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  „Ein kleiner Sonnenstrahl” von Katrin   (Emailadresse siehe Autorenseite)
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  T'thans Geist wird untersucht, Zo'or bekommt ein Geschenk
Charaktere:  Liam, Zo'or, Da'an, Mit'gai, T'than, Ti'lar
 

 

EIN KLEINER SONNENSTRAHL

 
Kapitel 4

 

Als Mit'gai die Krankenstation betrat, um Da'an noch einmal zu untersuchen, fand er Zo'or, Da'an und Major Kincaid friedlich schlafend vor. Er blieb in der Tür stehen und fragte sich, was er wohl tun sollte. Sollte er sie wecken? Die Untersuchung T'thans hatte schon begonnen und alle beteiligten Taelons waren überrascht, dass ihr Anführer nicht anwesend war. Mit'gai war sich sicher, dass Zo'or wütend sein würde, würde er ihn nicht wecken. Aber er war sich auch darüber im klaren, wie sehr der junge Taelon die Ruhe brauchte.

Mit'gai war sich noch immer nicht sicher, was er tun sollte, als er die leise Stimme des Menschen hörte.
„Ist etwas nicht in Ordnung?”
„Nein, ich wollte nur Da'an noch einmal untersuchen.”
„Ich verstehe”, erwiderte der Major und setzte sich auf. „Ich denke, Da'an fühlt sich jetzt besser. Nicht wirklich gut, aber besser.”

„Mit'gai?” Zo'or erhob sich langsam. „Was...”
Plötzlich schien ihm etwas einzufallen und er stand schnell auf.
„Ja, Zo'or”, sagte Mit'gai, „es hat schon begonnen.”
„Dann werde ich jetzt gehen.”
Zo'or sah Da'an an, der inzwischen auch wach war. „Es tut mir leid, aber ich muss dich für eine Weile allein lassen. Ich werde später zurück kommen.”
Da'an hob seine Hand und berührte kurz die seines Kindes.
„Es ist in Ordnung, Zo'or. Nimm Liam mit, wenn du willst. Ich denke, Mit'gai wird für seine Untersuchung einige Zeit benötigen.”
Zo'or nickte und drehte sich um, um zu gehen, dabei forderte er Liam mit einer Handbewegung auf, ihn zu begleiten. Einen kurzen Augenblick, bevor die Tür sich hinter ihnen schloss, hörten sie Da'an leise sagen: „Danke.”

 
*
 

Als Liam und Zo'or gegangen waren, fragte Mit'gai: „Wie fühlst du dich?”
Da'an seufzte und setzte sich auf, langsam, aber ohne äußere Anzeichen von Schmerzen.
„Die Schmerzen haben nachgelassen.”
„Aber sie sind nicht weg. Und es wird auch noch einige Tage dauern, bis sich dein Körper vollständig erholt hat.” Mit'gai zögerte. „Aber das hatte ich nicht gemeint.”
„Ich... ich bin mir nicht sicher. Ich denke, ich fühle mich besser.”
Da'an sah den Heiler an, der ihn gerade scannte, und sah die unausgesprochene Frage in seinen Augen.
„Nein, Mit'gai, mach dir keine Sorgen. Ich konnte meinen Geist schützen.”
Mit'gai gab keine Antwort, aber seine Erleichterung war ihm deutlich anzusehen.

Danach herrschte für einige Zeit Stille, aber dann sagte Mit'gai: „Da'an, dein Körper wird sich bald erholen, aber... nun... vielleicht solltest du... reden... über das, was geschehen ist.”
„Das habe ich”, war die knappe Antwort.
„Ich verstehe, mit deinem Kind und deinem Beschützer. Wirklich ein seltsames Paar.”
Da'an schien über Mit'gais Antwort nachzudenken und auf seinem Gesicht erschien ein besorgter Ausdruck.
„Was ist los, Da'an?”
„Nichts, ich dachte nur gerade... Ich fürchte, es wird Probleme geben, wenn die beiden für längere Zeit zu eng zusammen sind. Eigentlich können sie sich nicht wirklich leiden. Sie wollten mir beide helfen und ich denke, sie haben daher ihre Differenzen einfach ignoriert. Aber ich fürchte, das wird auf Dauer nicht gut gehen.”
Mit'gai war von dieser Antwort überrascht.
„Bist du dir sicher? Ich habe gesehen, wie sie miteinander sprachen und es schien mir, dass sie... nun... sich mögen. Seltsamerweise scheint Zo'or diesem Menschen zu vertrauen, ich habe sogar gesehen, dass er ihn absichtlich berührt hat. Vielleicht beurteilst du die Situation falsch.”
„Ich hoffe nur, du hast recht.”

 
* * *
 


„Wohin gehen wir?”, fragte Liam Zo'or, als sie Seite an Seite durch die Korridore des Schiffes gingen.
„Die... Untersuchung von T'thans Geist hat bereits begonnen. Ich gehe doch recht in der Annahme, dass Sie mich begleiten möchten?”
„Ja, natürlich, wenn es einem Menschen erlaubt ist, dabei zu sein.”
„Normalerweise ist das nicht der Fall. Aber ich werde Sie einfach mitnehmen.”
Liam blieb überrascht stehen.
„Zo'or, werden Sie nicht Probleme bekommen, wenn Sie die Regeln brechen und mich mitnehmen? Ich möchte nicht...”
Zo'or hob die Hand, um Liam zu unterbrechen.
„Liam, ironischerweise hat T'thans Handeln meine Position in der Synode gestärkt. Die Mitglieder, die ihn unterstützt haben, sind geschockt und werden für längere Zeit nichts gegen mich unternehmen. Einige von ihnen stehen jetzt sogar auf meiner Seite. Ich habe im Moment große Handlungsfreiheit und ich werde sie nutzen.” Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Ich bin sicher, T'than wird sehr erfreut und überaus glücklich sein, wenn ich ihm für seine Hilfe danke.”
„Zo'or, habe ich Ihnen schon gesagt, wie sehr mir Ihre Art zu denken gefällt?”

