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  „Es gibt immer einen Sonnenaufgang” von Katrin   (Emailadresse siehe Autorenseite),   November 2002
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Mission Erde/Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Da'an erzählt Boone etwas persönliches
Zeitpunkt:  erste Staffel
Charaktere:  Boone, Da'an [Quo'on]
 

 

ES GIBT IMMER EINEN SONNENAUFGANG

 

William Boone konnte seine Sorge um Da'an nicht unterdrücken, irgendetwas stimmte nicht mit seinem Companion. Es war vor einigen Wochen gewesen, als Boone zum ersten Mal eine Veränderung in dem Taelon feststellte. Da'an hatte immer gern mit Menschen gesprochen und es stets genossen, Ehrengast auf allen Arten von Veranstaltungen zu sein. Aber jetzt schien er sich mit seinen Gedanken ständig anderswo zu befinden und Boone bemerkte, dass er stets irgendwie trauriger Stimmung war. Da'an hatte das vor allen anderen Menschen verborgen, aber er konnte den, der ihm am nächsten stand und ihn am besten kannte, nicht täuschen: Seinen Implantanten.
Boone hatte Da'an bei verschiedenen Gelegenheiten gefragt, ob alles in Ordnung sei und hatte immer dieselbe Antwort erhalten: Alles wäre in Ordnung, er müsse sich keine Sorgen machen. Aber der Beschützer hatte diesen Worten nicht geglaubt.

Dann, vor zwei Tagen, war Da'an ohne ein Wort zum Mutterschiff gegangen und Boones Sorge hatte sich weiter gesteigert. Aber an diesem Morgen hatte ihn schließlich Sandoval angerufen und zur Botschaft befohlen, wo er auf Da'ans Rückkehr warten sollte.

Und so stand er jetzt in Da'ans Empfangsraum und wartete auf den Taelon. Bald hörte er ein Shuttle landen und nach einiger Zeit trat Da'an ein. Boone erschrak bei seinem Anblick. Da'an war immer schlank gewesen, aber jetzt wirkte er absolut zerbrechlich und von seinen sonst so fließenden Bewegungen war nichts geblieben. Er ging langsam, fast steif, den Kopf gesenkt, als ob ihn eine schwere Last niederdrücken würde. Seine Hände, die sich normalerweise immer in Bewegung befanden, hingen schlaff an seiner Seite herunter. Sein ganzer Körper drückte intensive Traurigkeit aus.

Boone ging auf ihn zu und griff vorsichtig nach seinem Arm, um den Taelon zu seinem Stuhl zu geleiten.
„Da'an, was ist los? Und sagen Sie mir nicht, es wäre nichts!”
Da'an setzte sich mit einem leisen Seufzen und antwortete ohne den Menschen anzusehen: „Ich bin nur erschöpft und brauche etwas Ruhe. Ich werde in Ordnung sein.”
„Soll ich Ihre heutigen Termine absagen?”
„Nein, das wird nicht nötig sein. Lassen Sie mich nur für einige Zeit ausruhen.”
„Da'an”, versuchte es Boone erneut, aber der Taelon hob die Hand und aktivierte die Energiedusche.

 
*
 

Boone beobachtete Da'an genau, als dieser mit einigen Wissenschaftlern sprach. Der Taelon hatte sich augenscheinlich gewaltig zusammengerissen und war so freundlich wie immer und schien an der Diskussion sehr interessiert zu sein. Keiner seiner Gäste kam auch nur auf die Idee, dass etwas nicht stimmen könnte, aber Boone wusste es. Er konnte es an Da'ans Körpersprache erkennen, an der Art, wie seine Hände sich bewegten, und besonders an seinen Augen.

 
*
 

Am Abend rief Da'an Boone zu sich, um über seine Verpflichtungen am nächsten Tag zu sprechen.
„Es ist nicht viel, Da'an. Am Morgen sind Sie Ehrengast bei einer Eröffnungszeremonie im Kinderkrankenhaus, Sie wissen schon, das neue Gebäude speziell für Neugeborene. Und danach... Da'an?”

