Startseite Aktuelles Update Geschichten Kategorien Bilder Forum - Der Baum Links Hilfe Kontakt
  „Eine Hand voll Leben” von LUNA   (Emailadresse siehe Autorenseite)
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Da'an freundet sich mit einer Katze an
Charaktere:  Da'an, Lilith, [Liam, Ganga Juno, Zo'or]
 

 

EINE HAND VOLL LEBEN

 

Da'an sah erstaunt auf das golden-weiße Wesen, das wie ein Blitz in sein Büro geschossen kam. Verwundert beobachtete er dessen wilde Sprünge, seiner Hatz nach einer dicken Fliege. Staunend verfolgte er die Bewegungen dieses geschmeidigen Tieres.
Verblüfft sah er dessen unglaublich hohen Sprung der Wand hoch, mit dem dieses Tier die Fliege mit einer Pfote gekonnt erwischte, sie auf den Boden schlug und sich mit allen Vieren gleichzeitig über sie warf.
Das Knacken des Chitinpanzers löste in Da'an einen Schauer aus.
Das Tier schubste die tote Fliege mal mit der einen, mal mit der anderen Vorderpfote erwartungsvoll an. Beschnupperte sie ausgiebig, schlug sie plötzlich wild vor sich her, jagte ihr dabei nach, als ob sie noch leben würde.
Erst nach einer ganzen Weile dieses wilden Treibens ließ dieses Tier von der Fliege ab, sprang unerwartet weich auf die Konsole von Liams Computer, setzte sich anmutig auf die Hinterbacken und begann sich ausgiebig die Pfoten zu lecken. Fuhr mit einer feuchten Pfote über Hinterkopf, Ohren, Gesicht, leckte sie wieder intensiv ab. Die Augen hatte es halb geschlossen, es schien ganz versunken in seine Tätigkeit. Jetzt verdrehte es den Kopf und leckte sich ausgiebig die Brust, den Bauch.
Da'an war völlig vertieft in seiner Beobachtung.
Fasziniert sah er zu, wie das Wesen sich unter phantastisch mühelosen Verrenkungen, Flanken, Hinterbeine, Schwanz mit der gleichen Intensität ableckte. War es damit fertig, begann es die Prozedur noch einmal von vorne, diesmal war die andere Körperseite an der Reihe. Und noch einmal von vorn, diesmal ohne Reihenfolge.
Mal knabberte es verstärkt an dieser, mal an einer anderen Stelle, um sich ausgiebigst zu kratzen, nur um sich anschließend noch einmal das Fell glatt zu lecken.
Unvermutet erhob es sich, streckte sich, buckelte sichtbar genüßlich, drehte sich um sich, rollte sich in seinen Schwanz ein und entspannte sich.
Da'an beobachtete dieses kleine zusammenkauerte Geschöpf aus der Ferne befremdet.
Nach langer Zeit legte es sich auf die Seite, rollte sich auf den Rücken, reckte sich zur ganzen Länge, gähnte ausgiebig, fuhr kleine Krallen aus, rollte sich weiter zur anderen Seite und starrte unter halb geöffneten Lidern zu Da'an. Die Schwanzspitze bewegte sich sacht.
Er fühlte sich beobachtet.
Dieses Wesen irritierte ihn.
Er war froh, als er Liams Schritte hörte.
„Oh, eine Katze, wie süß!” Liam ging völlig fasziniert, ohne Da'an zu bemerken, sofort zu dem Tier, das sich auf die Hinterbeine setzte, ihn mit erwartungsvollem Blick entgegen sah, und streichelte es zärtlich. Ein tiefes, melodisches Brummen schwang durch den Raum.
Zögernd trat Da'an neben Liam. „Eine Katze?” Überrascht sah ihn Liam an: „Ich habe Sie gar nicht bemerkt, Da'an. Entschuldigen Sie. Ja, ich denke doch, eine Katze, für einen Kater ist ihr Kopf zu schmal.” „Ah, so.” Da'an musterte das Tier: „Dieses Geräusch, macht das diese - Katze?” „Ja, sie schnurrt.” „Wozu macht sie das?” Liam sah ihn groß an, erinnerte sich, daß Da'an ja noch nie mit einer Katze zu tun hatte, und erklärte ihm geduldig: „Katzen schnurren, wenn man sie streichelt, Da'an.” „Ah, ja.” Da'an beobachtete die kräftige, grobe Männerhand Liams, die mit unglaublicher Zärtlichkeit über das Fell der Katze strich.
„Was es nicht alles gibt -,” murmelte er selbstvergessen.
„Woher kommt sie, Liam?” Verblüfft sah Liam zu Da'an: „Ich denke von draußen, Da'an. Wir haben wohl vergessen, die Tür zu zu machen.” „Wieso kommt sie einfach hier herein?” „Ja, nun, Katzen gehen, wohin sie wollen.” „So? Und was will sie hier?” Liam musterte Da'an skeptisch: „Wenn das jemand weiß, dann sie, Da'an. Wenn sie Sie stört, setzte ich sie wieder vor die Tür.” „Ja, ich weiß nicht, geht das denn?” Liam seufzte, hob das Tier auf seinen Arm und bewegte sich in Richtung Tür. Leises, scharfes Fauchen ließ ihn erschreckt inne halten. Ehe er sich versah, hatten scharfe Krallen tiefe Risse in seine Hände geschlagen. Er ließ die Katze mit einem leisen Schmerzensschrei fallen.
