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  „Nach dem Verrat” von Katrin   (Emailadresse siehe Autorenseite)
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Mission Erde/Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Da'an und Liam unterhalten sich
Zeitpunkt:  direkt nach ‚Blutsverwandte’
Charaktere:  Liam, Da'an
 

 

NACH DEM VERRAT

 

„Ich wäre für Sie gestorben, Da'an!”

Das waren Liams letzte Worte gewesen, bevor er gegangen war. Da'an hatte ihn noch niemals so wütend gesehen und erst jetzt wurde ihm klar, wie sehr er den jungen Mann mit seinen Handlungen verletzt hatte. Vielleicht hatte er doch einen Fehler gemacht?

Da'an ging zu seinem Stuhl und setzte sich. Nein, es war notwendig gewesen, Zo'ors Vertrauen zurückzugewinnen. Und das war der einzig mögliche Weg gewesen. Zumindest der einzige, den er gesehen hatte. Aber vielleicht...

Vielleicht hätte es doch eine andere Möglichkeit gegeben? Aber dafür ist es jetzt zu spät, was geschehen ist, ist geschehen und ich kann es nicht mehr ändern. Ich hoffe nur, dass ich Liam jetzt nicht ganz verlieren werde. Er war so wütend, wird er jemals wiederkommen?
Ich dachte nicht, dass mein Handeln ihn so sehr verletzten würde. Versteht er denn nicht, dass Opfer manchmal unumgänglich sind? Zo'or war kurz davor, mich wegen Verrats an unserem Volk verhaften zu lassen. Ich musste etwas tun!
Oh Liam, es tut mir leid, dass ich dich so verletzt habe, aber ich habe wirklich keinen anderen Ausweg gesehen! Du bist noch so jung. Du weißt nicht, dass das Leben einen manchmal dazu zwingt, zwischen zwei Übeln zu wählen. Und alles, was man dann tun kann, ist, sich für das vermeintlich kleinere zu entscheiden.
Ich wollte dich nicht verraten! Weißt du denn nicht, wie viel du mir bedeutest? Bitte komm zurück, vielleicht können wir über alles reden.

Da'an seufzte. Er würde bis morgen warten müssen um zu sehen, ob Liam zurück käme. Jetzt konnte er gar nichts tun. Also aktivierte er schließlich seine Energiedusche.

 
* * *
 

Liam lief durch die dunklen Straßen. Er war am Boden zerstört. Augur und Da'an hatten ihn verraten, sein bester Freund und der, der für ihn immer so eine Art Elternersatz gewesen war, hatten ihn verraten! Warum?

Nun, Augur hatte ihn zumindest irgendwie beschützen wollen, außerdem war sein eigenes Leben in Gefahr gewesen. Das war natürlich keine Entschuldigung, Liam wäre lieber selbst gestorben, wenn das seine Freunde gerettet hätte. Er würde Augur nicht so leicht vergeben, aber sein Freund hatte wenigstens irgendwie einen Grund gehabt. Liam konnte seine Taten nicht gutheißen und er selbst hätte anders gehandelt, aber zumindest konnte er die Gründe verstehen.

Aber Da'an? Da'an hatte ihm weder eine Entschuldigung noch einen Grund geliefert. Er hatte ihn einfach nur betrogen.

Liam fühlte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen, er hielt sie aber zurück. Alles was er jetzt wollte, war zu vergessen. Als er auf der anderen Straßenseite einen Laden bemerkte, ging er hinein und kaufte Alkohol. Sehr viel Alkohol. Er hatte noch niemals zuvor wirklich etwas getrunken, und er war sich darüber im Klaren, dass es seine Probleme nicht lösen würde. Aber vielleicht würde es ihn für ein paar Stunden vergessen lassen.

Nachdem er den Laden verlassen hatte, ging er nach Hause. Er nahm den Hintereingang, denn er wollte auf gar keinen Fall mit jemandem aus dem Flat Planet reden. Drinnen ließ er seine Jacke auf den Boden fallen und sank auf das Sofa. Jetzt kamen die Tränen und er begrub sein Gesicht in den Kissen und weinte.

