformen zu reden! Darf ich nun auch Euren Namen erfahren?”

Se'la gefiel dieses Verhalten schon besser. „Mein Name ist Se'la! Und ich erwarte, dass Sie mir ein paar meiner Fragen beantworten!” Sie sprach bestimmt und würde auf keinen Fall eine Widerrede oder Ausflüchte dulden.

„Natürlich. Bitte kommen Sie mit. Ich bringe Sie zum Vorsitzenden.” Mit einer einladenden Geste drehte er sich um und ging vor Se'la den Gang entlang.
Nur wollte Se'la noch nicht gehen. Li'en war krank gewesen, sie konnte sie nicht dort lassen. Erst recht nicht in den Händen eines weiteren Mädchens, eines Kindes, kaum älter als Li'en! Sie würde gar nicht wissen können, wann sie Ruhe brauchte. Kinder, so unerfahren wie sie beide waren, konnten das auf keinen Fall beurteilen!

Rick merkte, dass Se'la nicht wirklich mitkommen wollte. Wahrscheinlich machte sie sich immer noch Sorgen. Konnte sie denn nicht verstehen? Eigentlich hatte er keine Ahnung wie alt sie war, aber seiner Meinung nach musste sie noch jung sein, wenn sie das einfach nicht verstehen konnte! „Glauben Sie mir, Li'en ist hier vollkommen sicher! Leonara wird mit ihr bald zum „Haus der Heranwachsenden” gehen, dort werden auch ältere Hybriden sein, falls Ihnen das Sorgen macht,” versuchte er Se'la mit einem leichten Lächeln noch zu beruhigen, während er sich nach ihr umdrehte.

