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  „Jonathans Rache” von Ma'ri   (Emailadresse siehe Autorenseite)
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den Eigentümern von Mission Erde/Earth: Final Conflict. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Doors kehrt zurück und sucht Vergeltung
Zeitpunkt:  dritte Staffel, nach „One Taelon Avenue”
Charaktere:  Jonathan Doors, Renee, (Zo'or, Liam, Da'an, Sandoval)
 
Lesen Sie bitte auch die Vorbemerkung der Autorin
 

 

JONATHANS RACHE

 

Mit einem Becher heißem Kaffee in der Hand betrat Renee Palmer ihr Büro, ließ ihre Aktentasche auf den Tisch und sich selbst in ihren Stuhl fallen. Seit Jonathans Tod hatte sie noch mehr zu tun als sonst. Ihr wurde schon ganz übel, wenn sie den Stapel Papierkram nur ansah, der auf ihrem Schreibtisch wartete. Und dann streunte auch noch Joshua durch das Gebäude! Der neue Chef von Doors International machte sich offenbar einen Spaß daraus, unvermittelt aufzutauchen und die Mitarbeiter herum zu scheuchen.
Ein Summton signalisierte ein ankommendes Gespräch auf ihrem Computer. Es war Liam.
„Guten Morgen, Renee!” flötete er gut gelaunt.
„Guten Morgen. Was gibt es Neues?” fragte sie ein wenig gereizt.
„Oh, sind wir heute indisponiert?”
„Könnte man sagen!”
„Kommen sie so bald wie möglich zu Augur. Es gibt da etwas, das sie sich ansehen sollten.”
„Darf ich fragen, was?”
„Sie werden schon sehen.” Damit beendete er die Verbindung. Renee seufzte und schaltete ebenfalls ab. Ihr Blick glitt unglücklich über den Stapel Unterlagen, den sie zu bearbeiten hatte. Ihr Pflichtbewusstsein sagte ihr, dass sie zumindest damit anfangen sollte, allerdings hatte Liam gesagt „so bald wie möglich”. Während sie darüber nachdachte, trank sie ihren Kaffee. Es würde bestimmt nicht länger als eine halbe Stunde dauern, außerdem hatte sie in letzter Zeit so viele Überstunden gemacht, dass sie sich eine kleine Pause ruhig mal gönnen konnte. Entschlossen tippte sie eine Nachricht in ihren Computer:
„Bin bald zurück.
Gruß, Renee Palmer”
Sie sah Joshuas verärgertes Gesicht geradezu vor sich. Besser sie machte, dass sie fort kam. Auf Zehenspitzen schlich sie zur Tür und spähte hinaus. Niemand war zu sehen, so trat sie leise auf den Gang hinaus. Um zum Fahrstuhl zu gelangen, musste sie sich an mehreren Büros vorbei stehlen. Fast empfand sie kindliches Vergnügen dabei, sich dem Nervenkitzel einer Flucht vom Arbeitsplatz hinzugeben. Eine der Bürotüren stand offen und drinnen werkelte ein Mitarbeiter herum. Renee presste sich an die Wand neben der Tür und schob langsam ihren Kopf so weit vor, dass sie mit einem Auge um die Ecke lugen konnte. Der Mitarbeiter wandte ihr zum Glück für einen Moment den Rücken zu, so dass sie blitzschnell an der Tür vorbei schlich und den Rest des Weges zum Lift im Eiltempo zurücklegte. Erleichtert atmete sie auf, als sich die Aufzugtüren hinter ihr schlossen. Das letzte Hindernis war der Pförtner.
Sofort als die Türen wieder auseinander glitten, suchte sie Deckung hinter einer überdimensionalen Topfpflanze. Die Eingangshalle war leer bis auf Theo, der hinter seinem Tresen stand und mit seinem Computer beschäftigt zu sein schien. Spielte wahrscheinlich wieder eines seiner dämlichen Jump-And-Run-Spiele. „Jogging Fight” vielleicht.
Von Deckung zu Deckung hechtend näherte sie sich seinem Tisch. Wie sie es in so vielen Filmen gesehen hatte, ließ sie sich auf alle Viere fallen und krabbelte leise durch den toten Winkel auf die Tür zu. Theo war so mit seinem Spiel beschäftigt, dass er es nicht einmal bemerkt hätte, wenn ein Taelon-Shuttle neben seinem Tisch gelandet und Zo'or höchst persönlich heraus gestiegen wäre. Allerdings hätte der Synodenführer sich in einem solchen Fall bestimmt auf unangenehme Weise bemerkbar gemacht.

