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  „Hope” von Ma'hal   (Emailadresse siehe Autorenseite)
Alle hier vorkommenden Personen gehören den Eigentümern von Mission Erde/Earth: Final Conflict. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Zo'or erfährt von Liams Abstammung
Zeitpunkt:  spielt nach „Phantom Companion” [Achtung, Spoiler für die vierte Staffel!!!]
Charaktere:  Zo'or, Renee, Da'an, Liam, [Mit'gai, Sandoval, Street, So'tel]
 

 

HOPE

Kapitel 2

 

„Du wusstest es!” Zo'or schritt um Da'an herum und warf ihm einen stechenden Blick zu. „Du wusstest es seit über zwei Jahren und hast es verschwiegen?”
Da'an antwortete nicht, sondern hielt seinen Kopf leicht gesenkt. Nur seine Augen hoben sich, um Zo'or entgegen zu blicken. Dieser sah ihn abwertend von oben bis unten an. „Ich habe mehr von dir erwartet, Da'an. - Hast du nichts zu deiner Verteidigung zu sagen?”
Als Da'an noch immer keine Antwort gab, drehte sich Zo'or mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck um und schritt auf das virtuelle Glas zu, welches den Blick auf die Erde freigab. „Du hast einen möglichen Weg zur Rettung unserer Rasse verschwiegen. Zu einem Zeitpunkt, an dem wir kurz vor der Auslöschung stehen. - Ich sollte dich der Synode übergeben.” Er drehte seinen Kopf kurz zu Da'an, der sehr intensiv den Boden zu studieren schien. Wieder zum Glas gewandt fuhr er fort „Allerdings - in Anbetracht jüngster Ereignisse,” Zo'or machte eine kurze Pause, als er Da'ans Blick auf seinem Rücken spürte, „und der Tatsache, dass Major Kincaid überleben wird, sehe ich vorerst davon ab.” Angestrengt blickte Zo'or weiterhin auf die Erde hinunter und versuchte Da'ans fragenden Blick zu ignorieren. „Du kannst jetzt gehen.”

Da'an streckte die Hand nach seinem Kind aus, wagte es aber nicht es tatsächlich zu berühren. Es wirkte so zart, so zerbrechlich - und auch so schwach. „Wie lange hat es noch?” fragte er, ohne seinem Blick zu heben. Mit'gai trat neben ihn und sah ebenfalls auf das Kind hinab. „Ohne weitere Energie von diesem.... Kimera .... - nur noch wenige Tage.”
„Ich verstehe.” Da'an nickte langsam und entfernte seine Hand wieder von dem winzigen Taelon. Er wollte sich nicht zu sehr an dieses junge Leben gewöhnen, um einer weiteren Enttäuschung vorzubeugen. Doch er spürte, dass sein Band zu diesem Kind bereits zu stark war, um sein Dahinscheiden schmerzlos zu akzeptieren.
„Und wie geht es Major Kincaid?”
„Der Kimera befindet sich noch nicht wieder bei Bewusstsein.”
„Bitte informiere mich, sobald er es erlangt.”
„Das werde ich tun. Doch du solltest wissen, dass Zo'or den ausdrücklichen Befehl gegeben hat, dass er - und niemand anderer - als erster benachrichtigt wird, damit er ihn umgehend verhören kann.”
„Ich verstehe.” Da'an sah wieder traurig auf sein Kind hinunter. Liam war So'tels einzige Chance zu Überleben. Er konnte nur warten und hoffen, dass Liam rechtzeitig wieder zu sich kommen würde. Auch wenn er das Verlangen spürte, das Kind mit seiner eigenen Energie zu nähren, so wusste er doch dass diese niemals ausreichen würde. Zudem würde er die Energiemengen, die das Kind benötigte auf lange Sicht nicht entbehren können, ohne sich selbst in Stasis begeben zu müssen.

Zo'or saß auf seinem Stuhl auf der Brücke und ihm gegenüber stand sein Attaché Ronald Sandoval. Der Mensch hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt und hörte sich aufmerksam die Anweisungen des Taelons an.
„Major Kincaid gilt offiziell als tot. Er ist in Ausübung seiner Pflicht oder durch einen Unfall gestorben. Lassen Sie sich etwas einfallen.” Zo'or machte eine Handbewegung, die implizierte, dass er keine Zeit habe sich über solche Kleinigkeiten Gedanken zu machen. Sandoval nickte und Zo'or fuhr fort. „Gut. Der Freiwillige, der meinen ausdrücklichen Befehl missachtet hat, muss entsprechend bestraft werden. Eine solche Schwachstelle können wir uns nicht leisten.”
„Ich werde mich darum kümmern.”
„Töten Sie ihn nicht - es gibt sicher noch andere interessante ‚Verwendungsmöglichkeiten’.” Ein kaltes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, so als male sich der Taelon im Geiste die Möglichkeiten bereits aus.
„Ich verstehe.”
„Noch etwas, Agent Sandoval.” Zo'or stand langsam auf und schritt mit erhobenen Kopf auf Sandoval zu. Er stellte sich vor ihn, so dass ihre Gesichter sich beinahe berührten. „Sie fragen sich sicher, wieso Da'an nicht zur Verantwortung gezogen wird.” Sandoval nickte. Das war in der Tat etwas gewesen, dass ihm die ganze Zeit durch den Kopf gegangen war, doch er hatte nicht gewagt danach zu fragen.
„Alles, inklusive der Nachricht, die wir beide auf der Brücke gesehen haben, war Teil eines geschickten Plans von Da'an, mit dessen Hilfe er den Kimera in eine Falle getrieben hat. Es war beabsichtigt, dass wir die Nachricht abfangen und für einen Verrat halten. Da'an konnte es nicht riskieren, jemanden direkt in Kenntnis zu setzen, ohne das Risiko einzugehen, dass der Kimera von der Nachricht erfahren hätte und gewarnt gewesen wäre.”
Sandoval sah ihn einen Moment ungläubig an. Zo'ors Augen bohrten sich in seine und der Mensch spürte, dass es klüger war so zu tun, als kaufe er ihm diese Erklärung ab. „Ein sehr weiser Plan.”
„Ja, in der Tat.” Zo'or hob den Kopf und sah auf den Menschen herab. „Sie können jetzt gehen.”

