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Da'an saß in Gedanken versunken auf seinem Stuhl in seiner Botschaft und sah aus dem Fenster. Er spürte die Veränderungen in seinem Körper, Anzeichen, die er nur zu gut kannte. Er fühlte es schon seit einigen Tagen aber hatte bisher vermieden, darüber nachzudenken. Als ob Verdrängen irgend etwas ändern würde. Er konnte es nicht länger leugnen: Er war im Ka'atham. Er hatte immer häufiger Probleme seine menschliche Fassade aufrecht zu erhalten und manchmal überlief ein Schaudern seinen Körper. Er fühlte sich gestresst, krank, und einerseits war sein einziger Wunsch der, sich auszuruhen. Aber andererseits wollte er lieber wach bleiben, wenn er an den schrecklichen Albtraum dachte, den er beim letzten Mal gehabt hatte. Da'an sah aus den Augenwinkeln zu Liam. Sein junger Beschützer saß an seinem Schreibtisch und schien zu arbeiten, aber Da'an war sich darüber im klaren, dass er genau wusste, dass mit seinem Companion und Freund etwas nicht stimmte. Da'an hatte die besorgten Blicke bemerkt, die ihm Liam von Zeit zu Zeit zuwarf. Als sein Beschützer ihn am Morgen gefragt hatte, ob alles in Ordnung sei, da hatte er ihm gesagt, es gehe ihm gut. Aber er wusste, dass Liam ihm nicht geglaubt hatte. Und wenn sich schon Liam bewusst war, dass etwas nicht stimmte, dann würde auch die Synode bald von seinem Zustand erfahren. Er war sich nicht einmal sicher, ob Zo'or bei ihrem letzten Treffen nicht schon etwas bemerkt hatte. Da'an wusste genau, was geschehen würde. Man würde ihn zu einem Joining mit einem anderen Taelon zwingen um ein weiteres Kind zu zeugen. Ein weiteres lebloses Kind. Er hatte nicht den Wunsch, das zu tun, aber es war seine Pflicht. Die Synode befahl das jedem noch fortpflanzungsfähigen Taelon, der ins Ka'atham kam. Sie alle hofften noch immer, irgendwann eine Möglichkeit zu finden, all die leblosen Kinder zu erwecken. Aber Da'an wollte kein weiteres lebloses Kind bekommen. Er hatte jedes Mal bisher so sehr darunter gelitten. Er hatte fünf Kinder geboren und nur das erste, Zo'or, hatte genug Energie gehabt um zu leben. Die anderen vier... Er wusste, dass die anderen Taelons ihre Kinder einfach austrugen, zur Welt brachten und dann eigentlich nie wieder an das kleine Wesen dachten. Sie wussten von Anfang an, dass ihr Kind nicht leben würde und hatten niemals Gefühle für es. Aber Da'an konnte das nicht. Er hatte jedes seiner Kinder geliebt und immer gegen jede Vernunft irgendwie gehofft, es könnte doch lebensfähig sein. Und er hatte jedes Mal gelitten, wenn man ihm ein lebloses Kind wegnahm. Innerlich, für sich selbst, hatte er ihnen allen einen Namen gegeben. Er hatte das aber nie jemandem erzählt, denn er wusste, dass ihn niemand verstehen würde. Nach jeder Geburt war er niedergeschlagen und deprimiert gewesen und hatte immer einige Zeit gebraucht, um seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen. Er wusste er sollte sich selbst nicht erlauben, Gefühle für diese Kinder zu hegen, einfach um sich selbst zu schützen. So wie es die Anderen taten. Aber er konnte es einfach nicht verhindern. Er liebte jedes dieser kleinen Wesen, die er in sich getragen hatte, liebte sie von ganzem Herzen und mit ganzer Seele. Da'an seufzte. Er wollte das nicht noch einmal durchmachen, aber er hatte keine Wahl. Er musste seine Pflicht als Taelon erfüllen und den Befehlen der Synode Folge leisten. Täte er das nicht, dann würde er seinen Status als Mitglied der Synode und als Companion verlieren und die Erde verlassen müssen. Und