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  „Ein Weihnachtswunsch wird erfüllt” von Kara,   Februar 2011
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte. Für die einen ist es ein Traum, aber für andere kann es zum Alptraum werden.
Zeitpunkt:  Weihnachten, 2. Staffel
Charaktere:  Da'an, Zo'or, Liam Kincaid, Ronald Sandoval, Familie Merriweather und diverse Verwandte, (Agent Lassiter, Denny Crane)
 
Anmerkung:  Diese Geschichte wurde als Teil des Adventskalenders 2010 geschrieben.
 

 

EIN WEIHNACHTSWUNSCH WIRD ERFÜLLT

 


rgendwo auf einer abgelegenen Rinderfarm im Nordwesten Montanas, in der Nähe von Whitehall, starrte ein ziemlich frustriertes siebzehnjähriges Mädchen namens Ashley Merriweather in den Spiegel.
Wann kam sie endlich aus diesem langweiligen Kaff heraus? Nie passierte hier mal etwas.

Das letzte aufregende Ereignis fand vor ungefähr vier Jahren statt, als „Ace Hardware” bis auf die Grundmauern abfackelte. Man vermutete Brandstiftung, aber die Täter wurden nie gefasst. Sheriff Bannerman war damals völlig überfordert, sein größter Fall war bis dato ein Fahrraddiebstahl in der High School gewesen.
Ach ja, einen Monat später kamen die Taelons zur Erde. Erst waren alle Einwohner zu Tode erschrocken, dann euphorisch, aber schließlich kehrte schnell der Alltag wieder ein.
Die Farm wurde modernisiert, die Rinder gentechnisch verbessert und das war's auch schon. Typisch Hinterwäldler.
Selbst das monatliche Barbecue war für diese Menschen aufregender, als die Tatsache, das jetzt Aliens auf der Erde waren.
Als Ashley sich entscheiden sollte, auf welches College sie im nächsten Jahr wollte, fiel die erste Wahl eigentlich auf die 2000 Meilen entfernte George Washington University, aber ihre Eltern erhoben berechtigten Einspruch. Nach endlosen Diskussionen ließ man ihr die Wahl zwischen Butte und Bozeman. Ashley entschied sich für letzteres, das war immerhin so um die 40 Meilen weiter von zu Hause entfernt.
Wenigstens teilte ihr fünfzehnjähriger Bruder Jason ihre Begeisterung für die Außerirdischen, aber das war auch schon die einzige Gemeinsamkeit, die sie hatten. Während seine Interessen für Science-Fiction eher so in Richtung Star Trek oder die Star-Wars-Saga tendierte und er manchmal sogar peinlicherweise mit einem Laserschwert durch die Gegend hüpfte, konzentrierte sich Ashley lieber auf die real existierenden Aliens auf diesem Planeten. Wenn sie das College abgeschlossen hatte, würde sie zum FBI gehen und dann Companionbeschützer werden, das war mal sicher. Sie wollte ja schließlich nicht auf irgendeiner Farm versauern.
Ihre ältere Schwester Audrey hingegen war eher bodenständig veranlagt und hatte nur eines im Kopf: wo nehme ich einen respektablen und gutsituierten Ehemann her? Sie war im heiratsfähigen und auch -willigen Alter und ständig auf der Suche nach einem geeigneten Kandidaten. Die Dorftrottel aus der Umgebung kamen natürlich nicht in Frage, denn sie wollte sich ja schließlich verbessern.
Nun mit 22 Jahren war das Verfallsdatum ja auch schon fast überschritten, meinten jedenfalls ihre Eltern.
Ein Wunder, das sie noch auf der Farm wohnen durfte. Das hat mit dem Prestige zu tun, erklärte ihr Vater. Na, wenn er meint. Gut, nachdem sie dreimal hintereinander zur hiesigen Schönheitskönigin gewählt wurde, stand ihr eine gewisse Arroganz wohl auch zu.
Und dann war da noch Grandma, die Mutter ihres Vaters. Körperlich war die zweiundachtzigjährige noch ziemlich rüstig, aber im Oberstübchen ging die Kerze schon seid längerer Zeit auf Sparflamme. Oh, sie war nicht senil oder so, aber es gab einige Dinge, die sie einfach nicht mehr schnallte. Die Ankunft der Taelons zum Beispiel. Oder warum die Kühe jetzt dreimal mehr Milch gaben, als zu ihrer Zeit. Einmal hatte sie ein Global in der Hand und meinte, diese kleinen Fernseher seien aber schwer zu bedienen. Na ja, etwas verwirrt die alte Dame, aber trotzdem mochte Ashley ihre Grandma von allen Verwandten noch am liebsten.
Zu allem Überfluss war schon wieder Weihnachten. Sie hasste dieses Fest, konnte aber nicht genau sagen warum. Es waren viele kleine Dinge, die ihr gehörig auf die Nerven gingen. Das tonnenweise aufgetürmte Weihnachtsgebäck und die themenbezogenen Schokoladenfiguren in den Supermärkten sowie das ständige Gedudel von Weihnachtsliedern aus den Lautsprechern.
Am meisten störte Ashley aber der ganze Trubel, der zu Hause veranstaltet wurde. Pünktlich zur Adventszeit begann jedes Jahr das gleiche Spektakel.
Zuerst wurde jeder Quadratzentimeter der Außenfassade mit Lichterketten bedeckt, dann kamen diverse Plastik-Rentiere nebst Schlitten in den Vorgarten und schließlich überrollte eine rot/grüne Schmückorgie lawinenartig das Hausinnere.
Am Heiligabend versammelte sich die ganze Verwandtschaft auf der Farm, um über die Feiertage gemeinsam Frohsinn und heitere Besinnlichkeit zu zelebrieren. Schon beim Gedanken an den bevorstehenden Gesangsabend vor dem festlich geschmückten Weihnachtsbaum wurde ihr speiübel.
Noch vier Jahre - dann war sie volljährig und konnte das Weite suchen. Washington D.C., das war ihr Ziel, ihr großer Traum. Er war dort. Vielleicht hatte sie ja einmal das große Glück, ihn persönlich kennen zu lernen.
Mit einem tiefen Seufzer drehte Ashley sich um und betrachtete ihre neueste Errungenschaft.
Ein 180x120 cm großes Poster aus der Taelon-Merchandising-Abteilung für den absoluten Schnäppchenpreis von 59,99$ zierte die gegenüberliegende Wand.
Es zeigte den Nordamerikanischen Botschafter Da'an, der einem recht jungenhaften Mann mit Zahnpastalächeln die Hand schüttelte:
Major Liam Kincaid - Companionbeschützer.
Schon rein optisch verkörperte er für sie die Perfektion eines Mannes schlechthin. In ihrer gedankenverlorenen Schwärmerei bemerkte sie gar nicht, wie ihr der Sabber aus dem Mund tropfte.