 
* * *
 


Renee saß alleine in ihrem Büro. Eigentlich hatte sie sich für heute mit Liam zum Dinner verabredet, doch nach ihrem Streit war sie immer noch wütend auf ihn und hatte kein Interesse daran sich bei ihm zu melden. Sie wollte lieber erst ein bisschen Gras über die Sache wachsen lassen.
Etwas gelangweilt saß sie nun in ihrem Büro und stocherte in dem chinesischen Essen herum, das sie sich bestellt hatte. Sie schaute dabei gedankenverloren aus dem Fenster, als plötzlich ihr Global piepte. Sie öffnete es und ihr sah Sandoval entgegen. Der letzte, den sie jetzt sehen wollte. Doch es gelang ihr gut, ihre tatsächliche Stimmung zu verbergen. „Agent Sandoval, was kann ich für Sie tun?” fragte sie mit einem süßlichen Lächeln. Dieser sah sie ernst an. Sein Gesichtausdruck wirkte beinahe in jeder Situation auf gleiche Weise Emotionslos, doch nun schien er beinahe betroffen auszusehen. „Ich muss Ihnen eine traurige Nachricht überbringen, Miss Palmer.” Er machte eine kurze Pause, um sich zu räuspern. „Major Kincaid ist in Ausübung seiner Pflicht einem tödlichen Unfall zum Opfer gefallen.” Als Renee ihn nur entgeistert anstarrte, fuhr er fort. „Wie es aussieht, erlag er einem Attentat der Widerstandsbewegung. Sein Shuttle wurde sabotiert. Wir fanden ihn lebend und er war noch in der Lage uns die Täter zu nennen. Er wurde sofort von den besten unserer Ärzte betreut und versorgt. Aber sie konnten nichts mehr für ihn tun. Er erlag vor einer halben Stunde seinen Verletzungen.”
Renee spürte wie ihre Hand zu zittern begann.
„Die Beerdigung findet morgen am St. Patricks Militärfriedhof statt.”
Sie nickte nur und presste ein „Danke, dass Sie mich informiert haben, Agent Sandoval” hervor und beendete, nachdem Sandoval ihr zugenickt hatte, so schnell sie konnte die Verbindung. Mit einer weiteren Handbewegung aktivierte sie den Sichtschutz zu ihrem Büro, bevor sie die Hände vor ihren Mund schlug und einen Schluchzer unterdrückte. Ihre sich mit Tränen füllenden Augen starrten ins Leere. Dann vergrub sie ihren Kopf in den Armen und ließ ihren Gefühlen freien Lauf.
Zur gleichen Zeit schloss Sandoval sein Global mit einem selbstgefälligem Lächeln auf den Lippen.

„Haben Sie die Liste, Agent Sandoval?” Der Taelon saß auf seinem Stuhl und sah dem Menschen eher gelangweilt entgegen, der nun vor seinen Augen einen Datenkristall hochhielt. Zo'or nickte und Sandoval senkte den Arm wieder und steckte den Kristall in das Terminal neben sich. „Ich konnte die Liste auf drei Kandidaten einschränken.” Er betätigte einige Kontrollen und im nächsten Moment erschien das Bild eines männlichen Menschen auf dem Datenstrom. „Das ist Agent Jachovich.” kommentierte er. „Er arbeitete drei Jahre für die Spezialabtei...”
Zo'or machte eine abwehrende Handbewegung und Sandoval stoppte sofort seinen Vortrag. „Ich möchte, dass Sie einen Termin mit allen drei in Frage kommenden Kandidaten vereinbaren und sie überprüfen. Ich erwarte dann Ihren Bericht.” Demonstrativ drehte er seinen Stuhl von dem Menschen weg und wandte sich dem virtuellen Glas zu. Sandoval verzog sein Gesicht kurz entnervt, doch antwortete in neutralem Tonfall „Selbstverständlich, Zo'or.” Er ging hinüber zu seinem Hauptarbeitsterminal und begann die Kandidaten zu kontaktieren. Aus seinen Augenwinkeln beobachtete er, dass Zo'ors Finger auf die Lehnen seines Stuhles zu trommeln schienen. Beinahe wie bei einem ungeduldigen oder nervösen Menschen. Was brachte den Taelon so aus der Ruhe?

Renee wanderte in ihrem Büro auf und ab. Sie war noch immer aufgewühlt von dieser Nachricht, doch inzwischen hatte sich Hass hinzugesellt. Hass über dessen Objekt sie sich nicht sicher war. Erst hatte sie Sandoval gehasst. Sein betroffenes Gesicht. Diese Scheinheiligkeit. Dann war sie selbst das Objekt gewesen. Sie machte sich Vorwürfe, dass sie mit Liam im Streit auseinander gegangen war. Hätte sie ihn nicht überredet dorthin zu gehen. Vielleicht hätte man die Bombe irgendwann entdeckt. Falls es eine Bombe war. Sandoval hatte ihr keine Details genannt und sie bezweifelte, dass er es freiwillig tun würde. Sie musste auf eigene Faust Nachforschungen anstellen. Auf eigene Faust. Sie fühlte sich so einsam und alleine wie schon lange nicht mehr. Liam war tot - und zu allem Überfluss war er anscheinend bei einem Attentat der Widerstandsbewegung gestorben. Auch wenn ihr der Gedanke erst abwegig erschien, so musste sie sich doch eingestehen, dass die Widerstandsbewegung mittlerweile so zersplittert war ... es war gut möglich, dass jemand auf eigene Faust diese Tat begangen hatte. Oder es konnte eine ganze Splittergruppe sein. Viele hegten immer noch Misstrauen gegen Liam - seit damals bei einem Treffen der wichtigsten Zellen, das von ihm angesetzt worden war, Freiwillige das Gebäude gestürmt hatten und beinahe alle dabei ums Leben gekommen waren. Und einige waren immer noch davon überzeugt, dass Liam sie an die Taelons verkauft hatte. Es war gut möglich, dass sie zu einer solchen Tat in der Lage waren. Und da sie sich nicht sicher war, wem sie noch vertrauen konnte, war sie beinahe vollkommen auf sich gestellt. Es musste doch jemanden geben an den sie sich wenden konnte...?
Street! Sie kannte das Mädchen nicht lange, aber lang genug um sich sicher zu sein, dass sie in keiner Widerstandszelle war. Oder zumindest schien es so.
Renee nahm ihr Jacket von der Lehne ihres Stuhles und zog es sich über. Als sie gerade das Büro verlassen wollte sah sie ihr Gesicht im Glas gespiegelt. Ihr Make-up war vollkommen verschmiert. Es war mehr als eindeutig, dass sie geweint hatte. Sie ging zurück zu ihrem Schreibtisch und holte aus einer Schublade ihr Make-up hervor. Ein paar Minuten später war der ‚Schaden’ behoben und sie machte sich auf den Weg zu Streets Wohnwagen.