Endlich draußen rannte Renee zu ihrem Porsche, warf sich hinein, drehte den Schlüssel und raste so schnell es ging vom Parkplatz. Keine fünf Minuten später parkte sie in der Nähe der Kirche und ging den Rest des Weges zu Fuß. Manchmal dachte sie, die Leute müssten sie für unwahrscheinlich gläubig halten, dass sie dauernd in die Kirche rannte. Genug Stoff zum Beichten hatte sie ja.
Sie betrat das Gebäude. Im Hauptschiff kam ihr Liam bereits entgegen.
„Da sind Sie ja. Kommen Sie! Sie fallen um, wenn Sie das sehen!”
Erstaunt folgte sie ihm in den kleinen Nebenraum, in dem sich der Zugang zu Augurs unterirdischer Basis befand. Während sie mit dem Fahrstuhl nach unten fuhren, löcherte sie ihn mit Fragen, doch er gab keine Antwort, lächelte nur geheimnisvoll.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Türen sich wieder öffneten und sie in Augurs Wohnung entließen. Der Hacker saß auf seinem Sofa, ihm gegenüber ein alter, grauhaariger Mann in einem Sessel.
„Jonathan? Jonathan!” Sie wollte ihren Augen nicht trauen. „Ich dachte ... Sie seien tot?!” stammelte sie verwirrt.
„Hallo, Miss Palmer”, sagte er mit seiner tiefen, unverwechselbaren Stimme. „Gerade Sie sollten doch wissen, dass nichts so ist, wie es scheint.”
„Aber wie ...”
„Keine Zeit für Erklärungen, meine Liebe. Ich habe viel zu tun!” Damit rannte er in sein ehemaliges Büro und schloss die Tür hinter sich. Augur, Liam und Renee sahen sich verblüfft an.

