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  „Eine fast unmögliche Handlung” von Se'la   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Dezember 2003
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Liam redet mit Se'la über Li'en und Weihnachten. Li'en bekommt zu Weihnachten eine besondere Überraschung.
Zeitpunkt:  Zwischen „Li'en” und „Insel der Vergessenen”
Charaktere:  Liam, Se'la, Li'en, (Renee), Rafaella
Anmerkung:  Diese Geschichte wurde als Teil des Adventskalenders 2003 geschrieben.
 

 

EINE FAST UNMÖGLICHE HANDLUNG

Kapitel 3

 

Liam trieb sich auf dem Mutterschiff herum. Nach dem enttäuschenden Versuch, mit Li'ens Mutter zu reden, hatte er es nur kurze Zeit zu Hause ausgehalten. Gerade so lange, dass er sich seiner Verkleidung entledigen konnte. Dann war er bereits wieder hinaus gegangen, unruhig und auch unzufrieden mit sich selbst.
Da'an brauchte ihn nun gerade nicht, aber er war unter dem Vorwand dort hinauf geflogen, für Augur vielleicht ein paar Passwörter herunter zu laden. In Wirklichkeit wollte er nicht nur das tun, sondern auch nach Li'en sehen. Nun würde er ihr irgendein normales Geschenk machen müssen, was er in jur mit ihrem Gold? Rot war doch viel schöner!
Liam zog sie zu einer Bank mehr in der Mitte der Kirche, damit sie nicht weiterhin mitten im Weg stehen blieb und die Besucher, die nachkamen, behinderte. Langsam wurde Li'en wirklich unruhig. Warum wartete man nur auf die Restlichen, die kommen wollten? Man konnte doch pünktlich anfangen und wer dann nicht da war, hatte halt Pech! Und wer keinen Platz hatte, ebenfalls. Sie hatte ja nun einen Platz.
Den Blick stetig nach vorne gerichtet, hin und wieder auch gelangweilt an die Decke starrend, zog sie etwas umständlich ihre Jacke aus. Die Kälte in der Kirche konnte sie gut ignorieren, es war alles viel zu aufregend.
Nach ihr endlos erscheinenden Minuten fing es endlich an. Jetzt erst erkannte sie, dass der Aufbau dort vorn eine Krippe sein sollte. Die Geschichte, die Renée ihr vorgelesen hatte, wurde nun dort zwischendurch gespielt, während Li'en immer noch den Engel suchte. Ob der wohl noch kommen würde?
Zwischen dem Gerede der Person mit dem langen schwarzen Kleid wurde auch viel gesungen, was Li'en schief und freudig tat.
Als dann endlich die Szene mit den Hirten an der Reihe war, rief Li'en laut: „Liam, sieh mal, ein Engel!”, mit einer Stimme voller Begeisterung, dabei sprang sie auf und wollte nach vorn laufen. Auch wenn der Engel nun gar nicht so niedlich aussah wie der in den Büchern, er war unverkennbar einer. Er hatte Flügel! Eine Chance, endlich einen echten Engel kennen zu lernen!
Liam hielt sie am Ärmel fest. „Nicht! Du darfst jetzt nicht stören!”
„Warum nicht? Das ist doch schon vor Jahrtausenden geschehen!”
„Das ist nur ein Schauspiel, Rebekka!”
„Das ist kein echter Engel?”
„Nein!”
Enttäuscht sah Li'en ihn an. Dabei hatte sie wirklich nach der Geschichte, die Renée erzählt hatte, geglaubt, es würde diese Wesen geben! In Gedanken rief sie sich zur Ordnung. Sie sollte sich endlich danach benehmen, wie sie aussah, und nicht wie ein Mensch in ihrem Alter!

