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  „Ka'ar'mash” von Ro'an   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Februar 2004
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  T'than scheint ernsthafte psychische Probleme zu haben. Derweil bahnt sich ein Konflikt im Ke'pach-System an.
Charaktere:  Da'an, T'than, Mit'gai, Zo'or, Ta'sen, Liam, Anja O'Neill, Agent Sandoval, div. Taelons der Synode
 

 

KA'AR'MASH

Kapitel 3: Abschied

 

Taelon-Mutterschiff, T'thans Quartier

Schweigen senkte sich über den Raum, eine tiefe, alles umhüllende Stille. Das Licht schien auf einmal viel weniger hell zu sein als zuvor - es war, als würde der Weltraum mit all seiner Dunkelheit und Kälte hereindrängen.
Wie lange sie so dort standen, bewegungslos, und sich einfach nur anschauten - oder vielmehr durch den anderen hindurch sahen - und dabei ihren Gedanken nachhingen, keiner von beiden hätte es sagen können. Es kam ihnen wie eine kleine Ewigkeit vor.
Dann, endlich, wandte sich T'than mit gesenktem Kopf ab und ging langsam auf das große Fenster zu. Draußen sah er nur Dunkelheit - die Sterne waren so weit weg, ihr Licht war so schwach. Ihm war, als könnte er die Kälte spüren, die im Weltall herrschte - keine physische Kälte, sie schien eher in ihm zu sein; irgendwo tief in seinem Innern, dort, wo auch diese unbeschreibliche Leere war, die er immer versucht hatte, zu ignorieren.
Und immer noch war es still. Kein Laut drang von den Gängen herein.
Da'an erschrak beinahe, als er den Blick des sich abwendenden Taelons sah. Er kannte T'than schon sehr lange und er hatte ihn niemals so gesehen - T'than hatte nie aufgegeben, niemals. Warum nur steckte in seinem Blick so viel Resignation? Und da war noch etwas, etwas unbekanntes... Als Da'an seinen Blick wieder auf T'than lenkte bemerkte er, dass dieser seine Fassade abgelegt hatte. Langsam und zögernd näherte er sich und trat neben den Kriegsminister an das Fenster.
T'than drehte seinen Kopf, legte ihn ein wenig schief und sah Da'an mit einem fragenden Blick an. Als er keine Antwort bekam, senkte er kurz den Blick. „Da'an... Was ist geschehen?”
Da'an zuckte unwillkürlich zusammen. Die Stimme des anderen Taelons hatte die Stille durchschnitten wie ein Messer und die Frage war so unerwartet gekommen, dass Da'an zuerst gar nicht wusste, was T'than meinte. Nach einer Weile seufzte er und vermied jeden Blickkontakt, als er mit leiser Stimme fragte „Du kannst dich wirklich nicht mehr erinnern? - T'than, so etwas ist dir schon einmal passiert... Vielleicht...” Er schwieg kurz und überlegte, bevor er fortfuhr. „Vielleicht solltest du dich von Mit'gai untersuchen lassen.”
„Du weichst meiner Frage aus. - Aber es ist in Ordnung, wenn du nicht mit mir darüber reden möchtest...” Für einen Moment war es wieder still. Ihm war klar, dass er in seiner Wut vollkommen die Kontrolle verloren hatte - wiedereinmal. Aber das war nicht das einzige, was ihn beschäftigte. Warum hatte er auf einmal das dringende Bedürfnis, sich bei Da'an zu entschuldigen, ihn um Verzeihung zu bitten für etwas, an dem er strenggenommen gar keine Schuld trug? Warum spürte er in letzter Zeit immer öfter diese Leere in sich obwohl er stets geglaubt hatte, sie schon lange überwunden zu haben? Vielleicht hatte er sich all die Jahre nur etwas vorgemacht, hatte sich nach außen hin hart und kalt gegeben, um auch nach innen alles abwehren zu können, was ihn eventuell belasten könnte.
Da'an schwieg. Er wusste nicht, ob er aussprechen sollte was er dachte. Etwas stimmte mit T'than nicht, vielleicht war er krank. Erst dieser Wutausbruch, diese Welle von Gewaltbereitschaft, die von ihm Besitz ergriffen hatte, und jetzt diese Resignation... Er wollte es sich nicht eingestehen und er konnte es nicht glauben, aber trotz allem was geschehen war sorgte er sich immer noch um T'than.
„Da'an... Es... es tut mir leid. Ich weiß nicht, was geschehen ist, aber ich... bitte dich um Verzeihung...”
Erstaunt drehte Da'an seinen Kopf zu T'than und sah ihn forschend an. Nein, irgendetwas stimmte ganz und gar nicht mit ihm. Das war nicht der T'than, den er kannte. - Und sein eigenes Verhalten war ihm auch ein Rätsel. Ein Teil von ihm schrie, T'thans Verhalten wäre ein unverzeihlicher Frevel, aber gleichzeitig wollte er T'than alles vergeben, wollte wissen, was ihm fehlte und ihm helfen... Erst als T'thans Blick wieder nach draußen schweifte bemerkte Da'an, dass er sein Schweigen wahrscheinlich falsch deutete. Ohne zu überlegen meinte er „T'than, bitte sei ehrlich... Etwas, irgendetwas stimmt doch mit dir nicht... Diese Gemütsschwankungen, deine Erinnerungslücken... Ich mache mir Sorgen um dich.” Ihm war klar, dass T'than nicht bestraft werden sollte, sondern Hilfe brauchte.
„Nach allem, was geschehen ist?” Ungläubig sah T'than sein Gegenüber an. Nach allem, was er getan hatte... Er hatte Da'ans einziges lebendes Kind bedroht, hatte sogar gegen Da'an selbst agiert, hatte alles, was einmal zwischen ihnen gewesen war für immer zerstört - zumindest hatte er das geglaubt... Erst jetzt wurde ihm langsam klar, wie wohl er sich immer in Da'ans Nähe gefühlt hatte, sich auch jetzt fühlte... Dann sagte er, beinahe flüsternd und kaum hörbar „Ich weiß selbst nicht, was mit mir los ist.”
Da'an wollte etwas erwidern, als T'than plötzlich schwankte und sich an der Wand abstützte. Sorgenvoll erkundigte er sich, wie es T'than ging und legte ihm nahe, sich ein wenig auszuruhen. Doch T'than ging nicht weiter darauf ein und Da'an bemerkte, wie sich sein Blick auf einmal veränderte, so als würde er durch alles hindurchsehen und sich auf einen Punkt in weiter Ferne konzentrieren.
„Schau nur, Da'an... Siehst du es nicht? Wir haben so lange versucht, es zu verdrängen, aber es holt uns immer wieder ein...”
„T'than, was meinst du damit?”
„Spürst du nicht auch diese Leere in dir?”
Natürlich wusste Da'an, was T'than damit meinte, auf welche ‚Leere’ er sich bezog. Er kannte sie nur zu gut. Aber er hatte immer geglaubt, T'than würde das durch seine starke und kühle Fassade weit weg von sich halten. Nach kurzem Überlegen dreht er sich um und sagte auffordernd: „Komm, T'than. Wir gehen jetzt zu Mit'gai.” Als T'than keinerlei Reaktion zeigte, griff er ihn kurzerhand am Arm und zog ihn mit sich. - Beinahe hätte er seine Hand wieder zurückgezogen. Selbst diese Berührung reichte dazu aus, ihn T'thans Verwirrung spüren zu lassen.