 
*
 

Das Erste, was Liam hörte, als er hinter Zo'or den Raum betrat, war lautes Schreien. Es kam von T'than. Der frühere Kriegsminister lag angebunden auf einer Art Tisch und drei Taelons, die Liam noch nie zuvor gesehen hatte, standen um seinen Kopf herum. Jeder von ihnen berührte T'thans Kopf mit einer Hand. Mit der anderen Hand berührten sie sich gegenseitig. Ihre Augen waren geschlossen und sie schienen sich in einer Art Trance zu befinden, ihre Gesichter zeigten keinerlei Gefühle.
T'thans Gefühle dagegen waren ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Seine Augen waren weit aufgerissen und sein Ausdruck zeigte Schmerz, Angst und Hass. Von Zeit zu Zeit schrie er auf und sein Körper verkrampfte sich. Die Prozedur bereitete ihm ganz offensichtlich Schmerzen.

Liam wusste nicht, was er davon halten sollte. Er war sich darüber ihm klaren, dass er sich eigentlich nicht freuen sollte, irgendein anderes Wesen leiden zu sehen. Wenn er dann aber daran dachte, was T'than Da'an angetan hatte, dann konnte er nicht umhin zu denken, dass der Taelon eine solche Behandlung verdiente.
Plötzlich schrie T'than noch lauter als zuvor und flehte dann: „Nein, bitte, nein, neeeeeein.”

„Was... was geschieht mit ihm?”, fragte Liam Zo'or.
„Sein gesamter Geist wird untersucht. Ich denke, sie haben schließlich die Schilde um sein tiefstes Innerstes durchbrochen und dringen jetzt in seine persönlichsten und geheimsten Gedanken und Gefühle vor. Es wird ihm nicht möglich sein, irgendetwas vor ihnen zu verbergen.”

Plötzlich hörten die Schreie auf, da T'than schließlich das Bewusstsein verloren hatte. Einige Augenblicke später öffneten die drei Taelons ihre Augen und traten zurück. Sie warfen Zo'or kurze Blicke zu und verließen dann den Raum. Ein anderer Taelon kam herein, löste T'thans Fesseln und schob ihn mitsamt dem Tisch in eine Zelle am anderen Ende des Raumes. Nachdem er selbst die Zelle verlassen hatte, schaltete er die Energiebarriere ein, nickte Zo'or respektvoll zu und verließ ebenfalls den Raum.

Liam und Zo'or sahen einige Zeit schweigen auf die Zelle, dann aber fragte Liam: „Und was jetzt?”
„Jetzt warten wir auf die Rückkehr eines der drei... Untersucher, es wird nicht sehr lange dauern. Während der Untersuchung haben sie die vielen Informationen nur aufgenommen, ohne sie wirklich zu, nun... zu sehen, zu verstehen. Sie müssen alles in eine Ordnung bringen, es sortieren und die Informationen aus T'thans Geist ... entwirren. Haben Sie verstanden? Ihre Sprache verfügt nicht über die Worte, um den Vorgang exakt zu beschreiben.”
„Ich denke, ich verstehe.”

Plötzlich hörten sie leises Stöhnen. Als sich Liam und Zo'or wieder zu T'than umdrehten, sahen sie, wie er sich aufsetzte. Zo'or trat näher an die Barriere heran.
„Nun, T'than”, sagte er mit kühler Stimme und emotionslosem Gesichtsausdruck, „es wird dir schon bald leid tun, was du Da'an angetan hast. Ich denke, es tut dir sogar jetzt schon leid.”
Einen kurzen Augenblick lang zeigte T'thans Gesicht Schmerz, aber dann erschien sein gewohntes, schiefes Grinsen auf seinem Gesicht.
„Warum sollte mir etwas leid tun? Ich wäre ohnehin bald tot gewesen. Wo liegt denn der Unterschied zwischen dem Tod und einer Ewigkeit in Stasis? Ich habe sowieso nie daran geglaubt, dass ich eines Tages wieder erweckt werden würde.”
T'than stand auf und trat an die Barriere.
„Und schließlich habe ich endlich meine Rache gehabt. Da'an wird sich niemals wieder vollständig erholen.”
Ein leichtes Lächeln erschien auf Zo'ors Gesicht.
„Oh ja, du hast dich an Da'an gerächt, aber denkst du vielleicht, das würde mich auch nur im geringsten beeinflussen? Was mit Da'an geschieht, interessiert mich nicht, das solltest du eigentlich wissen. Ich habe ja sogar schon selbst versucht, ihn loszuwerden, aber das hast du ja jetzt für mich erledigt. Vielen Dank. Vielleicht sollte ich dir für diesen Gefallen einen schnellen, einfachen Tod gewähren.”
T'than trat einige Schritte zurück, sein Grinsen war verschwunden.
„Ich danke dir auch dafür, dass du meine Position innerhalb der Synode gestärkt hast. Diejenigen, die dich unterstützt haben, sind über dein Verbrechen schockiert. Manche von ihnen haben mir sogar ihre zukünftige Unterstützung zugesagt. Und jetzt, da Da'an aufgrund seines augenblicklichen mentalen Zustandes nicht in der Lage ist, seine Pflichten zu erfüllen, wird es für mich ein Leichtes sein, ihn von seiner Position als Mitglied der Synode zu entfernen. Jetzt endlich habe ich die absolute Macht, ohne dass ständig jemand gegen mich arbeitet. Dank dir habe ich absolut freie Hand, du hast mir einen sehr großen Gefallen getan, ich danke dir wirklich sehr.”

Plötzlich schrie T'than auf und sprang auf Zo'or zu. Er prallte hart gegen die Energiebarriere und fiel zu Boden, stand aber auf und versuchte es wieder und wieder. Zo'or lächelte ihn an und verließ, gefolgt von einem ebenfalls zufriedenen Liam, den Raum. Zurück blieb T'than, der noch immer schrie und gegen die Energiebarriere schlug und rannte.

 
*
 

„Es scheint nicht so, als wäre er über Ihre Dankbarkeit besonders glücklich.” Liam lächelte Zo'or an. „Das war wirklich großartig, ich denke, es war das Schlimmste, was Sie ihm antun konnten.”
Zo'or lächelte leicht zurück, mit einem echten Lächeln, nicht mit dem sonst üblichen Grinsen. Einen Augenblick lang sahen sich beide nur an, tief in Gedanken versunken.