Warum? Warum nur hat er mir das angetan? Er sagt, er musste Zo'ors Vertrauen zurückgewinnen. Zo'or, immer nur Zo'or! Zo'or hat ihn belogen und betrogen und sogar mehrmals versucht, ihn umbringen zu lassen. Und trotzdem will er sein Vertrauen! Nicht das Vertrauen der Synode, nein, das von Zo'or!
Wie konnte ich nur jemals glauben, er würde etwas für mich empfinden? Ich war gut genug, als er mich brauchen konnte, das ist alles! Wie konnte ich nur so blind sein? Und für mich Idioten war er so etwas wie ein Elternteil, ich habe ihn geliebt! Warum, Da'an, warum?

Liam schluchzte noch für eine Weile, schließlich aber nahm er eine der Flaschen, öffnete sie und nahm einen Schluck. Es schmeckte fürchterlich, aber das war ihm egal. Er wollte einfach nur vergessen und so trank er mehr.

 
*
 

Das erste, was Liam nach dem Aufwachen fühlte, waren unglaubliche Kopfschmerzen. Es war, als würde jemand in seinem Kopf auf eine Pauke schlagen. Er öffnete die Augen, richtete sich auf und stöhnte laut, als sein Kopf noch stärker schmerzte. Die Welt schien sich um ihn herum zu bewegen und ihm war so richtig schlecht. Er sah auf die Uhr und stellte fest, dass es mitten in der Nacht war. Für einen Augenblick wusste er nicht, was eigentlich geschehen war, aber dann kamen die Erinnerungen zurück und mit ihnen der Schmerz. Da'an hatte ihn verraten!

Liam sah sich um und stellte fest, dass in seinem Zimmer totales Chaos herrschte. Möbel waren umgeworfen, Bilder von den Wänden gerissen und überall lagen Kleidungsstücke verteilt. Liam wusste, dass er das selbst getan hatte, konnte sich aber nicht wirklich erinnern. Er erinnerte sich, dass er eine Menge getrunken hatte, aber alles andere war weg. Vielleicht war es besser so.

Er sah sich weiter um und schließlich blieben seine Augen an einer zerbrochenen Flasche hängen. Er stand langsam auf und ging gedankenverloren hin. Schließlich kniete er sich neben die Scherben und nahm eine große in die rechte Hand. Langsam führte er sie zu seinem linken Handgelenk. Es wäre ein einfacher Ausweg. Einige Schnitte und bald wäre alles vorbei, bald hätten seine Qualen ein Ende.
Er drückte die Scherbe gegen seine Haut und machte einen kurzen Schnitt. Dann beobachtete er, wie das Blut sofort heraus strömte. Seltsamerweise verspürte er keine Schmerzen, vielleicht wegen des Alkohols. Wie in Trance sah er einige Zeit lang zu, wie sein Blut auf den Boden tropfte und sich langsam eine kleine Lache bildete.

Aber schließlich blickte er auf und schüttelte den Kopf. Was tat er denn da? Hatte ihn der Alkohol so sehr beeinflusst? War er wirklich gerade dabei, sich selbst umzubringen? Wegen Da'an? Nein! Nein, das würde er nicht tun! Da'an war es nicht wert, dass er wegen ihm sein Leben beendete! Nein, diesen Gefallen würde er ihm nicht tun!

Liam ließ die Glasscherbe fallen und stand auf. Ihm war noch schwindeliger als zuvor, jetzt nicht nur wegen des Alkohols sondern auch aufgrund des Blutverlustes. Er ging zum Schrank, nahm ein Taschentuch heraus und setzte sich wieder auf das Sofa. Dann knotete er das Taschentuch um sein Handgelenk, legte sich wieder hin und schloss die Augen.

Fast sofort fiel er in einen unruhigen Schlaf.

 
* * *
 

Da'an ging in der Botschaft auf und ab. Es war inzwischen Morgen und Liam hätte bereits vor über einer Stunde kommen sollen. Aber er war nicht da, ganz wie Da'an gefürchtete hatte. Vielleicht würde er den jungen Mischling niemals wiedersehen.

