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  „Eine fast unmögliche Handlung” von Se'la   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Dezember 2003
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Li'en muss nach Se'la. Liam sucht ein Weihnachtsgeschenk für Li'en, welches nicht bereit ist ein solches zu sein.
Zeitpunkt:  Zwischen „Li'en” und „Insel der Vergessenen”
Charaktere:  Liam, Augur, Da'an, Li'en, Se'la, Claudia Jennifer Maickren
Anmerkung:  Diese Geschichte wurde als Teil des Adventskalenders 2003 geschrieben.
 

 

EINE FAST UNMÖGLICHE HANDLUNG

Kapitel 2

 

Liam war auf dem Weg zu Augur. Das Gespräch am Vortag - oder eher –abend - mit Da'an war mehr als anstrengend gewesen. Er hatte nur wenig geschlafen und rieb sich müde die Augen. Mittlerweile war es später Nachmittag und bald musste er schon wieder zu dem nordamerikanischen Companion, der ihn, wohl aus Rücksicht auf seinen Schlafmangel, etwas später zu sich bestellt hatte. Oder hatte er sich von der allgemeinen Weihnachtsstimmung anstecken lassen, die man selbst in der Botschaft und auf dem Mutterschiff spüren konnte? Irgendwie bezweifelte er das – aber warum hätte er sich sonst nach Li'en erkundigen sollen?
Irgend etwas an ihr musste seine Aufmerksamkeit erregt haben, aber er konnte sich an keinen Fehler auf Seiten der Hybridin erinnern im Umgang mit Da'an. Hatte Se'la eine Andeutung fallen lassen?
Er hatte es geschafft, des Taelons Fragen so zu beantworten, dass dieser nicht mehr so sehr über Li'en nachdenken würde, zudem hatte er im Moment sowieso zu viele Sorgen, wegen seinen und Se'las Handlungen auf der Basis. Liam hatte keine Ahnung, was dort oben ablief, wenn beide auf dem Mutterschiff waren, aber soweit er Da'an verstanden hatte, konnten sie das Ganze nicht durch die Synode regeln, mehr hatte er dazu nicht sagen wollen.

Es dauerte nicht lange, und er stieg aus dem Fahrstuhl und ging direkt auf Augur zu, der an seinen Computern saß und offensichtlich mit einem Problem beschäftigt war. Leise trat er hinter ihn, rief laut: „Frohe Weihnachten!” und freute sich diebisch darüber, dass der Hacker erschreckt zusammenfuhr und mit den Fingern auf der Tastatur ausrutschte. Nun, an was auch immer er da gearbeitet hatte - er konnte wohl jetzt nichts mehr damit anfangen ...
„Liam, es ist noch nicht Weihnachten! Sind hier denn alle wahnsinnig geworden?”
„Es ist aber bald so weit, und du musst mir helfen – ich habe eine besondere Idee für ein Geschenk für Li'en, und ich brauche Deine Unterstützung dabei, es zu finden.”
Augur musste trotz des Schrecks grinsen. „Ich denke nicht, dass ich dir auch bei Renee helfen soll?”
Liam seufzte. „Darum geht es nicht! Wovon ich spreche, ist - ich möchte Li'en die Chance geben, das Fest mit ihrer Familie zu verbringen!”
Augur sah ihn etwas enttäuscht an. Dabei fand er doch, dass die beiden so gut zusammen passten!
„Liam. Vielleicht hast du da etwas nicht ganz verstanden. Ihre Familie ist tot!” sagte er schließlich ernst und betrachtete seinen Freund, als würde er ehrlich an dessen Verstand zweifeln.
Dieser schaute ungeduldig zurück. Wieso verstand sein Gegenüber nur so schwer?
„Nun, ich hatte eigentlich gedacht, du wärst in der Lage, Geister heraufzubeschwören!” antwortete er etwas ärgerlich - um dann fortzufahren: „Nein, Unsinn - ich möchte ihre Mutter finden.”
Augur schüttelte den Kopf. „Und du denkst, das wird etwas nutzen? Es war alles ein Experiment, die Frauen, die von dort oben geholt wurden, werden sich nicht gerne daran erinnern... und niemand wird in Li'en eine Tochter sehen!”
„Du kannst sie finden, also such sie einfach! Alles Übrige kannst Du mir überlassen!”
„Ich sag dir gleich, es wäre besser, wenn Dein Schützling statt dessen ein paar überzeugende Hologramme zu sehen bekäme!”
„Augur!” sagte Liam drohend.
„Ich mach ja schon”, ergab sich der derart Bedrängte. „Du kannst in ein paar Stunden wieder kommen, in ein paar Minuten ist das nicht gemacht. Die Frauen wurden auf der Diskette, die Li'en mitgebracht hat, nicht genannt, nur die Taelons wurden angegeben.”
„Ich bin sicher, das wirst du schaffen!” sagte Liam zuversichtlich und verließ das Versteck seines Freundes wieder.

Nach diesem Besuch machte er sich sofort aus den Weg zu Da'an. Durch die Portale kam er schnell vor der Botschaft an und ging die Gänge entlang. Die ganze Zeit musste er an Li'en und ihr Problem mit ihrer Familie denken, so dass es auch nicht verwunderlich war, dass ihm auffiel, dass in der Botschaft jeglicher Weihnachtsschmuck fehlte. Dies war wohl der einzige Ort in der Stadt, an dem keine weihnachtliche Stimmung herrschte. Es war still – dabei wäre ein wenig Musik à la „Jingle Bells” sicherlich auch nicht schädlich. Was ihn dann auch gleich auf eine neue Idee brachte. Die Hybridin würde sich sicher freuen, derartige Musik zu hören – alles, was mit Weihnachten zu tun hatte, schien ihr sehr zu gefallen. Bei ihren Einkäufen mussten sie dies wohl vergessen haben.
Kurz vor der Empfangshalle des nordamerikanischen Companions, deren Eingang offen stand, blieb er dann stehen. Er hatte Stimmen gehört, demnach musste Da'an wohl Besuch haben. Es wäre daher besser, wenn er erst einmal nachsah, wer sich da zu ihm hinbemüht hatte.
Kurz blickte er um die Ecke und war froh, dass er nicht eingetreten war. Zo'or und Sandoval waren anwesend, letzterer schien doch sehr in der Klemme zu stecken. Das Gespräch war gerade eben auf ein paar Freiwillige gekommen, die sich auf dem Mutterschiff doch recht merkwürdig benommen hatten, was der Agent nun irgendwie erklären musste. Vielleicht hätte er das Wort Weihnachten nicht erwähnen dürfen, denn nun hatten beide die Chance, sämtliche Fragen die sie dazu hatten, ihm zu stellen.
Nach Liams Meinung durfte Sandoval sich gerne allein den Kommentaren der beiden dazu stellen. Es war viel spannender, zuzuhören, als selber das ”Opfer” zu sein ...