Nach einer Stunde verließen sie die Kirche wieder. Draußen war es dunkel geworden und deutlich kälter. Li'en schlug den Kragen hoch und hakte sich wieder bei Liam ein. Beide redeten hektisch über das, was sie gesehen hatten und hatten Augur und Renée schon nach kurzer Zeit vergessen. Ihre Schritte hallten leicht auf dem Bürgersteig wider, während sie durch die nun leeren Straßen gingen. In den Fenstern der Häuser brannte jetzt Licht, und dahinter konnte sie oft einen Weihnachtsbaum und Familien sehen. Während sie mit Liam ihre Begeisterung teilte, schaute sie immer wieder in die Fenster hinein, mochte den Frieden und die Wärme dahinter. Auch wenn es weh tat, zu sehen, wie alle zusammen waren. Wie die Kinder bei ihren Eltern und Großeltern glücklich waren und sich um sie gekümmert wurde.
Sie wandte ihren Blick dem Himmel zu, wollte das nicht mehr wahrnehmen. Liam redete weiter auf sie ein, während sie auf die Sterne blickte, die sie, seit sie lebte, schon so oft und gerne gesehen hatte. Es war etwas, das immer konstant bei ihr blieb und niemals fort wäre. Das Licht schien ihr voller Hoffnung zu sein - es erinnerte sie an ein Bild, das sie einmal gesehen hatte und das diesen Namen trug. Es hatte sie traurig gemacht, aber in einer Art hatte es sie angenehm an sie selbst erinnert.
Sie blieb etwas verwirrt hinter Liam stehen, der gar nicht mehr aufhören wollte zu reden. Vor ihnen war schon wieder das Haus, in dem sie wohnte. Li'en hatte nicht bemerkt, dass sie so schnell gegangen waren. Während sie ihren Schlüssel zog, sah sie unlustig auf den dunklen Boden. War das, was an diesem Tag geschehen war, nicht genug gewesen? Musste sie all diese Menschen tatsächlich noch zu sich nach oben mitnehmen? Viel lieber wollte sie mit ihren Gedanken allein sein! War dies denn nicht ein besinnliches, nachdenkliches Fest, wie sie es nun auch in der Kirche gehört hatte? Mit so vielen Leuten konnte es doch gar nicht nachdenklich werden! Wenn sie nun allein wäre, könnte sie sich vorstellen, dass ihre Brüder und Schwestern bei ihr sein wären...
Neben sich spürte sie, dass Liam langsam ungeduldig wurde. Er hatte sich auf ein Fest bei ihr eingestellt und wahrscheinlich wurde ihm jetzt auch kalt. Mit einem leisen Seufzen schloß sie die Haustür auf und nahm Augur, Renée und Liam mit hinauf in ihre Wohnung.