„Street? - STREET!” Renee hämmerte gegen die Tür eines Wohnwagens. Nach einer Weile wurde die Tür vorsichtig von innen geöffnet und ein rothaariges Mädchen streckte seinen Kopf hinaus.
„Woah, woah, woah, keine Panik, ich bin ja schon da.” sagte sie mit einem überraschten Blick auf ihre Besucherin, die offensichtlich Mühe hatte sich unter Kontrolle zu halten.
„Kann ich reinkommen?”
„Na, ehm, klar.” Street trat einen Schritt beiseite und ließ Renee an sich vorbei gehen. Dabei musterte sie sie von oben bis unten. Zielstrebig ging Renee auf die Fenster des Wohnwagens zu und begann eines nach dem anderen zu schließen und die Vorhänge zuzuziehen. Street sah ihr dabei argwöhnisch zu.
„Dürfte ich erfahren was das ganze soll?”
Die blonde Frau reagierte nicht, bis alles blicksicher war. Dann ließ sie sich erschöpft auf eine kleine Coach fallen und legte ihren Kopf in die Hände. Für einen Moment blieb sie so sitzen, bis sie Streets Blick auf sich spürte. Mit einer Handbewegung strich sie sich die Haare zurück. „Es geht um Liam,” begann sie, senkte dann ihren Blick wieder und spielte nervös mit ihren Ärmeln. „Er ist... tot.” Das letzte Wort war nicht mehr als ein Flüstern. Street starrte sie nur mit großen Augen an.
„Was haben Sie gerade gesagt? Er ist was? Tot?” Für einen Augenblick wollte sie Renee fragen, was für ein dummer Witz das sein sollte, doch dann erkannte sie in ihren Augen, dass die Lage ernst war. „Ich... ehm... wie ist es passiert?” fragte sie vorsichtig. Sie war unsicher wie ihr Gegenüber reagieren würde. Die sonst so kühl wirkende Frau saß nun vollkommen aufgelöst auf der Coach ihres Wohnwagens. Sie sah zu Street hoch, als habe diese gerade eine vollkommen unerwartete Frage gestellt. „Was?”
Street räusperte sich. ”Wie er gestorben ist.” wiederholte sie.
„Nun, er ist von der Widerstandsbewegung ermordet worden.” antwortete Renee mit einem bitteren Lächeln. „Was für eine Ironie...”
Street sah sie ungläubig an. „Aber das kann doch nicht sein. Wieso sollten die so etwas tun?” - „Verdammt, ich weiß es doch auch nicht!” fuhr Renee die junge Frau an. Doch dann wurde ihr Gesicht sofort wieder weich. „Es tut mir leid, es ist nur... ich weiß auch nicht, ich erkenne mich selbst nicht wieder.”
„Ist schon okay.” Street setzte sich neben Renee auf die Coach und sah die ältere Frau mitleidig an. Eine Weile saßen sie dort so und schwiegen beide, bis Renee die Stille brach. „Morgen ist seine Beerdigung...” Ihre Stimme klang nun vollkommen ruhig und beinahe monoton.
Street drehte überrascht ihren Kopf zu ihr. „Schon morgen?”
Renee nickte nur.
„Geht das nicht etwas schnell?” Street erntete nur einen verständnislosen Blick. „Wenn er ermordet wurde - dauern die Untersuchungen nicht normalerweise länger?”
Renee schüttelte den Kopf. „Nein, er war noch in der Lage die Täter zu nennen.”
„Und wer war es?”
Renee sah Street an, als sei ihr dieser Gedanke bisher noch nicht gekommen. „Ich weiß es nicht... - Aber es dürfte nicht schwer sein, das heraus zu finden.” Sie holte ihr Global aus der Tasche und lies es aufschnappen. „Sandoval, Ronald.”
„Es tut mir leid, Miss Palmer, aber Sandoval, Ronald ist momentan leider nicht erreichbar.” „Verdammt!” Mit mehr Kraft als nötig gewesen wäre, schob sie das Global zu.
„Vielleicht ist es besser so.” sagte Street leise.
Renee sah sie irritiert an.
„Ich meine, Sie sollten sich vielleicht besser etwas ausruhen... denken Sie an morgen.”
Renee nickte nachdenklich. „Ja, Sie haben wahrscheinlich Recht.” Dann lächelte sie ironisch. „Ich darf nicht zuviel Gefühl zeigen.” Mit diesen Worten stand sie auf. Bevor sie den Wohnwagen verließ, drehte sie sich noch einmal um. „Danke, Street.”
„Schon okay.”

Als Renee am nächsten Morgen am St. Patricks Militärfriedhof ankam, waren bereits einige Gäste eingetroffen, die in der Nähe des zukünftigen Grabes standen und sich leise miteinander unterhielten. Sie holte tief Luft als sie auf die anderen zuging. *Bleib ganz ruhig* sagte sie immer wieder zu sich selbst. *Du hast schon so oft deine Gefühle vollkommen vor deiner Außenwelt verborgen - dieses eine Mal mehr, macht auch keinen Unterschied.* Zielstrebig ging sie auf die Gruppe zu und nickte unverbindlich. Man nahm sie kurz wahr und wandte sich dann wieder dem Gesprächsthema zu bei dem man gerade gewesen war. Renee ließ den Blick unauffällig über die Anwesenden schweifen. Es waren alles offizielle Gäste, niemand vom Widerstand war dabei. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass Liam keine wirklichen Freunde gehabt hatte. Sicher waren da ein paar Menschen gewesen, mit denen er sich ab und zu getroffen hatte - aber von denen hatte niemand eine engere Bindung zu ihm gehabt. Niemand mit dem er sich ausgetauscht hatte? Renee kannte ihn seit einem Jahr, aber sie hatte nie wirklich darüber nachgedacht wie Liams Privatleben aussah.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie hörte wie ein Shuttle den Interdimensionsraum verließ. Sie verfolgte es mit ihrem Blick, bis es auf einem nahegelegenen Platz landete und die Passagiere ausstiegen.
Es waren Da'an und Zo'or, gefolgt von Agent Sandoval und zwei Freiwilligen. Sandoval nickte Renee kurz zu als er an ihr vorüberging. Dann stellten sie sich rechts neben das bereits ausgehobene Loch in der Erde.