Immer noch etwas widerstrebend folgte Se'la ihm schließlich. Langsam führte Rick sie durch die Gänge. Er hatte keine Eile, der Vorsitzende wäre die ganze Zeit da und wann Se'la ankam, war nicht von Bedeutung. Auch schien der Taelon nicht wirklich in Eile zu sein. Wahrscheinlich waren seine Gedanken hauptsächlich bei diesem Mädchen, Li'en. Rick war wie alle froh, dass es bei ihnen war. Dort draußen wäre es zu sehr in Gefahr gewesen und nach dem, was er von Robin erfahren hatte, war es höchste Zeit gewesen, dass sie mal mit ihres gleichen zusammen kam. Und mit Leonara schien sie sich wirklich gut zu verstehen. Eine Frage von Seiten Se'las riss ihn wieder aus seinen Gedanken.
„Wir müssen das Gebäude nicht verlassen?”
Sie waren in einem großen Raum angekommen. Auch dort waren keine Lichtquellen zu sehen.
„Nein! Ihr wart in einem Komplex mit den Gastquartieren der Mitglieder des Rates, so ist hier auch der Versammlungssaal,” antwortete Rick etwas verspätet.
Rick ging sofort weiter auf eine große Flügeltür zu. Sie schimmerte leicht golden, war aber von einem dunklen Braun. Hier waren auch die Wände etwas anders, es hingen keine Tücher von den Wänden. Statt dessen waren sie mit Holz getäfelt, das ebenfalls leicht schimmerte. Auf dem Boden war ein warmer, roter Teppich ausgelegt. Insgesamt wirkte der Raum, im Vergleich zu den anderen, sehr dunkel und passte nicht ganz in das Bild, was sich Se'la von der Stadt und den Räumen der Hybriden gemacht hatte. Fast war es für sie ein Schock, so etwas an diesem Ort zu sehen, der so voller Bewegung schien und nun plötzlich wieder so typisch menschlich- so starr- war!
Auf der linken Seite des Raumes war eine weitere, ebenso große Tür.
Rick öffnete die Tür einen kleinen Spalt. Als Se'la ihm folgen wollte, machte er nur eine verneinende Geste und bedeutete ihr, auf ihn zu warten. Etwas verstimmt blieb Se'la in diesem Raum. Wie konnte ihr ein Hybrid, auf so einer Insel, verbieten ihm zu folgen? Sie hatten doch nichts zu sagen!
Aber sie musste nicht lange warten, da öffnete sich die Tür ein weiteres Mal und diesmal schob Rick die Tür nahezu ganz auf. „Sie können nun hinein gehen, La'non ist bereit Sie zu empfangen.” Mit diesen Worten durchquerte er den Raum und ließ Se'la alleine.
*Natürlich wird er mich empfangen! Ich bin ein Taelon und wenn er keine Probleme mit uns haben will, wird er uns wohl entgegen kommen müssen!* dachte Se'la empört. Wieso hatte dieser Rick überhaupt gefragt?
Mit sicheren Schritten ging sie auf die Tür zu, machte sich, als sie eintrat, allerdings nicht die Mühe diese auch wieder zu schließen, dafür war sie nicht zuständig.
Dort waren die Wände wieder, wie sie es von dem Rest des Gebäudes kannte, verhangen. Leicht bewegten sich die Tücher im Wind und ließen viel Licht durch die Fenster hinein. Se'las Aufmerksamkeit wurde allerdings mehr von einem Sessel am Ende des Raumes eingenommen, welcher der einzige Einrichtungsgegenstand war, den sie sehen konnte. In dem Sessel saß, etwas in den Kissen eingesunken, ein älterer Mann. Er hatte leicht ergraute Haare, die früher einmal schwarz gewesen sein mussten. Seine Augen waren von einem matten Blau, das Gesicht voller Falten. Er strahlte eine Art von Würde und Weisheit aus, neben der sein Alter nebensächlich wurde.
Mit einem leichten Wink seiner blassen Hand, die er dafür schwach von seiner Lehne hob, bedeutete er Se'la sich hinzusetzen. Zu ihrem Erstaunen, sah sie in der Ecke, in die er gezeigt hatte, einen Stuhl, wie sie ihn aus ihren Gebäuden kannte. Er schien sogar aus dem selben Material zu sein. Langsam ließ sie sich darauf nieder. Auf den fragenden Blick Se'las antwortete er nicht.
„Mein Name ist La'non. Ich hoffe du hast dich hier bisher wohl gefühlt?” stellte er sich vor. Die Frage hatte er deutlich besorgt gestellt. Dennoch antwortete Se'la nur mit einem Nicken und dachte nicht daran ihn zu beruhigen, wie wohl sie sich wirklich fühlte. Allerdings schien ihm dies als Antwort zu reichen, ihm war wohl klar, dass wenn sie sich nicht wohl fühlen würde, sie sich auch anders benehmen würde. Se'la hatte fast überhört, dass er sie, wie auch Rick zuvor schon, nicht mit einer Höflichkeitsform angesprochen hatte. Dieses Mal schwieg sie dazu. Es war ihr eigentlich niemals wirklich wichtig gewesen und aus irgendeinem Grund wollte sie La'non nicht so behandeln wie Rick zuvor.
„Ich soll dir ein paar Fragen beantworten? Nun, ich denke ich fange mit der augenblicklichen Situation auf unserer Insel an...”
Se'la ließ ihm erst gar keine Zeit auszusprechen. „Entschuldige bitte, aber vorerst würde ich noch etwas abklären. Ist Li'en wieder vollkommen gesund? Sie schien mehr zu haben, als nur eine Art von Krankheit...?”
Se'la war natürlich klar, dass ihre Frage für einen Taelon in ihrer Position mehr als ungewöhnlich war, vor allem da Li'en ihr Experiment war. Aber sie musste auf jeden Fall wissen, was wirklich mit ihr los gewesen war. Das, was er von ihr empfangen hatte, war mehr als nur beunruhigend gewesen. Ihre Handlungsweise ließ sich leicht damit rechtfertigen, dass ihre Beobachtungen an Li'en dadurch verfälscht werden konnten.
Einen Moment lang runzelte La'non die Stirn, dann lächelte er plötzlich.
„Sie ist ein Experiment und dennoch sorgst du dich um ihr Wohlergehen?” Er klang etwas erstaunt, was aber eigentlich nur gespielt war. Er wollte mehr über diesen Taelon erfahren, sein Verhalten vor allem gegenüber Li'en, war interessant.
„Natürlich! Gerade weil sie es ist. Ich kann es mir nicht leisten, dass sie in irgendeiner Art Schaden nimmt. Dann ist sie für weitere Untersuchungen nutzlos!”
„Das passt aber nicht zu deiner Verhaltensweise ihr gegenüber. Ich denke nicht, dass du es gutheißen würdest, wenn Li'en dies erfahren würde...?”
La'non beobachtete wie Se'la einen Moment ihre Fassade verlor und ihr Erschrecken zeigte. Das allerdings auch nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle. La'non ließ sich nicht anmerken, dass er es registriert hatte, aber er fühlte sich bestätigt in seinen Vermutungen, verlangte allerdings nicht, dass Se'la darauf antwortete.
„Li'en ist körperlich wieder wohl auf. Um den Rest wird sich Leonara kümmern”, sagte er so nur, mit einem leichten Lächeln.
Das schien Se'la allerdings nur leicht zu beruhigen, aber sie musste lernen ihnen zu vertrauen. Beide waren in ihrer Stadt und hatten keine andere Wahl.