Als Renee nach Feierabend wiederkam, stand eine Gruppe von vier Freiwilligen in Augurs Wohnzimmer herum und plauderte friedlich mit dem Computergenie. Das Bild war so bizarr, dass sie stocksteif in der Tür stehen blieb und nur noch die Männer anstarrte. Als sie sich endlich einen Ruck gab und ihre Waffe ziehen wollte, kam Liam ihr entgegen und hob beschwichtigend die Hand.
„Keine Sorge, Renee. Das sind keine echten Freiwilligen. Sie haben etwas für Doors besorgt, aber fragen Sie mich nicht, was. Er hat ihnen Stillschweigen auferlegt.”
Jetzt erst entdeckte sie die große, quaderförmige Kiste, die neben den Männern stand. In diesem Moment kam Doors aus seinem alten, neuen Büro und nickte ihnen zu.
„Mr. Doors, hätten Sie vielleicht die Freundlichkeit, mir zu erklären, womit Sie meine Wohnung eigentlich voll stellen?” fragte Augur in bemüht höflichem Ton.
„Wenn Sie die Kiste meinen, kann ich Sie beruhigen. Die wird bald wieder abtransportiert.”
„Warum haben Sie sie dann überhaupt herbringen lassen?”
„Weil sie meine Eintrittskarte zum Taelon-Mutterschiff ist.”
„Sie wollen WAS?!” Liam schrie beinahe.
Doors' Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Für das, was die Taelons meinem Sohn und mir angetan haben, werden sie bezahlen! Zumindest einer!”
„Was haben Sie vor?” fragte Renee vorsichtig.
„Sie werden schon sehen. Sie können meine Helfer ja begleiten, wenn sie die Kiste zum Mutterschiff bringen. Und nun entschuldigen Sie mich bitte, ich habe noch einige Vorbereitungen zu treffen.” Damit verschwand er wieder in seinem Büro.
„Das lasse ich mir um nichts in der Welt entgehen!” meinte sie leise zu Liam und stieß ihn mit dem Ellbogen in die Seite.
„Da sind wir uns ja einig. Allerdings sollten wir versuchen, den Schaden zu begrenzen.”
„Warum denn? Finden Sie nicht, dass die Taelons eine kleine Abreibung verdient hätten?”
„Sie wissen doch, ich bin gegen Gewalt. Alles lässt sich lösen, wenn man sich nur zusammensetzt und es ausdiskutiert.”
„Amen! Oh bitte, Liam! Sie haben zu viele psychologische Bücher gelesen.”
Er sah wirklich verletzt aus. „Nur zwei! Und die hatten jeweils nur etwa zweihundert Seiten. Ich habe keine halbe Stunde dafür gebraucht.”
„Wissen Sie was? Sie sollten wirklich mal zu einem Psychiater gehen. Es kann einen ganz schön fertig machen, so schnell alt zu werden. Vielleicht könnte der Ihnen auch helfen, Ihr Shaqarava wieder in Gang zu bringen.”
Er seufzte schwer. „Vielleicht haben Sie recht.”
„Ich habe immer recht!”
„Soll ich Ihnen auch gleich einen Termin machen, wenn ich schon mal da bin?”
Spielerisch schlug sie ihn und er tat als hätte sie ihn schwer verletzt. Grinsend wandte sie sich an Augur. „Sie haben nicht zufällig ein Gästebett hier? Ich möchte nichts verpassen.”
Das Technikgenie warf die Hände in die Luft. „Bin ich ein Hotel?!”
„Ach kommen Sie schon. Bitte, bitte!” Sie versuchte es mit einem umwerfenden Augenaufschlag, aber Augur blieb hart. „Na gut”, seufzte sie, „wie wäre es mit dem „Turner” als kleine Entschädigung für die Mühe?”
Ein freundliches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Abgemacht. Da die Treppe hoch ist mein Gästezimmer.”
„Sie sind ein wahrer Schatz!”
„Ja, ich weiß, ich bin zu gut für diese Welt!” Damit sandte er einen wehleidigen Blick gen Himmel.
„So gut nun auch wieder nicht!”

Sie hatte nur etwa drei Stunden geschlafen, als Liam sie weckte. Als sie hinunter kam, stand Doors neben der nun geöffneten Kiste und stellte eine Tasche hinein, bevor er selbst ins Innere kletterte, das mit mehreren Decken gepolstert war.
„Was ist denn da drin?” fragte sie und deutete auf die Tasche.
„Ein Fotoapparat und ein kleines Gerät, das ich bei Doors International habe bauen lassen.”
Weitere Fragen wehrte er mit einer ungeduldigen Handbewegung ab, kauerte sich in die Kiste, und seine Helfer verschlossen sie sorgfältig. Als Renee sie genauer betrachtete, entdeckte sie die Luftlöcher; gut versteckt und unauffällig.
Die vier Männer schulterten die Kiste und bugsierten sie in den Fahrstuhl. Liam und Renee mussten warten, bis sie oben angekommen waren, bevor sie selbst hinauf fahren konnten. Zum Glück war die Kirche leer, so dass niemand sie sah, während sie die Kiste durch das Hauptschiff zum Ausgang trugen. Vor der Kirche stand ein kleiner Lieferwagen, der von einem weiteren Mann gefahren wurde. Die anderen luden die Kiste ein und versuchten dabei so wenig wie möglich zu wackeln. Sie hatten offenbar wenig Lust, den Unwillen des Milliardärs auf sich zu ziehen. Als sie verstaut war, stiegen sie selbst hinein, während Liam und Renee zu ihrem Porsche eilten und sich hineinwarfen. Wie eine Miniatur-Karawane (bestehend aus nur zwei Kamelen!)fuhren sie durch die Stadt zur Taelon-Botschaft. Dort angekommen zückte Liam seinen Ausweis, so dass die Gruppe falscher Freiwilliger mit der Kiste durchgelassen wurde. Zum Glück begegnete ihnen niemand auf dem Weg zum Shuttle-Landeplatz. Während der Companionbeschützer die Checkliste durchging, verfrachteten die Männer ihr unhandliches Gepäck im hinteren Teil des Shuttles.
„Bekommen sie nicht Ärger, wenn Sie einen unauthorisierten Transport durchführen?” fragte sie Liam.
„Da'an ist im Moment auf dem Taelon-Mutterschiff. Ich kann behaupten, ich sei nur gekommen, um ihn abzuholen. Immerhin bin ich sein Beschützer!”
„Und wenn jemand die Kiste sieht?”
„Dann zeige ich den schriftlichen Befehl”, meinte er achselzuckend.
„Welchen Befehl?”
„Den, dass fünfhundert geblümte Sitzkissen für die menschliche Besatzung zum Mutterschiff geliefert werden sollen.”
„Wie bitte?!? Realistischer ging's wohl nicht!”
„Augur hat den Befehl gefälscht.”
„Dieser Kerl mit seinem kranken Humor!”
„Aber er ist gut!”
„Ja, ja, zu gut für diese Welt.”
Liam grinste breit. „Genau.”