Erde, Liams Wohnung

Schweißgebadet richtete sich Liam ruckartig auf seiner Couch auf. Er hatte einen furchtbaren Alptraum gehabt... Nein, ein Alptraum war es nicht gewesen, es waren die Bilder und Erinnerungen gewesen, die T'than ihn hatte sehen, ihn hatte miterleben lassen. Schreckliche Bilder voller Krieg und Zerstörung, Hass und Wut - und vor allem Sinnlosigkeit. Dieser Krieg führte doch zu nichts... Aber die wenigen, die das einsahen, konnten nicht einfach zwei Völker, die sich schon seit Jahrtausenden bekämpften, davon überzeugen. Und das schlimmste daran war, dass vollkommen unbeteiligte Völker in diesen Konflikt mit hineingezogen wurden - es immer noch werden - und ganze Rassen vernichtet wurden, nur weil es einen taktischen Vorteil bedeutete...
Erschrocken drehte er seinen Kopf, als er von der Tür her ein Geräusch hörte und stellte erleichtert fest, dass es Anja war. Anscheinend konnte sie auch nicht schlafen.
„Liam?”
Es dauerte einen Moment bis Liam begriff, dass Anja ja gar nicht wissen konnte, dass er sie mit in seine Wohnung genommen hatte. Sie war wahrscheinlich in seinem Schlafzimmer aufgewacht ohne zu wissen, wo sie war. Schnell setzte er zu einer Erklärung an: „Da'an meinte es wäre erst einmal das Beste, wenn Sie bei mir übernachten...”
„Sie können wohl auch nicht schlafen...” stellte Anja fest.
Liam schüttelte den Kopf, dann bedeutete er Anja, sich doch auf den Sessel neben der Couch zu setzen. „Anja, warum... Ich meine, was...” stammelte Liam und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen - was er dann aber doch lieber sein ließ. Nachdem er einmal tief Luft geholt hatte, formulierte er seine Frage noch einmal. „Ich wüsste gerne, was geschehen ist. Schließlich dachten wir, Sie wären...”
„...tot”, führte Anja den Satz zuende und sah, wie Liam langsam nickte. Eine Weile überlegte sie, ob sie ihm wirklich alles erzählen sollte, aber ihre Zweifel verflogen schnell. Sie spürte, dass sie Liam in diesem Punkt vertrauen konnte. Nachdem sie tief Luft geholt hatte, begann sie flüsternd. „Das war ich auch... beinahe.” Ungewollt stürmten Erinnerungen auf sie ein, die sie am liebsten für immer vergessen hätte. Bilder, Geräusche, Gefühle... Anja schloss kurz die Augen und verdrängte die Erinnerung. „Es war eine Reaktion meines Körpers auf das Implantat, dazu kam noch eine Art Schock, denn durch das Implantat kam etwas zum Vorschein... Beagle und Mit'gai konnten meinen komaartigen Zustand nicht deuten und waren sich sicher...”
„Etwas kam zum Vorschein? Was meinen Sie damit?”
„Liam, ich...” Trotz allem fiel es ihr immer noch schwer, darüber zu reden. Sie konnte nicht akzeptieren, was mit ihr geschah. Und vor allem diese Unberechenbarkeit machte ihr Angst. Jahrelang hatte sie als normaler Mensch gelebt und dann - auf einmal - brachen ihre Alien-Gene durch. Bis jetzt hatte ihre menschliche Seite immer die Oberhand behalten, aber gerade das führte dazu, dass sich ihre neu erwachten fremden Gene nun umso mehr versuchten durchzusetzen... „Ich habe... ich bin...” Noch während sie verzweifelt nach Worten suchte, mit denen sie Liam die Umstände erklären konnte, sah sie wie sein fragender Gesichtsausdruck schlagartig verschwand und einem äußerst erstaunten Platz machte und Liam unbewusst ein Stück von ihr wegrückte.
„Was...” Genauso wie Anja zuvor fehlten nun auch Liam die Worte.
Es dauerte einen Augenblick bis Anja realisierte, was geschehen war. Ein blaues Leuchten hatte sich über ihren Körper gezogen - ein taelonisches Leuchten. „Liam, ich bin ein Hybrid. Durch das Ka'ar'mash-Implantat ist der Taelon-Anteil meiner Gene erwacht. Ich hatte vorher selbst keine Ahnung davon... Ta'sen hat es herausgefunden, als er eine DNS-Analyse durchgeführt hat...”
Unwillkürlich musste Liam lächeln. Ein Taelon-Mensch-Hybrid... Das erklärte auch Anjas Shaqarava. Doch Sekunden später wurde sein Gesichtsausdruck wieder ernst. War das etwa wieder das Ergebnis eines Experimentes, eines Versuches, die menschliche Rasse genetisch zu ‚optimieren’?


Taelon-Mutterschiff, Ta'sens Quartier

Obwohl es schon sehr spät war verspürte er nicht den Wunsch, sich zu regenerieren. Stattdessen ging Ta'sen unaufhörlich in seinem privaten Raum auf und ab und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.
Aus seinem Bestreben heraus, sich selbst ein Bild von den Menschen zu machen war ein Problem erwachsen, dessen ganzes Ausmaß er noch nicht zu erfassen in der Lage war. Er war hergekommen, um die Lage zu erkunden und sollte zurückkehren, um Bericht zu erstatten. Und dann... dann würden sie beraten, sie würden Nachforschungen anstellen, würden Befragungen veranlassen... Es würde der Synode nicht gefallen, aber das war ihr Auftrag und selbst die Synode konnte nichts dagegen unternehmen. Aber nun überkamen ihn Zweifel, ob er wirklich zurückkehren wollte. Natürlich, sein Auftrag hatte Priorität, aber konnte er Anja O'Neill zurücklassen, einfach so allein lassen? Sorge überkam ihn. Er fragte sich, ob Anja sich wohl schon wieder erholt hatte und er fragte sich, wohin das alles führen sollte. Es hatte gerade erst begonnen und noch war kein Ende in Sicht. Ta'sen spürte, dass die Ereignisse der letzten Wochen einen Stein ins Rollen gebracht hatten, der immer wieder andere anstieß und mit sich riss.


Taelon-Mutterschiff, vor T'thans Quartier

Da'an hatte den beiden Freiwilligen vor T'thans Quartier mitgeteilt, dass sie nun von ihrem Wachposten entlassen wären. Es schien ihm, als wären die zwei Menschen erleichtert gewesen. Sie hatten sehr müde gewirkt...
Nun folgten er und T'than den verlassen wirkenden Gängen des Mutterschiffes. Um diese Zeit war kaum jemand unterwegs und nur die wichtigsten Posten waren besetzt.
Sorgenvoll und in Gedanken vertieft ging Da'an weiter und bemerkte zuerst gar nicht, dass T'than stehen geblieben war. Als er ihn jedoch nicht mehr neben sich sah, hielt er inne und drehte sich um. Es war ein seltsames Bild, dass sich ihm da bot... Der Kriegsminister hatte zwar wieder seine Fassade aufgebaut, aber sie flackerte und immer wieder zog sich in unregelmäßigen Abständen ein schwaches Leuchten über sein Gesicht. T'than schaute sich um und wirkte dabei verwirrt und irgendwie verloren.
Vorsichtig trat Da'an einen Schritt auf ihn zu und sagte leise „T'than, komm mit. Mit'gai wird dir helfen.”
Doch T'than schüttelte nur mit dem Kopf. „Ihr seid alle blind, ihr seht nicht, was geschieht. Es ist doch klar, warum begreift ihr es nicht?” Als Da'an mit sorgenvoller Miene seine Hand nach ihm ausstreckte und ihn erneut sanft aufforderte mitzukommen, sprang T'than regelrecht zurück. „Fremde Gedanken! Du hörst sie nicht, habe ich Recht? Aber du kennst sie! Die Menschen bringen sie mit, sie vergiften uns!” Seine Stimme war immer lauter geworden.
Da'an schaute sich erschrocken um. Hoffentlich hatte sie niemand gehört. „T'than, beruhige dich. Bitte, sei still und komm mit.” Erstaunt beobachtete er, wie sich T'than in Bewegung setzte und ihm folgte, als sei nichts geschehen.

wenig später

Mit'gai schien immer noch verstimmt zu sein. Er hatte wenig erbaut auf diese späte Störung reagiert. Da'an hatte ihm in letzter Zeit genug Ärger gemacht.
„Hast du etwas herausgefunden?” Da'ans Stimme klang eindeutig besorgt.
„Da'an, ich bin Heiler. Wenn du ein Wunder verlangst kann ich dir nicht helfen. Diese Untersuchungen benötigen eine gewisse Zeit.” Er wollte sich wieder T'than und seinen medizinischen Geräten zuwenden, als er sah wie Da'an schon wieder damit begann, ruhelos auf und ab zu wandern und ihm immer wieder über die Schulter zu sehen. „Hör auf damit, Da'an! Setz dich entweder hin oder warte draußen, unter diesen Umständen kann ich nicht arbeiten!”
Der auf diese Art zurechtgewiesene seufzte leise und setzte sich dann auf einen Stuhl neben T'thans Liege. Ein Lächeln huschte über seine Züge als er daran dachte, was T'than in dieser Situation gesagt hätte, säße er jetzt nicht vollkommen teilnahmslos auf der Liege.
Nach einer Weile wandte sich Mit'gai von seinem Patienten ab und legte seine Gerätschaften bei Seite. Dann drehte er sich wieder herum und schaute kurz T'than an, beschloss dann aber, seine Fragen Da'an zu stellen. Von T'than würde er wohl keine Antwort bekommen. „Gab es besondere Vorkommnisse, bevor er in diesen... Zustand verfiel?”
Erschrocken sah Da'an den Heiler an. „Was für Vorkommnisse?”
„Das frage ich dich, Da'an.” Als er keine Antwort bekam fügte er noch hinzu „Irgendetwas. Einen Sturz, einen Streit mit Zo'or, etwas, dass ihn vielleicht erschreckt oder schockiert hat.”
Da'an schüttelte mit dem Kopf und nickte gleichzeitig, was ihm einen verwirrten Blick von Mit'gai einbrachte. „Er war... Nun ja, er hat sich aufgeregt und befand sich in einem äußerst wütenden Zustand...”
„Noch etwas? Oder war das alles?”
„Er war sehr wütend, Mit'gai...” antwortete Da'an und hoffte, dass sich Mit'gai an den Vorfall von damals erinnerte.