Sie landete auf allen Vieren, hockte sich tief hin, der Schwanz peitschte die Luft, die Ohren lagen flach am Schädel, wieder dieses verärgerte Fauchen zum Gesicht Liams hoch. Dieser leckte seine blutenden Wunden und fluchte aufs Ordinärste. Staunend beobachtete Da'an diese Szene. Stolz und unbeeindruckt erhob sich das Tier wieder und schritt gemächlich, jeden Schritt steif und bedacht setzend, zum Fenstersims, den Schwanz hoch erhoben, der wie eine Siegesfahne mit der Spitze leicht hin und her wogte. Aus dem Schritt katapultierte es sich mühelos auf den Fenstersims. „Es hat Sie verletzt, Liam?” Besorgt ging Da'an zu Liam, ergriff dessen Hände und betrachtete die blutenden Wunden. „Warum hat es das getan?” Mit einem zornigen Blick in Richtung des Tieres, das wie verträumt aus dem Fenster sah, knurrte Liam: „Es hat ihr wohl nicht gepaßt, daß ich sie rausbringen wollte.” „Aber - wie konnte sie das wissen?” Liam riß seine Hände aus Da'ans und fuhr ihn zornig an: „Woher soll ich das denn wissen? Fragen Sie doch dieses Biest!” Er wirbelte herum und verließ mit weiten Schritten das Büro.
Verblüfft sah ihm Da'an nach.
Er wand sich jetzt wieder der Katze zu und stellte sich neben sie. Sie reagierte nicht auf ihn, sah derart konzentriert aus dem Fenster, daß Da'ans Augen unwillkürlich ihrer Blickrichtung folgten und den Punkt ihrer Konzentration suchte. Doch er fand selbst nichts, das seine Aufmerksamkeit erregte.
Verwundert sah er auf das Tier herab.
Zögernd hob er die Linke, um den Rücken der Katze zu berühren. Noch ehe seine Hand ihr Ziel erreichte, hob diese sich, ohne ihn sonst zu beachten, den Blick immer noch in weiter Ferne verloren, seiner Hand entgegen.
Was für ein Gefühl! Warm und so weich strich ihr Fell an seiner Hand.
Sie drehte sich ihm zu, schob ihren Kopf in seine Hand, lief unter seiner Berührung weiter, drückte selbst ihren Schwanz bis zur Spitze in sie, drehte um, preßte ihren Kopf in seinen Handteller und wiederholte das Ritual. Ihr Schnurren vibrierte durch Da'ans Hand, durchlief seinen Arm, seinen ganzen Energiekörper.
Diesmal hob sie sich leicht auf ihre Hinterbeine, griff mit beiden Vordertatzen sanft nach seiner anderen Hand und schmiegte sich auch in diese.
Mit beiden Händen streichelte Da'an jetzt dieses Tier
- oder -
streichelte dieses unglaubliche Wesen seine Hände mit seinem Körper - ?
Die Katze gab sich diesen Zärtlichkeiten völlig hin.
Mit tiefer Bewunderung und immer stärker werdenden Zärtlichkeit berührte Da'an intensiver und liebevoller dieses geschmeidige Wesen. Streichelte dessen samtweiches sandfarbenes Fell, beobachtete ihre sanfte Verführung zu weiteren Berührungen. Er vergaß dabei sein Umfeld, die verstreichende Zeit.
Plötzlich griffen seine Hände ins Leere. Die Katze war ohne vorherige Ankündigung vom Sims herunter gesprungen, rieb sich jetzt an seinen Beinen und maunzte leise zu ihm hoch.
Verwirrt sah er auf sie herab. Was war das jetzt? Wollte sie etwas?
Hilfesuchend sah er sich um. Doch er war allein - und wußte nicht, was er tun sollte.
Unsicher schritt er zu seinem Ruhesitz.
Die Katze folgte.
Langsam setzte er sich.
Die Katze setzte sich ihm gegenüber und sah ihn unverwandt an. Ihre Schwanzspitze bewegte sich immer heftiger hin und her. Die goldenen Augen ließen ihn nicht aus ihrem Blick.
Da'an beobachtete die sich langsam vergrößernde Pupille, das sich tiefer und tiefer duckende Tier.
Es wurde ihm unheimlich.
Jetzt ergriff die Bewegung der Spitze den ganzen Schwanz. Das Tier kauerte sich, mit den über dem Boden peitschenden Schwanz, langsam nieder.
Beunruhigt stand Da'an wieder auf.
Ihr Blick folgte unverwandt jeder seiner Bewegungen.
Unsicher brachte Da'an einen größeren Abstand zwischen sich und diesem offensichtlich auf etwas lauernden Tier.
Plötzlich zuckten die Ohren der Katze vor, es verlor seine Anspannung und anmutig sprang es in seinen Sessel.
Sprachlos starrte Da'an die Katze an, die es sich nun sichtbar gemütlich machte und sich wieder ein bisschen putzte.