Dann war der Moment vorbei, als einer der Taelons, die T'than untersucht hatten, an sie herantrat. Zo'ors Gesicht wurde sofort ausdruckslos.
„Die Ergebnisse, Ti'lar?”
„Natürlich werden wir einige Tage brauchen, um alle Details auszuwerten. Aber wir haben herausgefunden, dass T'than ganz offensichtlich den Verstand verloren hat. Alles, woran er im Moment denkt, ist, wie er dir und Da'an schaden oder euch töten könnte.”
„Im Augenblick muss ich nur wissen, ob er bereits irgendetwas ins Rollen gebracht hat, was uns schaden könnte.”
„Nein, Zo'or, aber er wird dich ganz sicher töten, wenn er die Gelegenheit erhält. Er will versuchen, dich so weit zu provozieren, dass du seine Zelle betrittst. Tu das auf keinen Fall, Zo'or! Wir empfehlen, ihn bis zu seinem Tod nicht mehr aus der Zelle zu lassen.”
Ti'lar zögerte kurz.
„Zo'or, leider muss ich dir sagen, dass T'than sehr zufrieden ist über das, was er getan hat. Seine Bestrafung ist ihm gleichgültig, solange er sich nur seiner Rache sicher ist.”
Ti'lar war überrascht, als er den Menschen lächeln sah.
„Darum habe ich mich schon gekümmert, Ti'lar”, sagte Zo'or mit einem leichten Grinsen. „Du kannst mir glauben, T'than ist nicht länger zufrieden, im Gegenteil. Bitte fahrt mit eurer Arbeit fort und informiert mich, wenn ihr etwas interessantes herausgefunden habt.”
„Natürlich, Zo'or.”

 
* * *
 


Als Liam und Zo'or die Krankenstation betraten, fanden sie Da'an auf dem Bett sitzend vor. Als er sie sah, stand er auf und trat zu ihnen.
„Ich habe auf euch gewartet.” Er zögerte, fuhr dann aber fort: „Zo'or, ich bitte um die Erlaubnis, zu meinen Pflichten auf der Erde zurückkehren zu dürfen.”

Zo'or und Liam sahen ihn erstaunt an.
„Da'an”, sagte Zo'or, „denkst du wirklich, dass das eine gute Idee ist? Du bist noch nicht vollständig wiederhergestellt. Du solltest noch hier bleiben, in Mit'gais Nähe.”
Da'an seufzte.
„Zo'or, bitte. Ich möchte nicht länger hier bleiben. Alles, was ich hier tun kann, ist darüber nachzudenken, was... geschehen ist. Ich brauche etwas zu tun, etwas, um meine Gedanken abzulenken. Bitte!”
„Bist du sicher? Vielleicht wäre es besser, ich würde dir hier auf dem Schiff eine Aufgabe zuweisen.”
„Zo'or, ich möchte nicht auf dem Mutterschiff arbeiten, wo jeder Taelon weiß...”

Zo'or sah seinen Elter prüfend an. Er wusste, Da'an hatte noch immer physische Schmerzen, verbarg diese aber wirklich sehr gut, das musste er zugeben. Und er verstand seinen Wunsch. Aber er war sich auch darüber im klaren, dass Da'an noch Ruhe brauchte und er seine Pflichten schon rein körperlich noch gar nicht voll erfüllen konnte.

„Da'an”, schlug er daher schließlich vor, „ich würde sagen, du bleibst noch einen weiteren Tag hier und ruhst dich aus, dann bekommst du meine Erlaubnis in deine Botschaft zurückzukehren. Wenn Mit'gai einverstanden ist. Und wenn du versprichst, dich nicht zu überanstrengen. In Ordnung?”

Da'an wusste, dass das der vernünftigste Vorschlag war, und stimmte daher zu. „In Ordnung, Zo'or. Dann werde ich mich jetzt wieder hinlegen.”
Er ging zu seinem Bett zurück, drehte sich aber noch einmal um.
„Liam, hast du deine Freunde auf der Erde schon benachrichtigt? Sie werden sich Sorgen machen. Und Zo'or, ich denke, es gibt Dinge, die deine Aufmerksamkeit erfordern. Ihr könnt mich ruhig für eine Weile allein lassen.”
„Sind Sie sicher?”, fragte Liam. „Ich werde bleiben, wenn Sie es wünschen.”
„Nein, Liam. Ich möchte gern für einige Zeit alleine sein, ich kann das Alleinsein nicht für immer vermeiden. Aber vielleicht könntest du in einigen Stunden wiederkommen?”
„Natürlich, Da'an. Und wenn sie mich brauchen, dann rufen sie mich einfach und ich werde sofort kommen.”

So drehte Da'an sich wieder um und Liam und Zo'or verließen den Raum.

 
* * *
 


Liam hatte sein Gespräch mit Renee gerade beendet, als er jemanden seinen Namen rufen hörte. Es war Zo'or.
„Liam, entschuldigen Sie die Störung, aber ich muss Ihnen etwas mitteilen.”
Liam begann sich zu sorgen, als er den traurigen Ausdruck auf Zo'ors Gesicht sah. Stimmte etwas nicht mit Da'an?
„Vielleicht sollten wir in mein Quartier gehen, um etwas Ruhe zu haben”, fuhr Zo'or fort.
„Was ist los? Ist Da'an in Ordnung?”
Zo'or seufzte. „Es geht um das Kind.”
„Welches... oh. Wie konnte ich das Kind vergessen? Was...”
„Liam bitte, ich möchte wirklich nicht hier darüber sprechen. Würden Sie mir bitte folgen?”
„Ok, Zo'or, wie Sie wünschen.”