Nach einer Weile hatte Sandoval das hinter sich und verschwand mit seinem Taelon. Zwar würde er nun auf jeden Fall zu spät kommen, aber mit Da'ans Kommentaren dazu würde er besser zurecht kommen als mit der Situation, die sich ihm zuvor geboten hatte.
Er sah noch einmal um die Ecke, dann trat er langsam ein.
„Sie kommen zu spät, Major!”
„Entschuldigen Sie bitte, Da'an.” antwortete Liam mit einem leichten Grinsen, dass er unmöglich vollkommen verbergen konnte. Der Companion legte leicht den Kopf schief und setzte einen wissenden Blick auf, woraufhin Kincaid ihn möglichst unschuldig ansah. Er wechselte schnell das Thema.
„Ist Rebekka hier wieder aufgetaucht?” fragte er eher nebenbei, als sei ihm das gerade eingefallen.
„Nein. So weit ich informiert bin, ist sie bei Se'la. Ich denke nicht, dass Sie mir sagen können, was sie dort immer macht?”
„Nein, Da'an, es tut mir leid. Vielleicht das gleiche wie Sandoval...?”
Liam hatte gar nicht gewusst, dass dieser Taelon ein derart strafendes Gesicht aufsetzen konnte. Schnell verschwand er hinter seinem Schreibtisch und tat sehr beschäftigt.
„Ich brauche Sie heute zu einer Eröffnungsveranstaltung. Diese wird allerdings nur kurz andauern, so dass Sie am Nachmittag wieder frei haben werden.”
Der Major lächelte dankbar. So hatte er bestimmt noch Zeit, Li'ens Mutter zu finden und auch mit ihr reden zu können.
Er setzte sich an seinen Computer und schaltete ihn an, wobei er seine Terminliste mit der auf seinen Global verglich. Er sah kurz auf, ob Da'an darauf achtete was er tat - er war definitiv mit anderen Dingen beschäftigt.
Erst dann fing er an, ein Computerspiel auszuprobieren, das Li'en ihm ausgeliehen hatte. Ihm gefiel es eigentlich nicht so sehr, es wurden zu viele dabei umgebracht. Mit ihr würde er wohl mal reden müssen, sie schien Gewalt einfach zu sehr zu mögen ...
Als er gerade dabei war, eine feindliche Basis einer mysteriösen Rasse, von der Li'en behauptet hatte, sie könnten gut die Taelons darstellen, nur bekam man sie niemals zu Gesicht, zu zerstören, klingelte sein Global. Der Anrufer war Augur.
„Was gibt's?” fragte Liam etwas nervös. Für derartige Gespräche wäre ein eigenes Büro sicher vom Vorteil.
„Ich habe sie gefunden und übermittele dir die Daten”, sagte der Hacker und unterbrach die Verbindung.
Zufrieden betrachtete Kincaid einen Augenblick später, was auf dem Bildschirm des Gloabals erschien und eindeutig aussagte, dass Li'ens Mutter in Washington wohnte, was ihm nicht ungelegen kam. Er schickte ihr so schnell es ging eine Mail, wobei er darauf achtete, schon am Anfang möglichst vertrauenserweckend zu wirken.
Nun musste er nur noch die Eröffnung überstehen. Vor Weihnachten gab es einfach zu viele gemeinnützige Veranstaltungen, während derer für irgend etwas gesammelt wurde. Mittlerweile hatte er zu beten begonnen, dass die Kirche der Companions nicht auf die Idee kam, Da'an einzuladen. Er glaubte, das nicht durchhalten zu können!

Li'en hatte sich an diesen Tag eher spät auf den Weg zu Se'la gemacht. Immerhin hatte diese nicht gesagt, wann sie kommen sollte, und eigentlich hatte sie wenig Lust, mit ihr zu reden. Das brachte ihre Stimmung, die sich zwischenzeitlich, wohl durch den Schlaf, geringfügig gehoben hatte, wieder auf den Tiefpunkt, wie am letzten Abend. Die Wohnzimmertür hatte sie geschlossen, fürs erste - wieder all diesen geschmacklosen Unsinn zu sehen, könnte sie nun nicht aushalten.
Der Druck in ihren Kopf hatte es ihr auch nicht gerade leichter gemacht, aufzustehen. Gab es denn an diesem Tag gar nichts Erfreuliches, woran man sich klammern könnte, um den Rest zu überstehen?
Nun saß sie in einem Shuttle zum Mutterschiff und bewunderte einmal mehr den Interdimensionsraum, dessen Farben und Formen sie immer wieder faszinierten, in ihren Bann zogen und fast nicht los lassen wollten. Dennoch musste sie ja irgendwann landen ... Auch dieses Mal wieder mit Bedauern verließ sie den Interdimensionsraum und manövrierte das Shuttle geschickt in den Hangar. Nachdem es sicher auf den Boden war, sprang sie hinaus und folgte dem Gang, den sie nun schon so gut kannte, obwohl sie ihn nur wenige Male benutzt hatte. Es war auch leicht, sich nicht zu verlaufen - der Gang hatte keine Abzweigungen, er führte sie immer direkt zu Se'la. Eine andere Wahl als diesen Weg hatte sie gar nicht. Li'en fühlte sich schon allein wegen dieser Tatsache unwohl. Wie konnte es sein, dass Se'la selbst nach ihrer Befreiung noch so viel Einfluss auf sie haben konnte? Da hatte sie sich geschworen, sich nie wieder einschränken, oder kontrollieren zu lassen und dennoch kam sie immer wieder auf das Mutterschiff. Zugegeben, es waren bisher nur ein paar Tage gewesen, aber ihrer Meinung nach war das schon zu viel. Vielleicht hätte sie Se'la doch umbringen sollen. Wäre sie tot, könnte sie ihr keinen Schaden mehr zufügen, sie war die einzige, die sie noch an die Taelons verraten konnte. So lange sie lebte, würde sie kontrollierbar bleiben. Se'la hatte ihr zwar gesagt, sie würde sie nicht zwingen, zu kommen, dennoch war es ein innerer Zwang, zu ihr gehen zu müssen, damit sie nicht auf die Idee kam, es anderen Taelons vielleicht zu sagen. Vertrauen konnte man doch niemanden!