Sie mussten sich beinahe stapeln, um alle in das Vehikel hinein zu passen, aber irgendwie arrangierten sie sich und das Shuttle hob ab. Schon nach wenigen Minuten tauchte das blau-violett leuchtende Raumschiff vor ihnen auf, das aus der Entfernung wie ein überdimensionales Glühwürmchen wirkte. Kurze Zeit später setzte der käferartige Flugapparat auf und entließ seine (etwas zerdrückten) Passagiere in das Shuttle-Hangar.
Kaum begannen sie die Kiste auszuladen, da tauchte auch schon unvermittelt eine Freiwillige auf und sagte mit deutlichem Unwillen in der Stimme: „Es wurde kein Transport angemeldet!”
„Das erstaunt mich aber”, antwortete Liam spöttisch lächelnd. „Die Herren haben einen schriftlichen Befehl von Zo'or.”
Diese Aussage verwirrte die Frau offenbar, denn sie runzelte die Stirn. „Darf ich ihn mal sehen?”
„Natürlich.”
Renee dachte, Liam würde sich bestimmt gleich noch vor ihr verbeugen, so übertrieben höflich und liebenswürdig tat er, als er ihr den Text auf seinem Global zeigte.
Die Freiwillige wirkte unsicher. „Ich werde Zo'or benachrichtigen.”
„Oh, ich denke, das wird nicht nötig sein. Er weiß, dass wir kommen. Und Sie wollen ihn doch bestimmt nicht unnötig stören. Sie wissen, wie er darauf reagiert.”
In ihren Augen blitzte es angstvoll auf. Sie wusste es sehr genau. Dann nickte sie. „In Ordnung. Führen Sie ihre Befehle aus!” Damit stapfte sie davon.
Die Männer schulterten erneut die Kiste und folgten Liam und Renee durch die zwielichtigen Korridore des Raumschiffs. Plötzlich bog der Companionbeschützer in einen Seitengang ab und Renee musste sich beeilen, ihm zu folgen.
„Was tun Sie da?” fragte sie nervös, während er auf einer Konsole herum tippte.
„Ich führe Doors' Befehle aus.”
„Sie lassen sich mal was befehlen? SIE???” Besorgt legte sie ihm die Hand auf die Stirn. „Hm, nein, Fieber scheinen Sie nicht zu haben.”
Er grinste, tippte aber ungerührt weiter auf der Konsole herum. Dann trat er einen Schritt zurück und sah sehr zufrieden aus.
„Was haben Sie gemacht?”
„In diesem Moment wird die Brückencrew vor einem Ausfall des virtuellen Glases gewarnt. Wir können also gleich auf der Brücke herumspazieren, ohne dass uns jemand sieht.” Damit lief er los und Renee hatte wieder einmal Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Immerhin hatte er die (deutlich) jüngeren Beine! Je näher sie an das Kontrollzentrum heran kamen, desto lauter wurde der Alarmton, der eine schnelle Evakuierung anriet. Einige Freiwillige kamen ihnen entgegen, beachteten sie jedoch gar nicht, sondern suchten ihr Heil in der Flucht. Tatsächlich war die Brücke wie leergefegt, als sie sie erreichten. Ein bedrohliches weißes Flackern lief über das virtuelle Glas. Liam bemerkte ihren beunruhigten Blick.
„Keine Sorge, das ist alles nur Show.”
„Wie beruhigend!”
Fast im selben Moment kamen die Männer mit der Kiste. Offenbar hatten sie gewartet, bis die Luft rein war, bevor sie die Brücke betraten. Eilig setzten sie die Kiste ab und öffneten sie. Ein etwas zerzauster Doors entstieg ihr und blieb einige Sekunden lang schwankend stehen. Dann jedoch wurde er aktiv. Er nahm die Tasche ebenfalls heraus und drückte den Fotoapparat einem der falschen Freiwilligen in die Hand. Mit raschen Schritten ging er zu Zo'ors thronartigem Stuhl, ließ sich feierlich darauf nieder und machte ein hochnäsiges Gesicht Marke Synodenführer. Der Freiwillige machte gleich mehrere Aufnahmen davon, bevor Jonathan sich wieder erhob und der Tasche ein kleines, unscheinbares Gerät entnahm. Mit irrem Grinsen begann er, es zu montieren.
Als er sich wieder in die Kiste setzte, betrachtete er noch einmal sein Werk und flüsterte:
„Mit freundlicher Unterstützung von Doors International.”