Die Zeremonie war genauso feierlich wie bei jeder anderen Militärbeerdigung. Die drei Schüsse in die Luft, das feierliche Übergeben der US Flagge, die Grabrede. Renee nahm alles nur unbewusst wahr. Sie war mit ihren Gedanken bei Liam...
Als die drei Schüsse erklangen, sah sie wie ein blauer Schimmer über das Gesicht des Nordamerikanische Companions lief. Als er ihren Blick bemerkte, ließ er seinen Kopf ein wenig sinken. Renee nahm an, dass der Taelon den Verlust seines Beschützers betrauerte.

Doch es war nicht Liam, um den Da'an trauerte - die Zeremonie am Grab hatte alte Erinnerungen in ihm hervorgerufen. Es war als hätte jemand die Zeit zurückgedreht und er würde alles erneut erleben. Die Gefühle waren für einen Moment so stark gewesen, dass er weder seine Fassade kontrollieren konnte, noch in der Lage gewesen war diese Gefühle vor dem Gemeinwesen abzuschirmen. Zo'or hatte es ebenfalls gespürt und warf ihm einen irritierten Seitenblick zu.

Renee konnte ihren Blick nicht von Da'an lösen, bis sie sah wie Sandoval zu Zo'or hinüber ging und ihm etwas zuflüsterte, woraufhin dieser kurz blau anlief, etwas zu seinem Attache sagte, sich ruckartig umdrehte und auf das Shuttle zuschritt. Sowohl Da'an als auch Renee sahen dem Synodenführer überrascht zu, wie dieser zielsicher auf das Shuttle zusteuerte. Wenige Sekunden später erhob sich das Gefährt in die Luft und war aus dem Sichtfeld der Anwesenden verschwunden.

Da'an sah Sandoval durchdringend an, doch er musste den Menschen nicht fragen, um zu wissen, was die plötzliche Eile seines Kindes verursacht hatte.
Das soeben Geschehene ignorierend, nahm er eine der weißen Rosen und schritt auf das Grab zu. Er zögerte für einen Augenblick, als er spürte wie er die Kontrolle über seine Fassade erneut verlor, doch ließ sie dann sacht fallen.
Auch Renee hatte bereits eine der Rosen in die Hand genommen. Sie war so vollkommen überwältigt von dem Anblick des trauernden Taelons, dass sie dabei fast ihre eigene Trauer vergaß. Als sie an ihm vorbei ging, trafen sich ihre Blicke für einen Augenblick, bevor beide die Augen senkten.
Renee musste sich zusammenreißen, um ihre Tränen zu unterdrücken, als sie auf das Grab hinab sah. Ihre Finger hielten die Rose fest umklammert und sie spürte wie die Tränen in ihr aufstiegen. Langsam löste sie den festen Griff und ließ die Rose sanft aus ihren Händen gleiten. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Rose neben den anderen auf dem Sarg landete. Ihre Hand ballte sich zu einer Faust. Sie zog die Luft tief ein und drehte sich langsam um. Mit gesenktem Kopf schritt sie an Sandoval vorbei, der ebenfalls den Kopf leicht gesenkt hatte. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie ihn. War dieser Mann tatsächlich traurig? Hatte er doch ein paar menschliche Gefühle?

Die meisten verließen den Friedhof, kurz nachdem die Zeremonie beendet war. Renee blieb noch eine Weile dort stehen und beobachtete, wie Da'an und Sandoval sich langsam entfernten. In der Zwischenzeit hatten sie ein neues Shuttle gerufen, auf das sie nun zugingen. Nachdem das Shuttle im Interdimensionsraum verschwunden war, drehte auch sie sich um und verließ den Friedhof.

„Er ist wach.” Zo'ors Worte waren eine Feststellung und keine Frage, als er zielstrebig auf Mit'gai zuschritt.
Der Taelon-Heiler nickte. „Er ist vor wenigen Minuten erwacht. Ich habe dir wie befohlen sofort Bescheid gegeben.”
Zo'or wollte an dem Taelon Arzt vorbei gehen, als dieser ihn zurückhielt. „Zo'or?”
Er blieb kurz stehen und drehte sich fragend zu ihm um.
„Er ist noch sehr schwach.” Sagte Mit'gai vorsichtig. Zo'or starrte ihn kurz irritiert an und betrat dann ohne ein weiteres Wort die Arrestzelle, die man zu einem Krankenzimmer umfunktioniert hatte.
Der Kimera lag mit geschlossenen Augen auf der Bahre. Er war von einem Kraftfeld umgeben, so dass er sich nicht bewegen konnte. Zo'or drehte sich um und nickte Mit'gai zu, der daraufhin die Zelle hinter ihm wieder verschloss. Langsam ging er auf die Bahre zu und sah auf den Kimera herunter, den man bis vor kurzem noch für einen Menschen gehalten hatte. Er wartete einige Minuten, doch als der Gefangene sich noch immer nicht regte wurde er ungeduldig.
„Major Kincaid.” Seine Stimme klang schneidend.
Der Kimera begann etwas zu blinzeln, bevor er seinen Augen schließlich ganz öffnete und dem Taelon ins Gesicht blickte. Dieser stand inzwischen direkt neben seinem Kopf und starrte auf ihn hinab. Ohne ein Wort zu sagen, deaktivierte er das Kraftfeld, welches den Körper des Mannes bisher umgegeben hatte. Liam wagte es nicht sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Er hatte keine Ahnung, was den Taelon zu dem bewegte, was er gerade getan hatte - und noch viel weniger wusste er, was er mit ihm vorhatte.
„Major Kincaid,” wiederholte Zo'or und es schien als ließe er diese Worte genüsslich auf seiner Zunge zergehen, „ich frage mich noch immer, wie Sie es geschafft haben, uns so lange zu täuschen.” Doch er schien keine Antwort zu erwarten, denn er fuhr sogleich fort. „Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Und zudem waren die umfangreichen DNA-Tests, die wir an Ihnen durchgeführt haben sehr... aufschlussreich.”
Liam schluckte merklich und sah unsicher zu ihm hoch.
„Was haben Sie mit mir vor? Wieso haben Sie mich am Leben gelassen?” fragte er leise.
Der Taelons sah leicht lächelnd auf ihn herab, doch beantwortete seine Frage nicht. Stattdessen begann er langsam zum Ausgang der Arrestzelle zu schreiten. Als er diesen erreicht hatte, blieb er stehen, drehte sich noch einmal zu Liam um und sagte mit ungewohnt weicher Stimme „Sie sollten sich jetzt etwas ausruhen, Major.”
Mit einem Nicken signalisierte er Mit'gai das Kraftfeld zu deaktivieren und ließ den verwirrten Kimera alleine zurück.