Se'la erwartete sie wie immer in einen laborähnlichen Raum. Eigentlich hatte sie die ganze Zeit nur dort gestanden und über Zo'ors Worte nachgedacht. Auch wenn noch viel zu klären war, diese eine Entscheidung war sicher. Ji'tal hatte ihm mit sehr klaren Worten verständlich gemacht, dass er diesem Vorschlag lieber freiwillig zustimmen sollte, sonst hätten beide, Zo'or und Ji'tal, noch eine andere Möglichkeit. Wie diese aussehen würde, konnte sie sich schon ungefähr vorstellen. Sicher wäre dies unter Garantie nicht angenehm.
Se'la fragte sich, wie Zo'or der Synode den Verrat an ihm erklären wollte. Von dem Projekt konnte er immer noch nichts erzählen, so dass er sich einen anderen Grund überlegen musste. Sie würde sich auf keinen Fall mit jedem einverstanden erklären, selbst wenn Da'an das tun würde. Das hatte sie auch Zo'or an diesen Tag sehr deutlich gesagt, als sie ein Gespräch miteinander hatten. In ein paar Wochen würde dieser ihnen beiden mitteilen, was mit ihnen weiter geschehen würde. Sie konnte es nicht ausstehen, nicht zu wissen, was los war und nichts beeinflussen zu können. Eine Andeutung war allerdings gefallen. In der Nähe der Erde würde sie nicht mehr bleiben, das wollte Zo'or nicht. Und dass sie weiterhin eine hochrangige Wissenschaftlerin blieb, das wusste sie jetzt schon, würde die Synode nicht zulassen, da sie ja Verrat begangen hatte. Natürlich wäre dieser nicht nötig gewesen, wenn Li'en nicht geflohen wäre. Aber wenigstens hatte diese es geschafft, Se'la so weit verstehen zu lassen, dass sie jetzt der Überzeugung war, für die Hybriden wäre es besser, auf der Erde zu sein. Wie sie selber immer gesagt hatte, alle Hybriden waren ein Teil von ihnen - und sie hatte es jedes Mal ernst gemeint. Vielleicht war es gerade mit diese Einstellung gewesen, durch welche sie diese schwerwiegende Entscheidung getroffen hatte. Jetzt sah sie ein, dass sie mit Da'an diese Aktion besser hätte planen sollen. Außer Li'en waren alle Hybriden tot, und vor allem hatte man sie beide bei ihren Handlungen erwischt. Somit lag Verrat vor, für den sie nun bestraft werden würde.
Zo'or würde sie wohl nicht an einen Ort schicken, der ganz ungefährlich war. Was sie viel mehr belastete als dieses Wissen, war, dass sie Li'en nicht mehr wiedersehen konnte. Wann immer es ging, was bisher nur ein paar Mal geschehen war, holte sie diese zu sich aufs Mutterschiff. Es war faszinierend, was für eine Veränderung mit ihr vorgegangen war. Insgesamt hätte sie es aber lieber gehabt, wenn Li'en bei ihr geblieben wäre. Das wertvolle letzte Exemplar ihrer Experimentenreihe - auf der Erde konnte ihr einfach zu viel passieren!
Besagtes Exemplar betrat jetzt hinter ihr gerade den Raum.

Als Li'en Se'las Unterkunft erreicht hatte, hoffte sie, dass Zo'or etwas ganz und gar nicht Nettes mit diesem speziellen Taelon vorhatte - am besten wäre dessen Verbannung irgendwohin, so weit fort von der Erde wie möglich.
Sie ging mit erhobenem Kopf hinein und blickte die Wissenschaftlerin stolz an. Se'la drehte sich gerade um und legte den Kopf leicht schief. „Diese Menschen scheinen in letzter Zeit immer verrückter zu werden...” sagte sie, scheinbar mehr zu sich selbst als wirklich zu Li'en.
„Hab ich auch gesehen...” gab die Hybridin etwas missmutig von sich.
„Ich habe dich nur hierher geholt, weil ich eine wohl recht erfreuliche Nachricht für dich habe. Bisher steht noch nichts fest, aber Zo'or hat zumindest angedeutet, dass ich hier meine Tätigkeit als Wissenschaftler nicht mehr ausführen darf.”
Li'en grinste leicht. Das war in der Tat eine erfreuliche Nachricht.
„Dann kann ich ja wohl jetzt gehen!” sagte sie kalt und verließ den Raum. Endlich wäre sie Se'la los. Vielleicht würde es noch eine Weile dauern, aber sie war sich nahezu sicher, dass diese sie nun nicht mehr holen würde.
„Li'en!” rief der Taelon leise und die Angesprochene blieb noch einmal vor dem Labor stehen. Seine Stimme hatte nicht befehlend geklungen, was sie verwirrte. „Es ist nicht so gut wie du denkst. Vielleicht weißt du es noch nicht, hast es nicht realisiert. Aber du bist eine Gefahr für jeden, der in deiner Nähe ist...”
Weiter konnte Se'la nicht mehr sprechen, Li'en drehte sich um. „Dich stört ja nur, dass ich frei bin!” gab sie zur Antwort, und als der Companion darauf keine Antwort gab, wusste sie, dass sie gewonnen hatte. Innerlich jubelte sie.
Das Einzige, das einen Schatten auf ihre gute Stimmung warf, war sein letzter Satz.
War sie wirklich gefährlich?
Li'en sah sich selbst nicht so, nur - was wäre, wenn sie es werden konnte? Sie wollte doch nicht gefährlich sein! Traurig blickte sie zu Boden. Se'la konnte nicht die Wahrheit gesagt haben. Schnell verdrängte sie deren Worte wieder, sie passten ihr in diesen Moment überhaupt nicht!