„Audrey, Ashley, Jason kommt runter und begrüßt die Verwandten!”, riss die resolute Stimme ihrer Mutter sie aus ihren Träumen.
Also gut, es war soweit. Nachdem nun endlich ihre Cousine Denise samt Ehemann Brad und Sohn Luke aufgeschlagen war, konnte das Schauspiel beginnen.
Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel. Schwarze Hose, schlichter beigefarbener Pullover, das reicht. Sie wünschte, dass nur einmal etwas Aufregendes passieren würde und dieses langweilige Weihnachten nicht wieder nach dem vorgeschriebenem Drehbuch ablaufen würde. Mit einem tiefen Seufzer zwang sich Ashley zu einem feiertagsgerechten Lächeln und ging zur Begrüßungszeremonie hinunter.

Unten stand die Bilderbuchfamilie von Kopf bis Fuß in teuren Kunstpelz gehüllt in der Eingangshalle und wurde stürmisch von Ashleys Mutter Ellen begrüßt. Denise und Brad sahen aus wie zwei Yetis, während der zweijährige Knirps eher an einen kleinen, fetten Teddybären erinnerte.
Ashleys Vater Harold hielt sich wie immer schweigend im Hintergrund, er war kein Mann der vielen Worte. Wie auch, bei dem andauernden Redeschwall seiner Frau hatte er eh selten eine Chance, etwas zu sagen.
Aus der Küche stieß Denises Mutter Bree, die ältere Schwester von Ellen, mit stolzgeschwellter Brust zur Truppe.
Mit Recht, schließlich war ihre Tochter eine erfolgreiche Anwältin einer Bostoner Kanzlei, hatte sich eine gute Partie als Ehemann geangelt und ihr einen Enkelsohn geschenkt. Was will eine Mutter mehr?
Sie war schon gestern eingetroffen, um bei den Vorbereitungen und vor allem beim Kochen zu helfen. Ihre Rezepte waren natürlich um Längen besser als die von jeder anderen Hausfrau, schließlich hatte sie einen gut gehenden Catering Service am laufen. Von den bereits veröffentlichen Kochbüchern ganz zu schweigen.
Nachdem die drei Neuankömmlinge aus dem Pelz geschält wurden, begab man sich gemeinsam in den Salon, wo beim folgenden Kaffeekränzchen jeder mit seinen neuesten Erfolgen und Errungenschaften protzen und prahlen konnte. Oh ja, das Konkurrenzverhalten war sehr stark ausgeprägt in dieser Familie.

* * *

In einem Shuttle über Ottawa waren die vier Insassen an diesem Heiligabend mit den unterschiedlichsten mehr oder minder besinnlichen Gedanken beschäftigt.
Sie kamen von einem Treffen mit dem kanadischen Botschafter Que'ec, welches zum Ärger von Liam Kincaid ja auch unbedingt heute stattfinden musste. Diesen Taelons war aber auch nichts heilig. Gut, sie feierten kein Weihnachten und er war relativ neu in seinem Job, aber ein bisschen Rücksichtnahme konnte man doch wohl erwarten, oder? Schließlich war er auch ein Mensch und es war sein erstes Weihnachtsfest, was außer Da'an kein Taelon wusste, aber er hätte ja wenigstens daran denken können.
Ach was soll's, schnell die Taelons zum Mutterschiff kutschieren, dann würde er es noch rechtzeitig zu Augurs Weihnachtsparty schaffen. Viel lieber hätte er mit seiner Familie gefeiert, aber das war ja leider nicht möglich.
Oh, er erinnerte sich da an ein Weihnachtsfest mütterlicherseits, das war ein Festschmaus gewesen.
Frohe Weihnachten Dad, dachte er mit einem ironischen Seitenblick auf Agent Sandoval und brachte das Shuttle in die Interdimension.

Ronald Sandoval sinnierte über ein paar gängige Klischees. Da hatte sich der kanadische Companion doch tatsächlich einen Mountie als Beschützer ausgesucht. Benton Fraser hieß der Constable und hatte mit seiner auffälligen Uniform und der ausgesuchten Höflichkeit einen recht fragwürdigen Eindruck auf den Agent gemacht. Und sein Hund hatte es doch tatsächlich gewagt ihn anzuknurren, unerhört, nicht einen Funken Respekt. Obwohl er sich im Nachhinein nicht mehr ganz sicher war, ob das überhaupt ein Hund war. Hatte etwas Wildes in den Augen, als er ihn fixierte.
Ach was soll's, nur noch die Taelons auf dem Mutterschiff abliefern, Major Kincaid zusammenfalten, dann konnte er sich im Club von einer Geisha bescheren lassen. Frohe Weihnachten Ronny, dachte er voller Vorfreude.

Zo'or war recht zufrieden mit dem Verlauf des Treffens. Que'ec hatte er erfolgreich assimiliert, der würde den Synodenführer unterstützen, da hatte sich der Ausflug doch gelohnt. Sehr gewundert hatte er sich allerdings über den Weihnachtsbaum in der Botschaft. Der Taelon war wohl schon etwas zu lange in der Gesellschaft der Menschen, oder lag es an der Region?
Ach was soll's, jetzt zurück zum Mutterschiff, Agent Sandoval erst beleidigen, dann erniedrigen und noch Da'an loswerden. Anschließend würde er etwas Kryss einwerfen und unter der Energiedusche darüber nachdenken, wie er seine Macht am effizientesten ausweiten konnte. Dieser rückständige Planet und seine primitiven Bewohner sollten seine Spielwiese werden. Nicht Respekt, nein, Furcht würde das Geheimnis seines Erfolges sein.