Sobald das Shuttle mit Da'an und Agent Sandoval das Mutterschiff erreicht hatte, machte sich Da'an auf den Weg zu den Arrestzellen. Als er dort angelangt war, standen Mit'gai und Zo'or auf dem Gang und unterhielten sich gedämpft. Sobald sie Da'an bemerkten brachen sie abrupt ihr Gespräch ab.
„Ich denke, es ist vorerst alles geklärt.” schloss Zo'or die Unterhaltung, bevor er Da'an einen kurzen abschätzenden Blick zu warf und an ihm vorbei in Richtung Brücke stolzierte.
Da'an wartete noch bis Zo'or außer Sichtweite war und ging dann langsam zu Mit'gai herüber. „Wie geht es Major Kincaid?”
„Er ist wieder zu Bewusstsein gelangt.” antwortete der Taelon-Heiler in einem neutralen Tonfall.
Da'an nickte. „Ich würde gerne ein paar Minuten mit ihm alleine sprechen.” Ohne eine Antwort abzuwarten, machte er einen Schritt in Richtung der Arrestzelle. Doch genau in diesem Moment schob sich Mit'gai zwischen ihn und die Zelle.
„Das kann ich dir nicht erlauben, Da'an.” Seine Augen bohrten sich in Da'ans. Dieser sah ihn irritiert an. Beinahe entschuldigend fügte er hinzu: „Zo'or hat es untersagt. Außer ihm habe nur ich die Erlaubnis zu dem Kimera zu gehen.”
Für eine Weile starrten sich die beiden an, bis Da'an resignierend die Augen senkte. „Ich verstehe.” sagte er, während er den Boden anstarrte. Dann hob er seinen Blick wieder. „Wie ist So'tels Zustand?”
Der Taelon-Heiler wirkte für einen kurzen Moment überrascht über diesen plötzlichen Themenwechsel, doch antwortete dann in erneut neutralem Tonfall „Sein Energielevel ist zur Zeit noch stabil - allerdings nähert es sich dem kritischen Bereich schneller als ich vermutet hatte.” Die Augen seines Gegenübers blickten mit einem leeren Ausdruck an ihm vorbei.
Es dauerte eine Weile bis Da'an etwas sagte. „Bitte halte mich auch weiterhin auf dem laufenden.”
„Selbstverständlich.”
Da'an nickte noch einmal geistesabwesend und verlies dann mit leicht gesenktem Kopf den Raum.

Da'an begab sich auf direktem Weg zur Brücke. Zielstrebig ging er zu Zo'or herüber, der wie gewöhnlich auf seinem Kommandosessel saß. „Wieso hast du den Zugang zu Kincaid auf dich und Mit'gai beschränkt?”
Zo'or sah ihn vollkommen ruhig an. „Wäre Mit'gai kein Taelon-Heiler und Kincaid bereits bei voller Gesundheit, so hätte ich den Zugang auf mich alleine beschränkt.” Er sagte dies, als sei es eine Selbstverständlichkeit.
Da'an starrte ihn fassungslos an. „Wieso?”
„Wieso?” Zo'or neigte sich leicht nach vorne und seine Stimme nahm nun einen ärgerlichen Klang an. „Du denkst doch nicht, dass ich dir nach allem was du getan hast, Zugang zu ihm gestatte!”
„Ich werde nicht noch einmal den selben Fehler machen, Zo'or.”
„Nein. Das wirst du ganz sicher nicht.” Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck lehnte sich der jüngere Taelon in seinem Stuhl wieder zurück.
Sein Gegenüber trat näher an den Stuhl heran und senkte seine Stimme. „Bitte, Zo'or. So'tel braucht ihn... ohne seine Energie wird er nicht überleben.” Flehende Augen bohrten sich in die des Synodenführers. Doch dieser zeigte keinerlei Anzeichen einer Reaktion und begegnete dem Blick nur schweigend. Als Da'an sich bereits resignierend zum gehen wandte, hielt Zo'or ihn plötzlich zurück. „ICH werde So'tel zu ihm bringen.”
Überrascht wandte Da'an sich wieder zu ihm um. „Ich danke dir.” flüsterte er noch vollkommen perplex.
„Denke nicht, dass ich es für DICH tue.” gab Zo'or in einem harten Tonfall von sich.
Da'an nickte schweigend und drehte sich zum gehen. Als er die Brücke verließ umspielte ein leichtes Lächeln seine Lippen.

„Ich habe das Auswahlgespräch mit den Anwärtern geführt. Und ich denke, ich habe einen vielversprechenden Kandidaten gefunden.” Dem menschlichen Attaché war nicht anzumerken wie anstrengend die letzten Stunden für ihn gewesen waren.
„Sehr gut. - Bestellen Sie ihn in einer Stunde zum Mutterschiff, damit ich ihn persönlich begutachten kann.”
Sandoval sah den Taelon überrascht an. „Bedarf es bei einer solchen Entscheidung nicht ebenfalls Da'ans Zustimmung?”
Mit erhobenen Kopf blickte Zo'or auf ihn herab. „Das wird nicht notwendig sein.”
„Wie Sie wünschen, Zo'or.”

 
* * *
 

Der Mann traf pünktlich eine Stunde später auf dem Mutterschiff ein. Einige Freiwillige erwarteten ihn bereits und eskortierten ihn zur Brücke. Agent Sandoval war der erste, der ihn bemerkte.
„Zo'or?”
Der Taelon rotierte seinen Stuhl in die Richtung seines Attachés, der mit seinem Arm auf den gerade eingetroffenen Menschen deutete.
„Mr Roberts.” Zo'or bedeutete ihm mit einer Handbewegung näher zu treten. „Ihre Akten sind sehr vielversprechend.” Bei diesen Worten musterte der Taelon den Menschen von oben bis unten. Er war Ende zwanzig, etwas größer als Sandoval, hatte dunkle Haut und ebenso dunkle Augen. Trotz seiner weichen Gesichtszüge wirkte er sehr kontrolliert und ernst, als er den Blick des Taelons erwiderte.
„Ich danke Ihnen.” antwortete er in einem neutralen Tonfall.
„Wie kam es dazu, dass Sie sich entschieden, sich für diesen Posten zu bewerben?”
Der Mensch dachte nicht lange über diese Frage nach, sondern antwortete ohne Verzögerung. „Schon seit der Ankunft auf unserem Planeten strebte ich diesen Posten an.”
Zo'or fuhr weiter fort ihm Frage über Frage zu stellen, bis er alles erfahren hatte, was er wissen wollte und mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck nickte.
„Ich freue mich, dass wir mit Ihnen einen weiteren kompetenten Mitarbeiter gewonnen haben. Das Shuttle wird Sie wieder zurück zur Erde fliegen. Wir werden uns in Kürze mit näheren Anweisungen bei Ihnen melden.”
Der Mensch formte den Taelon-Abschiedsgruß und folgte einem Freiwilligen, der ihm andeutete mit ihm zu kommen. Sandoval sah ihnen nach und sobald sie die Brücke verlassen hatten, wandte er sich an Zo'or. „Soll ich seine Implantierung vorbereiten lassen?”
Es dauerte einen Moment, bis Zo'or ihm eine Antwort gab. „Nein, das wird nicht notwendig sein.”
Es gelang dem Attaché seine Überraschung zu verbergen. „Ganz wie Sie wünschen, Zo'or.”