Liam trat aus dem Portal. Sein Dienst bei Da'an war beendet und nun konnte er sich endlich Li'ens Weihnachtsgeschenk widmen. Sie würde sich bestimmt darüber freuen, wahrscheinlich mehr als über all die Dinge, die sie ihm gezeigt hatte. Wusste sie eigentlich, wie gut er sie verstand? Er würde so gern mehr für sie tun!
Mit etwas zögernden Schritten ging er die Straßen entlang. In diesem Gebiet Washingtons kannte er sich nicht aus, so dass er eine Straßenkarte auf sein Global gerufen hatte. Ohne jene würde er den Weg zu Li'ens Mutter wohl nicht finden. Er schaute noch einmal auf die Daten, um sicher zu gehen, dass es auch dort war. Auch prägte er sich noch einmal den Namen ein. Er wollte nicht der Verlegenheit erliegen, vor ihr zu stehen und nicht zu wissen, wie er sie ansprechen sollte. Claudia Jennifer Maickren. Merkwürdiger Name. Er fragte sich, ob ein Teil davon ihre richtigen Namen waren, oder ob sie keinen Einfluss hatte nehmen können auf ihre neue Identität. Diese war auf jeden Fall nötig gewesen, damit man sie nicht so schnell wiederfinden konnte. Liam fand aber, man hätte sie aus Washington weg bringen sollen, anstatt sie so nahe bei den Taelon zu belassen. Irgendeine kleinere Stadt hätte doch auch gereicht, in einer sehr abgelegenen Gegend. Obwohl auch bestimmt hier niemand nach ihr suchen würde – nicht einmal er hatte schließlich von ihrem Aufenthaltsort erfahren.
Liam ging noch ein paar Biegungen entlang, die Straßen veränderten sich zu kleinen Gassen, mit eng stehenden Häusern. Es wirkte dunkel und unheimlich – ein Ort, an dem man am ehesten Verbrechen vermuten würde und wo man auch wunderbar Horrorfilme drehen konnte. Es gab bestimmt genug Verstecke, auch zwischen den Wänden der Häuser, wo er des öfteren Lücken bemerkte, in die gerade noch ein Mensch hinein passte.
Und hier wohnte Li'ens Mutter?
Zum wiederholten Male überprüfte er den Straßennamen, wurde nur wieder bestätigt, dass er richtig war und bog ein letztes Mal eine enge Gasse ab. An deren Ende sah er dann auch das gesuchte Haus. Das Nummernschild stimmte mit dem überein, was er auf seinem Global lesen konnte. Ob sie wohl immer so gelebt hatte?
Es war dunkel und wirkte ziemlich verwahrlost und renovierungsbedürftig. Durch die Fenster konnte man nicht hindurchsehen, die Gardinen waren braun und schienen schwer. Alles wirkte düster und hier konnte man nichts von der festlichen Stimmung sehen, welche die restliche Stadt ergriffen hatte. Überhaupt wirkte alles tot und Liam konnte fast nicht glauben, dass er dort jemanden finden würde. Wer würde denn dort schon freiwillig leben wollen?
Vorsichtig trat er näher an die Tür, die aus einem dunklen Holz bestand. Daneben war eine Art großes Glasfenster, unter diesem bis zum Boden wieder eine Holzwand. Am oberen Ende waren Briefkästen angebracht. In diesen Haus wohnten offenbar 10 Menschen, Familien konnte er sich unter diesen Umständen nur schlecht vorstellen. Auch wenn dort viele Menschen wohnten, schien dieses Haus doch eher etwas eingezwängt zwischen den Eckhäusern zu beiden Seiten, auch war es nicht sehr hoch. Ob es wohl weiter nach hinten hinausging? Dem ersten Eindruck nach konnte er sich einfach nicht vorstellen, dass es darin so viele Wohnungen geben sollte, höchstens vielleicht sechs.
Sein Blick wandte sich den Klingeln zu, die rechts von ihm an einer Wand angebracht waren. Die meisten waren in ordentlichen Druckbuchstaben, schienen gar nicht wirklich zu dem Haus zu passen, das derart ungastlich aussah.
Er trat einen Schritt vom Eingang zurück, sah am Gebäude hinauf, betrachtete die dunklen Wände und das flache Dach und versuchte sich dabei vorzustellen, wie Li'en wohl reagieren würde, wenn er sie als Überraschung zu ihrer Mutter führen würde. Es war nicht schwer, durch ihre Augen zu sehen. Höchstwahrscheinlich würde ihr das Haus gefallen. Einen Moment schaffte er es tatsächlich, sich vorzustellen, wie sie begeistert davor auf und ab laufen würde, es wohl als geheimnisvoll bezeichnen würde und das Rätsel, das für sie dieses Haus einfach haben musste, lösen wollte. Leise lächelte er.
Entschlossen und optimistisch trat er wieder unter den kleinen Vorsprung über der Tür, welcher wohl als Regendach dienen sollte, dafür aber viel zu schmal war.
Sein Finger schwebte über den Namensschildern, bis er schließlich ihren fand und auf die zugehörige Klingel drückte. Vom Hausflur her konnte er ein schrilles, mißtönendes Geräusch hören. Aber die Tür ging nicht auf. Er drückte sie einige Male, bis er dann endlich ein leises Summen vernahm, woraufhin er sie öffnen konnte.