Da'an war äußerst unzufrieden mit dem Verlauf des Treffens. Er hatte gehofft, Que'ec würde seine Ansichten unterstützen, aber leider hatte dieser sich auf die Seite von Zo'or geschlagen. Früher war ihm nie aufgefallen, dass sein Kind so durchtrieben und machthungrig war. Vor nicht all zu langer Zeit hätte ihn das mit Stolz erfüllt, aber heute war er anders, er hatte seine Sichtweise geändert. Oder war es Boone gewesen, der ihn dazu inspiriert hatte seine Sichtweise zu ändern? Er vermisste ihn und ihre tiefsinnigen Gespräche. Liam war nicht wirklich ein angemessener Ersatz. Zu jung und unerfahren, aber noch formbar.
Ach was soll's, erst einmal Zo'or und Sandoval auf dem Mutterschiff absetzen und den Major nach Hause schicken. Dann würde er sich in die Botschaft zurückziehen, etwas Kryss einwerfen und intensiv unter der Energiedusche darüber nachdenken, wie er doch noch Synodenführer werden konnte. Und warum hörte ihm niemand mehr zu? Wann hatte er seinen Einfluss verloren?

Während die vier ihren Gedanken nachhingen und gemütlich durch die Interdimension flogen, fingen plötzlich die Anzeigen auf dem holographischen Interface an zu flackern und das Shuttle fing an zu bocken. Hektisch fuhren Liams Hände über das Schild. „Wir verlieren Energie, ich muss aus der Interdimension springen.”, informierte er die anderen und handelte umgehend. Zurück im Normalraum versuchte er das trudelnde Shuttle abzufangen und steuerte es auf den Boden zu, wo er schließlich recht unsanft aufsetzte. „Alles in Ordnung?”, drehte er sich fragend nach den anderen Passagieren um.
Agent Sandoval schimmerte etwas blass unter seiner olivfarbenden Haut, während die beiden Taelons nichts von ihrer vornehmen Blässe verloren hatten. Die waren wohl etwas härter im Nehmen, dachte Liam und schenkte Ronny ein hämisches Grinsen. Bevor einer der drei etwas erwidern konnte flackerten die Anzeigen noch einmal grell auf und verschwanden, ebenso wie der Energieschild. Das Shuttle war tot. Sofort pfiff ein eisiger Wind Schneeflocken herein und die Temperaturen sanken rapide unter den Gefrierpunkt. Keine sehr rosigen Aussichten für die beiden Menschen, die nur mit Wintermänteln ausgestattet waren und keine Polarausrüstung dabei hatten.
Die beiden Taelons wechselten einen kurzen Blick, dann nahm Zo'or das Zepter in die Hand.
„Major Kincaid, versuchen Sie das Shuttle wieder in die Luft zu bekommen. Agent Sandoval, Sie bringen in Erfahrung, wo wir uns befinden.”
„Natürlich, Zo'or.”, war Ronnys prompte Reaktion und gehorsam zückte er sein Global. „Kein Empfang.”, lautete seine sofortige Rückmeldung, was ihm einen strafenden Blick seitens des Synodenführers einbrachte. Ronald überspielte das gekonnt, indem er umständlich seine Taschenuhr hervorkramte. Obwohl die Uhr erst halb fünf anzeigte, war es schon ziemlich dunkel. Deprimierend, diese Wintermonate.
Liam nahm derweil das Shuttle genau unter die Lupe. „Das verstehe ich nicht, der Kern ist in Ordnung, die Leitungen sind o.k. Es müsste eigentlich über Energie verfügen.” Schließlich gab er resignierend auf. „Ich weiß nicht, warum es nicht funktioniert. Ich bekomme das Shuttle nicht in Gang.”
„Dann sorgen Sie gefälligst für einen adäquaten Ersatz.”, war die arrogante Antwort von Zo'or.
„Das dürfte etwas schwierig werden ohne eine Verbindung.”, versuchte Da'an zu intervenierten. „Wir sollten eine Alternative in Betracht ziehen.”
„Und sicherlich kannst Du auch eine aufzeigen.”
„Natürlich. Wir sollten die Umgebung nach einer menschlichen Behausung absuchen. Von dort aus können wir dann Hilfe anfordern.”
Der Gedanke war gar nicht mal so blöd, nur wusste keiner, wo sie waren, wohin sie sich wenden und wie sie sich orientieren sollten. Liam brachte es auf den Punkt. „Ja und wie? Es schneit, der Himmel ist wolkenverhangen und wir können keine Sterne sehen. Wir können gar nichts sehen da draußen.”
Wie auf Kommando hörte es plötzlich auf zu schneien, die Wolkendecke riss auf und präsentierte einen sternenklaren Abendhimmel.
Da'an legte den Kopf schief und sah den Major lächelnd an. „Das sollte als Orientierungshilfe ausreichend sein.”
Nach einer kurzen Strategiebesprechung setzten sich die vier in südlicher Richtung in Bewegung.
Die Tatsache, dass dort keine Berge die Aussicht versperrten, versprach die größten Erfolgchancen. Wie die Orgelpfeifen marschierten sie im Gänsemarsch durch den Schnee. Liam spurte an der Spitze, gefolgt von Zo'or und Da'an, das Schlusslicht bildete Ronald. Im fahlen Mondlicht war die Umgebung ziemlich gut zu erkennen und sie kamen, nach taelonischen Geschwindigkeitsmaßstäben gemessen, ziemlich schnell voran.
Zwei Stunden später veranlasste den Major eine Entdeckung voraus zu einer Vollbremsung.
„Licht!”, rief er erleichtert aus und drehte sich zu den anderen um. „Dort sind Gebäude, wir haben es bald geschafft.” Die beiden Taelons nickten nur zustimmend, während Agent Sandoval zähneklappernd versuchte, an den anderen vorbei auch einen Blick auf das kleine Licht in der Ferne zu erhaschen.
„Agent Sandoval, wollten Sie etwas sagen?”, wandte sich Zo'or an den Asiaten.
„Nnnnein, Zooo'or. Mir ... ist ... nur ... kkkkalt.”, klapperte Ronald zurück.
„Jetzt stellen Sie sich nicht so an, wir sind ja bald am Ziel.”, nörgelte der Synodenführer und stapfte wieder Liam hinterher. „Und trödeln Sie nicht so rum.”
„Nnnattttürlich, Zooo'or.”