Schon bald, nachdem sie ihre Mäntel ausgezogen hatten, saßen alle auf dem Boden im Wohnzimmer, vor dem Weihnachtsbaum. Freudige Erregung war in Li'en und Liam, wohl noch mehr in Letzterem als in ihr. Der Tag hatte sie in einer Art überfordert und sie hoffte nur noch, dass er bald zu Ende war. Selbst die Geschenke interessierten sie nicht mehr wirklich, obwohl sie natürlich mit einem seligen Lächeln davor saß.
„Frohe Weihnachten” sagte Liam schließlich und nahm sie kurz in den Arm. Für einen Augenblick ließ sie sich dies auch gefallen, dann entwand sie sich ihm. „Krieg ich nun mein Geschenk?” fragte sie in einen typisch fordernden und leicht unverschämten Ton, für den sie in diesem Moment zwar nicht in Stimmung war, der aber ihre eigentliche Befindlichkeit verbergen sollte.
Liam beeilte sich, Li'en ihr Geschenk zu geben, das sie, plötzlich doch gierig, an sich nahm. Es war klein und mit buntem Papier eingepackt. Glitzerndes Band war darum gebunden und bildete oben eine große Schleife. Leichte Enttäuschung kam in ihr auf. Nur etwas so Kleines?
Während sie es vorsichtig öffnete, wobei sie ziemliche Schwierigkeiten mit der Schleife hatte, traten ihr langsam Tränen in die Augen, als sie daran dachte, warum sie nun Weihnachten mit diesen Menschen feiern konnte - oder auch musste.
Kein schöner Grund ...
Erwartungsvoll sahen alle sie an und warteten darauf, dass sie endlich das Geschenk auspackte. Li'en hatte mittlerweile die Schleife aufgeknotet und entfernte sorgfältig und langsam den Klebefilm, ohne dabei das Papier zu beschädigen.
Sie wurde in ihrer Tätigkeit gestört, als es an der Tür klingelte. Ratlos schaute sie Liam an. Ihre Finger schwebten nun über dem Päckchen. Liam schüttelte nur den Kopf, er hatte damit auch nichts zu tun.
Die Hybridin entschloss sich, mit dem Auspacken erst einmal zu warten, bis klar war, wer da vor der Tür stand. Zögernd stand Liam auf und verschwand um die Ecke. Auch Renée und Augur standen auf, Li'en blieb sitzen und drehte sich nur leicht auf dem Boden um, damit sie sehen könnte, wer käme.
Dann kam auch schon Liam wieder ins Zimmer, ganz blass im Gesicht, die Augen weit offen und voller Verwirrung.
Wen hatte er nur gesehen, dass er so verschreckt wirkte? Den Weihnachtsmann, der behauptete, dass Kincaid das Jahr über nicht artig gewesen war und er nun seine Geschenke nicht bekäme? Irgendwie gefiel Li'en die Idee - größere Chancen für mehr Geschenke an sie!
Dem schien allerdings nicht so zu sein – das wurde ihr klar, als sie bemerkte, wer hinter ihm stand.

Liam war es nicht möglich, auch nur ein Wort zu sagen, seit er sie vor der Tür gesehen hatte. Die Frau hatte langes, kastanienbraunes Haar und graue Augen, die ihn fast etwas traurig anblickten. Dazu kam ein erzwungenes Lächeln.
Hatte sie mit dieser Reaktion gerechnet? Wie kam sie überhaupt hier her? Woher wusste sie, wo Li'en wohnte? Und das Wichtigste: Wie konnte es sein, daß sie – am Leben war?
Er hatte sie eine Weile wie ein Gespenst angestarrt, wobei er sich wirklich nicht sicher war, ob er halluzinierte oder ob sie leibhaftig ...
Ohne ein Wort hatte er sich schließlich umgedreht und war ins Wohnzimmer zurückgekehrt. Er wusste nicht, ob sie ihm folgte - seine größte Sorge war, wie er Li'en das erklären sollte! Das würde sie unter keinen Umständen verkraften!
Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er einen lauten Ausruf Li'ens vernahm.
„Rafaella!”
Leicht irritiert, weil er in ihrer Stimme kein Erschrecken gehört hatte, blickte er auf und sah gerade noch, wie sie an ihm vorbei lief und der dunkelhaarigen Frau um den Hals fiel.
Augur und Renée wirkten verwirrt, während Liam selbst beobachtete, wie Rafaellas Lächeln sich von einem erzwungenen zu einem wirklichen wandelte, welches selbst in ihren Augen zu sehen war.
Als Li'en sie wieder los ließ, erkannte er sie kaum wieder. Er glaubte, sie noch nie so glücklich gesehen zu haben. Ihr ganzes Gesicht schien von innen heraus zu leuchten, während er in ihren Augen Tränen sehen konnte. Aber das konnte nicht sein!
Mit langsamen Schritten ging er auf Renée und Augur zu, hatte schnell erklärt, warum er so reagiert hatte. Ratlos schauten sie einander an, während Li'en sich kein bisschen daran zu stören schien, dass die Frau bei ihr eigentlich tot sein sollte!
Als die Hybridin schließlich hektisch und nun lachend Rafaella, die leicht unsicher lächelte, die Jacke abgenommen hatte, konnte Liam sich dazu überwinden, die ihn ziemlich durcheinander bringende Frau anzusprechen.
„Wie ist es möglich, daß Sie noch leben?”
Mittlerweile plagte ihn die Furcht, dass dies nicht gar nicht Rafaella sein könnte. Er wußte doch, daß sie tot war...
Ihm kam die erschreckende Idee, es könne sich bei ihr nicht einmal um einen Menschen handeln.
Was, wenn sie eine Replikantin war? Das Werkzeug einer jaridianischen Erkundungssonde, so, wie damals...
Schwachsinn.
Rafaella sah ihn etwas unbehaglich an. Mit einer solchen Frage hatte sie gerechnet, was ihr aber nicht weiter half.
„Ich...” fing sie unsicher an, da sie, schon, als sie diese Szene durchgespielt hatte in Gedanken, keine Antwort darauf gefunden hatte. Zu ihrer Erleichterung schaltete sich Li'en ein.
„Das ist doch egal!” rief sie und zerrte Rafaella in Richtung des Weihnachtsbaumes. Vielleicht fühlte die Hybridin auch, was wirklich los war...