Aber vielleicht war Liam ja auch etwas zugestoßen. Es gab zumindest eine kleine Chance, dass es gar nicht Liams eigener Wunsch war nicht da zu sein.
Schließlich entschied sich Da'an dazu, ihn anzurufen. Vielleicht brauchte Liam ja Hilfe. Und wenn sein Beschützer ihm sagen würde, dass er niemals zurückkäme, dann würde Da'an es zumindest mit Sicherheit wissen.

 
*
 

Liam wurde vom konstanten Piepen seines Globals geweckt. Er setzte sich auf und stellte fest, dass ihm inzwischen nicht mehr ganz so schwindelig war. Aber er hatte noch immer Kopfschmerzen und jetzt, da der Effekt des Alkohols nachgelassen hatte, spürte er auch den Schmerz in seinem Handgelenk. Er fühlte sich zu schwach zum Aufstehen und so kroch er mehr oder weniger zu seiner Jacke und nahm das Global aus der Tasche. Er hatte Probleme, die Augen offen zu halten, so müde war er.
Schließlich schaffte er es, das Global zu öffnen und sah Da'ans besorgtes Gesicht.

„Was wollen Sie?”, fragte Liam nicht gerade freundlich.

Da'an war vom Aussehen seines Beschützers schockiert. Seine Augen waren rot und geschwollen und es schien ihm, als würde der junge Mann jeden Moment einschlafen. Jedenfalls fielen seine Augen immer wieder halb zu. Sein Gesicht war blass und seine Haare total durcheinander. Während er auf das Global sah, schien er leicht zu schwanken.

„Liam, geht es Ihnen gut?”
„Natürlich”, antwortete Liam ironisch, „warum sollte es mir nicht gut gehen?”
„Liam bitte, sind Sie krank?”
„Nein, das bin ich nicht. Aber warten Sie nicht auf mich, ich werde nicht kommen. Vielleicht sollten Sie sich besser nach einem neuen Beschützer umsehen.”
„Liam, Sie sehen aus, als ob... Was ist Ihnen zugestoßen?”
„Was mir zugestoßen ist? Müssen Sie das wirklich fragen? SIE sind mir zugestoßen!”

Liam sah, wie der Taelon bei diesen Worten seine Fassade verlor.
„Liam, ich... ich möchte mit Ihnen sprechen...”
„Oh, plötzlich doch? Nun, ich werde nicht kommen. Vielleicht später, sagen wir in einem Jahr oder so.”
„Liam bitte, ich möchte erklären...”
„Nein Da'an”, unterbrach ihn Liam. „Ich habe genug von Ihren Lügen. Ich werde nicht mehr zur Botschaft zurück kommen. Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe!”

Da'an schien kurz nachzudenken und fragte schließlich: „Liam, sind Sie zu Hause?”
Als Liam keine Antwort gab, fuhr er fort: „Wenn Sie nicht zu mir kommen wollen, dann werde ich zu Ihnen kommen.”

Jetzt war Liam wirklich etwas überrascht. Konnte es wirklich sein, dass Da'an seine Handlungen erklären wollte? Nun, er würde ihm nicht wieder vertrauen!
„Tun Sie, was Sie müssen, Da'an, aber denken Sie nicht, dass ich Ihren süßen Lügen jemals wieder glauben werde. Wissen Sie was? Sie sind schlimmer als Zo'or! Ich habe immer gewusst, dass ich Zo'or nicht vertrauen kann, ich habe seine Meinung bezüglich der Menschheit immer gekannt. Aber Sie? Sie haben mich dazu gebracht, an Sie zu glauben, Sie haben... ach, vergessen Sie es.”
Liam sah, wie Da'ans Fassade bei seinen Worten erneut flackerte. „Fragen Sie im Flat Planet, man wird Ihnen den Weg zeigen. Die Tür ist offen.” Dann schloss er das Global.