* * *

Auf der Farm hatte man mittlerweile das Kaffeekränzchen als erledigt abgehakt und versammelte sich, nach einer kurzen Pause zum Frischmachen und Umkleiden für einige der Anwesenden, im Kaminzimmer um den Weihnachtsbaum.
Die Hausherrin hatte sich ihren traditionellen rotgrüngemusterten Weihnachtsrock mit passender Weste übergestreift, dazu eine cremefarbene Bluse mit handgeklöppelten Spitzenbesatz am recht üppigen Dekolleté.
Die Großstädter dagegen hielten nicht viel von den ländlichen Traditionen und demonstrierten eine noble Eleganz. Denise trat im eleganten beigefarbenen Metallic-Dress in Trägerform auf und der Ehemann, seines Zeichens ebenfalls ein erfolgreicher Anwalt in der gleichen Kanzlei wie seine Frau, natürlich im obligatorischen schwarzen Edelzwirn. Den zweijährigen Sohn hatten sie Brutalerweise ebenfalls in die Miniversion eines Anzugs gestopft. Das grenzte schon an Kindesmisshandlung, denn der Zwerg fühlte sich sichtlich unwohl darin und tat seinen Protest auch lauthals in einer allerdings nur ihm selber verständlichen Sprache kund.
Bree hatte sich wieder in die Küche verzogen, es gab da noch etliche Zutaten zu schnippeln, zu backen, zu frittieren, zu braten und sonst irgendwie in diverse leckere Köstlichkeiten zu verwandeln. Was immer dabei herauskommen sollte, auf jeden Fall roch es schon sehr appetitlich und verführerisch im ganzen Haus. Ashley und ihre Schwester Audrey waren zu Küchenhilfen abkommandiert worden und durften ihrer Tante, natürlich unter argwöhnischer Überwachung, zur Hand gehen. Ashley war froh, das sie nicht mit den anderen singen musste und Audrey betrachtete diesen Job als einen weiteren guten Vorbereitungskurs für die Ehe. Liebe ging ja bekanntlich durch den Magen und sie wusste, dass man einen Gatten auch kulinarisch bei Laune halten musste.
Zwischenzeitlich erschien Ellen auf der Bildfläche, um beim Truthahn nach dem Rechten zu sehen, der es sich bei wohlig warmen Temperaturen im Ofen gemütlich gemacht hatte. Bei der Gelegenheit konnte sie aus gegebenem Anlass auch gleich ein paar schwesterliche Sticheleien vom Stapel lassen.
„Nun Bree Mason, mein Vogel ist fast fertig, was ist mit dem Rest? Glaubst Du, Du schaffst es rechtzeitig?”, eröffnete sie das Duell.
„Selbstverständlich werde ich mein Essen gleichzeitig mit Deinem Truthahn auf den Tisch bringen, damit verdiene ich schließlich meinen Lebensunterhalt.”, konterte Bree sofort überheblich. „Und im Übrigen, ich bin verheiratet, also wenn schon den vollen Namen, dann bitte Bree Bauer.”
„So, verheiratet, ja?”, holte Ellen zum nächsten Schlag aus. „Und, wo ist Dein Ehemann an Heiligabend? Wie ich sehe, glänzt er mal wieder mit Abwesenheit.”
„Jack hat einen Einsatz und ist in den nächsten 24 Stunden nicht abkömmlich.”, kam es ziemlich kleinlaut von Bree.
Spiel, Satz und Sieg für Ellen. Hocherhobenen Hauptes rauschte die Gewinnerin aus der Küche.