Ein Geräusch an der Tür ließ Da'an erleichtert aufatmen. Liam trat herein. Verwundert sah dieser auf den in der Mitte des Raumes stehenden, sichtbar verunsicherten, Da'an. Sein Blick folgte neugierig dem Da'ans. Unwillkürlich lachte er beim Anblick der sich putzenden Katze auf Da'ans Ruhesitz auf. „Ich finde daran nichts Witziges, Liam!” wies Da'an ihn matt zurecht. „Nun, Da'an, ich finde es schon witzig, daß ein solch kleines Tier in der Lage ist, das, was Ihnen mit am Wichtigsten ist, in Beschlag zu nehmen. Und Sie stehen herum und trauen sich nicht, es zu vertreiben.” „Es kratzt, Liam!” gab Da'an unsicher zu bedenken. Liam lachte wieder: „Ja, es wehrt sich, wenn es nicht nach seinem Kopf geht, Da'an. Dieses Verhalten ist Ihnen doch auch vertraut.” Da'an winkte leicht verärgert ab: „Was machen wir mit ihr?” „Wir?” Liam grinste Da'an frech an: „Das ist Ihr Problem, Da'an.” „Ich kenne mich mit - diesem - Geschöpf nicht aus, Liam. Ich brauche Ihre Hilfe.” Liam grinste spöttisch: „Ich scheine mich auch nicht besonders auszukennen, Da'an,” er zeigte ihm seine Kratzer auf seinen Händen, „ich sogar sichtlich nicht.” „Entfernen Sie sie wieder aus dem Konsulat.” Wieder grinste Liam süffisant: „Wozu eigentlich, diese Katze hat Sie ganz schön im Griff, Da'an. Sie sollte hier bleiben.” „Liam! Sie kann nicht hierbleiben! Sie braucht wahrscheinlich was zu Essen und zu Trinken, und ich weiß nicht, was sonst noch. Setzten Sie sie wieder vor die Tür!” Liam bekam fast Krämpfe in den Wangen von seinen Grinsattacken: „Ich rühre sie nicht noch einmal an, Da'an. Machen Sie, was Sie wollen, aber ohne mich!” „Liam, bitte!” kam es streng von Da'an. Liam konnte nicht mehr, er lachte lauthals los. Japsend nach Luft holen bekam er fast einen Lachkrampf. Gekränkt musterte Da'an den Mann. „Ach, Da'an, da wollen Sie die Menschen beherrschen - und da kommt eine kleine Katze - und beherrscht Sie - wenn das nicht zum Lachen ist - .”
Verärgert sah Da'an nun zu der Katze. Diese reckte und streckte sich genüßlich, schlug dabei die Krallen ihrer Vorderpfoten tief in seinen Sitz und zog sie, deutlich sichtbar und unüberhörbar genußvoll über die ganze Sitzfläche. Erschreckt hastete Da'an auf sie zu. Doch eh er sie erreichte, sprang sie weich vom Sitz herunter. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen schritt sie majestätisch auf Liam zu, der sich gerade langsam wieder fing. Sanft maunzend umschmeichelte sie dessen Beine. „He, was soll das jetzt?” knurrte Liam unsicher.
Bedacht, immer noch leise vor sich hingackernd, kniete er nieder.
Er konnte einfach nicht widerstehen, er mußte sie wieder anfassen.
Ihr Schnurren war der Lohn. Während er sie streichelte bemerkte er in ihren Ohren tätowierte Zahlen. Er prägte sie sich ein. Ohne Da'an davon in Kenntnis zu setzen erhob er sich nach einer Weile und wollte das Konsulat verlassen. Im Flur kam Da'an ihm hinterher: „Liam, nehmen Sie dieses Tier mit!” „Ich werde mich hüten! Ich habe keine Lust, noch mal von ihr gekratzt zu werden, Da'an. Geben Sie ihr Wasser, sie hat vielleicht Durst. Ich besorge was zu Fressen.” „Bitte, Liam, lassen Sie mich nicht mit ihr allein.” Verblüfft starrte Liam Da'an an, brach in herzliches Gelächter aus, und machte, daß er fort kam.
Tief gekränkt starrte Da'an dem Mann nach. Noch nie wurde er ausgelacht.
Erneut musterte er verärgert den Auslöser dieser Kränkung. Dieser beschäftigte sich wieder mit der toten Fliege. Ließ die kleine Leiche über den Boden rutschen, schlug sie in die Luft, nur um ihr hinter her zu springen und sie noch dort zu fangen.
Sehr zögernd ging Da'an zurück in sein Büro. Das Tier nicht aus den Augen lassend, hastete er zu seinem Stuhl und ließ sich erleichtert auf ihm nieder. Nach nur kurzer Zeit verließ die Katze die Fliege wieder. Königlich ruhig durchmaß sie den Raum. Nahm dann, ganz beiläufig, Richtung auf Da'an. Dieser beobachtete mit zunehmendem Mißfallen die Annäherung des Tieres. Er schob sich tiefer in seinen Sitz. Seine Hände ergriffen, zu allem entschlossen, die Armlehnen fester. Ein plötzlicher, weicher Sprung und sie stand auf seinen Schenkeln. Unwillkürlich riß Da'an die Hände abwehrend vor seine Brust. Doch das Tier rieb nur kurz seinen Kopf an ihnen und rollte sich, leise schnurrend, auf seinem Schoß zusammen. Die Hände immer noch vor der Brust starrte Da'an verständnislos auf das Tier herab. Die Wärme des kleinen Körpers durchdrangen seine Schenkel, seinen Leib. Vorsichtig nahm er die Hände herunter. Nur sehr verhalten berührte er die kleine Katze. Ihr Schnurren verstärkte sich. Die Vibration durchfloß Da'an. Etwas entspannte sich in ihm - mehr und mehr - tiefer und tiefer. Er schloß die Augen. Seine Hände blieben in ruhiger Bewegung, streichelten die Katze, erforschten deren Körperlichkeit, ohne, daß er darüber nachdachte.
Tief genoß Da'an die von diesem kleinen Geschöpf ausgehende Wärme, die Vibration seines Schnurrens. Es wirkte auf ihn köstlicher als jede Regeneration.
Nur ganz sachte verstummte das Schnurren. Die Katze war auf seinem Schoß eingeschlafen.
Da'an betrachtete sie nachdenklich. Sie lag zwischen seinen Händen, völlig entspannt, ab und zu zuckte ein Ohr, veränderten sich ihre Barthaare, zuckten ihre Pfoten, streckten sich die Krallen heraus. Das Mäulchen hatte sich leicht geöffnet und gaben ihm einen Blick auf ihre kleinen nadelspitzen Reißzähnchen frei. Die kleine, rosa Nase zuckte ebenfalls immer mal wieder. Da'an ergriff eine ihrer kleinen Pfoten. Sie überließ sie ihm. Samtig die Pfotenballen, wie ohne Gelenke. Auf seinen behutsamen, forschenden Druck auf ihre Oberseite schoben sich messerscharfe kleine Krallen aus ihrer weichen haarigen Hülle. Bewundernd wurde Da'an sich diesem Gegensatz bewußt: so ein weiches, warmes, sanftes Geschöpf war bewehrt mit kleinen scharfen, nadelspitzen Waffen.