 
*
 

Als sie Zo'ors Quartier betraten, fragte sich der Taelon plötzlich, warum er den Menschen hierher gebracht hatte. Wenn er so darüber nachdachte, wurde ihm klar, dass er irgendwann in den letzten Tagen dazu übergegangen war, Liams Anwesenheit als normal zu empfinden. Er vertraute dem Menschen inzwischen ohne weiter darüber nachzudenken. Er wusste nicht, wie es eigentlich dazu gekommen war, aber es war eine Tatsache. Er war für ihn nicht länger nur Da'ans Beschützer oder auch jemand, den Da'an ganz offensichtlich liebte. Nein, jetzt wo er so darüber nachdachte, musste er sich eingestehen, dass er den Mann mochte, dass er es mochte, wenn er in seiner Nähe war.

Plötzlich unterbrach die Stimme des Menschen seine Gedanken. Liam hatte sich umgesehen und alles, was er sah, war ein Stuhl mit einer Energiedusche und eine Computerkonsole. Sonst nichts.
„Nettes Quartier, groß, aber... ein wenig... leer.”
Zo'or sah sich um und antwortete: „Es hat alles, was ich brauche. Es ist nur ein Ort um mich auszuruhen oder um allein zu sein, sollte ich das einmal wünschen. Ich verbringe hier nur wenig Zeit. So viel Platz bräuchte ich eigentlich gar nicht, aber dies ist nun einmal der Raum, der für den Führer der Synode vorgesehen ist.”
„Ich verstehe.” Liam grinste schief. „Jetzt verstehe ich, warum Sie so viel Zeit auf der Brücke verbringen. Aber warum stellen Sie nicht ein paar persönliche Gegenstände auf? Damit es mehr ein... Zuhause ist.”

Zo'or seufzte. Ein Zuhause? Er konnte sich nicht einmal mehr wirklich daran erinnern, wie es war, so etwas zu haben.
„Dieser spezielle Raum bedeutet mir nichts. Ich bin überall zu Hause.”
„Oder nirgends.”
Liam sah Zo'or an und ihm wurde klar, dass der Taelon dazu nichts sagen würde, und daher fuhr er fort: „Sie wollten mir etwas über das Kind sagen.”

„Ja. Während Sie mit Ihren Bekannten auf der Erde gesprochen haben, hat mich Mit'gai aufgesucht. Er hat Da'ans Kind ohne dessen Wissen untersucht um ihn nicht aufzuregen. Die Resultate sind... beunruhigend.”
„Beunruhigend?”, fragte Liam. „Haben Sie mir nicht gesagt, das Kind hätte keine Chance zu leben? Was kann noch schlimmer sein? Ist Da'an in Gefahr?”
„Nein, zumindest nicht körperlich. Aber ich fürchte... dass...”
„Was?”
Zo'or seufzte und drehte sich zum Fenster, um ins All zu blicken.
„Das Kind wird nicht lange genug leben, um geboren zu werden. Es wird vorher sterben, in Da'ans Körper.”

Liam schwieg für einige Zeit. Er hatte geglaubt, es könnte nicht mehr schlimmer werden, aber anscheinend war das falsch gewesen.
„Aber warum, Zo'or?”

„Wenn ein Kind gezeugt wird, dann geben ihm beide Elternteile so viel Energie wie möglich. Ein taelonisches Kind kann keine fremde Grundenergie in sein System integrieren, bis es ein gewisses Entwicklungsniveau erreicht hat. Deshalb ist es auch sinnlos zu versuchen, einem Neugeborenen Grundenergie zu übertragen. Ich hatte gerade so genug Energie, um es zu schaffen. Und dieses Kind... Mit'gai hat mir gesagt, es hätte das niedrigste Energieniveau, das er jemals gesehen hätte. Er glaubt, dass T'than seine Energie zurückgehalten hat und nur gerade so viel gegeben hat, um das Kind zu zeugen.”
„Will Mit'gai Da'an darüber unterrichten?”
„Nein. Er denkt, dass Da'an es vermeidet, überhaupt an das Kind zu denken, und er will, dass auch wir nicht mit ihm darüber sprechen, bis er ein gewisses Maß an... Stabilität zurückerlangt hat.”

Liam trat halb um Zo'or herum, um in seine Augen zu blicken.
„Was denken Sie wird Da'an tun, wenn er vom Zustand seines Kindes erfährt?”
Zo'or schloss die Augen. „Ich weiß es nicht.”
„Aber was denken Sie?”
Zo'or sah Liam an und flüsterte: „Ich glaube nicht, dass er es überleben wird. Sein Wunsch sein Leben zu beenden ist bei jedem leblosen Kind, das er geboren hat, stärker geworden. Und ich fürchte, wenn er das Kind in seinem Körper sterben fühlt, dann wird er ihm in die Leere folgen. Und ich habe keine Ahnung, was wir tun können, um ihm zu helfen. Ich fürchte, unsere... Liebe wird nicht genug sein. Der individuelle Überlebenswille ist bei Taelons nicht so stark ausgeprägt wie bei den Menschen.”

„Werde ich wohl jemals aufwachen?”, flüsterte Liam mehr zu sich selbst nach einigen Sekunden des Schweigens.
„Was meinen Sie?”
„Ach nichts. Ich dachte nur gerade, all das kann nur ein schrecklicher Alptraum sein, aber ich weiß, dass es das nicht ist.” Liam lehnte sich mit dem Rücken an das virtuelle Glas und ließ sich daran heruntersinken. „Jedes Mal, wenn ich denke, jetzt könnte es nicht mehr schlimmer kommen... aber Sie scheinen von diesen neuen, schrecklichen Fakten ja nicht besonders geschockt zu sein.”

Zu Liams Überraschung setzte sich Zo'or neben ihm auf den Boden.
„Man gewöhnt sich daran”, sagte der Taelon nach einer Weile mit sehr leiser Stimme.
„Was meinen Sie? Woran?”
„Daran, dass immer das Schlimmste, was man sich vorstellen kann, auch eintrifft.”

Liam wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Das war also die Art und Weise, wie Zo'or das Leben sah? Je mehr Liam darüber nachdachte und je näher er Zo'or kennen lernte, desto mehr wurde ihm klar, was für eine Hölle sein Leben bisher gewesen sein musste. Es hatte in den letzten Tagen so viele Hinweise gegeben. Und jetzt das. Er kam zu der Überzeugung, dass Da'an nicht der Einzige war, der Hilfe brauchte. Aber im Moment musste Zo'or warten.