Liam dachte kurz über Da'ans Worte nach und fragte sich, was der Taelon eigentlich wollte. Warum wollte er zu ihm kommen? Nun, er würde es ja bald wissen und eigentlich war es ihm relativ egal.
Liam stolperte zur Tür und schloss sie auf, so dass sie von außen geöffnet werden konnte. Dann ging er wieder zum Sofa und ließ sich darauf fallen. Er war so verdammt müde.

 
* * *
 

Als Da'an vor Liams Wohnungstür stand, befahl er dem Freiwilligen, der ihn begleitet hatte, im Shuttle auf ihn zu warten. Dann klopfte er leise und trat ein.

Das erste, was ihm auffiel, war das Chaos. Es sah so aus, als hätte jemand blind vor Wut alles in Reichweite zerstört. Dann fiel Da'an auch der Alkoholgeruch auf und er sah die vielen leeren Flaschen.

Schließlich sah er seinen schlafenden Beschützer auf dem Sofa. Liam hatte die Knie angezogen und sein Gesicht war in Wut und Traurigkeit verzerrt. Sein Schlaf war sehr unruhig und er stöhnte leise.

Da'an kniete sich neben das Sofa und berührte Liam vorsichtig an der Wange.
„Liam”, flüsterte er, „wach auf.”

Liam öffnete langsam die Augen und schreckte sofort zurück, als er Da'an sah und dessen Berührung spürte. Durch die abrupte Bewegung explodierte der Schmerz förmlich in seinem Kopf und er stöhnte laut.
„Liam?”, fragte Da'an besorgt und streckte seine Hand nach dem jungen Mann aus. „Was...”
„Nein”, sagte Liam wütend, „fassen Sie mich nicht an!”
Da'an ließ seine Hand fallen und sah zu Boden, als Liam aber erneut stöhnte, fragte er: „Liam, sind Sie krank? Brauchen Sie einen Heiler?”
„Nein, es ist nur ein Kater, denke ich.”
„Ein Kater?”
„Sehen Sie die Flaschen?”
„Ja.”
„Sie waren voll Alkohol, ich habe sie ausgetrunken.”
„Aber...”

„Nein!”, unterbrach ihn Liam. „Nein, fragen Sie nicht warum! Wagen Sie es ja nicht, nach dem Warum zu fragen! Wenn Sie es wirklich nicht wissen, dann haben Sie nichts verstanden! Nichts davon, was Sie mir angetan haben! Wenn Sie sich das Warum wirklich nicht denken können, dann gehen Sie!”

Nach einigen Sekunden des Schweigens sagte Da'an schließlich: „Ich wollte mit Ihnen über... meinen... Verrat sprechen. Ich wollte mich erklären.”
„Plötzlich doch? In Ordnung, sagen Sie, was Sie zu sagen haben. Aber machen Sie es bitte kurz. Ich habe schreckliche Kopfschmerzen und würde gerne weiterschlafen. Und übrigens, wenn Sie mir wieder eine Ihrer Lügen erzählen wollen, dann lassen Sie es lieber und gehen sofort. Ich habe nämlich genug davon.”

Da'an hob erneut seine Hand und sagte: „Bitte Liam, lassen Sie mich Ihren Schmerz lindern, bitte!”
Liam antwortete nicht, nickte aber schließlich und schloss die Augen. Er hatte nichts zu verlieren, schlimmer konnten die Kopfschmerzen wirklich nicht mehr werden. Bald spürte er Da'ans kühle Hand auf seiner Stirn. Langsam verringerte sich der Schmerz in seinem Kopf und war schließlich ganz verschwunden. Nur sein Handgelenk tat noch immer weh. Er öffnete die Augen und sah auf seinen linken Arm, der noch immer in das jetzt blutige Taschentuch gehüllt war.

„Was ist das?”, fragte Da'an.
„Nichts, ich weiß es nicht mehr genau”, log Liam. „Ich glaube, ich habe mich geschnitten, als ich eine der Flasche fallen gelassen habe. Es ist nichts.”

Nach einem Moment des Schweigens sagte Liam schließlich: „Können Sie mir jetzt bitte sagen, warum Sie gekommen sind?”