Da'an saß alleine in der Botschaft und blickte nachdenklich auf den Schreibtisch seines ehemaligen Beschützers. Dort stand noch immer eine halbleere Thermoskanne und eine benutze Tasse. Man hatte anscheinend noch nicht daran gedacht, sie entfernen zu lassen. Doch dies würde vermutlich Liams Nachfolger übernehmen, der jeden Moment hier eintreffen musste. Zo'or hatte Da'an vor etwa einer halben Stunde mitgeteilt, dass er einen neuen Beschützer für ihn ausgewählt habe. Da'an war keineswegs überrascht, dass Zo'or ihn bei der Auswahl nicht mit zu Rate gezogen hatte, obwohl im Normalfall der jeweilige Companion persönlich seinen neuen Beschützer annehmen musste. Nun lag die Sachlage selbstverständlich anders, denn Zo'or würde Da'an nach seinem Verrat sicher vorerst nicht vertrauen. Protest bei der Synode einzulegen war ebenfalls unmöglich, da Zo'or ihn dann sofort verraten konnte. Über all diese Dinge war sich Da'an sehr wohl im klaren und erwartete nun mehr oder weniger gespannt seinen neuen Beschützer. Was ihn am meisten überrascht hatte, war die Tatsache, dass dieser Mensch nicht implantiert war. Doch Zo'or hatte dafür seine Gründe, wie er Da'an unmissverständlich klargemacht hatte.

„Da'an?” Eine Stimme erklang aus Richtung des Einganges, wo ein gutgekleideter Mann stand und ihn fragend ansah. „Darf ich eintreten?”
Mit einer Handgeste bejahte Da'an ihm diese Bitte und sah zu wie der Mensch sich vor seinen Stuhl stellte und den Taelon-Gruß formte.
„Sie müssen Mr Roberts sein.” stellte Da'an fest.
Der Mensch nickte und erwiderte in einem neutralen Tonfall. „Es ist mir eine Ehre, Ihnen dienen zu dürfen, Da'an. Ich war schon immer ein großer Bewunderer der Taelons und besonders Ihrer Person.”
Trotz der schmeichelnden Worte, konnte Da'an keinerlei Emotionen bei seinem Gegenüber ausmachen. Man hätte ihm auch sagen können, dass dieser Mann implantiert sei und er hätte es vermutlich geglaubt. Der Mensch besaß eine kalte Ausstrahlung, wie sie für die meisten Implantanten üblich war.
„Der Arbeitsplatz meines letzten Beschützers befand sich in meinem Büro.” Da'an deutete auf den Schreibtisch am anderen Ende des Raumes. „Es steht Ihnen jedoch frei, ob sie diesen übernehmen wollen oder ein eigenes Büro vorziehen.”
Der Mensch sah kurz hinüber zu dem Schreibtisch. „Ich denke dieser Platz wird ausreichend sein.”
Der Companion nickte kurz. Er hatte gehofft, der Mensch würde das eigene Büro vorziehen. Vielleicht hatte Zo'or diesen Menschen auf ihn angesetzt, um ihn in Zukunft unter Kontrolle zu halten?
„Ich habe heute keine Termine mehr. Die Sicherheitspläne für die Veranstaltung, welche für den morgigen Tag geplant ist, befinden sich in Major Kincaids Terminal.”
„Ich werde mich sofort einarbeiten.” Mit diesen Worten drehte der Mensch sich um und begab sich zu dem Computer, der auf Liams ehemaligem Schreibtisch stand. Sofort begann er mit seiner Arbeit. Da'an beobachtete ihn nur aus dem Augenwinkeln und war mit seinen Gedanken bei So'tel, als Roberts ihn ansprach.
„Es tut mir leid, was mit Major Kincaid passiert ist.” Sagte er mit dem Blick auf die leere Thermoskanne. Da'an glaubte fast so etwas wie Mitgefühl in seiner Stimme wahrzunehmen. Der Taelon blickte ihn erst überrascht an, sagte dann aber leise: „Ja, mir auch.”

Der kleine Körper lag sorgfältig eingebettet auf einer Kranken-Bare, die durch virtuelles Glas abgeteilt und gesichert worden war. Etwa einen halben Meter über ihm zeigte ein Monitor den aktuellen Energiezustand an - wenig Energie, nicht mehr weit von dem kritischen Bereich entfernt. Ein Taelon trat an das winzige Geschöpf heran und sah darauf herab. Der Gesichtsausdruck war undurchsichtig, als er langsam seine Arme dem Kind näherte. Zögernd schob er vorsichtig seine Hände unter den winzigen Körper, als habe er Angst es zu zerbrechen. Das Kind zeigte keine Reaktion, sondern ließ sich von dem Taelon aus seinem kleinen Bett heben. Erst als er es sanft gegen seine Brust lehnte, begann es mit seinen kleinen Händen nach ihm zu tasten. Die kleinen Finger fanden schließlich die Hand des älteren Taelons und umklammerten seinen Zeigefinger. Suchend blickte der Taelon sich im Raum um und griff dann nach dem Tuch, auf dem das Kind gelegen hatte. Er legte es ebenso vorsichtig über das Kind, so dass man nur noch ein unförmiges Etwas erkennen konnte. Dann stellte er eine kleine Apparatur in das nun leere Bett und aktivierte diese mit seiner freien Hand. Sofort erschien ein täuschend echt wirkendes Hologramm des Babys, samt Decke. Zufrieden lächelnd drehte er sich um und trat auf den Gang hinaus. Mit einem Blick zu beiden Seiten vergewisserte er sich, dass ihn niemand gesehen hatte und der Gang leer war, bevor er sich auf den Weg zu den Arrestzellen machte.