Boone bemerkte, dass Da'an bei seinen Worten seine Fassade verloren hatte. Was hatte er denn gesagt, um den Taelon so zu erregen?
„Da'an, was ist los? Da'an?”
Da'an erschuf seine menschliche Maske erneut, aber Boone sah genau, wie viel Mühe das dem Taelon machte. Jetzt zeigten seine Züge ganz deutlich Schmerz.
„Da'an, was fehlt Ihnen? Sind Sie krank, soll ich einen Heiler rufen?”
„Nein”, flüsterte Da'an, „aber... bitte sagen Sie diesen Termin ab. Ich kann nicht...”
„Ich werde alle Termine für morgen absagen.”
„Nein, nein... nur die Eröffnungszeremonie.”
„Aber Da'an...”
„Sie können gehen, Commander.”

Boone wollte protestieren, aber Da'an stand auf, ging zum Fenster und ignorierte ihn einfach. Also ging er in sein Büro und setzte sich an seinen Schreibtisch um nachzudenken. Was sollte er nur tun? Etwas stimmte nicht mit Da'an, das war sicher, aber was?

Plötzlich wurden seine Gedanken von einem Anruf unterbrochen. Zu Boones größter Überraschung war es Quo'on.
„Quo'on”, begrüßte Boone ihn mit einem respektvollen Kopfnicken, „wie kann ich zu Diensten sein?”
Der Taelon schien einen Augenblick zu zögern, sagte dann aber: „Dies ist ein persönlicher Anruf. Ich wollte mit Ihnen über Ihren Companion sprechen. Es... geht ihm nicht gut.”
„Das ist mir schon aufgefallen. Aber was stimmt nicht mit ihm?”
„Sie haben es bemerkt? Ist sein... Unwohlsein so ersichtlich für die Menschen? Vielleicht war es keine gute Idee, ihn zu seinen Pflichten zurückkehren zu lassen, wenn seine... Unpässlichkeit ihn beeinflusst.”
„Oh, ich glaube nicht, dass jemandem außer mir etwas aufgefallen ist, er hat sich wirklich sehr zusammengenommen. Aber ich kenne ihn zu gut, mich kann er nicht täuschen. Also, was ist los?”

Boone sah Quo'on erneut zögern. Der Synodenführer blieb einige Zeit lang still, antwortete aber schließlich: „Es ist nicht an mir, Ihnen das mitzuteilen.”
Plötzlich erblaute Quo'on, und als er seine Fassade wieder herstellte, glaubte der Commander, für einen kurzen Augenblick Sorge auf seinem Gesicht zu erkennen.
„Da'an... schreit seinen Schmerz hinaus in das Gemeinwesen, aber gleichzeitig zieht er sich von uns zurück und erlaubt uns nicht, ihm zu helfen. Sie stehen ihm nahe, ist es nicht so?”
„Nun, wir haben ein gewisses Maß an Verständnis erreicht, ja.”

Quo'on schien nicht sicher zu sein, ob er die nächsten Worte wirklich sagen sollte, und senkte für einen Moment den Blick. Dann aber traf er eine Entscheidung und blickte dem Menschen in die Augen.
„Commander Boone, ich bitte Sie, zu versuchen Da'an zu helfen.”
„Quo'on, natürlich werde ich das versuchen. Aber ich habe ihn schon mehrmals gefragt, was los ist, und er hat mir nicht geantwortet. Und wenn er solche Schmerzen hat, wäre es dann nicht besser, einen Heiler zu rufen?”
„Sein Schmerz ist psychischer Natur. Vielleicht wird es helfen, wenn Sie ihm sagen, dass er meine Erlaubnis hat mit Ihnen zu sprechen.”
Der Synodenführer blickte ihn noch einmal durchdringend an und trennte dann die Verbindung.

Boone starrte den leeren Bildschirm einige Zeit lang an und machte sich noch mehr Sorgen als zuvor. Quo'on selbst war besorgt und bat ihn, Da'an zu helfen! Und hatte er nicht gesagt, Da'an würde in Schmerzen durch das Gemeinwesen schreien? Das schien wirklich sehr ernst zu sein, schlimmer noch, als er sowieso schon gedacht hatte. Da'an mochte ihn fortgeschickt haben, aber er würde ganz sicher nicht gehen. Nicht heute. Er würde bleiben und versuchen zu helfen, solange wie es eben dauerte.
William Boone stand auf und ging zu Da'ans Empfangsraum zurück. Sein taelonischer Freund brauchte seine Hilfe und er würde alles tun, was in seiner Macht stand.