Es war erst ein paar Wochen her, seit sie wieder frei war, dass dies gerade nun passierte, brachte sie wieder etwas aus den Konzept, aus der Regelmäßigkeit des Lebens, dass sie sich nun neu aufgebaut hatte. Gerne dachte sie nicht an die lange Zeit zurück, die sie bei den Taelons gewesen war. Erlebte sie doch oft alles wieder und wieder in ihren Träumen, wenn sie sich nicht entschied Schlaftabletten zu nehmen, um dieser Hölle so Einhalt zu gebieten. Dennoch hatte Claudia die Nacht lieben gelernt. Auf der Basis hatte es niemals Tag, oder Nacht gegeben. Immer der gleiche Ablauf, Zeit schien nahezu bedeutungslos. Sie hatte gelernt nach der Entwicklung des Wesens, die sie damals für die Taelons oben in der Basis auf dem Mond hatte austragen müssen.
Eines Tages hatten sie diese Aliens einfach geholt und ohne Erklärung auf der Basis gefangen gehalten, mit so furchtbar vielen Frauen.
Claudia hatte für lange Zeit geglaubt den Verstand zu verlieren, als sie begriff was sie war. Nicht mehr als eine unfreiwillige Leihmutter, die Wesen, zum Teil Mensch, zum anderen Taelon waren, austragen musste.
Sie hatte gehofft über diese Demütigung mit niemanden mehr reden zu müssen. Warum sonst interessierte es sie nicht mehr, was aus den anderen Frauen geworden war, von denen ihr einige doch sehr nahe gestanden hatten?
Warum sollte man sie also gerade jetzt kontaktieren? Als der Widerstand sie damals befreit hatte, hätte sie nicht gedacht, noch mal etwas von diesem zu hören. Man hatte ihnen gezeigt, wie sie bei Problemen Kontakt aufnehmen konnten. Ein einfaches Codewort, was sie benutzen konnten. Claudia hatte es niemals gebraucht.
Lange hatte sie auf den Bildschirm ihres Computers gestarrt, die ganze Zeit auf die Nachricht, die sie in dem Mailfenster hatte lesen können. Ohne Absender, nur mit dem Wort als Betreff. Es hatte sie schon gewundert. Sie hatte nichts getan, oder gesagt was die Taelons hätte aufmerksam machen können, dass sich jemand mir ihr treffen wollte! Claudia hatte gedacht, mittlerweile außer Gefahr zu sein. Eine Antwort hatte sie schnell an die schon etwas merkwürdige Adresse geschickt, welche nur ein einziges Wort auf die Frage schickte. Ja. Mehr war nicht nötig gewesen, was sollte sie auch schon groß sagen? Es hatte sie schon beruhigt, dass sie nicht zu einem Treffpunkt hatte gehen müssen, sondern in der Sicherheit ihrer Wohnung hatte bleiben können.
Bis zu der Uhrzeit zu der dieser Mann kommen wollte, hatte sie noch viel Zeit gehabt. Sie hatte sich entschieden so lange unter der Dusche zu gehen, das würde sie nicht nur lockern, sondern auch viel ihrer Nervosität nehmen. Außerdem würde sie dann nicht so viel Zeit haben in der sie über die Gründe nachdenken musste, konnte ihre Gedanken abschweifen lassen, was ihr diesmal nicht gelang. Diese Nachricht ließ sie noch einmal genauer über ihre Situation nachdenken.
Nun stand sie unter der Dusche, genoss die warmen Wasserstrahlen die auf sie niedergingen und massierte sich mit ihren Händen die verspannte Nackenmuskulatur. Genießerisch schloss sie die Augen. Seit sie frei war, hatte sie sich immer noch nicht richtig eingewöhnt. Immer wenn sie das Haus verließ, sah sie sich suchend um, erwartete in jeder Ecke jemanden, der sie wieder mitnehmen könnte, wieder irgendwo bei den Taelons einsperren könnte. Aber es kam niemand. Es hatte sie niemand mehr angesprochen und auch in ihren Umfeld verschwand niemand, oder es geschah etwas auffälliges. Sicher konnte sie sich allerdings immer noch nicht fühlen. Selbst in ihrer neuen Wohnung nicht. Sie selber hatte sich diese Gegend ausgesucht, in der Stadt mit vielen Menschen hatte sie Angst, es war eine unüberschaubare Menge, in der überall jemand sein konnte, der sie entführen konnte, ohne dass es jemand mitbekam. Immerhin hatte sie genug Studien im Fernsehen gesehen, dass Menschen auf der Straße zusammen geschlagen wurden und niemand etwas tat. So ging sie auch nicht mehr in großen Kaufhäusern einkaufen, sondern nur noch in kleinen Läden, wo sie auch oft schon die Kassiererin kannte und somit gewährleistet war, dass sie nicht verschwinden konnte, ohne dass jemand etwas merkte. Überhaupt hatte sie sich nach allen Seiten abgesichert, ein Verschwinden von ihr, würde auf jeden Fall auffallen! Und da hatten ihr diese Leute vom Widerstand sagen können, was sie wollten, von wegen, dass die mit der neuen Identität nicht entdeckt werden könnte, ein Rest der Unsicherheit würde immer bleiben. Und diesen konnte ihr niemand mehr nehmen. Vielleicht hätte sie sich auch einen Mann suchen sollen. Einen, der stark genug war sie zu beschützen, Liebe spielte dabei keine große Rolle bei ihr. Seit sie Kinder hatte austragen müssen, die noch nicht einmal ihre waren, legte sie mehr Wert darauf zu wissen, dass sie jemand beschützen konnte und zwar immer.
Nachdem sie von dort oben gerettet worden war, hatte sie sich gleich in dieser Wohnung eingerichtet, dabei kam es ihr nicht ungelegen, dass nun bald Weihnachten war. Allein das hatte schon viele Kontakte geschaffen.
Für den heutigen Tag hatte sie sich vorgenommen Plätzchen zu backen und dann ihre Nachbarin einzuladen. Sie hatte ein kleines Mädchen von 5 Jahren, Claudia fand sie sah aus wie ein Engel, mit ihren blonden, lockigen Haaren. Auch wenn sie Kinder nicht mehr wirklich mochte, sie könnte sich niemals vorstellen ein Kind zu haben, aber dieses Mädchen war fast ein Lichtblick in dieser dunklen Gegend für sie. Gerne war sie bei ihr und auch mit ihrer Mutter verstand sie sich gut. Das, obwohl sie missbilligte, dass diese bereits so früh ein Kind bekommen hatte. Sie war doch noch so jung und es war eher von ihr zu erwarten, dass sie in die Disko ging, sich mit Freunden verabredete, halt Dinge die alle Jugendlichen taten, aber nicht dass sie alleine ein Kind großzog!
Ein Klingeln von der Schelle her riss sie ziemlich brutal aus ihren Gedanken. Ihre Augen öffneten sich wieder und sie verzog das Gesicht. Dieser Klang störte sie schon lange. Sie ließ die Arme sinken, mit denen sie gerade über ihre Haare gefahren war, und schaute etwas unwillig an die gegenüberliegende, hellgrün geflieste Badezimmerwand.
Sie schaltete die Duschbrause aus, schob die Trennwand zur Seite und stieg über den Rand der Badewanne hinüber. Sie wusste schon wer vor der Tür stand, sie konnte es sich denken. War tatsächlich so viel Zeit vergangen?
Ein großes Handtuch um sich herum gewickelt rannte sie aus dem Bad und rief, obgleich sie wusste, dass es dort unten niemand hören konnte: „Warten Sie, ich komme gleich!” und rannte in ihr kleines Schlafzimmer. Von dort holte sie sich aus einem Schrank einen Bademantel, ließ das Handtuch fallen und zog sich in der gleichen Bewegung noch den Bademantel an, rannte danach zur Tür. Sie drückte unten die Tür auf, öffnete auch die Wohnungstür und ging hinaus auf dem Hausflur. Dieser war dunkel, wahrscheinlich ging das Licht schon wieder nicht. Es schien in diesen Haus dauernd etwas kaputt zu sein! Sie war sich sicher, würde es einen Fahrstuhl haben, wäre dieser wohl ebenso viel in Betrieb, wie sie Rollos vor dem Fenster hatte!
Als sie nach einer Weile immer noch keine Geräusche hörte, lehnte sie sich über das Geländer und rief einmal kurz nach unten. Erst danach kam ein Mann auf sie zu, den sie durch das kleine Fenster im Flur, welches ein wenig Licht hindurchließ, zwar schlecht erkennen konnte, aber sie konnte etwas sehen.
Er trug eine Brille, hatte lange schwarze Haare, die ordentlich gekämmt waren und einen ebenso schwarzen Bart. Seine Augen blickten Claudia aufmerksam an, schienen sie abzuschätzen. Irgendwie machte ihr diese Erscheinung Angst. Sie hätte eher damit gerechnet, dass jemand kommen würde, der freundlicher aussah!