Da'an holte tief Luft und antwortete: „Liam, ich weiß, dass ich Sie verletzt habe, Sie betrogen habe, aber glauben Sie mir, ich habe keinen anderen Weg gesehen!”
„Aber warum, Da'an, warum?”
„Zo'or hat vermutet, dass ich mehr über den Wiederstand weiß, als ich ihm erzählt habe. Er hätte mich ganz sicher verhaftet, wenn ich ihm keinen eindeutigen Beweis geliefert hätte, dass ich unserer Spezies gegenüber noch immer loyal bin. Liam, Sie wissen nicht, was das bedeutet hätte! Zo'or hat Mittel und Wege um an mein Wissen heranzukommen! Er hätte alles herausgefunden! Alles über Sie, über den Wiederstand, über alles, was ich vor ihm geheim halte. Der Schaden wäre viel größer gewesen! Ich musste mich entscheiden, und ich entschied mich für das, was ich für das kleinere Übel hielt!”

Da'an sah Liam an. Der junge Mann dachte augenscheinlich über das Gehörte nach. Schließlich sagte er: „Da'an, ich verstehe es irgendwie, aber... sagen Sie mir eins: Warum sagen Sie immer, Sie hätten Zo'ors Vertrauen zurückgewinnen müssen? Zo'ors, nicht das der Synode! Ich kann Ihnen sagen, was Sie hätten tun können: Sie wissen so viel über Zo'or, Sie wissen von vielen Dingen, die er gegen den Willen der Synode getan hat! Es wäre ein leichtes für Sie, dafür zu sorgen, dass er abgesetzt wird. Würden Sie der Synode alles erzählen, dann würden Sie selbst sicher bald Synodenführer sein! Aber statt dessen finden Sie immer neue Entschuldigungen für ihn und beschützen ihn. Ich verstehe das einfach nicht.”

Da'an sagte nur: „Nein, Sie können es nicht verstehen. Sie wissen nicht alles.”
„Nein, das tue ich nicht. Und ich denke, Sie werden es mir auch nicht sagen, so wie immer. Warum sind Sie dann gekommen? Sie haben Ihr Ziel erreicht, Sie haben Zo'ors Vertrauen zurück. Es macht doch nichts, dass Sie mich mit Ihren Handlungen zerstören. Denn jetzt weiß ich, dass Sie sich nicht wirklich etwas aus mir machen, das haben Sie noch nie. Ich war nur eine weitere Figur in Ihrem Spiel, eine, die Sie zu Ihrem Nutzen einsetzten konnten. Sie haben meine Jugend und mein Vertrauen in Sie ausgenutzt, meine Gefühle für Sie... aber Sie selbst haben niemals wirklich etwas für mich empfunden.”

Erneut fühlte Liam die Tränen und tat nichts, um sie zurückzuhalten. Da'an hatte ihn zu tief verletzt und er wollte, dass der Taelon genau wusste, was er getan hatte.

„Liam, das ist nicht wahr! Ich empfinde sehr viel für Sie, Sie sind mir sehr wichtig!”
„Nein”, flüsterte Liam, „das bin ich nicht. Wenn Sie wirklich etwas für mich fühlen würden, dann hätten Sie anders gehandelt. Oh Da'an, ich glaube, Sie verstehen noch immer nicht wirklich, was Sie mir angetan haben.”
„Doch, ich verstehe es. Ich habe Ihr Vertrauen missbraucht und den Tod Ihrer Freunde verursacht.”

„Darum geht es doch gar nicht! Oh, natürlich geht es darum, aber... Oh Da'an, haben Sie überhaupt die leiseste Ahnung, was ich für Sie empfunden habe? Sie... Sie waren für mich immer... mein... wie eine Art... Elternteil. Ich habe Sie geliebt! Aber Sie... Sie...”
Liams Worte wurden immer mehr von Schluchzen unterbrochen und schließlich begrub er sein Gesicht in den Händen. Er konnte es einfach nicht mehr ertragen. Er wollte nur noch, dass Da'an jetzt ginge und nie mehr wiederkäme.