„Ihr seid Hybriden!” stellte Se'la fest, obwohl sie sich noch gar nicht sicher war, dass dem so war. La'non bestätigte ihre Vermutung nur mit einem Kopfnicken. „Was war mit Robin los, als er uns holte? Er schien wegen etwas beunruhigt!”
„Das war er. Warum dem so ist, ist eine lange Geschichte. Ich werde sie dir nun erzählen, wie sie uns seit Jahrhunderten erhalten geblieben ist.
Die Insel existiert schon seit Jahrhunderten, obgleich wir nicht schon immer auf ihr gelebt haben. Sie war jedem bekannt, aber kaum besiedelt. Du weißt ja als Taelon, dass Ma'el vor Jahrtausenden auf die Erde kam, hier gelebt hat und gestorben ist. In uns haben wir zwar Taelonenergie und auch viel des Wissens der Taelons wurde uns gegeben, aber weder wurde uns mitgeteilt wie noch warum wir entstanden sind. Ma'el war es, der uns die Energieduschen gegeben hat, die wir allerdings nur für kurze Zeit brauchen, wir sind nicht abhängig von der Energie, die sie uns geben.
Wir haben uns von Anfang an auf dieser Insel niedergelassen, waren nur selten auf dem Festland. Allerdings trieben wir gerne mit den umliegenden Ländern Handel, obwohl sie nicht viel hatten, was wir brauchten. Aber wir wollten nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen, was wir eigentlich schon taten, die Menschen spürten einfach, dass wir anders waren. Einige griffen uns sogar an, ein weiterer Grund warum wir niemals unsere Insel verließen, man hätte uns gejagt. Und eigentlich sind wir sehr friedlich, wir wollten niemals mit den Menschen kämpfen, schon alleine, weil sie uns unterlegen sind.
Damit wir nicht in Konflikte hineingeraten konnten, entwickelten unsere fähigsten Wissenschaftler eine Maschine, die dafür sorgte, dass wir für die Menschen der äußeren Welt verschwanden. Wir fanden heraus, wie man einen bestimmten Abschnitt dieser Welt zwischen die Dimensionen bringen kann. Wir brachten diese Insel also nicht in eine andere Dimension, auch dort hätte es nach einiger Zeit wieder Probleme gegeben, sondern dazwischen. Für uns existiert außerhalb der Insel nur noch ein wenig Meer, danach ist das Ende der Reichweite der Maschine erreicht. Für sehr lange lebten wir unter diesen Umständen in Frieden.
Dann aber bekam unsere Maschine Fehlfunktionen, die wir trotz langen Suchens nicht gefunden haben, und brachte Flugzeuge oder auch Schiffe auf diese Insel. Wir können es uns noch nicht erklären, aber offenbar verursacht dieser Fehler eine Öffnung, durch die man immer, wenn eine derartige Fehlfunktion auftritt, gelangen kann. Wir wissen, wie man wieder von hier weg kommt, allerdings nutzt es den Menschen nicht viel. Mit einem Shuttle könnte man wieder zurückkommen, auch ohne eine Fehlfunktion, bei der wir nie wissen wann sie auftritt. Wir sehen es nur, wenn wir Besuch wie euch bekommen! Wir sind nur leider nicht in der Lage ein Shuttle zu bauen.
Wir wollten dies den Menschen allerdings lieber nicht sagen. Erst blieben sie in unseren Städten und lebten mit uns zusammen. Als dann mehr Menschen kamen, nahmen wir auch diese in unseren Städten auf. Wir hatten auch nichts dagegen, dass sie sich zusammenschlossen und sich mehr und mehr von uns zurückzogen. Viele verließen unsere Stadt.
Bald forderten sie zurückgebracht zu werden, wobei wir ihnen nicht helfen konnten. Daraufhin wurden sie aggressiv, drohten uns, uns umzubringen, was sie auch mehrfach in die Tat umsetzten.
Nun entschlossen auch wir uns zu einem wichtigen Schritt. Wir schlossen uns in dieser Stadt zusammen, zu reisen war einfach zu gefährlich. Die anderen Städte verfielen, die Menschen wollten sie nicht die Mühe machen sie zu erhalten, da sie von uns waren. Ein paar Menschen leben auch noch hier mit uns in Frieden, sie wollen wie wir keinen Krieg und niemand hat etwas dagegen, dass sie bei uns leben. Die anderen Menschen leben in Gemeinschaften im Wald. Sobald wir die Stadt verlassen, besteht die Gefahr, dass wir überfallen werden. Aus diesem Grund musste Robin sich beeilen, er ist ein hohes Risiko für euch eingegangen. Aber wir konnten euch nicht da lassen, die Menschen hätten euch gefunden und euch umbringen wollen. Bei dir hätte man das nicht geschafft, nicht mit ihren Waffen, allerdings wäre es kein Problem für sie gewesen, Li'en umzubringen.
Es gibt auf dieser Insel allerdings auch noch eine dritte Gruppe. Das sind Hybriden wie wir, allerdings wollen sie sich das Verhalten der Menschen nicht gefallen lassen und kämpfen gegen sie und leider auch gegen uns. Die Menschen hassen sie, weil diese den Frieden zerstört haben und uns, weil wir in ihren Augen schwach sind, da wir uns nicht auf ihre Weise wehren.” La'non schloss die Augen. Eine Weile war es still. Se'la verstand langsam und sie sah auch die Gefahr in der Liam, Da'an, Zo'or und Sandoval waren.