 
*
 

Als Boone eintrat, stand Da'an noch immer am Fenster und starrte hinaus. Seine Fassade war verschwunden und sein Körper zeigte seine Traurigkeit.
Boone ging zu ihm und sprach ihn leise an. „Da'an?”
Da'an drehte langsam den Kopf und sah seinen Beschützer mit leeren Augen an. Dann baute er plötzlich seine Fassade wieder auf.
„Sie müssen das nicht für mich tun, Da'an”, sagte Boone, aber der Taelon tat es trotzdem.

„Hatte ich nicht gesagt, Sie könnten gehen, Commander?”
„Ja, aber ich werde Sie nicht alleine lassen. Vielleicht sagen Sie mir ja nicht, was Ihnen fehlt, aber ich bleibe trotzdem.”
„Muss ich einen Befehl daraus machen?”
„Das würde nichts nützen, denn gerade hat mir Ihr Synodenführer befohlen, mich um Sie zu kümmern.”
Da'an sah den Menschen aus den Augenwinkeln an, sagte aber nicht dazu.
„Quo'on hat mir auch gesagt, ich solle Ihnen mitteilen Sie hätten seine Erlaubnis mit mir zu sprechen.”

Bei diesen Worten erblaute Da'an tief und drehte seinen Kopf weg
„Da'an, wenn Sie wirklich, wirklich wollen, dass ich gehe, wenn Sie wirklich ganz alleine sein wollen, dann werde ich Sie auch alleine lassen.”
Boone war sich nicht sicher, ob Da'an ihn jetzt nicht wirklich wegschicken würde, aber der Taelon sagte kein Wort. Er starrte nur wieder aus dem Fenster. Also war Boone still, stand einfach nur neben ihm und sah auch hinaus.

 

Nach über einer Stunde des Schweigens, Boone wusste es aufgrund des CVIs, begann Da'an plötzlich mit kaum hörbarer Stimme zu sprechen.
„Gestern habe ich...” Er erblaute erneut und seine Hände begannen zu zittern, so etwas wie ein Schluchzen kam aus seinem Mund. „... habe ich... ein Kind geboren.”

Boone holte scharf Luft und starrte den Taelon an. Da'an hatte ein Kind geboren? Irgendetwas musste ganz schrecklich schiefgelaufen sein.
Langsam hob Boone eine Hand und legte sie dem Taelon auf die Schulter. Er konnte fühlen, wie dessen Körper zitterte.

Da'an blickte auf seine zitternden Hände und flüsterte: „Ich durfte es für einige Sekunden halten. Es war so klein... sogar noch kleiner als die Anderen.”

*Oh mein Gott*, dachte Boone, *die Anderen? Es hat schon andere Kinder gegeben? Wie viel Schmerz...*
„Da'an, es tut mir so leid. Es ist... es ist... tot?”
„Nein,” flüsterte Da'an mit einem unterdrückten Schluchzen, „es ist in Stasis. Aber es könnte genauso gut tot sein.”

Nach diesen Worten verlor Da'an seine Fassade ganz und versuchte auch nicht, sie wieder aufzubauen. Sein Körper begann zu schwanken und daher griff Boone auch nach seiner anderen Schulter um ihn festzuhalten. Als der Mensch dem Taelon in die Augen blickte, sah er darin eine solch große Traurigkeit, ein solches Maß an Schmerz, dass er spürte, wie ihm selbst die Tränen in die Augen stiegen. Instinktiv zog er den zerbrechlich wirkenden Körper näher und umarmte ihn. Zu seinem Erstaunen griffen Da'ans zarte Hände nach seinem Hemd und er begrub sein Gesicht in der Schulter seines Beschützers. Dann fing er an, unkontrolliert zu schluchzen.