Da'an verlor bei Liams Worten kurz seine Fassade. Er hatte immer gewusst, dass Liam ihn als einen Mentor ansah, aber dass er so tiefe Gefühle hatte... Und jetzt saß der Mann, nein, das Kind, erinnerte Da'an sich selbst, da und weinte wegen ihm. Plötzlich wurde ihm die ganze Tragweite dessen, was er getan hatte, klar: Er war für Liam ein Elternteil gewesen, jemand, den er innig geliebt hatte. Und er, Da'an, hatte ihn betrogen, den Tod seiner Freunde verursacht und ihn selbst in Lebensgefahr gebracht! Und Liam war doch eigentlich noch ein Kind. Da'an neigte dazu, das wegen seines äußeren Erscheinungsbildes zu vergessen.

Langsam stand Da'an vom Boden auf und setzte sich neben Liam. Er nahm ihm die Hände vom Gesicht und blickte ihm in die Augen.
„Liam, bitte glauben Sie mir, dass Sie mir wirklich wichtig sind! Sie bedeuten mir viel, Sie sind schon immer beinahe wie ein eigenes Kind für mich gewesen. Ich hätte anders gehandelt, wenn ich eine andere Möglichkeit gesehen hätte!”

Liam sah ihn eine Zeit lang einfach nur an. Langsam hörte sein Schluchzen auf und auch die Tränen versiegten.
„Warum sollte ich Ihnen glauben, Da'an? Ich habe Ihnen bereits gesagt, was Sie hätten tun können. Und sagen Sie jetzt nicht, Sie wären sich dieser Option nicht bewusst gewesen!”

Da'an erblaute und drehte den Kopf weg. „Aber das hätte bedeutet, Zo'or zu vernichten”, flüsterte er.
„Ja! Und? Wissen Sie, wie ich es sehe? Sie hatten die Wahl, Sie konnten entweder Zo'or vernichten oder mich betrügen und so zerstören. Sie hatten die Wahl zwischen jemandem, der sie belogen und betrogen hat, der versucht hat, Sie töten zu lassen, und mir. Und da sagen Sie mir jetzt, ich wäre beinahe wie ein eigenes Kind für Sie! Wie soll ich das nach der Wahl, die Sie getroffen haben, glauben?”

Da'an sagte nichts darauf, nur seine noch immer flackernde Fassade zeigte seine innere Unentschlossenheit. Zo'or hatte ihm befohlen, niemals irgendeinem Menschen von ihrer Beziehung zueinander zu erzählen. Aber jetzt stand er kurz davor, Liam alles zu sagen. Er verdiente es einfach, bescheid zu wissen.

„Ich habe wohl den wunden Punkt getroffen, nicht wahr?”, fuhr Liam fort, als Da'an still blieb. „Wären Ihre Gefühle für mich wirklich so stark, dann hätten Sie sich niemals so entschieden. Es ist doch alles Lüge! Geben Sie es einfach zu, Da'an, und dann gehen Sie! Lassen Sie mich in Ruhe, und zwar für immer!”

„Liam, Sie... Sie haben recht, wenn Sie sagen ich hätte mich auf gewisse Weise zwischen Ihnen und Zo'or entscheiden müssen. Und ja, ich habe mich für Zo'or entschieden. Aber nicht, weil er ein Taelon ist und Sie nicht oder weil ich nichts für Sie empfinde. Ich tat es, weil...”
Da'an unterbrach sich und verlor erneut seine Fassade. Schließlich aber sah er Liam in die Augen und fuhr leise fort: „Zo'or ist mein Kind.”

Im ersten Augenblick dachte Liam, er hätte sich verhört, aber dann sah er die tiefe Traurigkeit in Da'ans Augen. Er wusste nicht, was er hätte sagen sollen.