Grandma war mittlerweile auch aus ihrem Nachmittagsschlaf erwacht und wurde soeben von ihrem Sohn nach unten zu den anderen geleitet. In der Tür blieben sie kurz stehen und beobachteten die Familie.
„Dein Vater fehlt mir zu Weihnachten immer besonders.”, flüsterte sie ihm lächelnd, aber mit einer Träne im Auge, leise zu.
„Ja Ma, mir auch.”, lächelte Harold zurück und drückte sanft ihre Hand.
Der familiäre Gesangsverein schaffte es fünf Lieder in der fast passenden Tonlage runter zu dudeln, bevor endlich die Erlösung in Form des Türgongs kam. Besuch? Am Heiligabend? Verwunderung machte sich breit und nachdem man sich ein paar Minuten etwas ratlos in die Augen gesehen hatte, raffte sich schließlich das Familienoberhaupt auf und schritt Todesmutig zur Eingangstür. „Ich sehe mal nach.”, kommentierte Harold sein Handeln überflüssigerweise. Der Rest der Mannschaft versammelte sich ebenfalls in der Eingangshalle und gruppierte sich im Halbkreis hinter ihm. Der Anblick, der sich ihnen dann bot brannte sich tief und unauslöschlich in das Gedächtnis der Anwesenden ein.
Zwei Menschen, ein zähneklappernder Asiat und ein breit grinsender Weißer, standen mit festgefrorenen Gesichtszügen in Begleitung von zwei äußerst blassen, Fingergymnastik betreibenden, glatzköpfigen Wesen in glänzenden lila Overalls vor der Tür. Flankiert wurde das Quartett von den beiden Rottweilern der Farm, die ihnen zähnefletschend und knurrend zeigten, wer hier das Sagen auf dem Hof hatte.
„Hallo, wir benötigen Ihre Hilfe.”, brachte Liam gerade sein Anliegen vor, als aus dem Haus ein schriller Schrei ertönte. Ashley hatte in diesem Moment realisiert, wer da vor der Tür stand und brachte ihre Begeisterung in typischer Teenagermanier zum Ausdruck.
„Ich muss mich umziehen.”, legte sie die weitere logische Vorgehensweise fest und verschwand im Eiltempo nach oben. Während Ashley mit bis zum Hals klopfenden Herzen den Kleiderschrank nach einem sexy, aber nicht nuttig aussehendem Outfit durchwühlte, wurden unten die Besucher hereingebeten.
„Hallo, ich bin Harold Merriweather. Das sind meine Frau Ellen, mein Tochter Audrey, mein Sohn Jason, meine Schwägerin Bree Bauer, deren Tochter Denise mit Ehemann Brad Chase und Sohn Luke. Und das ist meine Mutter, Mary Ellen. Die Sirene, die sie gehört haben, war meine Tochter Ashley.” Gut, das war die ganze Familie und der längste Satz, den Harold heute von sich gegeben hatte. Dank CVI würde sich wenigstens Agent Sandoval alle Namen merken können.
„Major Liam Kincaid. Das ist Agent Ronald Sandoval, der Synodenführer Zo'or und der Nordamerikanische Companion Da'an.”, stellte Liam seinerseits vor. „Eine Frage, wo sind wir? Ich musste unser Shuttle notlanden und wir hatten seid dem keine Satellitenverbindung.”
„Acht Meilen bis Whitehall.” Eine präzise Ortsangabe. „Montana.” Hilfreiche Ergänzung.
„Aha. Haben Sie ein Telefon, mit dem wir Hilfe anfordern können?”
„Ja. Ähm nein.” Klare Antwort.
„Unsere Verbindung ist gestern beim Sturm zusammengebrochen.”, stoppte Ellen den Redeschwall ihres Mannes und übernahm die Konversation. „Kommen Sie doch erst einmal rein und wärmen Sie sich auf. Dann sehen wir, was wir machen können.” Sie schnappte sich Ronald, hakte ihn am linken Arm unter und Zo'or am rechten, worauf hin dieser gleich protestierte. „Ich bin der Führer der Synode!”
„Das ist fein.”, zeigte sich Ellen wenig beeindruckt. „Harold führt den Farmerverband, wissen Sie. Da hat man eine große Verantwortung, wenn man so eine Position übernimmt. Meinen Sie nicht auch?”
Sie zerrte die beiden rüber ins Kaminzimmer, während sie weiterhin auf sie einredete. „Ist Ihnen nicht kalt in Ihrem dünnen Anzug? Sie müssen ja fürchterlich frieren. Der Agent hat ja wenigstens noch einen Mantel an. Hier, setzen Sie sich ans Feuer.”, drückte Ellen die beiden in die Sessel vor dem Kamin. Während Zo'or etwas sprachlos ob dieser Respektlosigkeit seiner Person gegenüber steif sitzen blieb, streckte Ronald dankbar seine Gliedmaßen dem wärmenden Feuer entgegen. So langsam kehrte auch das Gefühl in Arme und Beine zurück. Täuschte er sich, oder hatte sein Skrill gerade wohlig gezischt?
Audrey kam mit zwei frisch aufgegossenen Tassen Tee aus der Küche. Wow, aufgetaut sah der Asiat ja richtig niedlich aus. Sie nahm sofort die Witterung auf und fand, dass er voll in ihr Beuteschema passte. Mit einem bezaubernden Lächeln reichte sie Ronald den Tee. Die andere Tasse drückte sie dem Taelon in die Hand, welcher sie resignierend entgegennahm. Diese penetranten Menschen hatten wirklich keine Ahnung, wer er eigentlich war. Das musste er ihnen bei Gelegenheit mal erklären, wenn er denn zu Wort kommen würde. Was in nächster Zeit aber nicht in Aussicht stand, denn Ellen redete weiterhin ohne Punkt und Komma auf ihn ein. Zo'or beschloss erst einmal, sich in höflicher Zurückhaltung zu üben, denn schließlich war er im Moment auf die Hilfe dieser Menschen angewiesen.

Liam stand mit Da'an noch in der Eingangshalle und versuchte sein Glück wieder bei Harold. „Haben Sie vielleicht ein Gefährt, mit dem wir nach Whitehall fahren können?”
„Einen Pistenbully.”
„Gut.”
„Geht aber nicht.”
„Wieso, ist er kaputt?”, sank Liams aufkeimende Euphorie gleich wieder auf den Nullpunkt.
„Nein, Schneesturm.”, deutete Harold zum Fenster. Draußen sah man schon wieder nicht die Hand vor Augen.
„Verflixt.”, das war ja wie verhext an diesem Tag. Da'an legte beschwichtigend seine Hand auf Liams Arm und wandte sich an den Farmer. „Wir wären sehr dankbar, wenn wir in Ihrem Haus das Unwetter abwarten könnten.”
„Geht klar.”, sollte soviel heißen wie: willkommen in meinem Heim.

Ashley war inzwischen in ein passendes Outfit geschlüpft, das kleine Schwarze mit einem Spitzenbolero sowie dazu passenden High Heels, und schlich gerade Katzengleich von hinten an das vornehmliche Objekt ihrer Begierde heran.
„Hallo, ich bin Ashley.”, hauchte Sie dem Major zu.
„Ähm, Liam Kincaid.”, drehte sich der Angesprochene zu ihr um und ergriff die graziös dargebotene Hand. „Sehr erfreut Liam.”, wurde er sogleich mit einem koketten Augenaufschlag bedacht. Wow, in Echt sah er ja noch viel besser aus.
„Und Sie sind Da'an.”, wandte sie sich an den Botschafter und formte die Hände zum Taelongruß. „Sinaui Euhura.”
„Sinaui Euhura.”, erwiderte der Companion erfreut. „Ich bin von Ihrer guten Aussprache beeindruckt.”
„Bitte, kommen Sie doch mit rüber.”, hakte Ashley den Major unter und steuerte auf das Kaminzimmer zu, wobei sie einen hoffnungsvollen Blick auf den Mistelzweig warf, der im Türrahmen hing.