am nächsten Morgen, Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

Liam und Anja betraten die Botschaft und waren sich des Anblickes bewusst, den sie bieten mussten. Liam hoffte nur, dass er Sandoval heute nicht über den Weg lief, denn der würde sofort denken, er hätte bis in die frühen Morgenstunden gefeiert. Sowohl Anja als auch Liam hatten tiefe dunkle Ringe unter den Augen und sahen insgesamt nicht sehr ausgeschlafen aus. Das war auch kein Wunder, schließlich hatten sie in der vergangenen Nacht noch lange geredet und als sie dann endlich eingeschlafen waren, war jeder von seinen ganz persönlichen Alpträumen verfolgt worden. Alles in allem war die Nacht nicht sehr erholsam gewesen.
Als sie Da'ans Büro betraten quälten sie sich gleichzeitig ein „Guten Morgen” ab und bereiteten sich schon auf eine Standpauke vor. Da'an und Ta'sen hatten beschlossen, dass sie sich um acht Uhr hier treffen und die Lage in Ruhe besprechen würden. Jetzt war es schon kurz vor zehn.
„Guten Morgen”, kam es aus Richtung Fenster.
Liam und Anja blickten erstaunt auf und sahen einen Ta'sen, der sich größte Mühe gab sich seine Müdigkeit nicht anmerken zu lassen. Trotzdem beeilte sich Liam, ihr Zuspätkommen zu entschuldigen. „Verzeihen Sie, Ta'sen. Wir sind ein wenig spät...”
„Ein wenig?”
Unwillkürlich zog Liam die Schultern hoch und den Kopf ein.
Ta'sen drehte sich zu den beiden um und betrachtete amüsiert ihren abwartenden Gesichtsausdruck bevor er fortfuhr. „Ich bin auch gerade erst angekommen. Jetzt fehlt nur noch Da'an.”
Anja und Liam sahen sich erstaunt an, kamen aber nicht dazu, etwas zu sagen. Da'an betrat den Raum, sah vom einen zum anderen, murmelte ein „Guten Morgen” und stellte sich zu ihnen.
Die ganze Situation trug dazu bei, dass sich Liams Laune schlagartig hob. Er konnte sich gerade noch einen Kommentar verkneifen - stattdessen dachte er sich seinen Teil zu dieser seltsamen Versammlung. Er und Anja boten sowieso einen verschlafenen Anblick, Ta'sen gab sich alle Mühe, nicht müde zu wirken und seine Konzentration auf das Hier und Jetzt zu lenken und Da'an hatte ohne Zweifel keine einzige Minute geschlafen und hatte größte Mühe, die Augen offen und sich selbst auf den Beinen zu halten.
Trotzdem war es Da'an, der schließlich das Wort ergriff. „Angesichts der Umstände denke ich, dass niemand außer uns von Miss O'Neills Zustand erfahren sollte.”
Einstimmiges Nicken. Auch im weiteren Verlauf der Besprechung einigten sich die Anwesenden schnell und es wurde beschlossen, dass Anja eine neue Identität bekommen und des weiteren in nächster Zeit möglichst wenig Kontakt zu anderen aufnehmen sollte. Niemand musste erwähnen, dass sie generell vorsichtig sein musste - besonders im Umgang mit anderen Menschen - , da keiner von ihnen die Reaktionen ihres Körpers zur Zeit einzuschätzen vermochte.
Die Diskussion wurde abrupt unterbrochen, als auf einmal Liams Global piepte. „Ja?”
„Major, fliegen Sie Da'an sofort zum Mutterschiff.”
„Dürfte ich erfahren weshalb, Agent Sandoval?”
„Anordnung von Zo'or.”
„Aber Da'an befindet sich momentan in einer wichtigen Besprechung.”
„Major, Zo'or möchte Da'an sofort sprechen.”


Taelon-Mutterschiff, Kommandodeck

Zo'or hielt sich nicht lange mit einer Begrüßung auf, stattdessen setzte er sich nach Da'ans Eintreten demonstrativ auf seinen Kommandosessel und musterte den anderen Taelon mit einem abschätzenden Blick. Als er endlich sprach, schien seine Stimme schneidend und kalt - beinahe so, als würde er hinter jeder Ecke, und auch in Da'an, einen möglichen Feind sehen. „Wo ist T'than?”
„Zo'or, warum fragst du mich das?” Da'an bemühte sich, überrascht zu klingen.
„T'than ist nicht erreichbar und niemand hat ihn gesehen - abgesehen von zwei Freiwilligen. Und die meinten, er hätte sein Quartier in deiner Begleitung verlassen.”
Da'an senkte den Blick und überlegte. Was sollte er Zo'or sagen? Die Wahrheit? Das wäre mit Sicherheit keine gute Idee... Seine Gedanken kreisten wieder um das Gespräch mit Mit'gai in der letzten Nacht. Was ist geschehen? - Mit'gai, bitte, frag mich das nicht. Ich habe dir bereits gesagt, dass er... die Kontrolle verloren hat. - Sein jetziger Zustand... Nun ja, Da'an du weißt, auch mit Si'ir hat es so begonnen...
„... intriganter Plan? - Da'an? Da'an!”
Zo'ors Stimme riss Da'an aus seinen Gedanken. Erschrocken schaute er auf. „Entschuldige, Zo'or. Was hast du gesagt?”
„Das werde ich jetzt nicht wiederholen. Sag mir lieber, wo sich T'than aufhält!” Ungeduld sprach aus seinen Worten, es schien sich um eine wichtige Angelegenheit zu handeln.
„Es tut mir leid, Zo'or, aber ich habe ihn seit gestern Nacht nicht mehr gesehen. - Worum geht es denn?”
„Wohin bist du mit ihm gegangen - mitten in der Nacht, wie ich betonen möchte!”
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass das eine Rolle spielt.”
Der Synodenführer fluchte leise vor sich hin und wandte sich dann wieder Da'an zu. „Da'an, wenn er nicht in spätestens eine Stunde hier ist um seine Aufgabe als Kriegsminister wahrzunehmen und wenn sich dann auch noch herausstellt, dass du an seinem Verschwinden beteiligt bist...”
Da'an erschrak. In einer Stunde? Und dann auch noch dienstfähig? „Zo'or, ich fürchte...” unterbrach er den Synodenführer in seinem Redefluss.
„Was?”
„Ich fürchte, dass T'than momentan nicht... diensttauglich ist... Zumindest nicht in einer Stunde.”
„Wie bitte?” Zo'or glaubte, sich verhört zu haben. „Was soll das heißen? Wo ist er?”
Der ältere Taelon seufzte ergeben. „Bei Mit'gai.”
Ohne zu zögern sprang Zo'or auf und stürmte auf die Tür zu.
„Warte, Zo'or. Du kannst jetzt nicht zu ihm.”
„Was heißt ich kann jetzt nicht zu ihm? Ich kann auf diesem Schiff überall hin!” warf er Da'an ihm Vorrübergehen zu.

Als Da'an in den Korridor vor Mit'gais Untersuchungsraum einbog, hörte er schon die Stimme des aufgebrachten Synodenführers - und Mit'gais Versuche, ihn von T'than fernzuhalten.
„Zo'or, versteh doch. T'than ist mein Patient und ich habe die Pflicht, jegliche Aufregung - und jeglichen unerwünschten Besuch - von ihm fernzuhalten. Das gilt auch für dich.”
„Aber ich...”
„Zo'or, es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber gegen diese Bestimmung kannst selbst du dich nicht auflehnen.”
Sekunden später stürmte Zo'or an Da'an vorbei.


Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

Ta'sen schaute Liam und Da'an hinterher, als sie den Raum verließen. Auch als sie schon lange weg waren, starrte er noch auf die Tür und bemerkte nicht, dass Anja ihn abwartend ansah. Stattdessen überkam ihn wieder dieses seltsame Gefühl, dass irgendetwas fürchterlich schief lief.
„Ta'sen?”
Als er endlich realisierte, dass Anja auf einmal dicht neben ihm stand, ihn besorgt ansah und seinen Namen rief, fuhr er erschrocken zusammen und konnte nicht verhindern, dass er kurz blau aufleuchtete.
„Ta'sen, ist alles in Ordnung?” Besorgt trat sie noch einen Schritt näher an ihn heran. Er wirkte jetzt nicht mehr nur müde, sondern auch sehr nachdenklich.
„Nein, ich... Entschuldigen Sie bitte.” Jetzt spürte er es mit aller Deutlichkeit, etwas stimmte nicht mit T'than. Er hatte es schon in der vergangenen Nacht gespürt, hatte es aber zuerst auf T'thans Wutausbruch geschoben. Als er nach einer kurzen Pause weitersprach, schien er sich wieder gefasst zu haben. „Es geht mir gut, danke.” T'than konnte auch gut auf sich selbst aufpassen und hätte sowieso jeden Beistand von Ta'sens Seite abgelehnt.
Für eine Weile war es still, keiner der beiden wusste, was er sagen sollte.
„Ta'sen, Sie wollten mir noch... Ihre Beweggründe darlegen...” erinnerte Anja den Taelon nach einer Weile des Schweigens an das noch ausstehende Gespräch.


Taelon-Mutterschiff, Mit'gais Labor

Laute Stimmen weckten ihn. Als T'than aufwachte hörte er, wie sich zwei Taelons unterhielten - einer von ihnen schien aufgebracht zu sein. Doch er war nicht in der Lage, die Stimmen zuzuordnen und er verstand auch nicht, was gesagt wurde. Vorsichtig öffnete er die Augen - und schloss sie sofort wieder mit einem mühsam unterdrückten Fluch. Warum musste Mit'gai die Beleuchtung immer auf volle Intensität einstellen?
Erst jetzt bemerkte er seine Kopfschmerzen und je mehr er versuchte, sich daran zu erinnern was geschehen war, desto stärker wurden sie. Immer noch belagerte diese eine Frage seinen Geist: Was war geschehen, dass Da'an ihn in seinem Quartier hatte einsperren lassen? Außerdem hätte er nur zu gerne gewusst, was ihn zu diesem irrationalen Verhalten trieb, dass er vorhin an den Tag gelegt hatte.
Der Streit war beendet und für eine Weile war es ruhig. Dann hörte T'than Stimmen, die sich leise vor der Tür unterhielten. Es war nur ein Murmeln und Wispern, aber er konnte die Besorgnis geradezu spüren, die in den Worten mitschwang. Nach ein paar Minuten näherten sich ihm Schritte, was ihn dazu veranlasste, seine Augen nun doch zu öffnen. Beinahe im selben Moment bereute er die Entscheidung, denn die Kopfschmerzen wurden schlagartig stärker. Trotzdem zwang er sich, seinen Kopf ein wenig zu drehen, um die Personen, die nun neben ihm standen, sehen zu können.
„T'than, wie geht es dir?”
„Abgesehen davon, dass ich immer noch Gedächtnislücken habe und genau weiß, dass mein Kopf gleich explodiert, wenn du weiterhin so laut redest und Mit'gai das Licht nicht dämpft... gut.”
Der Heiler drehte sich sofort erschrocken um und sorgte dafür, dass das Licht in dem Raum abgeschwächt wurde, während Da'an nur ein Nicken andeutete. So schlecht konnte es T'than gar nicht gehen, wenn er schon wieder in diesem Ton reden konnte... Schweigend sah er T'than an, bis dieser endlich etwas sagte.
„Wie lautet Mit'gais Diagnose?” Er spielte mit dem Gedanken, sich schwungvoll aufzurichten, aber allein die Vorstellung rief ein Schwindelgefühl in ihm hervor. Als Da'an jedoch keine Anstalten machte, ihm zu antworten, setzte er sich langsam auf. „Da'an?”
„Es ist wahrscheinlich nur eine temporäre Lücke in deinen Erinnerungen...”
„Meine Frage war, wie Mit'gais Diagnose lautet. Weich mir bitte nicht aus.”
„Er... er weiß es nicht genau... Noch nicht. Aber ich bin sicher, dass er bald Ergebnisse vorweisen kann.” Da'an überlegte kurz, dann meinte er „Zo'or hat nach dir gefragt. Er will dich sehen.”
„Worum geht es?”
„Das wollte er mir nicht sagen, aber es scheint wichtig zu sein. Jedoch befürchte ich, dass du in deinem momentanen Zustand nicht in der Lage bist, deinen Aufgaben...”
„Natürlich bin ich das!” protestierte T'than. Gerade gegenüber Zo'or würde er sich keine Schwäche eingestehen. Empört sprang er auf - und wäre beinahe hingefallen. Sein Kopf fühlte sich nun wirklich an, als wolle er explodieren und der ganze Raum drehte sich um ihn.
„Ich sehe es.” Da'an musste sich ein Grinsen verkneifen, T'than konnte wirklich stur sein. „Vielleicht wäre es in dieser Situation angemessener, wenn du einen Stellvertreter zu Zo'or schicken würdest.”
„Das werde ich nicht tun! Dann könnte ich mich auch gleich von meinem Posten zurückziehen. In Zo'ors Augen wäre das nur ein Anzeichen für meine Unfähigkeit.”
Da'an seufzte. Zo'or würde T'thans Zustand wahrscheinlich ausnutzen und selbst einen Stellvertreter benennen, wenn T'than dies nicht vorher tat. Leider hatte er nur eine äußerst geringe Chance, T'than davon zu überzeugen nicht zu gehen... „T'than, bitte, du weißt doch selbst am besten, dass du nicht in der Verfassung bist, deinem Amt nachzugehen. Wenigstens einmal solltest du meinem Rat folgen...” Als sich ein breites Grinsen über T'thans Gesicht zog, unterbrach Da'an seinen Satz und fragte stattdessen „Was ist?”
„Ich habe nur gerade daran gedacht was geschehen ist, als ich das letzte Mal vollkommen auf deine Meinung vertraut habe.”
Über Da'ans Gesicht zog sich ein blaues Leuchten als er leise meinte „T'than, das gehört jetzt nicht hierher. Bleib beim Thema.”


Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

Ta'sen holte tief Luft. Jetzt wusste Anja zwar, warum er ursprünglich hergekommen war. Aber wie sollte er ihr seinen Sinneswandel erklären? Wie sollte er ihr erklären, warum er sich für ihr Wohlergehen einsetzte? „Anja, Sie müssen wissen, dass... Es gelang mir nicht, Sie einfach nur als Studienobjekt zu sehen, Sie...” Seine Gedanken überschlugen sich beinahe. „...Sie sind mehr als das, viel mehr...”
Überrascht zog Anja eine Augenbraue hoch. Was genau sollte das heißen? Sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass der Taelon vor ihr irgendwie... süß wirkte, wie er stotternderweise versuchte, ihr alles zu erklären. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Ta'sen verspürte das Bedürfnis, Anja seine Gedanken präziser mitzuteilen, aber durch Sprache war das nicht zu erreichen...
Erstaunt beobachtete Anja, wie Ta'sen vorsichtig nach ihrer Hand griff und seine Handfläche gegen ihre legte. Gedankenfetzen schossen durch ihren Kopf und irgendwie gelang es ihr, den begriff Sharing aus der Flut herauszufiltern. Ta'sen wollte ihr seine Gedanken mitteilen... Sie wäre beinahe zurückgewichen, so überrascht war sie von der Intensität der Gedanken, die er ihr übermittelte. Er schien selbst nicht so ganz zu verstehen, wie er das alles einordnen sollte, vielleicht wollte er es auch nicht verstehen, aber Anja wusste, was es war - oder werden konnte - und sie stimmte dem voll und ganz zu.
Ta'sen musste hart darum kämpfen, seine Fassade nicht vollständig zu verlieren, so überrascht war er, als er Anjas Gedanken und Gefühle spürte. Anscheinend mochte sie ihn...
Ein Geräusch veranlasste Ta'sen dazu, die geistige Verbindung zu unterbrechen. Nach einem Blick auf Anja öffnete er einen Datenstrom. Als die durch das Geräusch angekündigte Kommunikationsverbindung zustande kam, erschien Da'ans Gesicht vor ihm.
„Ta'sen, komm bitte sofort auf das Mutterschiff. Zo'or hat eine Versammlung der Synode einberufen. - Liam wird unterdessen in die Botschaft zurückkehren.”
Ta'sen war erleichtert, dass Anja nicht allein zurückbleiben würde. Da'ans Tonfall zufolge schien es sich um eine wichtige Angelegenheit zu handeln - solche Versammlungen konnten sich sehr in die Länge ziehen. Er nickte bestätigend, bevor er den Datenstrom schloss.


