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William Boone konnte seine Sorge um Da'an nicht unterdrücken, irgendetwas stimmte nicht mit seinem Companion. Es war vor einigen Wochen gewesen, als Boone zum ersten Mal eine Veränderung in dem Taelon feststellte. Da'an hatte immer gern mit Menschen gesprochen und es stets genossen, Ehrengast auf allen Arten von Veranstaltungen zu sein. Aber jetzt schien er sich mit seinen Gedanken ständig anderswo zu befinden und Boone bemerkte, dass er stets irgendwie trauriger Stimmung war. Da'an hatte das vor allen anderen Menschen verborgen, aber er konnte den, der ihm am nächsten stand und ihn am besten kannte, nicht täuschen: Seinen Implantanten. Dann, vor zwei Tagen, war Da'an ohne ein Wort zum Mutterschiff gegangen und Boones Sorge hatte sich weiter gesteigert. Aber an diesem Morgen hatte ihn schließlich Sandoval angerufen und zur Botschaft befohlen, wo er auf Da'ans Rückkehr warten sollte. Und so stand er jetzt in Da'ans Empfangsraum und wartete auf den Taelon. Bald hörte er ein Shuttle landen und nach einiger Zeit trat Da'an ein. Boone erschrak bei seinem Anblick. Da'an war immer schlank gewesen, aber jetzt wirkte er absolut zerbrechlich und von seinen sonst so fließenden Bewegungen war nichts geblieben. Er ging langsam, fast steif, den Kopf gesenkt, als ob ihn eine schwere Last niederdrücken würde. Seine Hände, die sich normalerweise immer in Bewegung befanden, hingen schlaff an seiner Seite herunter. Sein ganzer Körper drückte intensive Traurigkeit aus. Boone ging auf ihn zu und griff vorsichtig nach seinem Arm, um den Taelon zu seinem Stuhl zu geleiten. Boone beobachtete Da'an genau, als dieser mit einigen Wissenschaftlern sprach. Der Taelon hatte sich augenscheinlich gewaltig zusammengerissen und war so freundlich wie immer und schien an der Diskussion sehr interessiert zu sein. Keiner seiner Gäste kam auch nur auf die Idee, dass etwas nicht stimmen könnte, aber Boone wusste es. Er konnte es an Da'ans Körpersprache erkennen, an der Art, wie seine Hände sich bewegten, und besonders an seinen Augen. Am Abend rief Da'an Boone zu sich, um über seine Verpflichtungen am nächsten Tag zu sprechen. Boone bemerkte, dass Da'an bei seinen Worten seine Fassade verloren hatte. Was hatte er denn gesagt, um den Taelon so zu erregen? Boone wollte protestieren, aber Da'an stand auf, ging zum Fenster und ignorierte ihn einfach. Also ging er in sein Büro und setzte sich an seinen Schreibtisch um nachzudenken. Was sollte er nur tun? Etwas stimmte nicht mit Da'an, das war sicher, aber was? Plötzlich wurden seine Gedanken von einem Anruf unterbrochen. Zu Boones größter Überraschung war es Quo'on. Boone sah Quo'on erneut zögern. Der Synodenführer blieb einige Zeit lang still, antwortete aber schließlich: „Es ist nicht an mir, Ihnen das mitzuteilen.” Quo'on schien nicht sicher zu sein, ob er die nächsten Worte wirklich sagen sollte, und senkte für einen Moment den Blick. Dann aber traf er eine Entscheidung und blickte dem Menschen in die Augen. Boone starrte den leeren Bildschirm einige Zeit lang an und machte sich noch mehr Sorgen als zuvor. Quo'on selbst war besorgt und bat ihn, Da'an zu helfen! Und hatte er nicht gesagt, Da'an würde in Schmerzen durch das Gemeinwesen schreien? Das schien wirklich sehr ernst zu sein, schlimmer noch, als er sowieso schon gedacht hatte. Da'an mochte ihn fortgeschickt haben, aber er würde ganz sicher nicht gehen. Nicht heute. Er würde bleiben und versuchen zu helfen, solange wie es eben dauerte. Als Boone eintrat, stand Da'an noch immer am Fenster und starrte hinaus. Seine Fassade war verschwunden und sein Körper zeigte seine Traurigkeit. „Hatte ich nicht gesagt, Sie könnten gehen, Commander?” Bei diesen Worten erblaute Da'an tief und drehte seinen Kopf weg