Endlich war jemand da, der sie kannte und den sie kannte. Der ihre Erinnerungen an die Basis und die anderen Hybriden, ihre Geschwister, teilen konnte. Jemand, der ihr bei der Flucht geholfen hatte und schon damals wichtig für sie gewesen war - und jetzt erst recht. In dieser so unbekannten Welt wieder jemanden zu haben, der wirklich für sie sorgen würde! Endlich war sie wieder gekommen! Warum hatte sie so lange dafür gebraucht?
Li'en hatte doch gewusst, dass sie nur geschlafen hatte! Alle hatten sich geirrt, als sie behaupteten, sie würde nicht mehr wieder kommen!
Rafaella war wieder gekommen, wie auch irgendwann einmal jene Hybriden wiederkehren würden, die man fort gebracht hatte. Je'na würde wieder kommen! Vielleicht waren auch noch die anderen irgendwo, sie müsste sie nur suchen. Sie hatten es nicht verdient, zu sterben, wie Liam diesen Zustand nannte.
Mit großen Augen, in denen ein kindlicher Ausdruck lag, sah sie Rafaella an, was sofort wieder ein freudiges, fast mütterliches Lächeln auf deren Gesicht hervorrief. Auch ließ sie sich von Li'en auf den Boden ziehen.
„Warum kommst du erst so spät?” fragte sie. „Du hast die Kirche verpasst!”
„Tut mir Leid, es ging nicht eher. Auch werden wir uns für lange Zeit nicht mehr sehen können!”
In ihren Augen war kurz ein trauriges Ausdruck, dann lächelte sie wieder, da Li'en sie verständnislos ansah. Rafaella war froh, dass sie nicht verstand.
„Ich hab dir ein Geschenk mitgebracht!” sagte sie nach kurzen Zögern und hielt ihr ein kleines Päckchen hin. Vorsichtig, als wäre es etwas Zerbrechliches, nahm die Hybridin es entgegen. Ihr erstes wirkliches Geschenk zu Weihnachten.. Nur einen Moment blickte sie auf das Päckchen, das sie eigentlich hatte auspacken wollen, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit ganz auf jenes in ihrer Hand. Ihre Finger fuhren an den Kanten entlang, während sie sich fragte, was sie wohl bekommen würde.
Sie löste wie schon zuvor zuerst die Klebestreifen, dann wickelte sie vorsichtig das Geschenkpapier ab. Darunter kam ein Stück Schokolade zum Vorschein...