Die beiden Freiwilligen, die den Eingang zu den Arrestzellen bewachten versteiften sich augenblicklich, als sie Zo'or um die Ecke kommen sahen. Sie wichen beinahe ehrfürchtig zur Seite, um Zo'or passieren zu lassen, doch dieser blieb kurz vor ihnen stehen. „Sie werden solange niemanden zu den Arrestzellen lassen, bis ich den Befehl aufhebe.” Eifrig nickten die beiden jungen Männer und versuchten nicht zu auffällig auf das Bündel zu starren, welches Zo'or mit sich trug. „Ja, Sir.”
„ Niemandem!” wiederholte er mit Nachdruck. Als die beiden wieder mit einem „Ja, Sir!” und einem Nicken antworteten schritt er an ihnen vorbei, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen.
Kaum hatte er den Vorraum zu Kincaids Zelle betreten, schloss er den zum Gang gelegen Durchgang. Er schien kurz Luft zu holen, als er auf das virtuelle Glas zuging, das die Zelle absicherte. Mit einer fließenden Handbewegung deaktivierte er es und trat ein.
Kincaid, der auf dem Bett saß, drehte sich erschrocken zu ihm um. Misstrauisch starrte er den Taelon an, der - ohne das virtuelle Glas wieder hinter sich zu versiegeln - näher kam. Zo'or bemerkte seinen Blick. „Denken Sie erst gar nicht daran. Draußen sind genügend Wachen. Sie würden nicht weit kommen.” gab er trocken von sich.
Der Kimera sah ihm immer noch angespannt entgegen, als der Taelon kurz vor ihm stehen blieb. Erst jetzt bemerkte er das Bündel in Zo'ors Armen.
„Wie geht es Ihnen?” Zo'or ließ seinen Blick über ihn schweifen. „Fühlen Sie sich etwas kräftiger?” Liam antwortete ihm nicht, sondern sah ihn immer noch misstrauisch an. „Ich frage, weil es jemanden gibt, der ihre Hilfe dringend benötigt.” Zo'or wartete nicht lange auf eine Antwort, sondern begann demonstrativ die Decke hochzuheben, so dass das Kind zum Vorschein kam. Liams Blick glitt zwischen dem Taelon und dem Kind hin und her, bis er schließlich auf dem Kind haften blieb. Der Anblick des kleinen Geschöpfes, das sich mit seinen winzigen Händchen an Zo'or festklammerte, verursachte ein Stechen in seiner Magengegend. Wie von einer fremden Kraft gesteuert hob er seine Hand an und berührte sanft den Kopf des Kindes. Schweigend löste Zo'or den Griff des Kindes und legte es vorsichtig in Liams Arme, der es ebenso vorsichtig entgegennahm. Noch immer machte das Kind keine Anstalten sich zu bewegen, sondern lag regungslos in Liams Schoß. Ohne darüber nachzudenken platzierte er seine Hände auf dem Körper des kleinen Taelons. Er schloss seine Augen und plötzlich begann das Shaquarava in seinen Handflächen zu glühen. Zo'or beobachtete fasziniert wie die Energie des Kimera auf das Taelon-Kind einströmte. Dann erlosch das Shaquarava ebenso plötzlich wieder. Liam schnappte nach Luft. Die Prozedur schien für ihn sehr anstrengend gewesen zu sein. Das Kind in seinem Schoß begann sich jedoch zu bewegen. Aus dem leichten, blauen Flackern seiner Energieform war ein kräftiges Rosa-Blau geworden. Zo'or hob das Kind hoch und betrachtete es eingehend. Als er feststellte, dass es tatsächlich über weit mehr Energie verfügte als zuvor, zeigte sich ein triumphierendes Lächeln auf seinem Gesicht. Er ließ zu, dass sich das Kind wieder gegen ihn lehnte und sich, mit nun kräftigerem Griff, festhielt. Dann weckte der erschöpfte Kimera wieder seine Aufmerksamkeit. „Wie fühlen Sie sich?” fragte er ihn mit echtem Interesse.
„Schwach.” antwortete der junge Mann mit matter Stimme.
Der Taelon nickte. „Dann sollten Sie sich nun zur Ruhe begeben.” Er drehte sich um und ging zum Ausgang der Zelle. Bevor er von außen die Zelle schloss, wandte er sich noch einmal an den Kimera und warf ihm einen durchdringenden Blick zu. „Was hier gerade geschehen ist, bleibt unter uns.”

Die nächsten Tage ging Zo'or oft zu Liam in die Zelle und sie wiederholten die Prozedur. Jedes Mal lief sie gleich ab. Der Taelon betrat den Raum, übergab Liam das Kind, dieser übertrug seine Energie auf das Kind und Zo'or verließ mit dem Kind zusammen wieder den Raum. Es wurden kaum Worte gewechselt. Jegliche Versuche des Kimera eine Frage zu stellen, wurden von Zo'or ignoriert. Obwohl der junge Mann sich jedes Mal weigern wollte Zo'or seinen Wunsch zu erfüllen, ohne dass dieser ihm wenigstens eine einzige seiner Fragen beantwortete, war er doch jedes Mal machtlos, wenn er von ihm das kleine Kind in die Arme gedrückt bekam. Er konnte nicht anders als diesem unschuldigen Geschöpf zu helfen. Sobald Zo'or und So'tel den Raum verlassen hatten, ärgerte er sich über sich selbst und seine Inkonsequenz. Man hielt ihn hier fest - beinahe wie ein Nutztier, dessen einzige Funktion die Ernährung dieses Taelons war. Andererseits konnte er sich, solange er dem Taelon half, sicher sein, dass man ihn nicht für andere Experimente benutzte. Doch wie lange würde dieser Zustand noch anhalten?

Da'an hatte über seine elterliche Verbindung zu So'tel schnell bemerkt, dass sein Kind von Tag zu Tag kräftiger wurde und somit auch seine Präsenz im Gemeinwesen stärker. Zo'or hatte also tatsächlich das Kind zu Liam gebracht, damit dieser es mit Energie versorgen konnte. Er verstand in keiner Weise die Motivation seines ältesten Kindes. Das einzige wobei er sich sicher war, war dass Zo'or Hintergedanken dabei haben musste. Einen geheimen Plan, den Da'an nicht erahnen konnte. Doch bevor er diesen Plan nicht kannte würde Da'an den anderen Taelons gegenüber schweigen.