„Gibt es denn wirklich nichts, was wir für das Kind tun können?”
„Nein. Glauben Sie denn, wir hätten es nicht schon früher versucht?”
„Aber wie war es in der Vergangenheit? Als Ihre Spezies diese Probleme noch nicht hatte?”
„Vor langer Zeit wurden fast alle Kinder mit genug Energie zum Leben geboren, Liam. Aber wir haben mit der Evolution gespielt. Wir wollten uns schneller entwickeln, wir wollten mehr werden. Aber wir wurden weniger. Eine verlorene Rasse, unfähig, sich fortzupflanzen. Verdammt.”

Liam bemerkte Zo'ors kalte, emotionslose Stimme, aber damit konnte er sich jetzt gerade nicht befassen. Er hatte das Gefühl, dass es da etwas sehr wichtiges gab.
„Zo'or, Sie sagten ’fast alle Kinder‚. Was geschah mit den anderen? Sind sie gestorben?”
„Nein, das sind sie nicht. Aber das ist unwichtig.”
„Vielleicht ist es das nicht! Bitte sagen Sie es mir.”
Zo'or seufzte. „Vor einigen Generationen hatten einige meiner Art noch die Fähigkeit, ihre Energie an die der Kinder, die zu wenig hatten, anzupassen. So haben die Kinder überlebt. Aber das war eine Fähigkeit, die wir von den Kimera hatten, eine Fähigkeit, die in unserer Rasse heute völlig verschwunden ist. Sie sehen, es gibt keine Hoffnung.”

Kimera? Liam musste sich sehr beherrschen, um sich zurückzuhalten und nicht laut zu rufen, dass er zum Teil Kimera war und Da'an helfen könnte. Nun, vielleicht konnte er das, immerhin war er ja nur zu einem Drittel Kimera. Aber er konnte nicht einfach so aufstehen und Zo'or von seiner Abstammung erzählen. Auch wenn es ihm so schien, als würde Zo'or ihn mögen und ihm vertrauen. Er war durchaus bereit, sich in Gefahr zu bringen um Da'an zu helfen, aber im Moment war er sich ja noch nicht einmal sicher, ob er das wirklich konnte. Er musste warten, bis Da'an sich besser fühlte und er mit ihm darüber sprechen konnte.

 
* * *
 


Liam saß nachdenklich an seinem Schreibtisch in der Botschaft. Er hatte Mit'gai gefragt, wie lange Da'ans Kind überleben würde, und der Heiler hatte geantwortet, es würde erst in zwei Wochen kritisch werden. Also hatte er sich entschieden, noch ein paar Tage zu warten, bevor er mit Da'an sprechen würde. Er wollte ihm erst etwas Zeit geben, um sich zu erholen.

Aber was sollte er bezüglich Zo'or unternehmen? Liam hatte einen Punkt erreicht, an dem er sich eingestehen musste, dass er den Taelon wirklich mochte. Dass er es genoss, in seiner Nähe zu sein und mit ihm zu sprechen. Der Zo'or, den er in den letzten Tagen kennen gelernt hatte, war so anders als der Führer der Synode, den er vorher gekannt hatte. Und dieses erste offene und ehrliche Lächeln, das auf Zo'ors Gesicht erschienen war, nachdem sie T'than verlassen hatten. Wie... ja, schön er war! Aber auch so unglaublich traurig! Und so einsam. Wie konnte jemand inmitten seines eigenen Volkes so einsam sein?

Liam konnte nicht vergessen, wie Zo'or reagiert hatte, als er ihm sagte, er würde ihn mögen. Dieser ungläubige Blick und die Worte, dass es an ihm nichts zu mögen gäbe. Und dann sein Ausbruch, als Liam gesagt hatte, er würde ihn verstehen. Es erschien so, als hätte man dem jungen Taelon immer wieder gesagt, wie wertlos er sei. Aber warum? Und was war ihm zugestoßen, dass er vom Leben immer das Schlimmste erwartete?

Liam wünschte sich so sehr, dass Zo'or sich ihm öffnen und mit ihm über seine Gefühle sprechen würde. Er wollte ihm helfen und, ja, er musste es sich eingestehen, wollte ihm näher kommen. Aber wie? Er musste noch immer vorsichtig sein, er war noch immer nicht sicher, was Zo'or tun würde, würde er von seiner Abstammung erfahren. Zo'or hatte sich sehr verändert, aber es gab keine Garantie, dass er seine Maske nicht wieder aufsetzen und äußerlich wieder der grausame Synodenführer werden würde.

Der junge Mischling war sich über die Risiken im klaren, wusste aber auch, dass er den Taelon wirklich mochte und ihn besser kennen lernen wollte.

 
* * *
 


Zo'or stand in seinem Quartier und starrte aus dem Fenster. Er hatte erneut versucht, zu schlafen, aber wieder hatten ihn Albträume gequält. Und es war inzwischen sogar noch schlimmer geworden. Zuerst hatte er nur von Da'an und T'than geträumt, aber inzwischen waren auch andere schreckliche Erinnerungen aus seiner Vergangenheit an die Oberfläche gekommen. Erinnerungen, von denen er geglaubt hatte, sie wären für immer begraben.

Plötzlich unterbrach das Türsignal seine Gedanken. Es gab nur eine Person, die ihn hier aufsuchen würde, und so öffnete er die Tür. Es war wie erwartet Liam Kincaid und er trug etwas, das in Papier eingewickelt war.

„Ja, Liam, gibt es ein Problem? Ist Da'an in Ordnung?”
„Ja, er hat Besucher, einige Wissenschaftler. Er hat mir gesagt, dass ihr Treffen mindestens zwei Stunden dauern wird und dass ich die Zeit doch bitte für mich selbst nutzen soll. Und nein, es gibt kein Problem. Nun, zumindest keins, von dem Sie nicht schon wüssten. Muss es denn immer ein Problem geben, wenn ich mit Ihnen sprechen will?”
Zo'or seufzte. „Normalerweise sprechen die Leute, Menschen wie Taelons, nur dann mit mir, wenn es ein Problem gibt oder wenn sie etwas von mir wollen.”
„Nun, dieses Mal ist das nicht der Fall. Im Gegenteil, ich habe etwas für Sie.”
„Etwas für mich?”, fragte Zo'or sichtlich überrascht.
„Ja”, Liam sah zu Boden. „Es ist ein Geschenk.”
Der junge Mann fühlte sich plötzlich unsicher, ob er wirklich das Richtige tat. Wie würde Zo'or wohl reagieren? Er hatte es zuerst für eine gute Idee gehalten. Aber jetzt...

