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  „Von heute nach damals” von Scheiana   (Emailadresse siehe Autorenseite),   geschrieben im Juli 2004
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Da'an tritt ungewollt eine Reise in die Vergangenheit an. Dort trifft er auf seinen alten Mentor und sein Schicksal.
Zeitpunkt:  die Geschichte beginnt Ende bis Mitte der vierten Staffel
Charaktere:  Da'an, Ha'gel, Ma'el, Liam
 

 

VON HEUTE NACH DAMALS

 

Schweigend stand Da'an am Aussichtsfenster und blickte auf den Garten der Botschaft hinab. Wieder einmal war Zo'or mit seinen hinterhältigen Machenschaften ungeschoren davon gekommen. Wieder einmal hatte der junge Hybride, der nun ruhig an seinem Arbeitsplatz saß und ihn beharrlich ignorierte, deswegen mit ihm einen heftigen Streit begonnen. Da'an legte resignierend eine Hand an das virtuelle Glas und seufzte leise. Er war der Streitereien und zahllosen Anschuldigungen überdrüssig. Zu gerne würde er sich zurückziehen und diese Welt und die Menschen auf ihr zurücklassen. All die Freunde, die er unter ihnen einst gehabt hatte, hatten sich von ihm abgewandt und schienen ihn für seine Schwäche zu verachten. Es war ihm ein Rätsel, warum Liam noch immer als sein Beschützer arbeitete und nicht längst um eine Versetzung gebeten hatte.
Traurig wurde ihm bewusst, dass wohl das Einzige, was den jungen Hybriden noch hielt, die Tatsache war, dass er bei keinem anderen Taelon so leicht an die Informationen kommen würde, die der Widerstand brauchte. Außerdem mochte auch die Sorge in ihm sein, dass er ihn verraten würde, wenn er ging.

Erneut seufzend erinnerte er sich daran, dass er sich auf den Weg machen musste, wenn er nicht zu spät kommen wollte, um den neuen Flügel des Museums einzuweihen, in dem die verschiedenen Artefakte um Ma'el und andere taelonische Stücke ausgestellt wurden.
Ruhig drehte er sich um und ging auf den Ausgang des Empfangsraumes zu. Der Major machte keinerlei Anstalten sich zu erheben oder zu fragen, wohin Da'an ging. Zufrieden darüber machte sich Da'an auf den Weg zum Shuttlehangar. Kurz nach ihrem Streit hatte er dem Major gesagt, dass er ihn heute nicht begleiten brauche, der Shuttlepilot würde ihn zum Museum begleiten.
Schließlich erreichte er den Hangar, wo das Shuttle bereits auf ihn wartete. Schweigend stieg er ein und wenig später war das Shuttle bereits in der Luft und ließ die Botschaft und somit einen Teil von Da'ans Sorgen hinter sich zurück.

 
* * *
 

Nachdenklich schritt Da'an durch das nun leere Museum, vorbei an den verschiedenen Artefakten und fragte sich, was sein alter Mentor wohl sagen würde, wenn er je erführe, was er an Schrecklichem getan hatte und was nun dadurch aus ihm geworden war. Fast war er dankbar, dass Ma'el zur Erde geschickt worden war, so dass er all das nicht hatte miterleben müssen. Ohne auf seine Umgebung zu achten, durchschritt er die Hallen und war so leicht überrascht, als er plötzlich vor dem Zeittor stand, das seit geraumer Zeit gut gesichert in einer abgelegenen Ecke des Museums stand. Nachdem Liam es ungewollt durchschritten hatte, hatte Da'an dafür gesorgt, dass der geringe Strom an Energie, der dieses mehr als komplexe technische Gebilde durchfloss, blockiert wurde, so dass ein solcher Zwischenfall dieser Art sich nicht noch einmal wiederholen konnte.