Taelon-Mutterschiff, Kommandodeck

Da'an war der erste, der auf der Brücke eintraf. Sofort erhob sich Zo'or und sah ihn fragend an. „Wird T'than herkommen?”
„Nein. Wie ich bereits sagte, ist er dazu nicht in der Verfassung. Er hat jedoch für die Dauer seines Ausfalls einen Stellvertreter bestimmt.” Da'an legte eine kurze Pause ein. T'thans Entscheidung hatte ihn überrascht, denn die Meinung des Kriegsministers und seine eigene waren in den meisten Punkten gewiss nicht übereinstimmend.
Man konnte Zo'or seine Ungeduld deutlich ansehen. „Wen?”
„Mich.”
Einen Moment lang brachte der Synodenführer kein Wort heraus. Dann meinte er ungläubig „Dich?” Als er Da'an nicken sah dachte er bei sich, dass es T'than wirklich nicht gut gehen musste, wenn er schon Da'an als seinen Stellvertreter einsetzte. Trotz allem was ihm nun durch den Kopf ging beschloss er jedoch, die Sache vorerst auf sich beruhen zu lassen. T'thans Entscheidung war durchaus legitim.

Wenig später war die Versammlung vollzählig - abgesehen von T'than - und Zo'or eröffnete sie mit der Mitteilung, dass der Kriegsminister nicht an dieser Sitzung teilnehmen könne und daher Da'an als sein Vertreter temporär die Position des Kriegsministers übernehmen würde.
Ta'sen, der neben Da'an stand, warf ihm einen fragenden Blick zu. Er hatte also Recht gehabt, etwas stimmte mit T'than nicht.
„Vor ein paar Stunden hat eine unserer Sonden eine kodierte Nachricht abgefangen”, kam Zo'or zum eigentlichen Thema der Versammlung. „Sie kam von einem jaridianischen Außenposten und beinhaltet unter anderem Positionsangaben - die mit den momentanen Standortkoordinaten einiger unserer größeren Schiffe übereinstimmen.”
Ein Raunen und Flüstern ging durch die Menge der versammelten Taelons, das jedoch sofort verstummte, als Da'an das Wort ergriff. „Wurden genauere Informationen übermittelt, zu welchem Zweck diese Daten verwendet werden sollen?”
„Nein. Jedoch ist eine äußerst interessante Passage enthalten, die einige unserer Verbündeten betrifft.” Mit einer Geste öffnete Zo'or einen Datenstrom und auf dem virtuellen Bildschirm, um den sich die Taelons gruppierten, erschien das Gesicht eines Jaridians. Die Taelons verharrten bewegungslos und lauschten seinen Worten.
„...wurden uns übermittelt. Weiterhin bekamen wir eine Nachricht von den Völkern des Ke'pach-Systems.” Das Gesicht des Jaridians verschwand und an seine Stelle trat ein Symbol, dass eine reine Audio-Übertragung anzeigte. Die Qualität der Übertragung ließ zu wünschen übrig und so verstanden die Taelons nur Bruchstücke des Gesagten. „Wir, die Völker der Planeten, die ihr als Ke'pach ...... net, haben aufgrund der Situation ...... Der Frieden liegt uns am Herzen, doch die Taelons werden uns nie Frieden bringen können - genauso wenig wie ihr, solange dieser Krieg zwischen euren beiden ....... also ...... ssen, dass wir nicht mehr Verbündete sein wollen ...... Verhandlungen ...... warten auf eure Antwort ...... werden dann die Taelons informie ......”
Zo'or beendete die Übertragung und wartete einen Moment, damit alle zuerst ihre Gedanken ordnen konnten. Die Völker des Ke'pach-Systems zählten noch nicht lange zu denen, die die Taelons unterstützten und waren auch nur widerwillig und nach langem Zögern bereit gewesen, ihre Neutralität aufzugeben und sich zu einer der beiden Seiten zu bekennen - und das war nicht ganz freiwillig geschehen, die Taelons hatten reichlich Überzeugungsarbeit leisten müssen, um dieses strategisch äußerst günstig gelegene System auf ihre Seite zu ziehen.
Ba'hor hatte als erster seine Gedanken sortiert und war in der Lage, zu dem gerade gehörten Stellung zu nehmen. „Wir können nicht zulassen, dass diese Völker womöglich zu den Jaridians überlaufen - doch diese Möglichkeit ist nach dem, was wir soeben zu hören bekommen haben, eher unwahrscheinlich. Also sollten wir dafür sorgen, sie von unseren Zielen zu überzeugen. Der Verlust dieser Verbündeten wäre taktisch äußerst unglücklich und würde sich negativ auf unsere derzeitige Situation auswirken, insbesondere im Hinblick auf die Positionen unserer Schiffe, die den Jaridians bekannt zu sein scheinen.”
Erneut erhob sich ein leises Stimmengewirr und einige Taelons nickten zustimmend. Dann erhob Ra'em seine Stimme, das Gemurmel ebbte ab und alle Anwesenden wandten sich ihm zu. „Friedensverhandlungen mit den Ke'pach-Völkern und den Jaridians kommen nicht in Frage. Gerade die Völker des Ke'pach-Systems sind - und ich weiß, dass mir die meisten von euch in diesem Punkt zustimmen - nicht weit genug entwickelt, um die ganze Situation überschauen und ihre Lage einschätzen zu können. Selbst als Verbündete im Krieg dienen sie uns nicht durch ihre Technologie - einzig aus dem Standort ihres Systems ziehen wir Vorteile. Sie haben noch nicht einmal eingewilligt, uns aktiv zu unterstützen und sie werden es mit aller Wahrscheinlichkeit auch nicht mehr. Sollen wir also sinnlose Verhandlungen führen und das Risiko eingehen, das Ke'pach-System als Standort aufgeben zu müssen? Oder sollten wir vielleicht, mit einem minimalen Maß an Aufwand, dafür Sorge tragen, dass diese Völker uns nicht mehr im Wege stehen können - denn sie sind es sicher auch gewesen, die den Jaridians die Koordinaten unserer Schiffe übermittelt haben.”
Das Gemurmel wurde wieder lauter, teils zustimmend, teils zögernd, teils ablehnend. Nach einiger Zeit der leisen Beratung wandten sich immer mehr Blicke Da'an zu. Die versammelten Taelons wollten die Meinung des Kriegsministers hören, doch da T'than nicht anwesend war, wandten sie sich nun an ihn.
„Nun, es mag richtig sein, dass wir aus rein strategischen Gründen nicht auf die Unterstützung der Ke'pach-Völker verzichten können, jedoch scheint mir Ra'ems Vorschlag ein wenig zu unbedacht.” Da'an legte eine kurze rhetorische Pause ein und ließ seinen Blick über die Gesichter der Taelons schweifen, die immer noch im Kreis um die Stelle standen, an der sich kurz zuvor der virtuelle Bildschirm befunden hatte. „Die Völker des Ke'pach-Systems sind keinesfalls einfältig und mit Sicherheit nicht so naiv, wie es auf den ersten Blick scheint. Im Gegenteil, sie verstehen es, ihre Stärken und ihre Klugheit zu verbergen, so dass man leicht Gefahr läuft, sie zu unterschätzen. Allein ihre Kultur und ihr Wissen, das seit vielen Generationen sowohl schriftlich als auch mündlich tradiert wird, zeugen schon von ihrer Intelligenz.”
„Was sollen wir also deiner Meinung nach unternehmen, Da'an?” wollte Ra'em wissen.
Da'an überhörte die Spitze in Ra'ems Worten und antwortete „Meiner Meinung nach sollten wir nicht vorschnell handeln - und uns vielleicht anhören, was uns die Ke'pach-Völker zu sagen haben.”
Durch das aufgeregte Gemurmel hindurch vernahm man deutlich Ra'ems Stimme. „Da'an, das ist doch nicht dein Ernst? Ist dir nicht klar, dass das Ganze eine Falle sein könnte? Was, wenn die Jaridians die Chance ergreifen und nicht nur unsere Botschafter gefangen nehmen, sondern auch gleichzeitig das ganze Ke'pach-System besetzen?”
„Wenn die Jaridians dem Vorschlag der Ke'pach-Völker zustimmen und auch wir uns einverstanden erklären, so werden zumindest die Ke'pach-Völker auf friedliche Verhandlungen bestehen - und das auch durchsetzen können, vor allem, wenn wir uns dieser Forderung anschließen.”
„Obwohl wir nicht lange zögern dürfen, eine Entscheidung zu fällen, sollten wir nicht sofort abstimmen”, ließ Shi'tan verlauten. „Deshalb schlage ich vor, dass die Synode morgen früh zu einer abschließenden Beratung erneut zusammenkommt.” Damit war die Sitzung beendet und die Taelons verließen nach und nach das Kommandodeck.
Da'an wollte gerade aufbrechen, um T'than von den Ereignissen zu unterrichten, als sich ihm im Gang vor dem Kommandodeck Ra'em näherte.
„Dein Vorschlag überrascht mich keineswegs, Da'an. Jedoch bin ich mir nicht sicher, ob du immer noch und unter allen Umständen versuchst, zum Wohle unserer Spezies zu handeln. Solltest du dich entscheiden, uns zu verraten -”
Da'an schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab. „Ra'em, was unterstellst du mir da? Drohe mir nicht und zweifle niemals an meiner Loyalität gegenüber unserem Volk.”
Mit einem vielsagenden Blick wandte sich Ra'em ab und verschwand um die nächste Ecke. Da'an atmete einmal tief durch und versuchte, die Müdigkeit abzuschütteln, die auf einmal von ihm Besitz ergriff. Er war die ganze Nacht bei T'than gewesen und hatte sich lange mit Mit'gai unterhalten... Doch er konnte sich jetzt nicht zurückziehen, zuerst musste er T'than von den Geschehnissen berichten.