Beide unterhielten sich noch und es wurde beschlossen, eine Gruppe los zu schicken, um herauszufinden wo sich die anderen aufhielten. Es bestand eine geringe Hoffnung, dass noch keine der Parteien sie gefunden hatten. La'non versicherte Se'la, dass es für sie auf jeden Fall eine Ehre war ihnen, den Taelons, zu helfen.
Se'la wurde auch gleich darauf angeboten sich auszuruhen, auch unter einer Energiedusche, was sie allerdings ablehnte. Sie fühlte sich noch kräftig genug, als dass sie sich unbedingt hätte regenerieren müssen. Vielleicht würde sie sich die Stadt ansehen, das Angebot La'nons zu einer Begleitung lehnte sie wieder ab, sie würde sich auch alleine zurecht finden. Es wäre ihr in der jetzigen Situation lieber alleine über alles nachdenken zu können.
Se'la versprach ihm allerdings noch, sobald die anderen in der Stadt waren, eine Lösung des Problems mit ihnen gemeinsam zu finden. Später sollte man ihr den Plan zu der Maschine geben, damit sie ihn schon studieren konnte, um eventuelle Fehlerquellen schon im Voraus zu finden und damit Zeit zu sparen. Vielleicht könnte ihr sogar Li'en dabei helfen, einiges von dem Wissen was sie hatte, könnte nützlich sein. Obwohl Se'la den Verdacht hatte, dass sie noch vieles zurückhielt. Eine Verschwendung! Sie konnte nichts dagegen machen, dass sie dachte: ‚Wäre sie auf einer Forschungsstation, mit entsprechenden Zielen, hätte so etwas niemals passieren können!’