Li'en saß allein auf dem Boden. Me'lan und Je'na waren fort geführt worden, zu weiteren, wichtigen Diensten an ihren Erschaffern, den Taelons. Nur sie war dieses Mal nicht ausgewählt worden. Enttäuschung war in ihr, aber auch Erleichterung. So gern sie auch, als ein Teil von ihnen allen, alles für sie tat, was man von ihr verlangte, so war es doch auch anstrengend und schmerzvoll. Und lästig! Li'en wollte viel lieber spielen oder mit den anderen in einer Verbindung verweilen, um das, was passiert war, zu vergessen, mit den anderen ihren Schmerz zu teilen und sich einfach nur wohl zu fühlen. Vielleicht auch, um die Träume zu teilen, die sie hatten, von der Erde.
Der Mensch, der ihnen davon erzählt hatte, war noch nicht oft gekommen. Sie war noch eine der unteren Wissenschaftler, aber alle wussten, dass sich das dort oben sehr schnell änderte. Es wurden nur die besten geholt, so wie sie das gehört hatte, da war es ja klar, dass sie irgendwann an der Spitze sein würde. Aber seit sie da war, schien es heller zu sein. Sie brachte ihnen Neues, das ihren Alltag anders machte, als er es sonst immer gewesen war. Sie freute sich jedes Mal, wenn sie wusste, dass sie kam. Warum nur konnte sie nicht öfters kommen? Sie konnte so lieb sein!
Natürlich würde sie sich niemals beschweren. Rafaella konnte nur zu ihnen dreien kommen, aber niemals zu den anderen. Nur für den Bereich, in dem auch Li'en lebte, war sie verantwortlich. Darüber war sie froh. Denn dies war auch mit der Grund dafür, dass sie nun dort sitzen konnte, obwohl sie nicht für Versuche gebraucht wurde. Da sie auch für die Verabreichung der Drogen zuständig war...
Die Tür öffnete sich und die Hybridin hob den Kopf. Vor ihr stand Rafaella. Von unten lächelte Li'en sie an, schaute fast erwartungsvoll. Doch heute schüttelte die Wissenschaftlerin nur freundlich blickend den Kopf.
„Ich habe dir etwas mitgebracht, was dir bestimmt gefallen wird...” sagte sie und griff in ihre Tasche, um ein kleines Päckchen herauszuholen.
Verwirrt schaute Li'en darauf.
„Was ist das?”
Rafaella lächelte nur etwas unsicher und hielt es ihr hin. Wie konnte sie das erklären?
Nach einer Weile entschied sich Li'en, das Päckchen anzunehmen. Vorsichtig drehte sie es in den Händen und entfaltete schließlich behutsam das Tuch, in das das, was Rafaella ihr geben wollte, eingewickelt war. Dann sah sie auf ein braunes, viereckiges Stück einer unbekannten festen Substanz.
„Was macht man damit?”
„Essen.”
„Aber wir kriegen doch genug Energie!”
„Das ist nicht nur zum Leben da! Probier mal!”
Zögernd nahm Li'en das Stück in die Hand und steckte es in den Mund. Sofort breitete sich ein Lächeln auf ihren Gesicht aus, welches sich auch sehr deutlich in ihren Energielinien widerspiegelte. Es war ungewohnt, etwas zu schmecken, der Geschmack war neu und süß und sie wollte mehr davon.
Rafaella schien sich über diese Reaktion zu freuen, während Li'en versuchte, das Stück so lange wie möglich in ihrem Mund zu behalten, es immer wieder zu drehen und etwas von dem Flüssigen, Süßen hinunter zu schlucken. Dennoch war es viel zu schnell geschmolzen.
Bittend sah sie Rafaella an.
„Tut mir leid, mehr konnte ich nicht mitbringen!”
In Li'en breitete sich Enttäuschung aus, obwohl sie sich auch darauf freute, dieses Erlebnis bald den Anderen übermitteln zu können. Dann könnte sie es ebenfalls noch einmal erleben und selbst jene die, die meiste Zeit schliefen, würden etwas davon erfahren. Und sie könnten weiter träumen...