Ta'sen wandte sich zum Gehen, doch Zo'or hielt ihn zurück. „Ta'sen, warte. Es ist eine Nachricht für dich eingetroffen.”
Erstaunt dreht sich Ta'sen zu Zo'or um. Eine Nachricht für ihn? Nach kurzem Zögern trat er neben Zo'or und öffnete einen Datenstrom. Für eine Weile war es still, beide Taelons waren in das Lesen der Nachricht vertieft. Als sie fertig waren, schloss Zo'or den Datenstrom und wartete Ta'sens Reaktion ab. Dieser reagierte im ersten Moment jedoch überhaupt nicht, sondern stand einfach nur da, starrte ins Leere und schien zu überlegen.


Taelon-Mutterschiff, Mit'gais Labor

Als Da'an den Raum betrat, waren Mit'gai und T'than gerade in eine heftige Diskussion vertieft.
„Habe ich das richtig verstanden? Ist das dein Lösungsvorschlag? Mit'gai, dir scheint nicht ganz klar zu sein, dass ich Verpflichtungen habe.”
„Natürlich ist mir das klar, T'than. Aber wenn du dich nicht schonst, wirst du deinen Aufgaben keinesfalls zufriedenstellend nachgehen können.”
„Deine Therapiemaßnahmen waren auch schon mal besser! Aber wenn dir nichts mehr einfällt, schickst du deine Patienten einfach in den Urlaub. Das verdeutlicht einmal mehr deine Inkompetenz!”
„T'than, du brauchst mir jetzt keine Vorwürfe zu machen. Es geht hier nicht um mich, sondern um deinen Gesundheitszustand.”
„Deshalb mache ich dir ja Vorwürfe - weil du nicht in der Lage bist, meinen Zustand angemessen zu verbessern, wie es eigentlich deine Aufgabe wäre!”
„Das versuche ich doch, aber du lässt mich ja nicht!”
„Wenn das deine einzigen Behandlungsmethoden sind, kann ich sehr gut darauf verzichten!”
„Gut, einverstanden! Ich lasse dich in Ruhe und du mich, damit wären wir quitt.” Demonstrativ verschränkte Mit'gai seine Arme vor der Brust.
T'than drehte sich schwungvoll um und wollte den Raum verlassen, hatte jedoch nicht bemerkt, dass Da'an nur wenige Schritte hinter ihm stand und rannte ihn deshalb beinahe um. Nur wenige Zentimeter vor Da'an blieb er stehen.
Dieser schaute ein wenig verdutzt von T'than zu Mit'gai und zurück, bevor er fragte „T'than, wo willst du hin?”
„Auf jeden Fall werde ich mich nicht länger in der Nähe dieses Heilers aufhalten!” grummelte der Kriegsminister vor sich hin und wollte sich an Da'an vorbeischieben.
„Stop! Würde mir einer von euch beiden vielleicht erst einmal erklären, was hier vorgefallen ist?” Mit diesen Worten ergriff er T'thans Arm und zog ihn mit sich zu Mit'gai. Da'an beobachtete, wie sich die beiden wütende Blicke zuwarfen, es war beinahe so, als würde die Luft zwischen den beiden vor Spannung knistern. Als keiner von ihnen etwas sagte, forderte er: „Mit'gai, sag mir, was geschehen ist.”
„Ich habe T'than nahegelegt, sich eine Weile zu erholen, da seine Gereiztheit”, dabei warf er T'than einen Seitenblick zu, „vielleicht auf einem Übermaß an psychischer Belastung beruht. Aber er zweifelt meine Fähigkeiten als Heiler an und zeigt sich nicht gewillt, meinem Rat zu folgen.”
Da'an nickte und wandte sich dann an T'than. „Wäre es nicht vielleicht möglich, dass du es zumindest versuchst?” T'than schnaubte nur verächtlich. „Mit'gai hat Recht, in deinem Zustand kannst du deinen Aufgaben nicht nachkommen. Was willst du also machen? Bitte, versuch es wenigstens.” Bei diesen Worten sah er sein Gegenüber eindringlich an und konnte geradezu spüren, wie T'thans Ablehnung dahinschmolz.


Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

Anja und Liam saßen an Liams Schreibtisch und bemühten sich, ihrer Müdigkeit durch Kaffee-Konsum entgegen zu wirken.
„Und ich habe immer geglaubt, Companion-Beschützer zu sein wäre aufregend”, bemerkte Anja lachend.
„Das ist reine Definitionssache. Manche Leute empfinden das Verwalten von Terminen, Ausfüllen von Formularen, Schreiben von Berichten und Chauffeur-Spielen für einen Taelon als äußerst aufregend.”
Als Anjas Blick Richtung Tür wanderte erstarb ihr Lachen sofort. Ta'sen sah nicht gerade glücklich aus... Langsam stand sie auf.
„Major, würden Sie uns bitte für eine Weile alleine lassen?”
Liam nickte und verließ den Raum mit einem verwunderten Blick auf den Taelon. Das hatte wirklich nicht wie eine Aufforderung, sondern wie eine Bitte geklungen.
Langsam kam Ta'sen in den Raum hinein. Er wusste nicht, wohin er schauen sollte, also blickte er zuerst auf den Fußboden und ließ seinen Blick dann an der Wand entlang schweifen.
Nach einer Weile fragte Anja leise „Ta'sen, was ist los?”
„Es... ich... Ich habe eine Nachricht vom Ka'dij'hah erhalten... Sie wollen, dass ich zurückkehre um Bericht zu erstatten...” Als er seinen Blick hob konnte er regelrecht sehen, wie Anja überlegte.
Ka'dij'hah? Anja suchte nach einer Übersetzung für dieses Wort, aber im Moment war ihr Kopf vollkommen leer. Ta'sen würde gehen?
„Ich habe Ihnen... Ich habe dir”, korrigierte er sich, „erzählt, warum ich hier bin, aber ich habe dir etwas verschwiegen. Nun, ich wurde vom Ka'dij'hah hergeschickt. Das ist eine Art...”, Ta'sen suchte nach passenden Worten, „... eine Art oberster Gerichtshof - nein, das trifft es nicht ganz... Wir führen auch Nachforschungen durch, untersuchen, ob die Vorgehensweise bei bestimmten Projekten oder Missionen korrekt ist... Das Ka'dij'hah kann sich sogar gegen die Synode selbst wenden und bestimmte Entscheidungen anfechten.”
Anja schaute den Taelon aus großen Augen an. In ihrem Kopf arbeitete es, viele Fragen wollten ausgesprochen werden, doch ein einziger Gedanke gewann schließlich die Oberhand. „Du... du wirst... ihrer Aufforderung nachkommen.”
Obwohl es keine Frage sondern eine Feststellung war, nickte Ta'sen. „Es tut mir leid, aber ich muss meinen Verpflichtungen nachkommen...” Es fiel ihm alles andere als leicht - und er verstand noch nicht einmal wirklich, warum. Noch nie hatte er Zweifel daran gelassen, ob er seine Aufgaben erfüllen würde - aber diese Situation war anders als alles, was er bisher erlebt hatte.
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sollte sie ihn bitten, zu bleiben? Schließlich sagte sie nur „Es ist in Ordnung, ich verstehe das...”
„Anja, ich möchte nicht, dass du denkst...” setzte er an, wurde aber von der jungen Frau unterbrochen.
„Es wäre besser, wenn du jetzt gehen würdest.” Sie gab sich alle Mühe, ihre Stimme fest klingen zu lassen, aber es gelang ihr nicht, das Zittern in ihrer Stimme zu verbergen. Natürlich wollte sie ihn nicht gehen lassen, aber wenn er noch länger so vor ihr stehen würde... Sie wusste genau, dass sie die Tränen dann nicht mehr zurückhalten könnte.
Ta'sen wollte noch etwas sagen, drehte sich dann aber wortlos um und verließ niedergeschlagen den Raum.