Bald musste er zum Shuttle zurückkehren. In der Botschaft wartete noch eine Menge Arbeit auf ihn. Schwermütig drehte er sich um, als er aus den Augenwinkeln sah, dass ein sachter bläulicher Glanz über das Gerät zu schimmern schien. Nun neugierig drehte er sich um und sah, dass seine Augen ihn nicht getäuscht hatten. Das Tor schimmerte sacht, pulsierte und schien mit jeder Sekunde mehr Energie aus einer nicht sichtbaren Quelle zu beziehen. Entgegen aller Vernunft überquerte er die Absperrung, die all zu interessierte Besucher von den Ausstellungsstücken fernhielt und trat an das Tor heran. Vorsichtig hob er seine Hand dem Tor entgegen ohne es jedoch zu berühren. Fast glaubte er zu spüren wie ein stetes energetisches Prickeln vom Tor auf ihn überfloss, sich wellenförmig intensivierend.

Nervös spürte er wie seine Energie immer rascher durch seinen Körper floss und schon bald hatte er das Gefühl als würde, was auch immer das Portal hier auflud, auf ihn übergehen, durch ihn strömen und sich in ihm stauen. Durch einen unsichtbaren Impuls beflügelt hob er nun auch die andere Hand und spürte wie die sich in ihm stauende Energie zurück zum Tor floss. Fast war es so als würde seine Energie gereinigt und gestärkt. Heftig begann seine Fassade zu flackern und löste sich schließlich ganz auf. Fast exstatisch vom Strom berührt, ging er nun mit kleinen Schritten näher ans Tor bis sich seine Hände darauf legten. Fast zeitgleich fühlte er sich fortgesogen, glaubte durch einen endlosen schwarzen Tunnel zu stürzen und stand doch still. Nach wenigen Augenblicken schwanden ihm die Sinne. Während das Tor im Museum in sich zusammenfiel und gleichzeitig zu explodieren schien. Dabei geriet alles Umliegende in Brand.

 
* * *
 


Noch wochenlang wurden gründliche Untersuchungen angestellt wie es zu dem Brand im Museum kommen konnte und ob die Zerstörung verschiedener Artefakte Ursache oder Folge des Brandes war. Noch energischer jedoch wurde das Verschwinden eines gewissen Taelons untersucht, der sich zur Zeit des Brandes nach Angaben des Shuttlepiloten noch im Museum befunden hatte. Keiner im Gemeinwesen hatte den Übergang dieses Taelons auf die nächste Ebene wahrgenommen und doch war er nun nicht mehr Teil des Gemeinwesens, was zu erheblichen Unruhen und Sorge führte, dass man es nun womöglich erneut mit einem Atavus zu tun haben könnte.

Zo'or verbrachte viele Wochen damit seinen Beschützer zornig durch die Gegend zu scheuchen, Freiwillige anzubrüllen und sämtlichen menschlichen Behörden Inkompetenz zu unterstellen, da diese keinerlei Fortschritte machten. Den Großteil seiner Aufmerksamkeit widmete er jedoch zur größten Freude aller dem Beschützer des fraglichen, verschwundenen Taelons. Dieser hatte seinen Schützling am Tage des Verschwindens nicht begleitet und den Schutz des nordamerikanischen Companions einem nicht für solche Situationen ausgebildeten Piloten überlassen. Oft verbrachte er mehrere Stunden am Tag damit diesem Mann schwerste Vorwürfe zu machen und ihm Fragen zu stellen wie:

„Haben Sie etwa vergessen, dass es Ihre einzige Aufgabe ist, für Da'ans Wohl zu sorgen?”
„Was haben Sie sich dabei gedacht auf derart fahrlässige und inkompetente Art zu handeln? Oh, verzeihen Sie, ich vergaß. Sie haben gar nicht gehandelt. Sie haben nicht einmal einen Versuch unternommen ihn davon zu überzeugen, dass Sie ihn begleiten müssen!”
„Was, Sie wollen kündigen? Vergessen Sie es, Sie werden gefeuert und zwar raus aus der nächsten Luftschleuse hinaus ins Weltall!”