* * *

Leonara und Li'en hatten sich mittlerweile ausgetobt und waren auf dem Weg zum „Haus der Heranwachsenden”. Auch die Straßen bestanden aus vielen Mosaiksteinchen, die geometrische Muster bildeten und Linien, die ineinander verschwammen. Die Häuser waren meist nur ein Stockwerk hoch und weiß. Irgendetwas ließ sie im Sonnenlicht glitzern und funkeln, so dass sie in allen Farben zu leuchten schienen. Bewundernd schaute sich Li'en um, auch Leonara teilte diese Bewunderung.
„Woher kommt das Funkeln?”
„So genau weiß ich das auch nicht. Ich glaube es sind winzig kleine Kristalle oder Diamanten, die in der Farbe enthalten sind.”
„Sind Kristalle oder auch Diamanten nicht teuer? Und sie müssen doch auch richtig geschliffen werden.”
„Sie haben keinen Wert. Es gibt bei uns nicht so etwas wie Geld, wie du es von der äußeren Welt her kennst.”
Li'en ging nicht weiter auf dieses Thema ein. Trotz, dass sie in dieser Welt lebte, hatte sie noch immer nicht den Sinn von allem verstanden und ihre Lebensweise, die der Hybriden, erschien ihr verständlicher, als die Welt, in der sie nun schon einer ganzen Weile lebte. Es fühlte sich richtig an, dass sie auf dieser Insel war, als gehörte sie dort hin, was durchaus auch richtig sein konnte, immerhin lebten dort Hybriden, etwas anderes als richtig konnte es ja dann nicht sein. Dennoch hatte sie noch ihre Bedenken. Die einzige die sie bisher von all den Bewohnern der Insel kennen gelernt hatte, war Leonara gewesen, aber sie musste nicht die Norm für alle sein. Vielleicht gab es auch viele, die nicht sehr begeistert sein würden, dass dort eine fremde Hybridin war, die nun eine Weile bei ihnen blieb, mindestens so lange, bis sie einen Weg von der Insel gefunden hatten. Auch unter Menschen hatte sie das schon des öfteren beobachten können. Einige akzeptierten Fremde sofort und behandelten sie mit der Freundlichkeit, wie sie auch jemanden behandelten, den sie nicht kannten. Andere wollten gar nichts mit anderen zu tun haben, oder wurden sogar gewalttätig. Wer sagte ihr, dass es dort nicht ebenso war?
Plötzlich wollte sie lieber nicht mehr zum „Haus der Heranwachsenden” gehen. Dort würde sie andere treffen. Li'en konnte vielleicht die Abneigung von normalen Menschen vertragen, aber sie könnte es niemals ertragen, wenn Ihresgleichen sie ablehnen würden.
Dafür war es allerdings schon zu spät. Sie waren vor dieser Einrichtung angekommen, was man allerdings nicht als Haus bezeichnen konnte. Es war eher eine riesige Anlage, die nur ein Stockwerk hatte, dahinter waren allerdings auch noch Gebäude, die nur ein Erdgeschoss hatten. Leonara führte Li'en, obwohl sie leise etwas einwenden wollte, zu einer großen Flügeltür. Sie brauchte nicht viel Kraft, um diese zu öffnen, auch wenn sie sehr schwer zu sein schien. Beide traten in eine große Halle hinein, von der viele Gänge und Räume abzweigten. Es war vollkommen still, ihre Schritte hallten nur leicht in dem Raum wider, wobei Li'ens doch noch etwas lauter waren. Stimmen waren keine zu hören. Das Gebäude schien wie ausgestorben.
„Wieso ist es hier so still? Auch als wir hier durch die Stadt gingen, habe ich niemanden gesehen, oder gehört...” fragte Li'en flüsternd.
„Die meisten in dieser Stadt sind noch jung,” begann Leonara in ihrer normalen Stimme zu erklären. „Einige sind gerade mal so alt wie du und ich und andere älter. Nur La'non und Lea sind wirklich alt. Sie sind die Ältesten. Den Jungen wird hier beigebracht wie sie ihr Wissen anwenden und ihr Shaqarava bis zu einem gewissen Grad kontrollieren können. In diesem Haus ist es aus diesem Grund immer still, für unser Studium und für die Übungen brauchen wir viel Ruhe. Allerdings werden zu dieser Zeit die meisten im Garten sein und spielen.”