„Ashley, Audrey, ich brauche hier dringend Hilfe!”, drang die verzweifelte Stimme ihrer Tante an die Ohren der gerade intensiv mit Balzritualen beschäftigten Mädchen. Musste das jetzt sein, dachten beide simultan. Mit einem leichten Seufzer trennten sich die zwei vom jeweilig Auserkorenen und fanden sich mit einem leicht verklärten Blick in der Küche ein.
„Das wurde aber auch Zeit.”, begrüßte Bree die beiden ungehalten. „Audrey, das Gemüse und die Füllung in die Schüsseln. Ashley, Du legst drüben noch vier Gedecke auf. Und schick Deine Mutter her, ihr Truthahn ist fertig.”

Eine halbe Stunde später waren alle im Salon am Esstisch versammelt. Die unerwarteten Gäste wurden gar nicht lange eingeladen, sondern einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Essen würde man jetzt so oder so, also wurde ihnen eigentlich keine Wahl gelassen. Major Kincaid und Agent Sandoval waren darüber sehr dankbar, denn der Magen hing ihnen schon ziemlich in der Kniekehle.
Harold eröffnete das Weihnachtsessen mit einem kleinen Tischgebet, welches immerhin aus drei vollen Sätzen bestand, und begann dann den Truthahn zu tranchieren.

Zo'or saß steif und mit einem überheblichen Gesichtsausdruck auf seinem Platz und versuchte den abweisenden Eindruck eines überlegenen Wesens zu vermitteln. Mit nur mäßigem Erfolg, denn Jason starrte ihn die ganze Zeit ungeniert an und die neben ihm sitzende Grandma versuchte ihm ein Gespräch aufzudrängeln. „Wollen Sie helles oder dunkles Fleisch?”
„Weder noch.”
„Oh, ein Vegetarier. Na macht ja nichts. Dann nehmen Sie etwas von dem Süßkartoffelauflauf und Gemüse dazu.”, legte sie fest und klatschte ihm einen Löffel Bohnen mit Speck auf den Teller.
„Sie verstehen anscheinend nicht. Ich esse nicht.”
„Machen Sie etwa eine Diät? Junger Mann, Sie sind dünn genug. Sie müssen etwas essen.” Neben dem bereits auf dem Teller platziertem Auflauf und dem Gemüse gesellte sie noch etwas Füllung dazu. „So und jetzt ordentlich zugelangt.”, klopfte sie dem Synodenführer auf den Rücken. Das war dann doch zuviel, der Taelon ließ seinen Ärger in Form von überwiegend rot leuchtenden Energiebahnen durch die Fassade schimmern.
„Cool.”, war die belohnende Reaktion von Jason. Vielleicht waren diese Taelons doch nicht so langweilig.
Zo'or!”, war die mahnende Reaktion von Da'an. Er würde doch nicht etwa die Beherrschung verlieren.
Nein, tat er nicht. Der Synodenführer beherrschte sich und festigte seine Fassade. Grandma hatte davon gar nichts mitbekommen und quatschte ihn weiterhin munter von der Seite an. „Sagen Sie mal, junger Mann, Sie und ihr Freund laufen wohl bei den Eiskunstlauf Meisterschaften in Calgary mit?”
„Wie meinen?”, totale Verwirrung auf der Seite des Taelon.
„Na, Sie waren doch in Kanada und die Kostüme haben Sie ja auch noch an.” Die alte Frau war tot!
„Grandma, das sind keine Kostüme.”, versuchte Jason seine Oma zu retten. „Die laufen immer so rum. Die beiden sind Taelons, Außerirdische.”
„Ach, waren Sie das auch 1947 in Roswell?” Das wurde ja immer besser.

Audrey reichte dem zufällig neben ihr sitzenden Ronald diverse Speisen zur Auswahl. Ein Ehering, bemerkte sie plötzlich, wie schade. Komisch, normalerweise roch sie doch verheiratete Männer drei Meilen gegen den Wind. Da musste sie aber unbedingt nachhaken. „Ihre Frau muss sehr traurig sein, das Sie heute am Heiligabend alleine zu Hause sitzt.”, flötete sie mit Engelszungen.
„Ich bin Witwer.”, kam es kühl zurück.
Gut! „Oh, das tut mir aber leid.”, versuchte Audrey ehrliches Bedauern vorzuheucheln, legte theatralisch die rechte Hand auf ihren bebenden Busen und beugte sich zum Agent rüber. „Können Sie sich denn vorstellen, dass Sie noch einmal heiraten, wenn Ihnen die richtige Frau begegnet?”
Ronald äugte argwöhnisch auf das verlockende Dekolleté vor seiner Nase und versuchte sich auf das Essen auf seinem Teller zu konzentrieren. Gar nicht so einfach bei den recht appetitlichen Aussichten und er hoffte inständig, dass das CVI nicht seinen Geist aufgab.
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Denise war hingebungsvoll damit beschäftigt, ihren Nachwuchs mit Nahrung zu versorgen. Dem Kleinen Kerl wurde das Essen in Kindermund gerechte Häppchen zerlegt und dann bekam er artgerecht eine Kindergabel in die Hand gedrückt. Anscheinend war er aber noch nicht sehr vertraut im Umgang mit dem Besteck, denn er gebrauchte sie eher wie eine Forke. Ein Happen wurde vom Teller per Zufallsprinzip aufgespießt und im großen Bogen zum weit geöffneten Mund in Form eines Scheunentores geführt. Einführen, abziehen und mit lautem Schmatzen den Bissen durchlutschen. Anschließend den Brei runterwürgen und das nächste Ziel anpeilen. Mütter scheinen Nerven aus Drahtseile zu besitzen, denn Denise war die Einzige in der näheren Umgebung, die diese Geräuschkulisse nicht enervierend fand. Selbst Brad, der als ehemaliger Major im Marine Corps einiges gewohnt war, riss nach dem zehnten Bissen der Geduldsfaden.
„Luke, mach den Mund zu beim Essen.” Unverständliches Gegluckse und ein aus Versehen mit rausgerutschter Rülpser waren die Antwort seines Sprösslings.
„Luke, Du bist zwei Jahre alt, bitte benimm Dich entsprechend.” Zweite Mahnung.
„Ohoh.” Und eine ungenierte Fortsetzung der Schmatzorgie waren die unbeeindruckte Reaktion.
„Luke, höre gefälligst, wenn ich Dir was sage.”, versuchte Brad Autorität zu vermitteln.
„Höhö.” Lustiges Spiel.
Abschließende Machtdemonstration. „Ich bin Dein Vater!” Und Ende der Diskussion.
Einsetzen der Heulsirene von jung Luke und ein vorwurfsvoller Blick von Denise war die Folge. „Brad, also wirklich. War das jetzt nötig?” Sie schnappte sich den Jungen und brachte ihn zum Tröstknuddeln nach nebenan.
Jason starrte jetzt zur Abwechslung mal nicht Zo'or, sondern seinen Onkel mit weit offenen Mund an. Fast glaubte er einen schwarzen Helm und asthmaerzeugte Atemgeräusche wahrzunehmen, aber plötzlich drängte sich der Gedanke an Buzz Lightyear auf. Verdammtes Kopfkino, dachte er und wandte sich lieber wieder dem Taelon zu. Vielleicht zog der ja noch einmal die Lightshow ab.