Es war bei einem seiner Besuche auf der Krankenstation, als Mit'gai ihn ansprach.
„Es ist beinahe wie ein Wunder, dass sich So'tel so gut hält.” Nachdenklich ließ der Taelon Arzt seinen Blick über das Kind auf Da'ans Armen schweifen.
Der nordamerikanische Companion lächelte sein Kind liebevoll an und erhielt als Antwort ein kleines Lächeln zurück. „Ja.” sagte er leise, „Das ist es tatsächlich.”
„Und ich frage mich wie ein solches Wunder vonstatten gehen konnte.” Mit'gai warf Da'an einen prüfenden Blick zu.
Dieser senkte seine Augen beschämt zu Boden. „Ich konnte nicht untätig dabei zusehen wie er zugrunde geht...” antwortete er flüsternd.
Daraufhin erntete er einen strafenden Blick von Mit'gai. „Wie kannst du deine Energie für einen so jungen und schwachen Taelon aufs Spiel setzen? Soll er uns vielleicht eine Hilfe im Kampf gegen die Jaridians sein? Bis er dazu in der Lage ist aufrecht zu gehen, befinden wir uns bereits alle in Stasis. oder auf der nächsten Ebene.”
Noch immer war Da'ans Blick auf den Boden fixiert. Langsam hob er seinen Kopf wieder an und ihre Augen trafen sich. „Ja... du hast Recht.” Die beiden schwiegen für eine Weile, bis Da'an schließlich sein Kind sanft zurück in dessen Bett legte. Dann ging er mit gesenktem Blick aus dem Raum. Doch kaum hatte er diesen verlassen, erschien ein zufriedener Ausdruck auf seinem Gesicht. Mit'gai hatte ihm die Erklärung abgekauft - das hatte er in seinen Augen gesehen. Somit hatte er Zo'or und sein Vorhaben decken können. Er hoffte inständig, dass sich diese Handlungsweise später nicht als Fehler herausstellen würde.

Renee Palmer war zu ihrem Alltag zurückgekehrt. Nachdem sie herausgefunden hatte, wer die Attentäter gewesen waren, hatte sie jede Hoffnung auf ein ‚Komplott’ aufgegeben. Ihre Identität bestätigte alle ihrer Vermutungen. Diese Männer hatten ihre engsten Freunde, einer von ihnen sogar Familienangehörige, durch Liams ‚Verrat’ verloren. Sie hatten mehr als gute Gründe ihn zu hassen.
Dem neuen Beschützer Da'ans war sie vor ein paar Tagen auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung begegnet. Ein gutaussehender, aber offensichtlich sehr verschlossener Mann. Seine emotionslosen Gesichtsausdrücke und die kalte Ausstrahlung erinnerten sie an Sandoval. Ohne Zweifel war dieser Mann implantiert. Sie konnte diese Implantanten nicht ausstehen. Wie konnten Menschen sich freiwillig all ihre Entscheidungsfähigkeit - ihren freien Willen - entziehen lassen? Was für Motivationen hatten diese Menschen - insofern man sie überhaupt noch so bezeichnen konnte.
Ihre volle Konzentration hatte sie nun ihrer Arbeit gewidmet. So gelang es ihr wenigstens zeitweise nicht an Liam zu denken. Doch gerade dann, wenn sich ihr Feierabend näherte kamen die Erinnerungen in ihr hoch. Um das Flat Planet Cafe machte sie seit seinem Tod einen großen Bogen und auch mit Street hatte sie seit der Beerdigung nicht mehr gesprochen.

Zo'or betrat wie gewohnt Liams Zelle und ging mit So'tel auf dem Arm zu Liam. Nachdem der Taelon ihm das Baby in die Arme gelegt hatte, aktivierte Liam sein Shaqarava und begann die Energie auf das Kind zu übertragen. Als er schon beinahe fertig war, spürte er plötzlich, wie sein Handgelenk fest umgriffen wurde. Überrascht blickte er nach oben und sah direkt in Zo'ors stechende Augen. Verwirrt starrte er ihn an als dieser die noch immer glühende Hand zu sich bewegte und sie auf seine eigene Brust presste. An der Stelle an der Liams Hand den Taelon berührte glühte der Taelon in einem dunklen Rosa. Mit der einen Hand presste Zo'or noch immer die Hand an seine Brust, während er mit der anderen nach der noch immer das Kind berührenden Hand griff. Doch diesmal musste er die Hand nicht zu sich ziehen, sondern Liam ließ sie wie betäubt von dem Taelon dirigieren. Aus beiden Händen strömte nun die Energie in einer unglaublichen Intensität auf den Taelon ein. Er stöhnte leicht auf und presste die Hände des Kimeras fester an sich. Über seine gesamte Fassade begannen dunkelrosa Energiespuren zu fließen.
Von einem Moment auf den anderen hörte der Energiefluss auf und Liams Shaqarava erlosch. Erschöpft kippte der junge Mann gegen Zo'or, der ihn sanft festhielt. Vorsichtig half er ihm sich auf die Bahre zu legen. Mit einem besorgtem Gesichtsausdruck beobachtete er wie der Kimera schweratmend vor ihm lag. „Liam?” fragte er leise.
Es dauerte einen Moment bis Liam reagierte. Ihre Augen begegneten sich, doch sein Blick wirkte leer und kraftlos. Als der Taelon erneut nach seinen Händen griff erschien auf dem Gesicht des Kimera ein Ausdruck von Panik und er versuchte sich zu wehren. Doch er war viel zu schwach um gegen den nun vollkommen mit Energie geladenen Zo'or anzukommen. Der Taelon legte seine Hand auf Liams Hand und schloss die Augen, als müsse er sich konzentrieren. Die Energie begann wieder zwischen ihnen zu fließen, doch nun war es der Taelon, der den Kimera mit Energie versorgte. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er ihre Hände wieder löste. Liam spürte mit einem Mal wie die Kraft in ihn zurückkehrte. Er fühlte sich noch immer schwach, aber weit stärker als noch den Moment zuvor. Ungläubig blickte er dem Taelon in die Augen, der ihn nun fragend ansah „Besser?” war das einzige, was dieser von sich gab. Liam nickte nur.
„Gut”, sagte der Taelon etwas lauter und sah zu So'tel herüber. Er nahm das Baby sanft in den Arm und stand mit ihm zusammen auf. Von oben herab schaute er noch einmal mit einem Lächeln auf Liam, bevor er langsam die Zelle verließ.

 

Ende von Kapitel 2

 

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