* * *

Solche Zwischenfälle waren einfach nur ärgerlich und diesen Ärger hatte er an mehreren Angestellten ausgelassen. Inzwischen fühlte er sich besser, dennoch war er misstrauisch. Wie war es zu dem Fehlalarm gekommen? Spuren waren keine zu finden gewesen und die Techniker neigten dazu, einem Kurzschluss die Schuld zu geben. Er selbst tippte eher auf ihre Unfähigkeit. Und das hatte er ihnen auch gesagt! Wie sie zusammengezuckt waren, einfach herrlich!
Mit seinem üblichen blasierten Gesichtsausdruck ließ er sich auf seinem Stuhl nieder. Die menschliche Crew schwirrte um ihn herum wie ein Bienenvolk um seine Königin, um die Ursache für den Zwischenfall zu finden. Sandoval trat neben ihn.
„Kann ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein, Zo'or?” fragte er mit einer angedeuteten Verbeugung.
Mit einer unwilligen Geste scheuchte er ihn davon. Es war Zeit für seine Ruhephase. Sein Attaché scheuchte die Freiwilligen von der Brücke und zog sich ebenfalls zurück, so dass der Synodenführer ungestört war. Erleichtert ließ er sich in seinem Stuhl zurücksinken, nachdem er mit einer anmutigen Bewegung seines Arms den Energiestrom aktiviert hatte. Kaum eine Minute später wurde ihm schrecklich übel. Keuchend richtete er sich auf. Sofort war Sandoval wieder da und beugte sich besorgt über ihn.
„Was ist mit Ihnen, Zo'or? Sie sehen ganz grün aus.”
Wütend stieß er ihn weg. „Gar nichts.” Trotzig legte er sich wieder zurück unter den Energiestrom. Wieder überkam ihn eine so heftige Welle von Übelkeit, dass er sich erneut aufrichtete und schwankend seinen Stuhl verließ. Er musste von hier weg! Weg von den schadenfrohen Blicken der Besatzung. Sandovals angebotenen Arm schlug er zur Seite und taumelte weiter, von der Brücke hinunter, einen Korridor entlang.
Ein Taelon kam ihm entgegen. ‚Auch das noch!’ dachte er. Da'an blieb verwundert stehen und musterte ihn.
„Zo'or, ist dir bewusst, dass du ganz grün bist?” Er unterstrich seine Worte mit einer anmutigen Geste.
„Wer sagt dir, dass das nicht in meiner Absicht lag?!” antwortete er trotzig.
Seine Worte schienen den älteren Taelon zu amüsieren. „Ich fragte nur, weil ich noch nie einen Taelon so grün aussehen gesehen habe. Faszinierend. Geht es dir vielleicht nicht gut?”
„Nein, mir ist furchtbar schlecht!” Jetzt schrie er beinahe. Sein Stolz war für einen Moment vergessen. Da'an sah ihn eine Weile lang so besorgt und nachdenklich an, dass ihm der Geduldsfaden riss. „Hast du eine Idee, was das zu bedeuten hat?”
„Mein lieber Zo'or, was du hast, nennt sich das „Hoschala'la”. Es tritt nur bei sehr jungen Taelons und auch da nur sehr selten auf.”
Dieser mitleidige Blick machte ihn immer wütender. „Und was kann ich dagegen tun?”
„Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder, du wartest etwa drei Erdenwochen, dann bist du geheilt und kannst das Hoschala'la nie wieder bekommen...”
„Oder?”
„Oder du unterziehst dich dem Ritual Haschua'hee.”
„Was muss ich dabei machen?”
„Du wirst bis zum Hals in eine spezielle Flüssigkeit getaucht und musst dabei einige rituelle Lieder singen.”
„Neiiiiiiiiiiiiiiiiiin!” hallte es durch das Mutterschiff.