Nun, der letzte Kommunikationsbeitrag führte zu einer spektakulären und überstürzten Flucht des Beschützers vom Mutterschiff. Monatelang war er daraufhin wie vom Erdboden verschluckt.
Nach ein paar Wochen schließlich, in denen sich weder ein Atavus, noch der vermisste Da'an zeigten, wurde ein Nachfolger für diesen bestimmt. Que'it erwies sich als äußerst fähig und war bald unter den Menschen noch beliebter als sein Vorgänger.
Alles in allem war es wohl eine höchst chaotische und schwierige Zeit, die dem Verschwinden Da'ans folgte. Dieser jedoch wusste nichts von all dem, er lag weit von alledem entfernt. In friedlicher Bewusstlosigkeit versunken im Frachtraum eines vom Absturz beschädigten Taelonschiffes, welches wenige Minuten vor seiner Ankunft hier mehr als unsanft aufgesetzt hatte.

 
* * *
 

Ein hingebungsvolles Stöhnen begleitete das Erwachen Da'ans. Benommen schlug er die Augen auf und sah, dass er im Frachtraum eines Taelonschiffes lag. Im ersten Augenblick glaubte er auf dem Mutterschiff zu sein. Doch ein kurzer Blick auf seine Umgebung sagte ihm, dass es auf dem Mutterschiff keinen solchen Frachtraum gab.
Wo war er hier nur gelandet? Oder vielmehr, so erinnerte er sich benommen, wann?
Noch etwas schwerfällig erhob er sich und blickte sich sorgfältig um. Die hier gelagerten Kisten enthielten, soweit er es beurteilen konnte, hauptsächlich wissenschaftliche Gerätschaften. Auch einige Versorgungskisten mit Vorräten an Grundenergie, Energiedusche und ähnlichen Vorrichtungen waren auszumachen. Eine leise Vorahnung begann in ihm zu keimen und so ging er zielstrebig auf die nächste Konsole zu und aktivierte diese.

Sofort sah er, dass diesem System sämtliche Anpassungen an die menschlichen Nutzer fehlten. Diese Konsole war ausschließlich für Taelons bestimmt. Konzentriert huschten seine Finger über die Konsole und schon bald wurde aus der ersten leisen Vermutung eine unwiderrufliche Tatsache. Er befand sich auf Ma'el Schiff und alle Anzeigen hier deuteten darauf hin, dass es erst vor Kurzem auf der Erde abgestürzt war. Aufgeregt begannen seine Gedanken zu rasen. Wo war Ma'el, ging es ihm gut und wie würde dieser auf seine Anwesenheit reagieren? Durfte er überhaut offenbaren, dass er hier war? Würde durch ihre Begegnung nicht das gesamte Raum-Zeit-Gefüge durcheinanderkommen? Unruhig sah er sich erneut um und hielt nach dem Zeittor Ausschau. Es war nirgends zu entdecken. Was bedeutete das denn nur? Es konnte doch nicht sein, dass...
Nun recht verwirrt wandte er sich wieder der Konsole zu, um mit den Scannern nach Ma'el zu suchen. Auch wenn es ein Risiko darstellte. Vielleicht konnte sein alter Mentor ihm helfen. Nach kurzem Suchen entdeckte er die Energiesignatur des gesuchten Taelons auf der Brücke. Etwas schockiert und besorgt stellte er fest, dass diese nicht so kräftig war, wie sie sein sollte.