Der Hausflur war ebenso dunkel, wie der Eindruck des Hauses von außen auch gewesen war. Die Wände waren in einen tiefen rot gestrichen, allerdings nur die untere Hälfte, ansteigend mit der Treppe. Darüber war ein mehrerer Zentimeter dicker, grüner Streifen, worüber sich die Wand weiß fortsetzte, die an den meisten Stellen eher grau aussah. Auch das rot war nicht mehr wie es einmal gewesen sein musste, man konnte braune Abdrücke und Streifen sehen. Der Boden selber war wider erwarten sauber, sah man von ein wenig Staub mal ab. Es war alles in allem sehr dunkel, die Fliesen auf dem Boden waren in schwarz, grau, braun und weiß gemustert, in unregelmäßigen Flecken aufgeteilt. Das Licht war nicht an und unten konnte er keinen Schalter erkennen.
„Hallo? Ist da jemand unten? Würden Sie sich dann bitte beeilen, oder verschwinden?” erklang von oben eine etwas genervte Stimme. Liam beugte sich übers Geländer und sah oben eine Frau stehen, von der er wegen dem wenigen Licht, welches durch die Haustür einfiel nicht viel sehen konnte. „Nein, warten Sie! Ich bin gleich oben!” rief er hinauf und nahm immer 2 Stufen auf einmal. Auf keinen Fall sollte sie die Tür wieder schließen... vielleicht würde sie ihn dann nicht mehr hinein lassen.
Ihm war eigentlich gar nicht aufgefallen, dass er so lange dort unten gestanden hatte. Während er die verschiedenen Etagen hinauf stieg, sah er jeweils 2 Türen nebeneinander, in dunklen Farben. Manche hatten versucht das ganze etwas freundliches zu gestalten, indem sie Kränze vor die Tür gehängt, oder Matten mit bunter Willkommensschrift vor die Tür gelegt hatten. Aus einigen Wohnungen hörte er lautes Gebrüll, manchmal auch ein Weinen, wobei er nicht wusste, ob dies nun von einem Erwachsenen kam, oder hier tatsächlich auch jemand mit einem Kind lebte. Auffallen war, dass das Haus von innen her lebendiger als auf den ersten Blick wirkte.
Schnell kam er mit seinem Schritt, noch in Gedanken und eigentlich noch gar nicht wissend, was er ihr sagen wollte, in der zweiten Etage an.
Vor der halb geöffneten Tür stand eine Frau die, als sie Liam kommen sah, in ihre Wohnung zurückwich und die Tür nur wenig aufließ.
Mit ruhiger Stimme sagte er ihr schließlich nur das Codewort, wollte nicht sagen warum er gekommen war, bevor er nicht in ihrer Wohnung war. Der Hausflur, vor allem in dieser Art von Haus, war nicht der geeignete Ort über derart brisante Themen zu sprechen.
Etwas unsicher nickte sie und trat zur Seite um ihn einzulassen. Liam wartete nicht lange dieser Aufforderung nachzukommen, vielleicht überlegte sie es sich noch einmal anders? Sie sah jetzt schon ziemlich ängstlich aus, was für eine Vertrauensbasis nicht gerade förderlich wäre. So lächelte er sie kurz an, wie er hoffte möglichst beruhigend.

Die Wohnung sah vollkommen anders aus, als es von außen den Anschein gehabt hatte. Hell und fast schon freundlich. Der Flur war eng und auf der rechten Seite konnte er einen in Holz eingerahmten Spiegel erkennen, der eine kleine Ablagefläche hatte. Darauf konnte er drei kleine Weihnachtsmänner in unterschiedlichen Positionen sehen, auf das Glas hatte sie Schneeflocken gesprüht, mit irgendeiner Technik von der er schon einmal gehört hatte, die ihm aber im Moment nicht einfiel. Viel Zeit sich das anzusehen blieb ihm allerdings nicht, er wurde sofort ins Wohnzimmer geführt, ohne noch einen Blick auf andere Räume werfen zu können.
Mit einer widerwilligen Handbewegung erlaubte sie ihm sich hinzusetzen, sagte aber nichts davon, wo er seine Jacke hinhängen konnte, so dass er sie an ließ. Sie wollte wohl wirklich keinen längeren Besuch, wobei ihm immer noch schleierhaft war, warum sie ihn dann überhaupt hineingelassen hatte. Er hatte eigentlich gedacht, wenn sie wusste, dass er vom Widerstand war, dass sie sich dann vielleicht ein wenig ungezwungener mit ihm unterhalten würde und nicht so abweisend ihm gegenüber reagierte.
Liam setzte sich in einen Sessel, der einzige, und schaute sich schnell um.
Die Frau ihm gegenüber hatte dunkle Haare und braune Augen. Er merkte, dass er sie wohl gestört haben musste, ihre Haare waren nass und auch in ihrem Gesicht konnte er noch Wassertropfen sehen, zudem trug sie auch einen Bademantel. Einen ziemlich zerschlissenen und ausgebleichten noch dazu und in einer wirklich passenden Farbe. Rot.
Als er sich weiter im Zimmer umsah, sah er noch einen Weihnachtsbaum, der nur halb geschmückt war, auf den Boden lagen noch kleine Kästen mit verschiedenen Schmuck drin. Auf den hellen Schränken, die einen deutlichen Kontrast zur dunklen Wand bildeten, an deren oberen Seiten in den Ecken vereinzelt Schimmel zu sehen war, standen viele Figuren. Alles Weihnachtsmotive. Weihnachtsmänner, eine kleine Stadt, mit einer Kirche und Bäumen, durch die eine kleine Eisenbahn fuhr und er kleine Menschen sehen konnte. In einer Ecke konnte er sogar den singenden Weihnachtsmann entdecken, den er auch mit Li'en gekauft hatte. Auf den Tisch stand ein Teller voll mit Lebkuchen und Spekulatius, über der Tür hing eine Art Tannengirlande, mit blauen Kugeln und kleinen Geschenken geschmückt. Er konnte kleine Engel sehen, am Fenster, dass definitiv nicht zur Straße hinausging, da er davor einen großen Baum sah, hing ein Schlitten, den ein Renntier zog und alles war mit einer bunten Lichterkette durchzogen. Selbst auf der Fensterbank konnte er etwas weißes, glitzerndes sehen, mit silbernen Sternen geschmückt, was wohl Schnee darstellen sollte. Von der Decke hing ein goldener Plastikstern, den man zusammen falten konnte, insgesamt konnte man die Wohnung nur als vollgestopft bezeichnen! Liam fand diesen ganzen Schmuck doch ziemlich übertrieben, egal wo er hinsah, konnte er nur irgendetwas das mit Weihnachten zu tun hatte sehen, alles glitzerte und leuchtete auf die eine oder andere Art. Oder würde es tun, wenn es denn angeschaltet wäre. Selbst in den Regalen sah er nur Bücher von und zu Weihnachten, einige waren nämlich einfach nur Backbücher für irgendwelche Plätzchen zu diesem Fest und er fragte sich unwillkürlich, ob sie in jeder Jahreszeit alles umdekorieren, selbst die Bücher austauschen würde, um ihre Wohnung immer in die jeweilige Zeit zu verwandeln. Er gab es nach kurzes Zeit auf, sich zu überlegen, wie diese Wohnung im Sommer aussah. Allerdings konnte er sich lebhaft vorstellen, wie es in der Osterzeit aussehen würde!
„Und?” fragte ihn eine etwas ungeduldige Stimme.
„Entschuldigen Sie bitte. Eine... nette Dekorierung...”
Claudia sah sich daraufhin in der Wohnung um und murmelte ein „Ja”. Dann wandte sie sich wieder ihm zu. „Aber Sie sind nicht wegen der Dekorierung hier.”
„Das stimmt. Erst möchte ich mich einmal vorstellen. Mein Name ist Marcel und ich entschuldige mich dafür, dass Ihnen meine Nachricht offenbar einen Schrecken eingejagt hat?”
Claudia schüttelte daraufhin den Kopf, sagte aber gleichzeitig ein leises „Ja”, was nicht mehr bedeutete, als dass sie verstanden hatte. Was er nun von ihr wollte war ihr immer noch nicht klar. Unauffällig versuchte sie den Mann zu erkennen. Dass er nicht immer so aussah war klar, zu ihrem Leidwesen konnte sie nicht erkennen wer es war. Es wäre sicher interessant gewesen, zu wissen wer im Widerstand war. Und sei es auch nur ein Mitglied, dass sie dann vom Sehen her kannte.
„Was wollen Sie nun hier? Ist etwas passiert?” Ihre Stimme klang leicht ängstlich und nervös. Beide Hände hielt sie in ihren Schoß und bewegte sie kaum. Verkrampft waren sie und blass, so wie ihr Gesicht. In ihren Augen lag fast ein flehender Eindruck.
„Es ist nichts passiert, Sie müssen sich keine Sorgen machen!”
Liam bemühte sich um eine beruhigende Stimme, wobei er gleichzeitig versuchte seine Stimme etwas zu verändern. Sich selber wollte er in dieser Situation lieber nicht hören, er war sich sicher, dass man seine Versuche sofort erkennen könnte.
Claudia sagte allerdings nichts dazu, sah ihn nur auffordernd an. Wenn er nicht deswegen gekommen war, weswegen dann? Leicht entspannte sie sich, auch wenn diese Ungewissheit immer mehr in ihr stieg, nahezu unerträglich wurde.
Als sie nicht antwortete, entschied sich Liam einfach weiter zu sprechen. Wenn sie etwas zu sagen hatte, würde sie das wohl auch tun!
„Sie wissen, dass wir, der Widerstand, sie von den Taelons befreit haben. Natürlich wollen wir auch wissen, wie Sie nun danach darüber denken. Natürlich weiß ich, dass es kein angenehmes Thema für Sie ist, über ihre Zeit auf der Basis zu sprechen. Aber haben sie jemals daran gedacht, dass sie dort in einer Art tatsächlich Kinder ausgetragen haben?”
Liam musste sich bemühen seine Begeisterung nicht durchklingen zu lassen, sondern eher professionell. Dennoch beschäftigte auch ihn diese Frage, ob sie diesen Kindern die sie ausgetragen hatte, wohl nachtrauerte? Immerhin waren sie eine lange Zeit in ihren Körper gewesen, waren in ihr niemals Muttergefühle aufgetreten?
Marcels Aussage, ließ die Erinnerung wieder aufsteigen, nur dieses Mal konnte Claudia sie nicht wieder verdrängen.