Konnte es deshalb so vertrauensvoll auf ihm schlafen? Was machte es so sicher, daß er ihm nichts antun würde?
Zärtlich fuhr er über die Stirn und Nasenrücken mit einem Finger. Forschte mit dem Daumen der Kontur des kleinen Gesichtes nach. Umrundete die Ohren, die unter seinem Finger immer wieder weg zuckten. Massierten diese behutsam, woraufhin ein leises Schnurren antwortete.
Plötzlich stutzte Da'an: ' Woher weiß ich, wie ich das Tier zu berühren habe?'
Seine Hände forschten sanft weiter. Völlig in sich und den Berührungen des Tieres versunken, vergaß er die Frage wieder.
Sie streckte sich, ihre Vorderpfoten tasteten sich Da'ans Brust herauf. Behutsam strich er über sie. Sie rollte sich in eine unmögliche Rückenlage, ihr Köpfchen hing seinen Knien herunter und sie drohte von seinem Schoß zu rutschen. Entschlossen schloß Da'an die Schenkel und legte die Katze vorsichtig wieder zurecht. Mit beiden Tatzen ergriff sie eine seiner Hände, zog sie zu ihrem Gesicht, rieb es an ihr und biß ganz sacht in seine Fingerspitzen. Leckte flüchtig über seinen Daumen, streckte sich wieder und blieb, wie hin gegossen, liegen. Da'ans Finger gruben sich in das schneeweiße Fell ihres Bauches, erfühlten die Wärme, die durch das samtweiche Fell an seine Hand strömte. Ihn sanft massierend fühlten Da'ans Finger eine leichte Anwölbung der Bauchdecke. Die Katze schnurrte nun in den höchsten Tönen, offenbar tat ihr seine Massage gut.
Da'an konnte weder den Blick noch die Hände von diesem entzückenden Wesen lassen. Sie hatte ihn vergessen lassen, daß sie Auslöser von Schmach und Unsicherheit, ja sogar Angst, war. In ihrer Hingabe lag so viel Vertrauen, so viel Verletzbarkeit, die Da'an bis ins Tiefste berührte. Der Wunsch, dieses wundervolle Geschöpf mit allen Mitteln zu beschützen, erwachte in Da'an. Nein, er würde sie unter keinen Umständen aus seinem Konsulat entfernen!
Sie gähnte, stand kurz auf, drehte sich um sich selbst, ließ sich wieder nieder, rollte sich ein, legte den Schwanz über ihr Gesicht. Ihr gleichmäßiger Atem verriet Da'an, daß sie wieder fest eingeschlafen war. Ganz still blieb er sitzen und betrachtete dieses Geschöpf.
Er wußte später nicht, wie lange er regungslos der schlafenden Katze zugesehen hatte. Eine Hand sanft über ihren Rücken, auf seine andere hatte sie ihren Kopf gelegt.
Als Liam schwer bepackt herein polterte, fuhren Taelon und Katze erschrocken zusammen. Die Katze machte einen Buckel, reckte und streckte sich, sprang, einen leisen Ton von sich gebend, in Richtung des Ankommenden, von Da'ans Schoß. Umschmeichelte sofort dessen Beine und maunzte in den verschiedensten Tönen. Unsicher sah Liam kurz zu Da'an, eh er sich niederbückte und sie behutsam streichelte: „Sie merkt vielleicht, daß ich ihr Futter mitgebracht habe.” Er erhob sich wieder und packte alles auf seinem Schreibtisch aus, was er mitgebracht hatte. Die Katze folgte ihm auf dem Fuß, sprang elastisch auf den Tisch hinterher, ließ ihn und seine Handlungen keine Sekunde aus den Augen. Zwei kleine Schüsselchen kamen aus den Tüten zum Vorschein, kleine pelzige Spielmäuse, ein kleiner Spielball, eine große Tüte Trockenfutter, ein Kanister mit Wasser, eine Bürste, ein gebraucht aussehendes Kunstfell, zwei Flaschenverschlüsse.
Da'an erhob sich und trat näher. Verwundert nahm er einen Flaschenverschluß in die Hand und drehte ihn zwischen den Fingern: „Wozu soll dies hier gut sein?” „Nun, - in dem - Geschäft meinte der Verkäufer, daß Katzen manchmal auch gerne mit lauten Dingen, wie so was, spielen.” „Ah, ja?” Da'an legte das Ding der Katze vor die Vorderpfoten. Sofort schlug diese darauf ein und jagte den Verschluß unter lauten Geschepper durch das Büro. Sprachlos verfolgte Da'an das wilde Treiben der Katze. Er bemerkte Liams leises Aufatmen nicht. Dieser füllte nun einen Behälter mit Futter, den anderen mit Wasser und stellte beides auf den Boden. Das Kunstfell legte er achtlos daneben. Da'an wand sich ihm jetzt wieder zu: „Ich möchte, daß diese Katze hier bleibt, Liam.” Überrascht sah dieser ihn an: „Und wieso das so plötzlich?” Da'an wand sich ab, das Tier beobachtend, murmelte er leise: „Sie fühlt sich doch wohl hier.” Liam verdrehte sich leicht, um Da'an kurz prüfend ins Gesicht zu sehen, grinste dann: „Ja, sieht ganz danach aus, Da'an,” und anzüglich, „und wie es aussieht haben Sie das Alleinsein mit ihr schadlos überstanden.” Da'an winkte leicht verärgert ab und murmelte etwas, von den sich verändern könnenden Situationen und begab sich scheinbar ungerührt zu seinem Sitz. Doch innerlich fragte er sich, wieso er diesen leichten Schmerz gespürt hatte, als die Katze ihn sofort verlassen hatte, als Liam herein kam.