Es war demütigend gewesen. Die ganze Synode war anwesend, als sie ihn in die orange Flüssigkeit getaucht hatten, und durch das Gemeinwesen hatten auch alle anderen Taelons davon erfahren. Zumindest hatte ihn kein menschliches Besatzungsmitglied in diesem Zustand gesehen. Es hätte ihn schier umgebracht, hätten solch niedrige Kreaturen sich über ihn lustig gemacht. Zu allem Überfluss durfte er in den nächsten paar Tagen nicht einmal den Energiestrom benutzen, da dieser die Wirkung des Rituals gestört hätte. Ihm blieb nichts anderes übrig als sich in sein Schicksal zu ergeben.
Nun, zwei Tage später, saß er erschöpft auf seinem thronartigen Stuhl und starrte vor sich hin durch das virtuelle Glas in den Weltraum. Plötzlich trat Sandoval neben ihn und reichte ihm ein langes, rohrförmiges Paket.
„Was ist das?” fragte er unfreundlich.
„Ich würde sagen, eine Art Genesungsgeschenk, Zo'or.”
„Von wem?”
„Das weiß ich nicht. Es lag mitten im Shuttle-Hangar mit einem Zettel daran.” Der FBI-Agent zeigte ihm besagten Zettel. Darauf stand in kindlicher Handschrift „Für Zo'or” mit einem rosa Herzchen daneben und darunter „Gute Besserung”. Neugierig riss der Taelon das mit bunten Blumen bedruckte Einwickelpapier auf. Darin befand sich ein etwa einen Meter langes Papprohr, das an beiden Seiten mit Plastikdeckeln verschlossen war.
„Was soll ich damit?!” fragte er enttäuscht.
„Wenn Sie erlauben...” Damit nahm Sandoval ihm das Papprohr aus der Hand, öffnete den Verschluss an einer Seite und zog eine Rolle festen Papiers heraus. Vorsichtig entrollte er es und hielt es in die Höhe, so dass der Synodenführer das Poster gut betrachten konnte. Das Gesicht des Taelons verzerrte sich vor Wut. Das riesige Bild zeigte Jonathan Doors, der hoch auf seinem -Zo'ors- Stuhl saß und blasiert auf ihn herabsah. Daneben stand in schwungvoller Handschrift:
„Rache ist süß!”

 
* *
 

In diesem Augenblick erwachte sie. Verwirrt richtete sie sich auf, schüttelte den Kopf und sah sich um. Sie war in ihrer Wohnung, lag in ihrem Bett. Es war alles so real gewesen. Gar nicht wie ein Traum, obwohl es -zugegeben- ziemlich verrückt war. Vermutlich lag das an der Pizza gestern abend. Warum hatte sie sich auch von Liam zu einer doppelten Portion Oliven überreden lassen? Ihr Bauch grummelte laut. Seufzend ließ sie sich zurück in die Kissen fallen. Ein Blick auf den Wecker verriet ihr, dass es erst vier Uhr nachts war. Sie konnte also noch mindestens zwei Stunden schlafen. Gähnend kuschelte sich Renee in ihre Decke, drehte sich auf die andere Seite und schlief wieder ein.

 

ENDE

 

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