was würde dann aus der Menschheit werden? Und aus dem jungen Mischling, um den er sich kümmerte und der wie ein eigenes Kind für ihn war? Nein, er musste der Synode gehorchen, er hatte keine andere Wahl. Er würde die Synode einen Partner für sich auswählen lassen, denn es war ihm nicht wichtig, wer es sein würde. Aber er würde noch nicht von seinem Zustand berichten, er würde warten bis man ihn rief, um ein wenig Zeit zu erkaufen. Auch wenn er wusste, dass das im Grunde völlig sinnlos war. Wenn das Kind nur eine Chance hätte, zu leben... Er würde sich freiwillig mit jedem vereinigen, sogar mit dem Teufel selbst, wenn er die Chance bekäme, ein lebendes Kind zur Welt zu bringen. Er sehnte sich so sehr nach einem Kind, einem kleinen, lebendigen Wesen in seinen Armen... aber es gab keine Hoffnung. Er würde seine Pflicht erfüllen und danach seine Gefühle tief in sich begraben, so wie er es zuvor getan hatte. Er würde allen das Gesicht des starken amerikanischen Companions zeigen und für sich selbst trauern, wenn er allein wäre. So wie er es immer tat.
Zo'or dachte an die Zeit zurück, als er und sein Elter sich noch sehr nahe gestanden hatten, als sie nicht wie heute durch ihre unterschiedlichen Meinungen in bezug auf die Menschen, das Schicksal der Taelons, ja eigentlich alles getrennt waren. Er dachte daran, wie Da'an sein erstes Geschwister in sich getragen hatte, ein Kind, dem er selbst so sehr das Leben gewünscht hatte. Die Anderen hatten ihm gesagt, dass es höchstwahrscheinlich nicht genug Energie zum Leben hätte, aber wie sein Elter hatte er so sehr darauf gehofft. Nach der Geburt hatte er die tiefe Traurigkeit seines Elters gespürt und geteilt, und beide fanden Trost ineinander. Und so war es auch nach der Geburt des nächsten Kindes gewesen. Aber dann hatte er sich verändert. All das Schreckliche, das er, als er noch so jung war, hatte durchstehen müssen, hatte ihn äußerlich hart gemacht. Er hatte so sehr darunter gelitten das letzte lebende Kind zu sein und seine Heimat so früh zu verlieren. Die Last der Hoffnungen einer ganzen Rasse wog schwer auf seinen Schultern. Und da war noch so viel mehr gewesen. Er wäre zusammengebrochen, hätte er nicht angefangen seine Gefühle in sich zu begraben und der Welt eine Maske zu zeigen. Daher hatte er sich einfach geweigert, für die beiden nächsten Kinder Da'ans irgend etwas zu empfinden. Er hatte sich selbst schützen müssen und seine Gefühle tief in sich begraben. Er wusste, dass der Verlust der Nähe zwischen ihm und seinem Elter seine Schuld war, aber es war der einzige Weg für ihn gewesen, weiter zu leben. Aber tief im Innern tat ihm Da'an noch immer leid und er bedauerte das Schicksal seiner Geschwister. Seit er wusste, dass er steril war, hatte er zumindest auf ein Geschwister gehofft. Aber darüber hatte er mit Da'an niemals gesprochen, er weigerte sich einfach, nach außen hin irgendwelche Gefühle zu zeigen. Er zeigte selbst seinem Elter nur die Maske des oft grausamen Führers der Synode, einfach weil er Angst davor hatte was geschehen könnte, wenn er es nicht tat. Er war in der Vergangenheit zu sehr verletzt worden. Zo'or dachte lange darüber nach, was er tun sollte. Es wunderte ihn, dass Da'an seinen Zustand noch nicht der Synode gemeldet hatte und so die Möglichkeit wahrnahm, seinen Partner selbst zu wählen. Würde er warten bis die Synode ihn schließlich von sich aus rief, dann würde sie die Wahl treffen. Vielleicht sollte er seinen Elter aufsuchen und mit ihm sprechen. Er wusste, dass dieser ihn noch immer liebte