Auch Liam beobachtete das Tier. Nachdenklich meinte er beiläufig: „Eigentlich haben Tiere, wenn sie jemanden gehören, einen Namen. Ich würde ihr den Namen Sand geben, nein, das ist männlich, - Venus? - Nein? - Kate? - Auch nicht? - Tiffi? - Lilith? -.” Die Katze hielt in ihrem Spiel inne und sah zu ihm auf. „Lilith?” flüsterte Liam, kniete langsam nieder, lockte sie mit der offenen Hand: „Lilith?”. Sie schritt anmutig auf Liam zu, rieb ihren Kopf sanft an seiner Hand. „Lilith, ein schöner Name für eine schöne Katze,” bestätigte Liam sich selbst. Er sah zu Da'an: „Also, wie es aussieht reagiert sie auf Lilith.” „Wie kommen Sie ausgerechnet auf einen solchen Namen, Liam?” „Keine Ahnung, kam mir einfach so,” antwortete Liam Achselzuckend, „versuchen Sie es auch mal, rufen Sie sie, Da'an.” Zweifel huschten in Da'an auf, Zweifel, ob sie auch auf ihn reagieren würde. Er beugte sich unsicher vor, sanft, zärtlich, leise hauchte er den Namen des Tieres: „Lilith?” Sie sah zu ihm, maunzte und hastete, sichtlich um einen Rest von Würde bemüht, in seine Richtung, sprang auf seinen Schoß und stieß ihr Gesicht in das Da'ans. Überrascht schielte dieser auf das Tier, dessen Gesicht sich nun ausgiebigst an seiner Wange rieb und dort eine feuchte Spur hinterließ. Und schon war sie wieder von Da'ans Schoß herunter und machte sich über das Futter her.
Liam grinste: „Na, wenn das keine Liebe ist!” Unsicher sah Da'an den Mann an: „Was meinen Sie?” „Nun, das war ein Katzenkuß, Da'an. Das machen sie nur mit besonders geliebten Menschen - oder mit ihren Artgenossen, mit denen sie sich sehr gut verstehen.” Da'an berührte vorsichtig seine Wange, die Feuchtigkeit war schon wieder verflogen: „Woher wissen Sie das so plötzlich?” Liam wand sich ab und packte die Tüte zusammen: „Der Verkäufer war ein Schwätzer, auf eine einzige Frage hat er mir alles erzählt, was er wußte, wahrscheinlich ein Katzennarr. Aber es war recht lehrreich.” „Sollte ich dann nicht auch belehrt werden, Liam?” „Ach,” Liam drehte sich ihm wieder zu und grinste: „Lilith wird Ihnen alles besser beibringen, als ich es könnte, Da'an. Ich muß jetzt wieder los. Bis dann.” Und raus war er.
Nach dem Fressen widmete sich Lilith wieder einer gründlichen Reinigung. Da'an sah einfach nur zu. Er konnte sich nicht satt sehen an den Bewegungen dieses Tieres. Tiefe Freude leuchtete in ihm als er sich an ihre Reaktion auf sein Rufen erinnerte.
Maunzend marschierte sie in den Flur. Irritiert sah Da'an ihr nach. Plötzlich ein herzzerreißender Schrei. Erschreckt erhob sich Da'an und hastete alarmiert den Flur entlang. Vor der Tür saß Lilith und rief wieder aus Leibeskräften. Sie sah zu ihm hoch, umschmeichelte seine Beine, ging mit herausfordernd winkenden Schwanzspitze wieder zur Tür. Betroffen sah Da'an ihrem Treiben zu: „Willst du mich verlassen, Lilith?” Wieder sah sie ihn auffordernd an, wieder maunzte sie leise. Traurig öffnete Da'an die Tür und husch, schon war sie fort. Da'an schloß die Tür und lehnte seine Stirn gegen das virtuelle Glas.
Wieso schmerzte das so? Wieso fühlte er sich verlassen? Es war doch nur ein Tier?
Traurig wand er sich ab und ging zurück in sein Büro. Wohin er auch sah glaubte er im Augenwinkel eine sandfarbene Bewegung zu sehen. Langsam ging er zum Fenster. Wieder suchte er den Punkt, den die Katze anvisiert hatte. Doch nur Wolken, beleuchtet von einer langsam rotglühenden untergehenden Sonne zogen über diesen fiktiven Punkt.
Warum war sie gegangen? Da'an senkte den Kopf. Hatte er etwas falsch gemacht?
Langsam ging er zu seinem Arbeitsplatz. Doch er stand einfach nur davor und starrte vor sich hin. Schließlich setzte er sich wieder. Doch auch hier hielt er es nicht aus. Diese kleine Wärme, dieses sanfte Vibrieren fehlte ihm. Er erhob sich und ging zu Liams Schreibtisch. Hier sah er sich die Sachen an, die Liam achtlos hatte liegen lassen. Irgendwie machten sie alle den Eindruck, als seien sie schon mal gebraucht worden. Daß die Menschen so was kauften? Verwundert nahm er die Bürste hoch. Auch in ihr waren sandfarbene Katzenhaare. Er konnte sich nicht erinnern, daß Liam sie vor seinen Augen gebraucht hatte. Seltsam.
Er stutzte. Hatte er sich verhört? Nein, da war es wieder!