Leise seufzend lehnte sie sich mit ihrem Rücken gegen die Wand und ließ sich langsam daran zu Boden sinken. Am liebsten hätte sie sich selbst geohrfeigt, obwohl sie nicht genau wusste wofür. Vielleicht dafür, dass sie Ta'sen mochte, dass sie etwas für ihn empfand, das mehr als nur Sympathie war? Oder vielleicht dafür, dass sie solche Gefühle überhaupt zuließ und daran geglaubt hatte, dass es eine Chance gab? Zumindest eins war klar: Auf Ablehnung stieß ihre Meinung Ta'sen gegenüber nicht. - Vielleicht war sie so wütend auf sich selbst, weil sie nicht versucht hatte, ihn aufzuhalten...
‚Wenn er jetzt geht’, schoss es ihr durch den Kopf, ‚ist die Wahrscheinlichkeit, dass er je zurückkommt, beinahe gleich null.’ Aber war sein Auftrag nicht wichtiger? Es bestand immerhin eine Chance, dass das Ka'dij'hah etwas gegen den Umgang der Taelons mit den Menschen unternehmen würde, der nach dem, was Anja bisher gehört - und auch am eigenen Leib erfahren - hatte, äußerst rücksichtslos sein konnte.


Taelon-Mutterschiff, T'thans Quartier

‚Ich hätte es ihm nicht sagen sollen...’ Obwohl er innerlich aufgewühlt und voller Sorgen war, stand er ruhig in T'thans Quartier und folgte dem Kriegsminister mit seinen Augen.
T'than ging unaufhörlich auf und ab und murmelte dabei die verschiedensten Dinge überlegend vor sich hin. Nach einer Weile blieb er abrupt stehen und drehte sich zu Da'an um. „Weißt du welche Konsequenzen es haben könnte, wenn wir das Ke'pach-System verlieren?” Da'an machte keine Anstalten zu antworten, aber sein Blick sprach Bände. „Schau mich nicht so an. Du weißt, dass Ra'ems Vorschlag gar nicht so abwegig ist. - Vor ein paar hundert Jahren hätte eine solche Idee von dir sein können!”
„Aber selbst ich hätte so etwas niemals vorgeschlagen, ohne vorher Verhandlungen zu führen”, antwortete Da'an empört. „Wir sollten zumindest ihr Angebot annehmen und Botschafter schicken.”
Leise grummelnd setzte sich T'than wieder in Bewegung. Er war gerade an der Wand seines Quartiers angekommen und wollte sich umdrehen, als er seine Überlegungen beendet hatte. „Gut, wenn dir so viel daran liegt... Aber wenn irgend etwas schief läuft, sehen wir das als Angriff.”
Da'an nickte zustimmend, diese Meinung konnte er auch vor der Synode für T'than vertreten.
„Und außerdem möchte ich selbst auch mit.”
Da'an glaubte, sich verhört zu haben. „Wie bitte? Du... T'than, du kannst nicht mit, Mit'gai hat dir Ruhe verordnet. Schon allein dafür, dass ich dich informiert habe, würde er mir eine Standpauke halten.” Doch T'thans Blick machte ihm unmissverständlich klar, dass er sich von dieser Idee nicht abbringen lassen würde. Deshalb antwortete er nur: „Wir werden sehen. Letztendlich liegt die Entscheidung bei der Synode.”


Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

Anja saß immer noch auf dem Fußboden und betrachtete nun gedankenverloren ihre Handflächen. Ihre Aufmerksamkeit lag jedoch nicht auf dem roten Fleck in der Mitte ihres Handtellers... Ein blaues Leuchten überzog ausgiebig ihren ganzen Körper als sie daran dachte, was Ta'sen ihr bei dem Sharing mitgeteilt hatte - und wie überrascht und verwirrt er über ihre Gedanken und Gefühle gewesen war. Anscheinend war das für Taelons etwas fremdes...

„Anja, alles in Ordnung?”
Erschrocken hob sie ihren Kop und sah in Liams sorgenvolles Gesicht. Anscheinend war sie eingenickt - in einer äußerst unbequemen Position, was ihr die Schmerzen in ihrem Nacken unmissverständlich deutlich machten - und nun hockte Liam vor ihr auf dem Fußboden und sah sie fragend und besorgt an.
„Geht es Ihnen nicht gut? - Wo ist Ta'sen?”
Anja atmete einmal tief durch und gab sich alle Mühe, ihre Stimme fest klingen zu lassen. „Er ist gegangen, wahrscheinlich ist er wieder auf dem Mutterschiff.”

Wenig später stand sie im Garten der Botschaft, der in der warmen Zeit des Jahres sicher wunderschön war, voller grünender Bäume und Büsche, blühender und duftender Blumen... Doch jetzt verbreiteten die kahlen Baumgerippe und leeren Beete eher eine deprimierende Stimmung. Und außerdem war es kalt. Anja zitterte am ganzen Körper, aber sie fror nicht. Die Kälte drang nicht in ihr Bewusstsein; sie war mit ihren Gedanken weit weg.
Den Blick zum wolkenlosen, blauen Himmel gerichtet dachte sie darüber nach, wie unvorstellbar weit weg der nächste bewohnbare Planet war - und dass Menschen mit ihrer Technologie wohl niemals in andere Galaxien vordringen würden... Vor ihrem geistigen Auge sah sie ein Taelon-Shuttle starten. Es erhob sich elegant in die Luft, flog in den Himmel, wurde immer kleiner und verschwand dann mit einem hellen Aufblitzen in der Interdimension.
Sie wusste nicht, wie lange sie so dort stand, aber irgendwann färbte sich der Himmel von Westen her violett, rosa, orange und rot und die Sonne versank langsam hinter dem Horizont. Allmählich kehrte sie mit ihren Gedanken in das Hier und Jetzt zurück - und spürte ein paar Augen auf sich gerichtet.


Taelon-Mutterschiff, T'thans Quartier

Da'an ließ seinen Blick über den Körper des schlafenden Kriegsministers wandern. In letzter Zeit war er häufig erschöpft gewesen - allein das hätte ihn alarmieren müssen; Da'an machte sich Vorwürfe, nicht schon früher gemerkt zu haben, dass etwas mit T'than nicht stimmte. Und außerdem war es keine gute Idee, T'than zu den Verhandlungen zu schicken, im Moment regte er sich viel zu schnell auf - was er jetzt brauchte war Ruhe, da hatte Mit'gai vollkommen Recht.
Die Tür öffnete sich mit einem kaum hörbaren Zischen und Licht fiel für einen kurzen Moment in den abgedunkelten Raum, als Mit'gai eintrat. Nachdem er einen prüfenden Blick auf T'than geworfen hatte, wandte er sich Da'an zu. „Du solltest ebenfalls eine Ruhephase einlegen.” Noch bevor Da'an protestieren konnte fuhr er fort: „Man sieht dir deine Müdigkeit problemlos an. - Mach dir keine Sorgen, ich werde nach ihm sehen.”


Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

Anja hatte gemurmelt, Ta'sen sei auf dem Mutterschiff und war dann wortlos an ihm vorbei nach draußen gegangen. Sie stand jetzt schon seit Stunden im Garten der Botschaft und Liam fragte sich, ob sie die Kälte gar nicht spürte obwohl sie nur mit einem dünnen Pullover bekleidet war.
Liam trat einen Schritt aus dem Gebäude heraus und in den Garten. Selbst aus dieser Entfernung konnte er deutlich sehen, dass Anja am ganzen Körper zitterte.