und tief in seinem Innern war er sich bewusst, das er dasselbe empfand. Aber sollte er ihm wirklich helfen? Sollte er seine Maske für kurze Zeit fallen lassen, sollte er seinen Schutz aufgeben um seinen leidenden Elter zu trösten? Da'an hatte ihm gesagt er würde alles tun um ihn zu beschützen und Zo'or wusste, dass das die Wahrheit war. Vielleicht war es nun an der Zeit, etwas zurück zu geben. Zo'or traf eine Entscheidung. Er würde Da'an aufsuchen und nachsehen, wie es ihm ging. Er war sich zwar nicht sicher was er sagen sollte, entschloss sich aber, die ganze Sache einfach auf sich zukommen zu lassen. Grundsätzlich war er bereit, seinem Elter wenn möglich zu helfen. Er würde einfach abwarten, wie Da'an auf seinen Besuch reagieren würde. Würde er ihn wegschicken, dann würde er ohne ein Wort wieder gehen, aber wenn er ihm irgendwie helfen konnte, dann wollte er es versuchen. Er war jetzt erwachsen und stärker, als er es bei der Geburt von Da'ans letztem Kind gewesen war, und vielleicht war nun wirklich die Zeit gekommen, einmal etwas für seinen Elter zu tun.
Plötzlich hörte Liam ein qualvolles Stöhnen und blickte erschrocken auf. Seine Augen weiteten sich, als er sah, wie der Taelon in seinem Stuhl zitterte, die menschliche Fassade kaum noch vorhanden. Dann war der Moment vorbei und Da'an erschuf erneut die menschliche Hülle. Das war genug für Liam, er stand auf und trat zu Da'an.
Als er Da'ans Antwort hörte, war er für einen kurzen Moment eifersüchtig und wollte hineinstürmen und die beiden unterbrechen, aber dann beruhigte er sich wieder. Er war schließlich hier um seinem Elter zu helfen, und nicht, um einen weiteren Streit anzufangen. Als er Da'ans letzten geflüsterten Kommentar hörte, wusste er, wie sehr Da'an Hilfe brauchte. Und er wusste auch, dass Da'an immer beschützen und sich kümmern wollte und er selbst hatte ihn zurück gewiesen. Er hatte Da'an nicht erlaubt, sich um ihn, sein einziges lebendiges Kind, zu kümmern, und so hatte er nach jemand anderem gesucht. Er konnte ihn dafür nicht verurteilen, es war ganz allein seine eigene Schuld. Wenn er darüber nachdachte, dann war er sogar ein wenig dankbar dafür, dass Da'an jemanden gefunden hatte, der ihm die Liebe gab, die er selbst ihm nicht zeigen konnte. Als er Da'an erneut seufzen hörte, entschied er sich, einzutreten. Er sah die beiden an, Da'ans Hand in Liams, und wusste er hatte recht gehabt, die beiden standen sich wirklich sehr nahe. Als die beiden Zo'or bemerkten, ließen sie sich sofort los und sahen ihn an. Liam wurde wütend. Er machte sich wirklich Sorgen um Da'an und jetzt kam auch noch Zo'or und würde sicher alles noch schlimmer machen. Zo'or hob seine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. Er war traurig, als er die Angst in den Augen seines Elters sah. Er hatte offenbar Angst vor dem, was Zo'or mit seinem Beschützer nach dessen kleiner Ansprache tun würde. Plötzlich wurde Zo'or klar, dass das die Art und Weise war, wie Da'an jetzt für ihn fühlte. Er liebte ihn, ja, aber er hatte auch Angst vor ihm. Er hatte Angst vor seinem eigenen Kind! Wie war es nur so weit gekommen? So sollte es nicht sein, das wollte er nicht! Zo'or entschied, dass sich das ab sofort ändern sollte. Deshalb ließ er die kalte Maske fallen und blickte die beiden vor ihm beinahe freundlich an. „Ich sehe, dass du dir den richtigen Beschützer ausgesucht hast, Da'an. Er beschützt dich sogar vor mir.” Da'an schloss seine Augen, öffnete sie aber sofort wieder überrascht, als er spürte, wie sein Kind seine Hand berührte.