Er ließ die Bürste fallen und eilte zum Eingang. Durch das virtuelle Glas, vor dem Dunkel der einbrechenden Nacht, leuchteten ihm zwei kleine gelbe Lichter entgegen. Überrascht und erleichtert öffnete Da'an die Tür. Stolz kam sie herein, rieb sich an seinen Beinen und schritt vor ihm in sein Büro. Vor seinem Sessel blieb sie sitzen und sah erwartungsvoll zu ihm auf. Unwillkürlich mußte Da'an lächeln, sie verstand es unglaublich gut, ihm mit zu teilen, was sie erwartete. Er ließ sich auf seinen Sitz nieder und schon stand sie auf seinen Schenkeln, drückte ihre Stirn an die seine, rieb ihr Gesicht an seinen Wangen und genoß hörbar seine Hände, die zärtlich immer wieder ihren Flanken entlang strichen. „Und ich glaubte schon, du würdest mich verlassen, Lilith,” flüsterte er leise in das Katzenohr. Schnurrend preßte sie ihren Kopf unter sein Kinn. Sprang unvermittelt wieder von ihm herab, schritt zum Fenstersims, war oben, noch bevor Da'an erkennen konnte, wie sie das machte, ließ sich dort nieder, legte den Schwanz um sich und schloß die Augen.
Auch Da'an erhob sich wieder. Tiefe Freude über die Rückkehr Liliths beflügelte ihn in seiner Arbeit, die er nun zügig erledigte.
Immer blieb Lilith in seiner Nähe, suchte oft und gern seine Berührung. Forderte sie energisch, hatte er anderes zu tun. Zeigte ihm auch mal mit Zähnen und Krallen, wenn sie zu wenig Beachtung bekam, oder auch zu viel. Da'an lernte schnell die Grenzen dieses zauberhaften Tieres und achtete stets sehr aufmerksam auf ihre Signale. Selbst während seine Regeneration blieb sie in unmittelbarer Nähe, oft auf seinem Schoß erhöhte sie sein Wohlbefinden.
Da'ans Tage waren nun kurzweilig. Immer hatte sein Blick an Lilith etwas Neues zu entdecken, fand er einen neuen Wesenszug an ihr. Immer fanden seine unruhigen Hände einen warmen, weichen Ruhepol. Mit immer tieferer Liebe und Achtung begegneten sich Tier und Taelon.
Sie verstanden sich ohne Worte. Nur mit Gesten, Blicken teilten sie sich ihre Befindlichkeit, ihre Wünsche mit. Immer hatte Da'an geglaubt, daß es nur eine tiefe Verbindung zwischen Lebewesen geben könnte, so wie die des Gemeinwesens seines Volkes.
Doch Lilith bewies ihm immer wieder, daß dem nicht so war.
Nach einer Regeneration sah er sich suchend um. Lilith war nicht in seiner Nähe.
Irritiert erhob er sich.
Suchend, leise rufend, durchschritt er das Büro, kontrollierte die Tür, ob sie vielleicht offen stand. Sie war geschlossen. Unruhe ergriff ihn. Er suchte das ganze Konsulat ab. Er fand Lilith nicht. Schließlich ging er zurück in das Büro, in der stillen Hoffnung, sie dort irgendwo übersehen zu haben. Dort fand Liam ihn. „Ich finde Lilith nicht, Liam.” Liam ging zu seinem Computer und schaltete ihn ungerührt an: „Sie wird schon irgendwo sein, Da'an. Sicher kommt sie gleich wieder.” Da'an suchte nun die Kellerräume ab. „Da'an!” Liam kam atemlos hinter ihm her: „Zo'or will Sie sprechen!” „Sagen Sie ihm, ich habe keine Zeit! Ich suche Lilith!” Verblüfft starrte Liam den Taelon an: „Ich glaube kaum, daß Zo'or mit dieser Antwort zufrieden sein wird, Da'an!” „Das spielt für mich keine Rolle, Liam,” Da'ans Unruhe war nicht zu übersehen, „sagen Sie ihm, was Sie wollen!” Und suchend ging er weiter. Liam zuckte mit den Achseln und lief ins Büro zurück.
Da'an fand sie, dicht bei der Heizungsanlage. So tief in die Decke vergraben, daß er nur ihre zuckenden Ohren erkennen konnte. Seine empfindlichen Ohren vernahmen leises, unregelmäßiges Gequietsche. Langsam kniete er vor Lilith nieder. Sie hob ihr Köpfchen und fauchte ihn leise an. Verwirrt wich Da'an etwas zurück: „Was ist mit dir, Lilith? Bist du krank?” Nur ein leises Fauchen als Antwort, er fuhr hoch: „Liam!” rief er aus Leibeskräften: „Liam!” so schnell er konnte hastete er zurück in das Büro. „Liam!” er übersah Zo'or, der sich ihm über den Monitor fragend zu wand. „Lilith scheint krank zu sein! Wir brauchen einen Arzt! Schnell!” „Wer ist Lilith, Da'an? Und wieso läßt du dich verleugnen?”
Da'an fuhr erschreckt zu Zo'or herum. In Sekundenbruchteil wußte er, was er zu antworten hatte:
„Lilith ist eine mutmaßliche Untergrundkämpferin, Zo'or. Wenn sie krank ist, kann ich sie nicht weiter befragen. Doch ich halte sie für eine Schlüsselfigur in dem immer noch bestehenden Untergrund.”
Zo'or nickte nachdenklich. „Gut, ich verstehe. Ich erwarte, daß du mich auf dem Laufenden hältst, Da'an.” Dieser nickte gehetzt. Zo'or sah ihn noch einmal skeptisch an und beendete die Übertragung.
Liam grinste anzüglich: „So, wir beherbergen eine Untergrundkämpferin, das war mir nicht bewußt.”
„Wir brauchen einen Arzt, Liam! Lilith scheint krank zu sein.” Liam musterte den Taelon, bemerkte dessen ernste Besorgnis und nickte: „Also gut, Da'an. Hören Sie: Lilith ist nicht krank, sie hat wahrscheinlich ihre Jungen bekommen.” „Wie bitte?” Da'an starrte den Mann fassungslos an: „Woher wollen Sie das wissen? Sie haben sie ja noch nicht einmal gesehen?” „Ich weiß es von der Besitzerin.”