Das Gefühl, von jemanden beobachtet zu werden, wurde stärker. Auf einmal spürte Anja, wie sich etwas um ihre Schultern legte... Eine Jacke? Langsam drehte sie sich um.
„Wollen Sie nicht reinkommen?”
Anja schaute noch einmal auf die Jacke und meinte dann „Danke”, bevor sie mit Liam zurück in das Gebäude ging. Erst jetzt, in der angenehmen Wärme, von der die Botschaft erfüllt war, merkte sie wie kalt es draußen war. Dankend nahm sie Liams Angebot, ihr einen Kaffee zu bringen, an.

Leise seufzend ließ sie sich auf einen Stuhl sinken und genoss das Gefühl von Wärme, das sich nicht nur mit jedem Schluck des heißen Getränkes in ihrem ganzen Körper ausbreitete, sondern auch durch ihre Hände, mit denen sie die Tasse hielt, in ihre kalten Glieder vordrang. Nach einer Weile hob sie den Kopf und sah Liams fragenden Blick auf sich gerichtet.
Liam hatte sich auf einen zweiten Stuhl gesetzt und fragte sich, was wohl vorgefallen war. Schließlich siegte seine Neugier. „Anja, was... was ist passiert? Ich meine, Ta'sen war so schnell wieder verschwunden und Sie...”
„Ta'sen wird gehen, er muss die Erde bald wieder verlassen.”
„Ich verstehe nicht...” Das war der Grund für Anjas seltsames Verhalten? ‚Im Moment spielen wohl alle verrückt...’ schoss es Liam durch den Kopf. T'than hatte versucht, Da'an umzubringen, Da'an war kaum noch in seiner Botschaft anzutreffen und wenn Liam ihn kurz sah, dann schien er total übermüdet - und Anja war vollkommen durcheinander, nur weil Ta'sen wegging?


in der Nacht

„Seit wir Kontakt zu den Menschen haben verändert sich etwas in uns. Nur wenige spüren es, wenige sind direkt betroffen. Aber vielleicht ist das die Lösung, der Schlüssel, der das Tor öffnet, das wir uns selbst versperrt haben in unserem gedankenlosen Streben nach Perfektion.”
„Was meinst du damit? Was ist die Lösung und wofür?” ‚Blöder Traum’, dachte Anja bei sich. Wieder stand sie auf einem Plateau auf einem fremden Planeten und wieder sah sie sich einem Taelon gegenüber, der sich bisher nicht vorgestellt hatte und nur in Rätseln sprach - und außerdem schien er genau zu wissen, was sie dachte.
„Es ist mehr als nur ein Traum...”, ließ der Taelon verlauten.
„Sag mir wenigsten deinen Namen”, bat Anja, aber sie erhielt keine Antwort.

„Mach das Licht aus...” murmelte sie vor sich hin. Als sie langsam die Augen öffnete bemerkte sie jedoch, dass es ein Sonnenstrahl war, der auf ihr Gesicht fiel. Verschlafen drehte sie sich um und war gerade wieder eingeschlafen, als ein grauenvolles Geräusch sie weckte. Erschrocken schlug sie die Augen auf und sah sich nervös um bis sie bemerkte, dass es das Piepen des - relativ altmodischen - Radioweckers auf dem Nachttischchen war. „Könntest du mich nicht wenigstens mit Musik wecken?” brummte sie in Richtung des Weckers und ließ sich lächelnd in das weiche Kissen zurücksinken. Anscheinend hatte das Gerät die Drohung in ihrer Stimme verstanden, denn das Piepen verstummte sofort und wich leiser Musik.
Es dauerte einen Moment bis Anja begriff, was gerade geschehen war. Plötzlich war sie hellwach, saß senkrecht im Bett und starrte den Wecker an. Sie spürte, wie es hinter ihren Schläfen zu pochen begann und sich ein leichter, dumpfer Schmerz in ihrem Kopf ausbreitete.
„Guten Morgen, Anja. Sie werden nicht erraten, was ich hier für Sie habe.” Fröhlich betrat Liam das Zimmer - das eigentlich sein Zimmer war - und wedelte mit einer kleinen Karte. „Gerade eben war... Anja?”
Erschrocken wandte sie ihren Blick von dem Wecker ab. „Guten Morgen... Entschuldigen Sie, was haben Sie gesagt?” Langsam aber sicher begann die Musik, sie zu stören. ‚Jetzt gib endlich Ruhe’, warf sie dem Wecker in Gedanken zu.
Nun war es Liam, der ungläubig auf das kleine Gerät starrte. „Anja, was... was war das? Haben Sie das getan?”
Sie schien einen Moment zu überlegen, dann flüsterte sie „Ich weiß nicht...”


später, Taelon-Mutterschiff

Ta'sen machte sich auf den Weg zum Shuttle-Hangar. Vor wenigen Stunden war eine Nachricht der Ke'pach-Völker eingetroffen und die Synode hatte beschlossen, auf das Angebot einzugehen. Jedes der beteiligten Völker sollte zwei Botschafter senden, die sich auf dem fünften Planeten des Systems treffen würden. Doch die Entscheidung, wer die Taelons vertreten sollte, war für Ta'sen undurchsichtig. Nun, Da'an war ein guter Diplomat, keine Frage, und er hatte selbst dafür gestimmt, dass der Companion diese Aufgabe übernehmen sollte. Doch warum T'than? Gut, er war der Kriegsminister und er hatte auch wieder an der heutigen Versammlung teilgenommen, aber jeder hatte gemerkt, dass es ihm nicht gut ging. - Wahrscheinlich war das der Grund... Die Entscheidung, T'than zu schicken war mit einer Mehrheit von sieben zu sechs Stimmen angenommen worden. Kein Zweifel, dass Zo'or dafür gestimmt hatte und darauf hoffte, dass T'than Fehler machte und seine Position nicht mehr lange würde behaupten können.
Doch was war nur mit T'than los? Diese Frage beschäftigte Ta'sen, aber er hatte keine Antwort erhalten. T'than hatte ihm nur allzu deutlich zu verstehen gegeben, er solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern und auch Da'an hatte sich in Schweigen gehüllt.
Ta'sen seufzte leise. Er selbst hatte vor einer Stunde die Mitteilung erhalten, dass er auf Grund eines defekten Portals ein Shuttle benutzen müsste. Dadurch würde sich seine Reisezeit erheblich verlängern.


Kommandodeck

„Agent Sandoval?”
„Ja Zo'or?”
„Haben Sie die Daten hinreichend ausgewertet?” Als der Agent nickte, fuhr er fort. „Dann stellen Sie mir möglichst schnell eine geeignete Liste zusammen.” Als Sandoval gegangen war, hing der junge Synodenführer wieder seinen Gedanken nach. Diesmal würde alles funktionieren, niemand würde seinen Plänen im Wege stehen. Er wusste, dass die Zeit langsam knapp wurde, dass er schnell handeln und Opfer in Kauf nehmen musste.


Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

Ta'sen landete das Shuttle vor Da'ans Botschaft und die beiden Taelons stiegen aus. Er wollte sich noch von Anja verabschieden und Da'an hatte vermutet, dass sie sich mit Liam in der Botschaft aufhalten würde.
Als sie das Gebäude betraten, trafen sie jedoch nur auf Liam. Der Beschützer wollte etwas sagen, wusste aber nicht genau, wie er es ausdrücken sollte - außerdem verstand er auch gar nicht, was denn nun vorgefallen war, dass Anja nicht mit Ta'sen zusammentreffen wollte. Nach einer Weile meinte er schließlich: „Ta'sen, ich glaube nicht, dass Anja herkommen wird. Sie... Nun ja, es schien nicht so, als ob... Sie scheint nicht sehr gut auf Sie zu sprechen zu sein seit gestern.”
Ta'sen senkte den Kopf und meinte leise: „Ich verstehe.” In Wahrheit verstand er gar nichts. Er hatte geglaubt, dass Anja einfach nur noch einmal darüber nachdenken müsse, aber dass sie ihn nun gar nicht mehr sehen, sich noch nicht einmal von ihm verabschieden wollte? Glaubte sie etwa, er würde das gerne machen, würde einfach wegfliegen ohne noch einmal an sie zu denken?
Während er sich umdrehte und Richtung Tür ging, fing er einen seltsamen Blick von Da'an auf - es war beinahe als wüsste Da'an, was in ihm vorging. Flüchtig verabschiedete er sich und stieg in das Shuttle. Nachdem er die Kontrollen aktiviert und seine Zielkoordinaten einprogrammiert hatte, zögerte er einen Moment.
Dann erhob sich das Shuttle elegant in die Luft, flog in den Himmel, wurde immer kleiner und verschwand mit einem hellen Aufblitzen in der Interdimension.

 

Ende von Kapitel 3

 

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