Sie verstand, warum bei der Untersuchung die Frau der Meinung gewesen war, es hätte schlimmer kommen können. Es war schlimmer gekommen. Ob man jeder Frau sagte, dass es immer schlimmer werden könnte? Sie hatte davon auch durch andere gehört. War es ein Versuch von jenen, die sie nun selber auch kannte, sie zu warnen? Welchen Sinn sollte das haben? Man kam nicht fort. Es gab keine Möglichkeit zu fliegen, keine zu sterben. Man hatte entschieden, dass sie dort bleiben wollte. Warum das so was wusste sie auch nicht. Ob denn jemals irgendwelche Frauen zurückgeschickt worden waren, hatte Claudia wissen wollen. Niemand hatte ihr eine Antwort geben können. Die Taelons, die sie untersuchten, oder eher gesagt, das was sich in ihren Körper eingenistet hatte und für das sie nun in begrenzten Maße mitsorgen musste, sprachen niemals mit ihr. Sie sah diese Wesen, die sie einst bewundert hatte, auch nicht oft. Die Menschen, diese Wissenschaftler waren öfter da, aber auch sie behandelten sie nicht wie einen Menschen, sondern genau wie die Taelons. Ein Objekt, etwas, das nur dazu da war, Kinder der Taelons auszutragen. Wobei sie nicht verstand, dass diese hochentwickelte Rasse etwas derartiges nötig hatte. Eine der Frauen, sie war schon länger da, hatte mal zu ihr gesagt, dass niemand das, was die Taelons in ihnen züchteten, gesehen hatte. So waren die abenteuerlichsten Ideen entstanden, was in ihren Körpern heranwuchs, oft hatte man versucht einen Blick auf die Aufzeichnungen zu erhaschen, die alle Ärzte machten, nur Claudia interessierte das wenig. Es interessierte sie auch nicht, wenn die anderen behaupteten sie hätten etwas erfahren können, und irgendwelche angsteinflößenden Kreaturen, schlimmer als Tiere würden daraus entstehen. Diese Aussagen waren aber eher selten.
Claudia war nun dort, das war das einzigste was zählte. Zusammen mit vielen anderen Frauen. Nun erschien ihr die Zeit, die sie alleine verbracht hatte, in der sie nur während den Untersuchungen etwas von den anderen erfahren hatte, besser als ihre jetzige. Ja, sie war alleine gewesen, aber sie hatte auch ihre Ruhe. Hier schien nahezu keine Privatsphäre zu sein. Alle lebten in einen Raum, kamen nur heraus eben wenn man sich um die Gesundheit des Wesens, was in ihnen heranwuchs sorgte. Sie fühlte sich eingesperrt und hätte mittlerweile alles dafür gegeben um herauszukommen. Irgendwann, das war ihre feste Überzeugung, würde sie wahnsinnig werden, unter all den Frauen, von denen jene, die schon länger da waren, so wie sie nun, nur noch in der Ecke saßen und wenig sprachen. Worüber denn auch? Es gab nicht vieles worüber man reden konnte, nur wenn jemand neues kam, der etwas über die Welt außerhalb der Wände erzählen konnte, der Erde, der Freiheit, dann war wirklich wieder jeder anwesend. Wie oft hatte sie selber erzählen müssen, was sie noch wusste, was es neues gab, was in ihrer Zwischenzeit passiert war. Suchte sie jemand, gab es irgendjemand der sich Sorgen um sie machte? Sprach nicht die Presse davon, wurde in den Nachrichten nichts davon erzählt?
Claudia wusste es besser, sie fragte nicht oft. Mit ihrer Familie war sie schon zu lange im Streit, als dass es jemanden auffallen würde, dass sie sich nicht meldete. Sie tat es sowieso nie. Niemand würde sich Gedanken darüber machen, warum sie nicht da war. Und wenn sie eine Nachricht nicht beantwortete, dann würde man wie immer davon ausgehen, dass sie schlachte Laune hatte. Wenn man ihnen erzählen würde, dass sie fort gezogen wäre, ohne etwas zu hinterlassen, würde niemand näher nachfragen, oder ähnliches. So wenig Kontakt wie möglich zueinander, das war in ihrer Familie schon immer das wichtigste gewesen.
Müde legte sie den Kopf auf ihre Knie, die Arme legte sie über ihren Nacken. Wieder fühlte sie es in ihr. Wie es sich bewegte, lebte, während sie selber starb. Etwas widerliches und unwürdig zu lebendes in ihr. Wieso hatte man ihr dies angetan? Gab es da auch nicht andere Methoden? Das, was auch immer in ihr war, war daran Schuld. Es würde wohl ein besseres Leben als sie selber haben, nachher mit Verachtung auf sie herabschauen. Ein Ebenbild der Taelons war es, davon war Claudia überzeugt. Und so wie sie dieses Wesen verabscheute und verfluchte, würde es das wahrscheinlich später auch machen. Aber es war ihr egal, da sie es niemals würde sehen, niemals kennen lernen könnte. Darauf legte sie allerdings auch wenig Wert.
Sie wurde benutzt, als etwas das Leben geben sollte, als wenn dies nicht auch in einer künstlichen Umgebung funktionieren würde. Warum hatte man sich eher dazu entschieden, Frauen wie sie zu demütigen?
Sie wollte es nicht haben, wollte nicht, dass etwas, das nicht wie sie war in ihr lebte, durch sie zum leben kommen sollte. Claudia hatte versucht sich dagegen zu wehren, hatte immer noch nicht aufgegeben verhindern zu können, dass es lebte.
Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Genauso widerwärtig wie die Taelons, von ihnen abstammend. Es war in ihr, sie konnte es fühlen, jeden Tag und dennoch nichts dagegen tun.
Wie lange würde es wohl dauern, bis ihnen auffiel, dass sie keine Nahrung mehr zu sich nahm? Dass sie vorhatte, dieses Monster in ihn ihr zu töten? Hoffentlich lange genug, dass es wirklich starb. Es wäre eine Erlösung, zu spüren, dass es sich nicht mehr bewegte. Sie glaubte fast schon zu spüren, wie die Bewegungen von dem Wesen in ihr schwächer geworden waren.
Die Taelons konnte sie nicht angreifen, aber auf jeden Fall ihre Brut!