 
* * *
 

Eiligen Schrittes hastete Da'an durch die Gänge des Schiffes und erreichte schon bald die Brücke. Nervös sah er sich um und hielt Ausschau nach Ma'el. Er entdeckte ihn schließlich am Boden liegend hinter der Steuerkonsole. Beunruhigt sah Da'an, dass der Taelon ohne Bewusstsein war und aus zahlreichen Wunden Energie strömte. Mit wenigen Schritten war er bei Ma'el und ging neben ihm in die Hocke. Rasch legte er seine Hand auf Ma'els Brustkasten. Sofort spürte er, dass der Zustand seines alten Mentors kritisch war. Hektisch sah sich Da'an nach irgendetwas um, das er benutzen konnte, um die Wunden zu verbinden.

Suchend durchsuchte er die ganze Brücke und den anliegenden Korridor. Er fand jedoch nur genügend Geeignetes, um die kleineren Wunden zu versorgen. Rasch kehrte er zum Verwundeten zurück, versorgte die kleineren Wunden und stütze dann den Kopf Ma'els auf seine Knie ab. Dann ergriff er die Hand seines alten Mentors und begann damit einen Teil seiner Energie auf ihn zu übertragen. Gestärkt durch den sachten Energiestrom öffnete Ma'el schließlich langsam wie in Zeitlupe seine Augen. Schwach blickte er zu dem ihm so vertrauten Gesicht hinauf und schien kein bisschen überrascht.

„Ich habe versagt. Ich habe es zu spät bemerkt!”
„Nein, es wird alles gut. Glaube mir, ich weiß es!”
„Ich war überzeugt das Schiff hätte die Beschädigung an der Hülle bereits repariert. Ich habe mich getäuscht. Die Anzeigen waren fehlerhaft.”
„Sprich nicht, ich werde etwas suchen, um deine Wunden zu versorgen. Halte durch. Alles wird gut.”
Mit diesen Worten übertrug Da'an dem Liegenden noch einen letzten Schwall an Energie, erhob sich behutsam und eilte davon, alle seiner Art still verfluchend, dass sie nie an die Einrichtung von Erste-Hilfe-Vorrichtungen auf der Brücke gedacht hatten.

 
* * *
 

Nach, für Da'ans Empfinden viel zu langer Zeit, kehrte er mit ausreichend Verbandsmaterial und etwas medizinischem Gerät auf die Brücke zurück. Ma'els Zustand schien sich entgegen all seiner Hoffnungen weiter verschlechtert zu haben. Doch es konnte nicht möglich sein, dass er jetzt zu dieser Zeit auf die nächste Ebene wechselte. Die Geschichte seines Volkes und die der Menschen sprachen dagegen. Eilig kehrte er an Ma'els Seite zurück und machte sich sofort daran auch die restlichen Wunden zu versorgen. Ma'els Fassade flackerte stark und löste sich auf, gerade als Da'an den letzten Verband anlegte. Rasch zog Da'an eine Kapsel mit Grundenergie hervor und injizierte diese Ma'el, doch dessen Fassade baute sich nicht wieder auf. Vielmehr begann sein Körper durchscheinend zu werden und Da'an wusste nur zu gut, was das bedeutete. Der Wechsel Ma'els auf die nächste Ebene musste kurz bevorstehen. Verzweifelt griff er mit beiden Händen nach Ma'el und hob ihn in seine Arme.
„Du darfst jetzt nicht sterben, es ist viel zu früh, kämpfe!”
Erneut begann er damit seine eigene Energie auf Ma'el zu übertragen und redete weiter auf den nun wieder Besinnungslosen ein.
Still in seiner Sorge und Verzweiflung versinkend merkte er nicht, dass ihm jemand sanft eine Hand auf die Schulter legte.