Für einige Sekunden war es still, bis Zo'or schließlich flüsterte: „Ein... Geschenk?”
Liam blickte wieder auf und sah erstaunt, dass die Fassade des Taelons flackerte. Sein Gesicht zeigte Überraschung und Ungläubigkeit.
Als keine weiteren Worte folgten, sah Liam sich um und stellte das Geschenk in Ermangelung anderer Möglichkeiten vorsichtig auf die Computerkonsole. Dort stehend reichte es ihm etwa bis zur Schulter. Dann wartete er auf Zo'ors Reaktion.

Aber Zo'or stand einfach nur da und starrte auf das verborgene Objekt. Er war einfach zu überrascht, um etwas anderes zu tun. Niemals zuvor hatte ihm jemand anderes als sein Elter ein Geschenk gemacht. Natürlich hatten ihm viele Wesen Dinge überreicht, weil sie den Synodenführer erfreuen wollten, aber das hier war anders. Er wusste, Liam gab ihm das Geschenk, weil er ihn mochte. Er hatte ihm das schon einmal gesagt, aber Zo'or konnte noch immer nicht wirklich glauben, dass jemand ihn um seiner selbst willen mochte. Niemand hatte ihn jemals als Person gemocht, jeder hatte in ihm immer nur ein unkontrolliertes, nutzloses Kind gesehen. Oder ihn gefürchtet.

„Zo'or? Wollen Sie es nicht aufmachen?”
Liam war nervös geworden, als Zo'or das Geschenk minutenlang bewegungslos anstarrte. Er begann zu glauben, dass es wohl doch eine schlechte Idee gewesen war.
„Für... für... mich?”, stotterte Zo'or schließlich und trat einen Schritt auf die Konsole zu. „Ich weiß nicht... ich... ich habe noch nie...”

Plötzlich wurde Liam klar, dass Zo'or nicht so reagierte, weil er es war, der ihm etwas schenkte, es war das Geschenk an sich. Wie konnte es nur sein, dass der Taelon davon so überwältigt war? Hatte er denn noch niemals zuvor ein Geschenk bekommen?
Liam beobachtete, wie Zo'or eine leicht zitternde Hand hob und das Papier vorsichtig berührte. Er konnte nicht umhin zu denken, wie süß der Taelon dabei aussah. Vor gar nicht langer Zeit hätte er niemals geglaubt, dass das Wort süß auch nur irgendwie mit Zo'or in Verbindung zu bringen wäre, aber jetzt passte es definitiv! Liam entspannte sich. Er wusste, Zo'or war etwa 1000 Jahre älter als er selbst, im Moment glich er aber mehr einem Kind, das gerade erst begann, die Welt um sich herum zu entdecken. Er hatte seine Gefühle so lange in sich begraben, dass er augenscheinlich nicht an sie gewöhnt war und nicht richtig mit ihnen umgehen konnte.

„Zo'or, machen Sie es auf. Es ist nichts besonderes, nur etwas, das mir plötzlich so in den Sinn kam. Nur ein... Geschenk von einem Freund.”
Liam nahm Zo'ors Arm und drückte ihn ein wenig in Richtung des noch immer verpackten Objektes. Schließlich hob Zo'or seine noch immer zitternden Hände und begann, auszupacken. Im Papier verpackt war eine Topfpflanze. Sie war relativ groß, dazu gedacht, auf dem Boden zu stehen und hatte viele lange, dunkelgrüne Blätter.
Zo'or sagte nichts.

„Wie ich bereits sagte, es ist nichts besonderes, nur eine Pflanze”, sagte Liam mit leiser Stimme.
„Sie ist wundervoll”, flüsterte Zo'or. Seine Finger strichen vorsichtig die Blätter entlang und er begann, um die Pflanze herumzugehen um sie von allen Seiten zu betrachten.

Nach einiger Zeit schien er sich zumindest teilweise wieder unter Kontrolle zu bringen und fragte: „Warum haben Sie sie mir geschenkt?”
„Nun, Ihr Quartier war so leer und da dachte ich, die Pflanze würde passen. Es ist immer gut, etwas lebendiges um sich herum zu haben. Aber wenn Sie sie nicht mögen, dann müssen Sie sie nicht behalten.”
„Sie ist wunderschön, Liam, ich mag sie und ich danke Ihnen. Aber das war es nicht, was ich meinte. Ich wollte wissen, warum Sie mir ein Geschenk gemacht haben.”
Liam zögerte einen Moment, antwortete aber dann: „Weil ich Sie mag und weil ich Ihnen... eine Freude machen wollte.”

Zo'or drehte sich um und trat zum Fenster. „Sie haben so etwas schon einmal zu mir gesagt”, flüsterte er.
„Ja, weil es die Wahrheit ist! Warum weigern Sie sich, mir zu glauben? Ist es denn so seltsam, zu erfahren, dass jemand Sie mag? Ist es, weil ich ein Mensch bin?”
„Nein.”
„Fühlen Sie sich von mir... belästigt?”
„Nein.”
Liam seufzte. Würde Zo'or jemals wirklich offen mit ihm sprechen? Oder erwartete er zu viel? Vielleicht sollte er Zo'or einfach mehr Zeit geben.

Plötzlich sah Zo'or erneut die Pflanze an.
„Liam, werden Sie mir helfen, den richtigen Platz für Ihr Geschenk zu finden?”
„Natürlich. Vielleicht irgendwo, wo Sie sie von ihrem Stuhl aus sehen können?”
Liam hob die Pflanze auf und sprach weiter: „Vielleicht hier drüben? Da können Sie sie gut sehen und haben dahinter direkt das Fenster, um die Sterne zu betrachten.”
Liam stellte die Pflanze ab und sah zu dem diffusen Licht auf, das von der Decke kam.
„Sie werden eine spezielle Lampe brauchen, ich werde Ihnen so bald wie möglich eine bringen.”