„Liam, Sie haben ja keine Ahnung, wie das ist. Wie es ist, Kind für Kind zur Welt zu bringen und zusehen zu müssen, wie sie alle in Stasis kommen. Zu wissen, dass Sie sie höchstwahrscheinlich niemals wiedersehen werden. Und Zo'or... Zo'or war der einzige, der fähig war zu leben, mein einziges Kind. Ich weiß, dass er meine Gefühle nicht erwidert, ich weiß er ist... grausam, aber... Ich kann ihn nicht zerstören, ich kann einfach nicht! Er bedeutet mir mehr als mein eigenes Leben, er ist alles für mich. Ich würde alles, wirklich alles tun, um ihn zu beschützen. Ich weiß, dass es sowohl für die Menschen als auch für die Taelons nicht gut ist, dass er unser Führer ist, aber ich werde nichts tun, was ihm schadet, nichts!” Da'an seufzte. „Ich erwarte nicht, dass Sie das verstehen.”

Liam schwieg noch immer. Er sah Da'an an, der seinen Kopf wieder weggedreht hatte und auf den Boden starrte. Er wusste, dieses Mal hatte Da'an nicht gelogen und seine Worte erklärten vieles, was Liam zuvor nie verstanden hatte. Er dachte an Sandoval und wie er ihn mit seiner Blutspende gerettet hatte. Wie er den Mann gerettet hatte, der schon so viele Tode verursacht hatte und der unzweifelhaft eine Gefahr für die Menschheit war. Er hatte ihn gerettet, weil er sein Vater war.

„Ich verstehe Sie besser, als Sie glauben”, flüsterte er schließlich.
Da'an sah ihn wieder an. „Ich glaube nicht, dass Sie das wirklich können, Liam. Können Sie sich vorstellen, wie es ist, ihn jeden Tag so zu sehen? Zu sehen, wie er Sie hasst? Zu wissen, dass er Sie am liebsten tot sehen würde?”
„Ja.”

Liam nahm Da'ans Hand in seine. „Oh Da'an, warum haben Sie mir das nicht früher erzählt? Es erklärt so vieles.”
„Zo'or, er hat es mir verboten. Und außerdem dachte ich nicht, dass Sie mich verstehen würden.”
„Aber das tue ich!”

Als Da'an ihn fragend ansah, fuhr er fort: „Ich kann mir vorstellen, wie Sie für Ihr Kind fühlen, denn es ist wohl in etwa dasselbe wie bei mir und meinem Vater.”
„Ihrem Vater? Aber Ha'gel ist tot.”
„Ich meine nicht Ha'gel, ich spreche von meinem menschlichen Vater. Wissen Sie, wer es ist?”
„Nein, ich dachte ich hätte nicht das Recht Sie zu fragen, wenn Sie es mir nicht von selbst sagen würden.”
Liam holte tief Luft, ehe er fortfuhr. „Es ist Sandoval.”
„Oh”, war Da'ans einziger Kommentar.
„Wie Sie sehen, verstehe ich Ihr Problem sehr gut. Sie wissen, dass Sandoval sehr krank war?”
Als Da'an nickte, fuhr Liam fort: „Er wäre ohne die Blutspende eines engen Verwandten gestorben. Es gab niemanden sonst, also gab ich mein Blut. Ich habe ihn gerettet. Ich habe einen Mann gerettet, der für die Menschheit eine Bedrohung darstellt. Ich habe den gerettet, der mich höchstwahrscheinlich am liebsten tot sehen würde. Weil er mein Vater ist.”
Liam seufzte. „Wie Sie sehen, kann ich Sie sehr gut verstehen. Und nachdem ich jetzt die Wahrheit kenne, bin ich wohl der letzte, der sich erlauben kann, Sie zu verurteilen.”
Liam sah den Taelon traurig an. „Wenigstens kann ich mir selbst sagen, dass er keine Ahnung hat. Ein Trost, den Sie nicht haben.”

Da'an schloss die Augen und flüsterte: „Ich habe mich längst daran gewöhnt.”
„Das meinen Sie nicht ernst, Da'an”, erwiderte Liam und strich leicht mit den Fingerspitzen über die Wange des Taelons.
„Nein”, war die leise, traurige Antwort.