Da'an erstarrte.
„Ja, Da'an, sind Ihnen die Tätowierungen an den Ohren nie aufgefallen?” Da'an wand sich ab: „Doch. Ich maß dem keine Bedeutung bei,” murmelte er niedergeschlagen. „Nun, sie sind ein Zeichen, daß die Katze jemandem gehört, Da'an. Ich habe anhand dieser Nummern die Besitzerin ausfindig gemacht und ihr alles erzählt. Sie gab mir das Futter, das Spielzeug und die Decke mit und machte mich darauf aufmerksam, daß Lilith trächtig ist.” Da'an trat nun an das Fenster und sah hinaus.
Nichts war mehr so, wie es vorher war. Er senkte den Kopf.
Liam erhob sich und trat neben ihn: „Ich werde dieser Frau jetzt Bescheid geben, daß die Jungen da sind. Sie hat mich darum gebeten.” Da'an sah ihn nachdenklich an: „Sie gab Ihnen auch den Namen dieses Tieres bekannt!” Liam nickte. „Warum haben Sie mir nichts darüber erzählt?” Liam zuckte mit den Achseln: „Keine Ahnung.” Er wand sich ab und wollte das Büro verlassen als Da'an ihn zurück hielt: „Wird sie Lilith und die Jungen mitnehmen?” „Das weiß ich nicht, Da'an,” er befreite sanft seinen Arm aus Da'ans Griff und machte sich auf den Weg.
Noch einmal näherte sich Da'an vorsichtig Lilith. Doch diese reagierte wieder nur mit leiser Ablehnung auf seine Annäherung. Lange stand er in einigem Abstand vor dem völlig in die Decke eingegrabenen Tier und musterte es traurig.
Niemals hatte er damit gerechnet, daß sie jemandem gehören könnte.
Nie geahnt, daß der sich verdickende kleine Bauch neues Leben beherbergen könnte. Er schloß die Augen und erinnerte sich an die kleinen, manchmal heftigen Stöße unter ihrer warmen Bauchdecke gegen seine Hände. Er schüttelte den Kopf, erst jetzt erkannte er, daß es keine Darmbewegungen gewesen waren, sondern kleine, äußerst lebhafte Katzenkinder.
Nur sehr ungern verließ er Liliths Lager und erwartete Liam und das Unausweichliche.
Innerlich nahm er Abschied von der schönen Zeit mit diesem Tier. Es erschien ihm unwahrscheinlich, daß die Besitzerin die Tiere hier bei ihm lassen würde.
Liams Stimme, ein dunkles, warmes Lachen rissen Da'an aus seiner Versunkenheit. Er erhob sich, mit allem abgeschlossen und auf alles gefaßt.
Neben Liam betrat eine Frau den Raum, in Größe Liam und ihm selbst in nichts nachstehend. Was für eine Erscheinung!
Da'an konnte den Blick nicht von ihr nehmen: haarloser, glänzender Schädel, nicht ein Härchen auf der samten glänzenden Haut, keine Augenbrauen, die ausdrucksvollen, ihn aufmerksam musternden Augen, wimpernlos, mit einem feinen Strich schwarz ummalt. Ein Gesicht, das er niemals als weiblich interpretiert hätte, so markant wirkte es auf ihn, und doch auch von ebenmäßiger, zeitloser Schönheit. Eine kräftige Gestalt, die das schwarze, eng anliegende Leder noch betonte. Nackt unter einer Weste, die gerade nur die Weiblichkeit der Frau bedeckte, eng anliegende, abgeschabte Hose, schwere Motorradstiefel, eine Motorradjacke lässig über eine ihrer knochigen Schultern gehängt. Auf ihrem Brustbein ein faustgroßes rundes Tatoo eines Drachens, auch um ihren freien Oberarm wand sich ein fliegender Drache.
Liam hatte die beiden aufmerksam beobachtet. Nun schaltete er sich ein: „Ganga, dies ist Da'an, Da'an, dies ist die Besitzerin von Lilith, Ganga Juno.” Da'an grüßte höflich: „Sinaui euhura, Mrs. Juno.” „Hi,” kam es lässig von ihr zurück.
Ein Ruf, Ganga wirbelte in seine Richtung, ließ die Jacke achtlos zu Boden fallen und rannte los: „Hey, Süße, wie geht es dir?”
Stolz buckelte Lilith, schritt sichtbar stolz der Frau entgegen, wehende Schwanzspitze, steife Beine, hocherhobenes Köpfchen. Diese kniete vor ihr nieder und Lilith gab ihr Fassung auf. Sie warf sich in die geöffneten Hände Gangas. Mit allem, was das Tier an Körper hatte, preßte es sich an die Brust der Frau, preßte sich an Hals, Schultern, sein Schwanz umwickelte immer wieder fest ihre Oberarme, ihren Hals, streichelte das energische Kinn. Ihr Schnurren kannte kein Maß mehr. Von den höchsten, bis zu den tiefsten Tönen quietschte und brummte Lilith, sich immer wieder von Neuem in die kräftigen Hände der Frau werfend. Lilith verdrehte sich in deren Armen, mit ihren Vorderpfoten abwechselnd immer wieder fest gegen die Brust der Frau tretend, schmiegte sie sich gleichzeitig hingebungsvoll in die sie haltenden Hände. Hob den Kopf, holte mit den Pfoten das Gesicht der Frau zu sich, rieb sein Gesicht gegen die Lippen, Kinn, Wangen, die Stirn Gangas.