Als er sich umdrehte, sah er Zo'or leicht lächeln.
„Ich danke Ihnen, Liam, sie ist wundevoll. Ich denke, ich werde jetzt öfter hierher kommen, um Ihr Geschenk zu betrachten.”
Liam trat näher und lächelte zurück.
„Ich bin froh, dass Sie es mögen. Um ehrlich zu sein, ich hatte befürchtet, Sie würden es nicht wollen oder mich sogar wegschicken.”
Zo'or hob langsam eine Hand und berührte Liam leicht an der Wange, dann flüsterte er: „Ich werde dich niemals wegschicken.”
Liam legte seine Hand vorsichtig auf Zo'ors und drückte sie an seine Wange.

Sie standen einige Zeit nur so da, genossen die Berührung und sahen den anderen einfach nur an. Aber schließlich ließ Liam Zo'ors Hand los und seufzte.
„Ich muss zurück in die Botschaft, Zo'or.”
„Ja”, war die kurze Antwort.

Liam sah dem Taelon ein letztes Mal in die Augen, dann drehte er sich um, um zu gehen. Bevor sich die Tür hinter ihm schloss, hörte er ein leises: „Danke.”

 
* * *
 


Zo'or saß auf seinem Stuhl und sah auf seine Pflanze. Er dachte an Liam. War es wirklich möglich, dass der Mensch ihn mochte? Und vielleicht sogar mehr? Konnte er wirklich hoffen, dass er endlich jemanden gefunden hatte, der ihn verstand und als Person akzeptierte? Oder hatte er Liams Verhalten falsch verstanden? Er wusste, es war ein menschlicher Brauch, seinen Freunden Geschenke zu überreichen und vielleicht war es nicht mehr für ihn. Aber für Zo'or war es mehr.

Zo'or fragte sich selbst, warum er den Menschen eigentlich so mochte. Er hielt es nicht für notwendig, ihm seine übliche Maske zu zeigen, und war sich noch nicht einmal sicher, ob er das überhaupt schaffen würde. Ja, seine inneren Schilde waren lange nicht mehr so stark wie zuvor, aber trotzdem hatte er es geschafft, der Synode die Maske zu zeigen. Er musste jetzt jedes Mal hart darum kämpfen, war aber erfolgreich gewesen. Aber nur äußerlich.

Innerlich hatte er sich verändert und würde definitiv nie mehr der Selbe werden. Erinnerungen quälten ihn jetzt und er hatte begonnen, darüber nachzudenken, was er der Menschheit angetan hatte. Jetzt, da seine Gefühle nicht mehr tief vergraben waren, konnte er das nicht verhindern. Sein Mangel an Gefühlen hatte ihn stark genug gemacht, alles zu tun, um seine Spezies zu retten, ungeachtet der Konsequenzen für andere. Aber das war jetzt ein für allemal vorbei.

Aber vielleicht war es Schicksal. Er hatte bei den Menschen in letzter Zeit nicht viele Fortschritte gemacht und eventuell würde eine andere Strategie ja sogar gut sein. Er würde es wohl herausfinden, denn er sah sich ganz einfach nicht mehr dazu in der Lage, seine Gefühle erneut total zu unterdrücken und wieder der kalte, grausame Synodenführer zu werden, der er für so lange Zeit gewesen war.

Plötzlich wurde Zo'or klar, dass er nie wieder ein so kaltes Wesen werden wollte, selbst wenn er es könnte. Er realisierte, dass er nicht nur Angst, Schmerz oder Trauer unterdrückt hatte, sondern auch alle Freude und alles Glück. Er lächelte, als er an die warmen Gefühle dachte, die in ihm aufgestiegen waren, als Liam ihm die Pflanze gegeben hatte. Er war erst ganz konfus gewesen, ja, aber dann hatte er sich gefreut. Liam hatte ihm das Geschenk gegeben, weil er ihn mochte. Ihn! Das war unglaublich, aber anscheinend doch wahr.

Und auch er mochte Liam! Er mochte diesen seltsamen Menschen, der sich von allen anderen so unterschied. Zo'or war sich bewusst, dass Liam etwas wichtiges verbarg und nicht wollte, dass Zo'or herausfand, was es war. Aber das war ihm egal. Zo'or war sich sicher, dass dieses Geheimnis seine Gefühle nicht ändern würde, nichts würde das. Trotzdem war Zo'or natürlich neugierig und wollte mehr über den Major erfahren. Er wollte wissen, warum er ihm wie ein Kind erschienen war, als er Da'an um Antworten angefleht hatte, in anderen Situationen dann aber die Weisheit und Stärke eines langen Lebens ausstrahlte.

Zo'or wusste nicht, warum oder wie es dazu gekommen war, aber er mochte den Menschen sehr. War es vielleicht sogar mehr? Vielleicht... Liebe? War das Liebe? Der Wunsch, so oft wie möglich in Liams Nähe zu sein, mit ihm allein zu sein, mit ihm zu reden, ihn zu berühren? Er hatte den starken Wunsch, Liam alles über seine Vergangenheit zu sagen, über seine Ängste, einfach alles. Denn er war sich sicher, Liam würde ihn verstehen. Vielleicht weil er ihn liebte? Vielleicht...
Aber fühlte der Mensch so wie er? Konnte er es wagen, zu hoffen? Konnte er seine Furcht vor Enttäuschung und Zurückweisung überwinden und Liam von seinen Gefühlen erzählen? Er war sich nicht sicher...

 
* * *
 


Liam war sich nicht sicher, was er tun sollte. Sollte er Zo'or noch einmal besuchen? Er hatte eine Lampe für die Pflanze gekauft, hatte also einen guten Grund. Aber wäre es nicht besser, dem Taelon mehr Zeit zu lassen? Er hatte so durcheinander gewirkt und war von dem Geschenk so überwältigt gewesen.