Nach über einer Stunde des Schweigens, Boone wusste es aufgrund des CVIs, begann Da'an plötzlich mit kaum hörbarer Stimme zu sprechen. Boone holte scharf Luft und starrte den Taelon an. Da'an hatte ein Kind geboren? Irgendetwas musste ganz schrecklich schiefgelaufen sein. Da'an blickte auf seine zitternden Hände und flüsterte: „Ich durfte es für einige Sekunden halten. Es war so klein... sogar noch kleiner als die Anderen.” *Oh mein Gott*, dachte Boone, *die Anderen? Es hat schon andere Kinder gegeben? Wie viel Schmerz...* Nach diesen Worten verlor Da'an seine Fassade ganz und versuchte auch nicht, sie wieder aufzubauen. Sein Körper begann zu schwanken und daher griff Boone auch nach seiner anderen Schulter um ihn festzuhalten. Als der Mensch dem Taelon in die Augen blickte, sah er darin eine solch große Traurigkeit, ein solches Maß an Schmerz, dass er spürte, wie ihm selbst die Tränen in die Augen stiegen. Instinktiv zog er den zerbrechlich wirkenden Körper näher und umarmte ihn. Zu seinem Erstaunen griffen Da'ans zarte Hände nach seinem Hemd und er begrub sein Gesicht in der Schulter seines Beschützers. Dann fing er an, unkontrolliert zu schluchzen. Nach einiger Zeit ließ das Schluchzen langsam nach und schließlich stand Da'an still in den Armen Boones. Nach einer Weile beruhigte sich Da'an wieder etwas und hob erneut die Stimme: „Es gib nur Schmerz, so viel Schmerz und keine Hoffnung.” Als Da'an nicht antwortete, schob Boone ihn vorsichtig auf Armeslänge weg und sah ihm in die Augen. Da'an schwieg und blickte plötzlich über Boones Schulter hinweg nach draußen. Als der Mensch seinem Blick folgte, sah er, dass die Sonne beinahe den Horizont berührte. Einer plötzlichen Eingebung folgend nahm Boone den Taelon beim Arm und zog ihn aus dem Raum. Da'an machte keine Anstalten, sich in irgendeiner Weise zu wehren, so als wäre es ihm egal, wohin er gebracht wurde. Bald erreichten sie den Garten und setzten sich auf eine Bank. „Jetzt werden wir den Sonnenuntergang beobachten, Da'an. Und ja, Sie haben recht, es wird dunkel werden und kälter, aber schon bald werden Sie die Sterne sehen. Ihr Licht mag schwach sein und von weit her kommen, aber es ist da. Manchmal werden sie von den Wolken verdeckt und Sie können sie nicht sehen, aber sie sind trotzdem noch da. Sie mögen klein sein, aber trotzdem begleiten sie Ihren Weg. Und dann, gerade wenn Sie denken, dass es niemals mehr geschehen wird, sehen Sie das erste Licht des neuen Tages. Denn selbst die längste und dunkelste Nacht hat irgendwann ein Ende und die Sonne geht wieder auf. Es gibt immer einen Sonnenaufgang.” Und so saßen sie beide im Garten und beobachteten den Sonnenuntergang. Sie blieben die ganze Nacht draußen und sprachen leise miteinander. Als der Morgen näher kam, gingen sie auf die andere Seite der Botschaft, um auf den Sonnenaufgang zu warten. Als sie dann schließlich wieder hineingingen, wusste Boone, dass Da'an in Ordnung sein würde. Er war noch immer traurig, der Schmerz war noch immer da, aber die Hoffnung war es auch. |
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