Ashley hatte sich natürlich neben Liam platziert und war, ähnlich wie ihre Schwester, mehr mit ihrem Tischnachbarn als mit ihrem Essen beschäftigt. „Es muss sehr aufregend sein für die Taelons zu arbeiten.”, eröffnete sie die Spiele. „Mhm, ja ist es.”, murmelte Liam mit vollem Mund. Das Essen war vielleicht lecker, so eine gute Hausmannskost bekam er selten vorgesetzt.
„Da müssen Sie sicher auch rund um die Uhr abrufbereit sein.”
„Nein, ganz so schlimm ist es nicht.” Ein weiteres Stück Fleisch landete auf seinem Teller. „Ich habe schon Freizeit.”
„Sie haben sicher auch eine verständnisvolle Freundin.”, angelte Ashley vorsichtig weiter.
„Oh, ich habe keine Freundin.” Dieser Süßkartoffelauflauf, einfach köstlich. Und erst die Füllung, da mussten Maronen drin sein.
„Ach wirklich, das hätte ich nicht gedacht.” Mit einem verführerischen Lächeln rückte Ashley ihren Stuhl näher zum Major. „Ein so gut aussehender Mann wie Sie.”
Liam blieb die Gabel im Mund stecken und verzweifelt fragte er sich, wo er in der Unterhaltung nur falsch abgebogen war.

Da'an fand das ganze sehr faszinierend und konnte sich gar nicht satt sehen an diesen seltsamen menschlichen Ritualen. Mit fast kindlicher Begeisterung versuchte er allen Handlungen am Tisch zu folgen. Schließlich begann er eine angeregte, wenn auch ziemlich einsilbige, Unterhaltung mit Harold. „Wenn ich das richtig verstanden habe, betreiben Sie hier eine Farm.”
„Ja.”
„Mich würde interessieren, welche Art von landwirtschaftlicher Produktion Sie hier betreiben.”
„Rinder.”
„Ah, Tiere also. Wissen Sie, wir Taelons haben auch etwas Ähnliches. Wir besitzen einige Felder auf der Erde. Allerdings haben wir uns darauf spezialisiert, Pflanzen von unserem Heimatplaneten zu züchten. Wir versuchen, dass sie hier heimisch werden. Das gestaltet sich momentan noch sehr schwierig, da diese Pflanzen ganz besondere Ansprüche an ihre Aufzucht stellen.”
„Lohnt sich der Aufwand?” Wow, ein ganzer Satz!
„Zurzeit sind unsere Erträge noch nicht sehr lukrativ, aber Dank der Zusammenarbeit mit Reverend Murray werden unsere Bemühungen bald Früchte tragen.”, versicherte der Taelon voller Zuversicht.

Zwei geschlagene Stunden lang dauerte die Schlemmerorgie, bis endlich auch das abschließende Dessert in Form von diversen Küchlein und Süßspeisen verzehrt war.
Zo'or ließ sich die ganze Zeit, nur mühsam beherrscht, von Grandma ein Ohr abkauen und dachte dabei angestrengt über verschiedene Exekutionsarten nach.
Liam und Ronald erwehrten sich tapfer den Avancen ihrer Tischdamen.
Während Audrey bereits an die Flitterwochen auf den Bahamas dachte, zog Agent Sandoval ernsthaft ihre Unterbringung im Vandewater Institute in Betracht.
Ashley schwebte auf Wolke sieben und konnte nicht aufhören Liam fortwährend anzuhimmeln, während der Major sich in starker Zurückhaltung übte und über die Konsequenzen einer Anzeige wegen der Verführung einer Minderjährigen nachdachte.
Da'an plauderte weiter mit dem wortkargen Harold über diverse geplante Unternehmen der Taelons. Endlich hörte ihm mal einer zu ohne Ihn ständig zu kritisieren und sein unlauteren Absichten in Frage zu stellen. Harold hingegen hörte eh nur mit einem Ohr hin, in seiner langjährigen Ehe hatte er gelernt unerwünschte Geräusche auszublenden, und warf lieber ein wachsames Auge auf Major Kincaid und seine jüngste Tochter. Wehe, wenn da irgendwelche unsittlichen Dinge passierten.
Plötzlich zerstörte das Piepsen eines Global die allgemeine heitere Plauderei. Stille. Verwunderung.
Ronald realisierte, dass es seines war und riss es hastig aus der Tasche. „Ja?”
„Agent Sandoval, na endlich. Wir versuchen schon ...”
„Lassiter!”. Ronald sprang wie von der Tarantel gestochen auf und riss dabei seinen Stuhl um. „Holen Sie uns hier raus!”, schrie er mit panischer Stimme aus. „SOFORT!”