Liam fühlte den starken Drang, wieder auf das Mutterschiff zu gehen. Er wollte sicher sein. Seine Zuneigung zu Zo'or hatte sich in mehr verwandelt und er wollte wissen, ob der Taelon dasselbe empfand. Er glaubte, dass das der Fall war, aber er konnte nicht sicher sein. Und was würde geschehen, wenn Zo'or von seiner Abstammung erfuhr? Er hatte das seltsame Gefühl, dass das für Zo'or nicht mehr von Bedeutung wäre. Aber auch darüber konnte er sich nicht wirklich sicher sein. Es gab so viele Fragen.

„Liam?”, erklang Da'ans Stimme.
„Ja, Da'an?”
„Liam, willst du dir nicht etwas Zeit für dich selbst nehmen? Du verbringst Tag und Nacht bei mir und ich bin froh darüber, aber...”
„Da'an, das ist in Ordnung. Ich habe versprochen, bei Ihnen zu bleiben und Sie nicht allein zu lassen, und das werde ich auch tun.”
Da'an seufzte.
„Liam, du kannst nicht dein ganzes Leben an meiner Seite verbringen und ich nicht mein ganzes Leben in Gesellschaft. Ich habe in den nächsten Stunden viel zu tun, also geh ruhig.”
„Sind Sie sicher?”
„Ja, absolut.”
„Ok, aber ich werde am Abend zurück sein.”
„In Ordnung, aber geh jetzt. Besuche einen Freund oder so etwas.”

„Einen Freund besuchen?”, fragte Liam sich selbst leise. „Soll ich?”
„Was hast du gesagt?”, fragte Da'an.
„Oh, nichts.” Liam lächelte Da'an an. „Aber vielen Dank für den Rat, ich werde tun, was Sie gesagt haben.”
„Rat?”
„Schon gut.”

 
* * *
 


Zo'or saß auf seinem Stuhl als Liam die Brücke mit einem Päckchen in der Hand betrat. Das Erste, was ihm auffiel, war die Maske auf dem Gesicht des Taelons.

„Major, ich kann mich nicht daran erinnern, dass Sie jemand gerufen hätte”, kam plötzlich Sandovals Stimme aus einer Ecke. „Was gibt es?”
„Ich bin nicht hier, um mit Ihnen zu sprechen, Sandoval.”
„Oh, wirklich nicht? Dann können Sie mir aber doch sicher erklären, warum Sie die letzten drei festgesetzten Besprechungen unentschuldigt versäumt haben? Und warum Sie dann plötzlich ohne Grund hier auftauchen?”

„Agent!”, erklang da Zo'ors kalte Stimme. „Der Major ist hier, weil ich ihn gerufen habe. Brauche ich jetzt Ihre Erlaubnis, um das zu tun?”
„Natürlich nicht, ich wollte nur...”
„Seien Sie still, Agent.” Zo'or erhob sich. „Major, würden Sie mir bitte folgen?”

Die beiden verließen die Brücke und ließen Sandoval ohne ein weiteres Wort zurück.

 
*
 

Zo'or sagte kein Wort, während sie durch die Korridore gingen, und Liam fing an, sich Sorgen zu machen. Aber als sie dann Zo'ors Quartier betreten hatten, wurde sein Gesichtsausdruck weicher und er lächelte Liam sogar an. Liam seufzte erleichtert.

„Was haben Sie?”, fragte Zo'or erstaunt.
„Oh, nichts. Nun, als ich Sie auf der Brücke sah, mit diesem kalten Ausdruck auf dem Gesicht, fürchtete ich... schon gut.”
„Ich verstehe”, erwiderte Zo'or. „Aber machen Sie sich keine Sorgen, ich werde nie mehr wie früher werden. Niemals!”

Lange Zeit herrschte Schweigen, aber dann sagte Liam: „Ich bin hier, um Ihnen die Lampe für die Pflanze zu bringen.” Mit diesen Worten legte er das Päckchen auf der Konsole ab.
„Danke.”
Dann war es erneut still.

„Zo'or, ich... ich...”
„Ja?”
„Nun...” Liam riss sich zusammen. „Sie wissen, dass ich Sie mag, Zo'or. Und jetzt wollte ich wissen, was Sie für mich empfinden.”

Zo'or antwortete nicht.
Also drehte sich Liam nach einiger Zeit enttäuscht und traurig um.
„Vielleicht sollte ich dann besser gehen und Sie nicht länger stören.”

„Liam!”
„Ja, Zo'or?”, fragte Liam ohne sich umzudrehen.
„Bitte geh nicht! Bleib, bitte. Ich... es ist nur, dass ich niemals... ich weiß nicht, wie ich... ich... bitte lass... lass mich nicht allein!”

Liam drehte sich um und sah den Taelon an. Seine Stimme war sehr leise gewesen und hatte stark gezittert. Jetzt blickte Zo'or zu Boden, seine Fassade flackerte und seine Hände bebten. Liam trat zu ihm und nahm eine zitternde Hand in seine.
„Zo'or, bitte sieh mich an.”
Der Taelon hob den Kopf und Liam konnte die Emotionen in seinem Gesicht genau erkennen. Angst, große Angst vor Zurückweisung, aber auch ein Schimmer der Hoffnung.
„Zo'or, ich werde dich niemals alleine lassen, wenn du möchtest, dass ich bleibe.”
Liam hob seine andere Hand und strich sanft über Zo'ors Wange.
„Du bist so wunderschön”, flüsterte er und fuhr schließlich fort: „Und ich liebe dich.”
Zo'or seufzte und schloss die Augen. „Ich... ich liebe dich auch.”

Überwältigt von Freude zog Liam Zo'or zu sich heran und umarmte ihn.
„Ich werde dich niemals allein lassen, Zo'or, niemals. Du wirst nie wieder allein sein, ich werde immer bei dir sein.”

Zo'or legte seinen Kopf auf Liams Schulter und entspannte sich. Zum ersten Mal in seinem Leben war er wirklich glücklich, er fühlte sich so sicher in den Armen des Menschen. Er fühlte, wie die unendliche Einsamkeit, die sein Leben lang ein Teil von ihm gewesen war, verschwand und durch Wärme ersetzt wurde. Er wünscht sich, dieser Moment würde niemals enden.

 

Ende von Kapitel 4

 

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