 
* * *
 

Still kauerte Da'an da, hielt Ma'el und versuchte verzweifelt ihn auf dieser Ebene zu halten.
„Lass los, Da'an. Du kannst ihn nicht mehr retten. Es ist zu spät.” drang eine Stimme ans Ohr des Taelons. Sie war voll Mitgefühl und Bedauern. Es klang jedoch auch etwas Endgültiges in ihr mit. Überrascht drehte Da'an sich um und blickte in das sanfte Gesicht Ha'gels. Weit riss er die Augen auf und sah den Kimera erstaunt an. Dieser schien die stummen Fragen in seinen Augen zu lesen und antwortete mit ruhiger, sanfter Stimme.
„Nein, auch ich kann ihm nicht mehr helfen, ich bin noch zu schwach. Es hat mich zu viel Energie gekostet, dich hierher zu bringen. Ich habe gerade genug Energie, um hier vor dir zu stehen.”

Kurz blickte er in die tiefblauen Augen des Taelons und sah die leise Gewissheit in ihnen, dass er nichts zu tun vermochte. Sah die damit verbundene Trauer, den Schmerz und auch zahlreiche weitere Fragen.
„Ich wusste, dass dies geschehen würde. Eingepfercht in meiner winzigen Zelle am Grunde des Meeres habe ich viel Zeit damit verbracht dem leisen Flüstern des Gemeinwesens zu lauschen. Ich spürte schließlich, dass sich einer der euren dieser Welt näherte und seinen Tod. Doch zu meiner größten Überraschung blieb dieser vom Rest des Gemeinwesens unbemerkt, da zeitgleich mit dem Dahinscheiden des Taelons ein anderer dessen Stelle im Gemeinwesen einnahm. Lange Zeit habe ich damit verbracht, mich zu fragen, wie so etwas möglich ist. Denn nur Kimera sind dazu in der Lage das Gemeinwesen auf diese Weise zu manipulieren und ich war schließlich der Letzte.”

Kurz schwieg er und wartete bis Da'an erfassen konnte, was sich hier anbahnte und fuhr dann fort.
„Erst einige Zeit nach meinem Freikommen begriff ich, was geschehen sein musste. Ihr beide seht euch sehr ähnlich und doch war die Ähnlichkeit auf einigen der Aufzeichnungen Ma'els, die ich fand, zu groß.”
Wieder schwieg er kurz um das Vernommene in Da'an wirken zu lassen, bevor er ihn mit der Unvermeidlichkeit seines Schicksals konfrontierte.

„Ma'el starb, er wird sterben an den Folgen des Absturzes. Jemand muss seinen Platz einnehmen. Jemand, der die Menschen versteht, der etwas für sie empfindet. Jemand muss sie auf die Ankunft der Taelons vorbereiten, damit die Menschen ihnen ebenwürdig gegenübertreten können. Da'an, ich weiß, das ist der denkbar schlechteste Zeitpunkt, aber du bist unter allen Taelons, die ich kenne, der Einzige, der dies bewerkstelligen kann. Du musst den Menschen helfen sich gegen die deinen zu verteidigen, denn nur dann wird es ihnen möglich sein, ihnen zu helfen. Wenn sie ihren freien Geist, welchen du so an ihnen zu schätzen gelernt hast, ohne Unterdrückung und Beeinflussung entfalten können.”

Wieder sah Ha'gel zu Da'an, er wusste nur zu gut, was das, was er gesagt hatte, in dem Taelon auslösen musste. Und nur zu gerne hätte er Da'an die Zeit gegeben, die er brauchte, um all das voll zu erfassen und zu begreifen. Zeit, die sie nicht hatten. Wenn sie all zu lange warteten, würde das Gemeinwesen misstrauisch werden und dann war es fast unmöglich zu tun, was getan werden musste, was er bereits getan hatte.

 
* * *
 

Fast geschockt kauerte Da'an am Boden und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Er sollte an Ma'els Stelle treten. Er sollte derjenige sein, der die menschliche Entwicklung derart beeinflusst hatte, sie beeinflussen sollte. Schwerfällig schob sich die Erkenntnis, welche die Worte des Kimera in sich bargen, in seinem Selbst zurecht. Still hielt er noch immer den Körper Ma'els und merkte kaum, dass der stetige Strom an Energie, der von ihm zu Ma'el floss, immer schwächer wurde.
Was sollte er nur tun?
„Aber, was ist mit meinen Pflichten der Synode gegenüber, was wird aus Liam, wieso ich?”
Ein merkwürdiges Geräusch, das nach einem unterdrückten, verächtlichen Schnauben klang, kam aus Ha'gels Richtung.