„Was ist hinter den Türen?”
„Hier unten sind die Privaträume der Betreuer, oben sind die Übungs- und Studierzimmer. In den Gebäuden, die kein Obergeschoss haben, wohnen die Jungen, die hier auch unterrichtet werden, so wie ich. Es gibt dort auch noch Rückzugsräume.”
„Dürft ihr nicht zu Hause bei euren Eltern wohnen?”
In Li'ens Augen war das schon fast grausam. Wie konnte man den Eltern nur ihre Kinder fort nehmen, nur damit sie in diesem Haus leben konnten. Trainiert werden konnten sie ja auch so, ohne dass sie ihren Eltern fort genommen wurden. ‚Ich hätte gerne Eltern gehabt, die sich um mich kümmern können.’
Leonara musste gespürt haben, wie sich Li'en gefühlt hatte und auch was sie darüber dachte, wenn sie das auch nur mehr ahnen konnte.
„Die Kinder gehören der Gemeinschaft und werden hier von allen aufgezogen. Natürlich kennt jeder seine Eltern und kann auch jederzeit zu ihnen gehen. Niemand muss hier bleiben. Du kannst diese Einrichtung wohl am ehesten mit einem Internat vergleichen, wenn du weißt was das ist?”
Li'en war erleichtert. Demnach war es doch etwas anders, als sie gedacht hatte.
„Es ist schon spät.”
Beide sahen aus einem der Fenster. Es war dunkel geworden, sie hatten gar nicht mitbekommen, dass sie schon so lange unterwegs gewesen waren. Leonara zögerte, aber noch bevor sie etwas sagen konnte, hörte sie Schritte.
Als sie sich umdrehten, um zu sehen, wer da auf sie zukam, immerhin hatte Leonara vorher noch behauptet die meisten würden im Garten sein und spielen, sahen sie eine junge Frau vor sich stehen. Sie war nur ein wenig größer, als Li'en, hatte blonde Haare und blaue Augen. Sie schien von einer Kraft erfüllt, die Li'en noch niemals bei jemandem gespürt hatte, auch Leonara hatte diese Art der Ausstrahlung nicht.
Leonara formte sofort die traditionelle Geste, die Li'en eigentlich mehr von den Taelons kannte. Dennoch ahmte sie Leonara nach, es schien nicht falsch zu sein.
Die junge Frau lächelte sie freundlich an und sagte mit einer weichen Stimme: „Du bist also das Kind, das Robin gebracht hat. Mein Name ist Relaya und ich bin die Leiterin dieses Hauses, für ein paar meiner Jahre.”
Li'en reagierte etwas gereizt. „Kennen mich hier eigentlich alle? Ich kenne gerade mal Leonara und nun dich!”
„Die Kunde von deinem Besuch hat sich schnell herum gesprochen, wir haben nicht oft die Freude hier jemanden als Gast begrüßen zu dürfen, noch nie hatten wir jemanden von außen hier, der so war wie wir! Li'en, hat dich Leonara schon herumgeführt?” Bei diesen Worten sah sie Leonara aufmerksam an. Diese nickte nur etwas eingeschüchtert und Relaya wandte sich wieder lächelnd Li'en zu.
„Du bist eine von uns, weswegen du hier mehr als nur willkommen bist. Ich möchte dir vorschlagen heute in diesem Haus zu übernachten. Das Essen habt ihr leider verpasst, aber ich kann euch welches aufs Zimmer schicken. Du kannst dich morgen weiter umsehen. Wir haben einen wunderschönen Garten hier und sind in der Nähe vom Strand. Vielleicht möchtest du auch andere in deinem Alter kennen lernen?”
Erfreut nickte Li'en. Alles was Relaya erzählte, gefiel ihr sehr. Die Personen, die sie bisher kennen gelernt hatte und selbst das Haus, strahlten Wärme aus. Endlich war sie nicht mehr alleine und hatte viele, die so waren wie sie, um sich herum.
Sie sah Leonara an, auch diese lächelte sie erfreut an.
„Leonara wird dir dann euer Zimmer zeigen. Ich denke du würdest diese Nacht lieber nicht alleine in einer fremden Umgebung schlafen.” fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu. Wieder fühlte Li'en Dankbarkeit und folgte Leonara.

 

Ende von Kapitel 4

 

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