Li'en hob den Kopf und sah vor sich wieder Rafaellas zufrieden lächelndes Gesicht. Das Geschenk konnte sie kaum mehr aus der Hand legen.
Liam, Renée und Augur hatten die Szene still verfolgt und verstanden eigentlich nicht, was an Schokolade so toll sein sollte, dass Li'en sogar die Beherrschung über ihre Energielinien verlor. Was war an dieser Frau so besonders?
Die Hybridin lag nun in deren Armen, während Rafaella aussah, als würde sie bald weinen.
Jeden außer ihr schien Li'en vollkommen vergessen zu haben.
Augur verließ als erster das Zimmer. Kincaid blieb stehen und schaute weiter auf Li'en. Selbst sein Geschenk hatte sie vergessen.
Renée stand auf und berührte ihn leicht am Arm. Als er nicht reagierte, machte sie Anstalten, ihn mit sich zu ziehen.
Liam ließ dies nur ungern mit sich geschehen.
In einer Art war er enttäuscht.
Hatte er nicht auch ein Geschenk für sie besorgt und sich um sie gekümmert? Er hatte doch so viel für sie getan... Warum vergaß sie ihn so schnell? Er war für sie da gewesen, als sie niemanden hatte - und hatte Li'en ihm nicht gezeigt, dass sie ihn brauchte und mochte?
Andererseits...
Während er die Hybridin und die Frau betrachtete, war ihm warm ums Herz geworden. Er verstand jetzt, dass er nur stören würde, wenn er bliebe. Beide schienen, so auf dem Fußboden sitzend und sich leise im sanften Licht des Baumes etwas erzählend, so friedlich. Diese Harmonie wollte und konnte er einfach nicht stören. Sie brauchte jetzt nicht mehr ihn, sondern nur noch Rafaella.
Immer noch von diesem Anblick gefesselt, ließ er sich von Renée hinaus führen.


Se'la stand vor einem Fenster auf dem Mutterschiff. Unter ihr drehte sich die Erde. Dort unten waren irgendwo Rafaella und Li'en. Eigentlich wusste sie genau, wo sie waren. Sie hatte, nur zur Vorsicht, das entsprechende Haus von Freiwilligen umstellen lassen, damit beide nicht auf die Idee kommen konnten, gegen ihren, Se'las, Willen zu handeln. Sowohl diesen Menschen als auch die Hybridin brauchte sie noch. Immer noch hegte sie die Hoffnung, noch eine Weile auf der Erde bleiben zu können. Nun hatte sie also Li'ens Wunsch nach einer Familie - oder wenigstens einer Person, die ihr nahe stand - erfüllt. Und das so passend für die Menschen zu Weihnachten!
Was wohl Li'en darüber dachte?
Se'la versuchte sich einzureden, dass all dies einzig und allein aus wissenschaftlichen Gründen geschah. So konnte sie herausfinden, inwieweit Li'en sich verändert hatte, seit sie die Basis verlassen hatte. Dennoch konnte sie in sich eine gewisse Zufriedenheit spüren, die nicht nur daher rührte, dass Rafaella keine andere Wahl hatte, als wiederzukehren.
Wenn sie sich weigern würde, dann, so hatte der Taelon ihr gedroht, würde er Li'en verraten. Alle würden dann wissen, dass diese die einzige überlebende Hybridin war, was auch hieß, dass sie wieder zurück in eine Forschungseinrichtung musste. Dieser Mensch hing einfach viel zu sehr an einem Versuchsobjekt! Und sie hätte wohl auch nicht zulassen sollen, dass Li'en sich so sehr an sie gewöhnte.
Aber es war nicht mehr zu ändern.
Dass Rafaella als tot galt, machte Se'la die wenigsten Sorgen. Li'en schien zwar zu wissen, dass sie Se'la umbringen konnte, weil sie es in Li'ens Augen verdient hatte, allerdings schien sie eine andere Meinung zu Rafaella zu haben. Ein Grund, diese weiter unter Beobachtung zu halten. Die Frau hatte bestimmt viel zu erzählen, wenn sie zurückkam.
Se'la drehte sich schließlich um und verschwand in ihrem Quartier. Am nächsten Morgen würde sie ihre Informationen erhalten.

 

ENDE

 

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