„Was für Pflichten? Hast du vergessen, in was für einer Situation du dich befunden hast? Jeder Taelon im Gemeinwesen spürte deine Not. Doch anstatt dir zu helfen, haben sie dich nur noch tiefer hineingetrieben. Selbst dein eigenes Kind scheute sich nicht davor deine Situation zu seinem Vorteil auszunutzen!”
Kurz hielt er inne und sein Gesicht wurde ein wenig freundlicher.
„Um Liam musst du dich nicht sorgen. Er hat bewiesen, dass er für sich selbst sorgen kann. Er wird zurechtkommen. Sorge dich nicht.”
Da'an sah zu Boden und schien mit sich zu ringen.
„Heißt das, ich werde nicht zurückkehren.”
Ein mitfühlendes Lächeln trat auf die Züge des Kimera.
„Ich weiß, es ist viel, was ich von dir verlange. Doch es wird sich lohnen.”
Erneutes Innehalten deutete darauf hin, dass Ha'gel anscheinend versuchte Kräfte zu sammeln.
„Das Zeittor wurde nach der Reise sicher zerstört. Die enorme Energie, die von Nöten war, um einen Zeitsprung dieser Größenordnung zu unternehmen, war mit Sicherheit zu viel. Doch es hat auch sein Gutes. So kann niemand uns folgen und verhindern, was geschehen muss!”

Wehmütig sah Da'an auf Ma'el hinab. Und wusste, dass der Kimera recht hatte. Auch er spürte nun, dass sein alter Mentor kurz davor stand auf die nächste Ebene zu wechseln. Nur zu gut konnte er sich vorstellen, was den Menschen bevorstand, wenn niemand sie vorbereitete, wenn niemand regelmäßig Berichte sandte und die seinen eindringlich warnte herzukommen. Wenn all dies nicht geschah, würden die Taelons sehr viel früher eintreffen und dann würden die Menschen wahrscheinlich in der Zeit, aus der er kam, schon nicht mehr existieren. Verheizt im Krieg. Verheizt um einer Illusion nachzujagen. Denn eines wusste Da'an. Selbst wenn es ihnen gelänge den Krieg zu gewinnen, so konnte dieser Sieg doch nicht verhindern, dass seine Rasse eine sterbende Rasse war.

Jemand musste etwas tun. Verhindern, dass den Menschen das selbe Schicksal zuteil wurde, wie schon so vielen anderen vor ihnen. Anderen, die auf sein Geheiß hin vernichtet, oder wie er es damals noch gesehen hatte, geopfert wurden. Geopfert zum Wohle der Taelons.
Vielleicht war dies ja seine Chance das Unrecht, das er begangen hatte, wenigsten zu einem geringen Teil auszugleichen, indem er nun den Menschen half sich gegen die seinen zu behaupten und sie von ihrem Weg abzubringen.
Schweren Herzens fasste er einen Entschluss, sah zu Ha'gel auf und spürte, wie so etwas wie Hoffnung und auch neuer Lebensmut in ihm aufkeimten.

Da'an sah Ha'gel in die Augen und öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Dann jedoch rückte eine Bemerkung des Kimera in den Vordergrund seiner Aufmerksamkeit.
„Wie willst du denn das Gemeinwesen auf eine derart komplexe Art manipulieren in deinem geschwächten Zustand?”
Fragend sah er zum Kimera, der nun erleichtert lächelte.