Claudia atmete einmal rief durch, verdrängte die Erinnerung daran wieder. Es tat nun nichts mehr zu Sache es war vorbei. Wenn auch niemals ganz. Sie hatten ihr etwas genommen, was sie ihr niemals verzeihen würde. So gerne hätte sie Kinder gehabt... allein schon der Gedanke bescherte ihr Übelkeit.
„Wie man diese Wesen als Kinder bezeichnen kann, weiß ich nicht!” sagte sie leise.

Liam sah sie etwas überrascht an. Er glaubte sich verhört zu haben. Was sollten es denn ihrer Meinung nach sonst sein? Für einen Moment wirkte sie abwesend, ihr Blick war in weite Ferne gerichtet. Dann sah sie ihn wieder direkt an, offenbar hatte sie über etwas nachgedacht, was nicht sehr angenehm für sie gewesen war. Langsam sagte er schließlich, da sie offenbar nicht weiter reden wollte: „Auch sie waren Lebewesen und Opfer, genau wie sie und alle anderen Frauen...”

Claudia sah ihn nur ernst an. Selbst wenn er ein Mitglied des Widerstandes war, so konnte er sie auch nicht verstehen. Niemand konnte das, nur Menschen, die das gleiche wie sie durchgemacht hatten. Es war nur ein benutzen gewesen, ohne großes Nachdenken darüber, wie sie sich vielleicht dabei fühlen könnte. Und nun erzählte Marcel ihr, dass diese Wesen, die in ihre herangewachsen waren, als Opfer? Ihnen war doch nichts passiert! Sie wurden nicht von den Taelons für ihre eigenen Pläne missbraucht wie sie selber. Und selbst wenn, was sollten ihr diese Wesen dann noch bedeuten? Sie würden sie immer daran erinnern, was ihr angetan worden war und sie war froh gewesen, als sie erfahren hatte, dass sie alle tot waren. Denn wenn sie dies nicht gewesen wären, hätte sie mit den anderen dafür gesorgt. Sie waren Taelon, sie waren für ihr Leiden verantwortlich und hätten sie immer an ihre Demütigung erinnert. Und noch bis vor Kurzem hatte sie jedes Kind dass sie gesehen hatte, an die Basis erinnert, an die für sie unerträglichen Zustände, und das was ihr und den anderen angetan worden war. Konnte sich überhaupt irgendjemand vorstellen, wie benutzt und minderwertig sie sich dort oben gefühlt hatte und wie sie sich noch immer fühlte? Wieso musste er gerade mit ihr über etwas reden, was sie doch schon fast vergessen hatte?
„Ich möchte darüber nichts hören, verstehen Sie? Nichts! Egal warum sie dieses Thema auch anfangen, es interessiert mich nicht!”

Tränen glitzerten in ihren Augen, von denen Liam nicht wusste, ob sie davon kamen, dass es ihr so sehr weh tat darüber zu reden, oder ob es davon kam, dass sie den Verlust von den Kindern nicht verkraften konnte, und sie lieber nicht als solche sehen wollte. Er entschied sich für letzteres.
„Ich weiß, dass Sie sehr viel durchmachen mussten, aber die Frage die ich Ihnen jetzt stelle ist sehr wichtig! Was würden Sie tun, wenn Ihnen jemand sagen würde, dass eines der Kinder, die Sie dort oben ausgetragen haben, noch lebt?”

Fassungslos sah sie Marcel an. Wie konnte er ihr eine derartige Frage stellen? Das war doch wohl klar.
„Wenn noch eines dieser Biester leben würde, ich würde es eigenhändig umbringen!” Als sie Marcels geschockten Gesichtsausdruck merkte, lächelte sie entschuldigend. „Was haben Sie nach all dem gedacht? Dass ich sie als meine Kinder ansehe? Dass ich Ihnen auf diese Frage antworte, dass ich sie mit Freuden zu mir nehmen würde?” Claudia schüttelte den Kopf. „Schon dort oben hätte ich nichts lieber getan, als ihnen das Leben zu verwehren. Die Chance dazu hatte ich nie. Und nun gehen Sie bitte.”

Liam stand kurze Zeit später vor dem Haus. Der Wind erschien ihm eisiger als vorher, alles erschien ihm kälter und trostloser. Das Geschenk, das beste was es überhaupt für sie geben könnte, konnte er Li'en wohl nicht machen. Dabei hatte er sich so sehr für sie gewünscht, dass sie eine Familie bekommen könnte. Er musste wohl einsehen, dass er dort einen Traum erlegen war, der niemals würde in Erfüllung gehen können!

 

Ende von Kapitel 2

 

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