Danach schwiegen beide für längere Zeit, versunken in ihre eigenen Gedanken. Aber schließlich sah Da'an auf.
„Es sieht so aus, als sitzen wir beide in der Falle, Liam.”
„Auf gewisse Weise, ja. Aber vielleicht können wir ja jetzt beide einmal ehrlich sein. Ich sage Ihnen jetzt, dass ich alles tun werde, um für Frieden zu sorgen. Sollte ich aber vor die Wahl gestellt werden, dann werde ich mich immer für die Menschheit und nicht für die Taelons entscheiden. Ich werde Sie immer nach besten Kräften beschützen, mit meinen eigenen Leben. Aber sollte ich mich jemals zwischen Ihrem Leben und Sandovals entscheiden müssen, dann kann ich Ihnen nicht versprechen, dass ich mich für Ihres entscheide.”
„Ich werde auch versuchen, Frieden zu schaffen, Liam, aber ich werde niemals mein Volk verraten. Und Sie müssen verstehen, dass ich wirklich viel für Sie empfinde, dass mir Zo'ors Leben am Ende jedoch am wichtigsten ist. Ich werde ihm nicht schaden und immer versuchen, ihn zu beschützen.”

„Ok, Da'an”, sagte Liam mit einem leichten Lächeln. „Ich denke da haben wir eine Basis, von der aus wir weitermachen können. Wenigsten weiß jetzt jeder, woran er wirklich ist.”
„Sie werden also zurückkommen?”
„Ja.”

Da'an lächelte sanft und griff wieder nach Liams Hand. „Ich bin froh. Ich hatte befürchtet, ich hätte Sie für immer verloren. Und ich möchte Sie nicht verlieren.”
Sein Blick fiel auf das blutige Taschentuch um Liams Handgelenk und er fuhr fort: „Lassen Sie mich sehen.”
Liam zog die Hand zurück und blickte zu Boden. „Es ist nichts, Da'an.”

Da'an sah ihn erstaunt an und nahm die linke Hand seines Beschützers vorsichtig in seine. Dann knotete er das Taschentuch auf und starrte auf den Schnitt. Er war kurz, aber gerade und direkt in der Ader. Ein Ausdruck von Verständnis und Schock erschien auf seinem Gesicht. „Liam!”, flüsterte er.

„Es ist nichts, Da'an. Wie Sie sehen, hat es ja schon aufgehört zu bluten.”
„Aber... aber Sie haben es mit Absicht getan!”
Er blickte in Liams Augen und sah die Antwort in ihnen.
„Oh Liam, Liam...”, flüsterte Da'an und strich sanft über die Wunde. „Ich... so etwas... so etwas habe ich nicht gewollt!”
Er fuhr damit fort mit seinen Fingerspitzen leicht über Liams Handgelenk zu streichen. „Es tut mir so leid”, flüsterte er. „Es ist alles meine Schuld. Was habe ich nur getan?”

Dann legte er seine rechte Hand auf die Wunde. Die Hand begann zu leuchten und Liam spürte, wie sich Wärme in seinem Handgelenk ausbreitete. Da'ans Fassade flackerte und verschwand schließlich völlig. Liam fühlte, wie der Schmerz langsam verschwand, und als Da'an seine Hand wegnahm, war der Schnitt verschwunden.

Liam starrte noch auf sein Handgelenk als er bemerkte wie der Taelon schwankte und fing ihn gerade noch auf, bevor er vom Sofa fallen konnte.
„Da'an! Was ist los?”
„Ich bin in Ordnung”, flüsterte der Taelon, „nur erschöpft. Ich... ich muss mich nur ausruhen.”

Liam stand auf und legte Da'an sanft auf das Sofa.
„Da'an, das war unnötig. Es wäre von alleine verheilt.”
„Aber es war meine Schuld. Es tut mir so leid, Liam.”
„Ich weiß, Da'an, jetzt weiß ich es. Und ich verstehe, warum Sie glaubten Sie mussten so handeln, wie Sie es getan haben.”

Er sah sich um und sagte schließlich: „Ich denke, ich muss ein wenig aufräumen. Und duschen. Inzwischen können Sie sich hier ausruhen, in Ordnung? Dann werden wir in die Botschaft zurückkehren. Zusammen.”
Da'an lächelte sanft und entspannte sich.

 

ENDE

 

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