Stumm beobachtete Da'an diese Begrüßung. Ein feiner Schmerz zuckte in seiner Brust. Wie vertraut dieser Mensch mit dem Tier umging, wie selbstverständlich, wie sicher Gangas Hände, ihre Arme diese Katze in jeder Haltung zu halten verstanden, wie liebevoll - .
Sein Schmerz vertiefte sich. Nur zu deutlich war die Liebe Liliths zu erkennen, nur zu eindeutig gehörten diese Frau und diese Katze zueinander.
Er sah, wie Lilith jetzt auf den Boden sprang, sich noch mal an den Beinen Gangas rieb und langsam in Richtung der Kellerräume schritt, den Schwanz wie winkend bewegend. Ganga erhob sich und folgte ihr: „He, du hast dir ja schon viele unmögliche Plätze ausgesucht, Lilith.” Die Katze antwortete mit leisem Maunzen. „Nee, du, so was steriles, wie das hier - das verstehe ich nicht mehr.” Die Katze kam hastig zurück, umschmeichelte ihre Beine und maunzte drängend.
Steril? Da'an zuckte zusammen.
Zögernd ging er zu den Beiden. „Werden Sie Lilith und ihre Jungen jetzt mitnehmen, Mrs. Juno?” Sie sah ihn überrascht an: „Nein, natürlich nicht, wie kommen Sie denn darauf?” „Sie ist doch Ihr Eigentum?” Verblüfft sah sie ihn an: „Lilith mein Eigentum? Nein - du meine Güte.” Sie folgte der leise rufenden Katze, Da'an folgte. „Eine Katze ist nie Besitz von einem Menschen, Sir. Es ist anders herum: ein Mensch gehört einer Katze. Diese Tiere verstehen es, wie keine anderen, einen Menschen dahin zu erziehen, daß sie sich bei ihm wohl fühlen können. Scheitern sie, verlassen sie den Menschen und suchen sich einen neuen.” „Sie wird also hier bleiben?” Ganga zuckte mit den Achseln: „Solange die Jungen noch gesäugt werden, wahrscheinlich ja. Aber sicher kann man bei ihr nie sein. Sie hat ihren eigenen Kopf.” Da'an nickte: „Ja, das hat sie mir deutlich gezeigt.” Ganga nickte nur. „Warum hat Lilith Sie verlassen, Mrs. Juno?” „Das ist einfach. Sie sollte keine Jungen mehr haben. Deshalb habe ich versucht, sie zurück zu halten. Das hat ihr nicht gepaßt und sie ist abgehauen. Hier,” Ganga machte eine unbestimmte Bewegung mit der Hand auf Da'ans Konsulat, „hätte ich sie nie gesucht.” „Warum sollte sie keine Jungen mehr haben?” „Sie ist eine alte Dame, über zwölf Jahre alt. Eine Trächtigkeit und das Säugen von Jungen zehren sehr. Ich wollte es ihr ersparen. Aber, wie gesagt, sie bestimmt selbst, was sie will und was nicht. Vielleicht ist es ihr letzter Wurf.” Sie hatten das Katzenlager erreicht.
Leises Fiepen und Quietschen kam aus dem Kunstfell.
Lilith glitt in das Lager. Ganga setzte sich im Schneidersitz direkt vor die Katzenkinderstube.
Da'an blieb im Hintergrund.
Die Katze leckte irgendetwas Unsichtbares zu ihren Füßen. Ganga schob das Fell behutsam zur Seite.
Lilith unterbrach ihre Tätigkeit nicht.
Da'an trat gespannt etwas näher.
Vor und neben Lilith lagen drei winzige nackte, nur entfernt an Katzen erinnernde, rosane Junge.
Ganga stützte den Ellenbogen auf das Knie, das Kinn auf die Hand und betrachtete die Katzen. „He, deine Kleinen sind mal wieder echt süß, da hast du wieder tolle Arbeit geleistet!” flüsterte sie leise. Lilith hob den Kopf und sah Ganga direkt in die Augen. Ihre Augen verengten sich, schlossen sich, öffneten sich wieder halb. Ganga streichelte zärtlich den Kopf des Tieres. Leises Schnurren antwortete ihr.
Lilith leckte die Kleinen weiter, nahm plötzlich eines vorsichtig in ihr Maul und legte es Ganga direkt in die Hand. Ganga berührte es zärtlich, massierte das winzige Bäuchlein, ließ es an ihrer viel zu großen Fingerkuppe nuckeln. Lilith legte ihr das zweite in die Hand.
Nahm das dritte auf und
- schritt
- sichtbar stolz -
auf Da'an zu.
Ganga beobachtete Lilith und Da'an aus den Augenwinkeln.
Da'an starrte auf die Katze herunter, die jetzt leise gedämpft zu ihm hoch maunzte.
Unsicher sah er zu Ganga, diese beschäftigte sich jedoch mit den beiden Jungen in ihren Händen und schien dieser Szene keiner weiteren Beachtung zu schenken.
Langsam hockte er sich nieder.
Liliths Schwanz wehte siegesgewiß.
Da'an öffnete eine Hand und Lilith entließ das Junge sanft in sie.
Da'an starrte auf das winzige Wesen in seiner Hand. Fassungslos bemerkte er die Vollkommenheit dieses Geschöpfes: die noch verklebten Öhrchen, das winzige Schwänzchen, fühlte klitze kleine Krällchen. Spürte das schnelle, rasende Schlagen eines lebenswilligen Herzchens.
„Es ist Liliths Geschenk an Sie, Da'an. Gehen Sie sorgsam damit um.”
Da'an sah zu der Frau hinüber.
Sie erkannte an seiner leichten Verwandlung seine Ergriffenheit.
„Sie schenkt Ihnen einen Teil von sich selbst.
Das, was Sie in den Händen halten,
ist mehr, als nur eine
Hand voll
Leben.”

 

ENDE

 

Zurück / Back

 

Zum Seitenanfang