Einen Moment lang war es still, aber dann riss Da'an sich zusammen. Zo'or ging zum Ausgang, drehte sich aber noch einmal um, um seinem Elter einen letzten Blick zuzuwerfen. Da'an sah so verloren aus, wie er da vor dem Fenster stand, traurig, ängstlich, so verletzlich. Ohne darüber nachzudenken sagte Zo'or: „Ich könnte versuchen, die Synode zu beeinflussen.”
„Da'an, was... WER war das?” Als Liam sich umdrehte um zu seinem Schreibtisch zurück zu gehen, hörte er Da'an plötzlich flüstern: „Liam...”
Als Zo'or eintraf, ruhte sich Da'an gerade wieder aus. Liam sah den wütenden Gesichtsausdruck des Synodenführers und sprang sofort auf um Da'an zu beschützen. Zo'or aber sagte nur: „Machen Sie sich keine Sorgen, Major, ich bin nicht wütend auf Da'an. Aber Sie sollten besser mit mir kommen, vielleicht wird er sie brauchen.” „Zo'or...” Liam sah ihm einige Sekunden lang nach, dann lief er hinter ihm her und hielt ihn am Arm fest.
Als er sein Quartier erreicht hatte, setzte er sich und versuchte, sich zu beruhigen. Er dachte noch einmal über alles nach und fragte sich, was genau sich denn durch die Wahl der Synode geändert hatte. Eigentlich doch gar nichts. Das es T'than sein würde, war doch einfach nur ein weiterer Aspekt, der ihm nicht gefiel. Er hasste das, was kommen würde, aber hauptsächlich ging es ihm doch darum, nicht noch ein weiteres lebloses Kind zu bekommen. Und das hatte absolut nichts damit zu tun, wer sein Partner sein würde. Und schließlich war es seine eigene Schuld, er hätte ja selbst wählen können, hatte sich aber dagegen entschieden. Und jetzt musste er mit den Folgen leben. Da'an fragte sich, warum sich T'than mit ihm paaren wollte. Sie hatten sich einmal sehr nahe gestanden, aber das war lange her. Er wusste, dass der Kriegsminister inzwischen nur noch Verachtung für ihn empfand und ihn für schwach hielt. Vielleicht hasste er ihn ja sogar, weil er Zo'or beschützt hatte, und wollte die Gelegenheit zur Rache nutzen. Aber warum? T'thans Energie würde bald verbraucht sein und das hier würde den Prozess nur beschleunigen. Aber vielleicht war das ja der Grund, vielleicht wollte er die letzte Chance nutzen um... nein! Da'an weigerte sich, daran zu denken. Vielleicht empfand T'than ja doch noch etwas positives für ihn. Da'an versuchte, nicht länger daran zu denken und einfach ruhig auf T'thans Ankunft zu warten. Er konzentrierte sich statt dessen auf Zo'or und suchte Trost in dem Gedanken, dass sein Kind entgegen allem, was er erwartet hatte, noch immer etwas für ihn empfand und ihm sogar helfen wollte. Das erfüllte ihn für kurze Zeit mit Freude, aber innerlich hatte er noch immer Angst vor dem, was T'than ihm antun würde. Alles was er wollte war weglaufen, aber diese Möglichkeit gab es nicht. |
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