Eine viertel Stunde später landete Agent Lassiter ein Shuttle auf der Farm und beobachtete verwundert, wie Agent Sandoval, Major Kincaid und Zo'or hektisch auf ihn zu gerannt kamen, während Da'an sich an der Haustür noch von ein paar Leuten zu verabschieden schien. Nachdem der Botschafter dann auch endlich herübergeschlendert war und Platz genommen hatte, brachte Agent Lassiter die vier aufs Mutterschiff.
Im Hangar stand ihr Shuttle, mit dem sie am Nachmittag in Kanada gestartet waren.
Sie wurden darüber unterrichtet, dass man eine Stunde nach Ihrem Abflug ein Notsignal empfangen hatte und das Gefährt verlassen, aber voll funktionstüchtig, aufgefunden wurde. Von den Insassen fehlte jedoch jede Spur. Auch in der Umgebung waren keine Anzeichen auf ihr Verbleiben zu entdecken. Man versuchte sie über Global zu erreichen, das Signal wurde laut Anzeige auch empfangen, aber niemand meldete sich.
Orten konnte man das Signal seltsamerweise auch nicht, es sprang immer wieder an einen anderen Standort, als ob es absichtlich umgeleitet wurde.

Zo'or beschuldigte Agent Lassiter der stümperhaften Inkompetenz und beauftragte Agent Sandoval mit einer umfassenden Untersuchung. „Bringen Sie mir jemanden, den ich bestrafen kann.”, lautete sein Anweisung.
Danach zog er sich in seine Privaträume zurück, aber nicht um zu regenerieren. Der Synodenführer warf etwas Kryss ein und rief einen Datenstrom über ein Projekt Namens Second Chances auf. Alte Menschen durch einen Jungbrunnen schicken, eigentlich doch keine all zu schlechte Idee. Vielleicht hatte er voreilig abgelehnt, mit einigen Modifikationen wäre das Projekt sicher ganz brauchbar. Und er hatte auch schon eine geeignete Kandidatin als Testperson im Auge.

Ronald Sandoval zückte seine Taschenuhr. Noch eine Stunde bis Mitternacht. Heute würde er mit der Untersuchung bestimmt nicht mehr beginnen. Der Synodenführer wollte jemanden, den er bestrafen konnte? Kein Problem, er kannte genügend Subjekte, die er denunzieren konnte. Wie wäre es zum Beispiel mit diesem Schwarzen, wie hieß er noch gleich? Ach ja, Marcus Devereaux. Mal sehen, vielleicht hob er sich den aber auch für schlechtere Zeiten auf. Er konnte glücklicherweise wählerisch sein, bei dem Vorrat, den er hatte.
Der Gedanke, jetzt noch in den Club zu gehen rief auch nicht gerade Glücksgefühle hervor. Irgendwie war sein Bedarf an nackter Haut für heute gedeckt. Obwohl, eine Erinnerungsblockade wäre schon eine Überlegung wert. Nur eine Stunde, das sollte reichen.

Da'an begab sich in die Botschaft, warf etwas Kryss ein und genoss die berauschende Wirkung. Er musste unbedingt auf die Dosierung achten. Der Taelon wollte sich gerade unter die Energiedusche legen, als plötzlich sein Blick auf die Visitenkarte fiel, die ihm Brad Chase noch zugesteckt hatte. „Falls Sie mal einen Anwalt brauchen”, hatte dieser mit einem smarten Lächeln gesagt. „Manche in der Kanzlei sind etwas exzentrisch, aber wir verklagen jeden wegen allem.”
Einem Impuls folgend öffnete der Taelon einen Datenstrom und stellte die Verbindung her.
„Denny Crane.”, meldete sich ein etwas korpulenter Mann im älteren Semester am anderen Ende der Leitung.
„Da'an, nordamerikanischer Companion.”, stellte sich der Taelon vor.
„Soso, ein Taelon. Ich war mal Captain meines eigenen Raumschiffs... Mhm, egal.”, murmelte Denny vor sich hin und schüttelte den Kopf. „Denny Crane. Was kann ich für Sie tun?”
Für einen Moment war der Botschafter etwas irritiert, aber dann schilderte er sein Anliegen. „Ich will die Synode verklagen, man hat den falschen Taelon zum Führer ernannt. Diese Position stand eigentlich mir zu.”, versicherte er dem Anwalt. „Können Sie mir helfen?”
„Der Fall ist so gut wie gewonnen.” Das war doch mal eine Ansage.
„Sind Sie sicher?”
„Denny Crane.”

Liam Kincaid wollte nicht mehr zu Augurs Party. Nachdem er seinen Companion in der Botschaft abgeliefert hatte ging er in seine Wohnung, um über die Ereignisse der letzten Stunden zu reflektieren und vor dem Fernseher noch etwas abzuschalten.
Oh, eine alte Serie lief gerade, sogar noch in schwarz weiß.
„Es gibt eine fünfte Dimension jenseits der menschlichen Erfahrung - eine Dimension, so gewaltig wie der Weltraum und so zeitlos wie die Ewigkeit...”
Das klang ja interessant, mal sehen wo das hinführt.
„...Dies ist die Dimension der Fantasie, das Reich der Dämmerung - die Twilight Zone.”
„Ich glaube, da war ich heute.”

* * *

Irgendwo auf einer abgelegenen Rinderfarm im Nordwesten Montanas, in der Nähe von Whitehall, blickte ein siebzehnjähriges Mädchen namens Ashley Merriweather sehr zufrieden in den Spiegel. Weihnachten war dieses Jahr doch richtig gut gelaufen. Eigentlich ist dieses Fest doch nicht so übel, wie sie immer gedacht hatte. Na mal sehen, was das nächste Jahr so alles bringt.
Da'an hatte versprochen, das er wiederkommen würde. Und wo der Taelon war, da durfte Liam natürlich nicht fehlen. Sie konnte es kaum erwarten und wünschte, es würde schon sehr bald so weit sein.
Glücklich warf sich Ashley aufs Bett und lauschte den Klängen eines Weihnachtsliedes im Radio.

”We wish you a Merry Christmas.
We wish you a Merry Christmas.
We wish you a Merry Christmas and a Happy New Year”

 

ENDE

 

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