Nach einiger Zeit ließ das Schluchzen langsam nach und schließlich stand Da'an still in den Armen Boones.
Plötzlich flüsterte er: „Ich kann es nicht mehr ertragen...”
„Wie viele, Da'an?”, fragte Boone zögernd.
„Vier.”
„Es tut mir leid, Da'an, so leid. Ich wusste es nicht.”
„Sie sind so winzig, so hilflos. Sie haben alle nach mir gerufen, geistig, haben mich angefleht, sie nicht zu verlassen, bei ihnen zu bleiben, sie zu beschützen. Und dann... nichts, Schweigen... ich kann es nicht mehr ertragen, ich kann nicht...”
Da'an begann erneut zu schluchzen und Boone wiegte ihn sanft.
„Schhhh, lassen Sie es einfach raus. Ich bin hier, Sie sind nicht allein.”
Der Mensch wusste nicht, was er sonst hätte tun sollen und so fuhr er fort, dem Taelon sanfte, beruhigende Worte ins Ohr zu flüstern.

Nach einer Weile beruhigte sich Da'an wieder etwas und hob erneut die Stimme: „Es gib nur Schmerz, so viel Schmerz und keine Hoffnung.”
„Sagen Sie das nicht, Da'an”, antwortete Boone, „es gibt immer Hoffnung.”
„Nicht, wenn es keine Zukunft mehr gibt. Wussten Sie, dass das letzte lebensfähige Kind vor über eintausend Jahren geboren wurde? Wir haben keine Kinder, keine Zukunft, keine Hoffnung... nichts, für das es sich zu leben lohnt.”
„Aber sind Ihre Kinder denn nicht in Stasis? Bedeutet das denn nicht, dass es noch Hoffnung gibt, zumindest etwas?”

Als Da'an nicht antwortete, schob Boone ihn vorsichtig auf Armeslänge weg und sah ihm in die Augen.
„Da'an, Sie können nicht einfach aufgeben, Sie müssen weitermachen, für Ihre Kinder! Stellen Sie sich nur vor man würde einen Weg finden ihnen zu helfen und Sie wären nicht mehr da.”
„Das ist außerordentlich unwahrscheinlich.”
„Aber nicht unmöglich.”

Da'an schwieg und blickte plötzlich über Boones Schulter hinweg nach draußen. Als der Mensch seinem Blick folgte, sah er, dass die Sonne beinahe den Horizont berührte.
„Das ist es, was mit meinem Volk geschieht”, flüsterte Da'an, „der Sonnenuntergang. Und schon bald wird es dunkel werden und wir werden alle fort sein, für immer.”

Einer plötzlichen Eingebung folgend nahm Boone den Taelon beim Arm und zog ihn aus dem Raum. Da'an machte keine Anstalten, sich in irgendeiner Weise zu wehren, so als wäre es ihm egal, wohin er gebracht wurde. Bald erreichten sie den Garten und setzten sich auf eine Bank.

„Jetzt werden wir den Sonnenuntergang beobachten, Da'an. Und ja, Sie haben recht, es wird dunkel werden und kälter, aber schon bald werden Sie die Sterne sehen. Ihr Licht mag schwach sein und von weit her kommen, aber es ist da. Manchmal werden sie von den Wolken verdeckt und Sie können sie nicht sehen, aber sie sind trotzdem noch da. Sie mögen klein sein, aber trotzdem begleiten sie Ihren Weg. Und dann, gerade wenn Sie denken, dass es niemals mehr geschehen wird, sehen Sie das erste Licht des neuen Tages. Denn selbst die längste und dunkelste Nacht hat irgendwann ein Ende und die Sonne geht wieder auf. Es gibt immer einen Sonnenaufgang.”

Und so saßen sie beide im Garten und beobachteten den Sonnenuntergang. Sie blieben die ganze Nacht draußen und sprachen leise miteinander. Als der Morgen näher kam, gingen sie auf die andere Seite der Botschaft, um auf den Sonnenaufgang zu warten.

Als sie dann schließlich wieder hineingingen, wusste Boone, dass Da'an in Ordnung sein würde. Er war noch immer traurig, der Schmerz war noch immer da, aber die Hoffnung war es auch.

 

ENDE

 

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