„Du hast sicher gemerkt, dass deine Energie durch den Kontakt mit dem Energiefluss des Tores von den Spuren der Sucht gereinigt und zugleich gestärkt wurde. Durch deinen derzeitigen Kontakt zu Ma'el spürt das Gemeinwesen nicht wie ernst seine Situation ist. Dies wird nicht mehr lange der Fall sein. Wir müssen einen Kreis bilden. So kann ich durch dich, über euren Kontakt die Manipulationen vornehmen ohne bemerkt zu werden und ohne eigene Energie aufwenden zu müssen.”
Da'an nickte knapp.
„Dann lass uns beginnen, bevor ich es mir wieder anders überlege.”
Ein gequältes Lächeln schlich sich in seine Züge, als er behutsam eine Hand von Ma'el löste und sie Ha'gel entgegenstreckte. Dieser ergriff die ihm dargebotene Hand ohne Zögern und legte die andere Hand auf Ma'els Hinterkopf.

Der Kreis schloss sich und augenblicklich spürte Ha'gel Ma'el dahinscheiden, Da'ans Kummer darüber, seine Zweifel, doch auch die Hoffnung und die Kraft, die er aus dem Wissen schöpfte nun endlich etwas bewegen zu können, um seinem Volk zu helfen und zur gleichen Zeit zu verhindern, dass die seinen noch mehr Schaden anrichteten. Sacht ließ Ha'gel Trost, Bestätigung und Ruhe zu Da'an fließen. Er ließ ihn jedoch auch wissen, dass er seinen Geist nun ruhig halten musste, um keinen Verdacht zu erregen. Anschließend ließ er einen Teil seines Geistes zu Ma'el fließen, tastete sacht nach dessen Verbindung zum Gemeinwesen und betrachtete diese genau. Jede Einzelheit, jedes auch noch so kleine Detail war von immenser Bedeutung, wenn die Täuschung perfekt sein sollte. Zufrieden spürte er wie Da'ans Geist in einen Zustand vollkommener Ruhe und Ausgeglichenheit hinüberglitt. Ruhig wandte er sich nun Da'an zu. Vorsorglich hatte er dessen Verbindung zum Gemeinwesen noch vor ihrem Eintreffen hier behutsam getrennt. Zum Ausgleich hatte er dessen Geist behutsam mit dem seinen verbunden. Es zeigte wie verwirrt, angespannt und irritiert der Taelon sein musste, wenn ihm dies nicht auffiel. Ruhig begann er Ma'els geistige Verbindung mit Da'ans Selbst zu überlagern. Behutsam glich er nun die Energiesignaturen der beiden aneinander an, um die Illusion so einzuleiten und zu vervollkommnen. Dann begann er damit nach und nach eine Verbindung nach der anderen zu trennen. Dies geschah fast wie in Zeitlupe, da Ha'gel jedes Mal warten musste, bis Da'an die gekappte Verbindung nicht nur überlagerte, sondern auch gefestigt hatte.

Schließlich nach einigen Stunden war es vollbracht. Sacht löste Ha'gel sich aus dem Kreis und öffnete gerade noch rechtzeitig die Augen, um zu sehen, wie Ma'els Seele davon glitt und sein Körper sich aufzulösen begann. Da'an kauerte noch immer am Boden und wirkte sehr erschöpft.
Eine seltsame Stille herrschte. Jene Art von Stille die jede Art von Geräusch zu absorbieren schien. Keiner sagte etwas. Beide hockten sie am Boden und warteten. Warteten auf den Schlaf, den beide brauchten, um sich vom Geschehenen zu erholen. Warteten auf das Ende dieser alles beherrschenden Stille und auf die Zukunft, die vor ihnen lag. Eine Zukunft auf einer Welt, die beide nun ganz neu kennenlernen würden, um Historie und Geschichte zu schreiben. Um eine Vergangenheit zu bewahren, welche eine hoffnungsvolle Zukunft in sich barg. Eine Zukunft, die noch in weiter Ferne lag.

 

ENDE???

 

Nachwort der Autorin

 

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