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  „Begegnung” von Kara,   August 2011
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Eine Begegnung mit Folgen. Die Geschichte über den Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen der schönsten Taelon der Galaxis Zi'ra und der Baumdrachin Kara.
Zeitpunkt:  in der Serie unbestimmt, vor der „Baumweihnacht”
Charaktere:  Kara, Zi'ra, Da'an, Liam Kincaid, (Naraina Durrant)
 

 

BEGEGNUNG

 

„Freundschaft fängt immer mit einer Begegnung an, irgendwie, irgendwo, irgendwann.”

* * *

Ein sanfter Windhauch zog über die auf der Spitze noch schneebedeckte Bergkette und es versprach ein wunderschöner warmer Frühlingsmorgen zu werden.
Auf einer sonnenüberfluteten grünen Waldlichtung, die von einem silbrigglänzenden Bachlauf durchzogen wurde, stand ein anthrazitfarbener weiblicher Drache. Fasziniert starrte Sie auf ein blau leuchtendes Energiewesen, welches regungslos in einiger Entfernung stand.
Der Taelon!
Sie hatte ihn schon öfter hier gesehen, aber jedes Mal löste er sich in eine Art weißen Nebel auf, bevor sie mit ihm sprechen konnte. Doch diesmal würde das nicht passieren, sie war fest entschlossen sein Verschwinden auf jeden Fall zu verhindern, auch wenn sie im Moment noch keine Ahnung hatte wie sie das anstellen sollte.

...„Kara.”...
Drang eine wohlklingende, ja fast schon melodische Stimme leise an ihr Ohr. Er sprach zu ihr!
Diesmal würde sie mit ihm reden, da war sie sich ganz sicher. Langsam und vorsichtig ging sie auf den Taelon zu. Wie wunderschön er doch in seiner natürlichen Form aussah, ohne diese weiße menschliche Fassade. Sein Körper war transparent und wie ein filigranes Netz durchzogen von blauen und violetten Energiebahnen.

...„Kara.”...
Woher kannte er nur ihren Namen? Und wieso kam ihr diese Stimme so bekannt vor?
Die Drachin stand jetzt dem Taelon direkt gegenüber und neigte graziös ihren Kopf zu ihm herab.
Es waren wohl die blausten Augen, in die sie je gesehen hatte - wenn man hier überhaupt von Augen sprechen konnte. Sie überkam das starke Gefühl, als ob sie ihm in die Seele schauen konnte, soweit dieses Wesen denn eine besaß. Das Tier spürte eine Art Verbundenheit zwischen ihnen beiden und...

...„KARA!”...
„WAS?” Erschrocken und verwirrt riss die Drachin den Kopf hoch und starrte in zwei braune Augen, welche zu einer jungen hübschen Brünetten gehörten, die ihr lächelnd gegenüber stand.
Ihre Kleidung, eine Jeans und eine Strickjacke, passte nicht so recht zu dem Bogen, den sie in der Hand hielt, und dem mit Pfeilen gefülltem Köcher an ihrer Schulter.
Ihr Name war Naraina Durrant und gemeinsam mit ihrem Gefährten Kyle führte sie die Enklave Die Kinder der Erde, welche ihr Vater bereits in ihrer Kindheit gegründet hatte.
Die Menschen lebten hier im Nordosten von Wyoming fast völlig von der Außenwelt zurückgezogen, ohne Technologie und im Einklang mit der Natur. Dadurch qualifizierte sich dieser Ort zum idealen Winterquartier für einen Baumdrachen, der Wert auf eine ruhige Unterkunft und eine gepflegte Unterhaltung legte.
„Naraina, Du hast mich rausgerissen - schon wieder”, seufzte Kara ein wenig vorwurfsvoll, erhob sich und dehnte erst einmal ihre Gliedmaßen ausgiebig bis zur Belastungsgrenze. Dabei nahmen ihre gewaltigen Flügel fast die gesamte Breite der Höhle ein, welche ihr momentan als Unterschlupf diente.
Naraina Durrant zeigte sich sichtlich beeindruckt von dieser Darbietung. „Tut mir leid, das ich Dich geweckt habe, aber ich muss mit Dir sprechen”, sie war heilfroh, dass sie dieses etwas bedrohlich aussehende, gut zwei Meter große Tier zu ihren Freunden zählen konnte. „Du hast wieder von dem Taelon geträumt, stimmt's?”
„Ja, so wie jede Nacht.” Kara klappte die Flügel wieder zusammen, legte den Kopf schief und blickte die junge Frau fragend an. „Naraina, glaubst Du nicht auch, das es etwas zu bedeuten hat?” Nachdenklich begann die Drachin hin und her zu laufen, während sie weiter sprach. „Ich meine, das kann kein Zufall sein. Seid Wochen träume ich nun schon von diesem Taelon und vor zwei Tagen habe ich in Cody gehört, das der Nordamerikanische Companion Da'an dort den neuen pädiatrischen Flügel im West Park Hospital eröffnen wird.”
Kara schüttelte unwillig den Kopf und schnaubte verächtlich. „Ich schwöre Dir, das wird ein Riesenspektakel. Sie zeigten so einen widerlich kitschigen Werbespot auf der großen Anzeigetafel im Stadion. Und dann der Slogan: Taelon's und Menschen gemeinsam für eine heilsame Zukunft.”
„Ja, ich habe auch gehört, dass er herkommen wird und genau darüber wollte ich mit Dir sprechen.” Naraina stellte sich der Drachin entschlossen in den Weg, hob den Zeigefinger und wollte gerade zur vorher sorgfältig eingeübten Standpauke ansetzen, doch dann stutzte sie. „Du warst schon wieder in Cody?”
„Ich hatte Hunger und der Schinken war alle.” Kara versuchte mit einem verlegenden Grinsen von ihrer Unvorsichtigkeit abzulenken. „Keine Sorge, die Räucherei wird nachts nicht bewacht”, versicherte sie der jungen Frau.
„Das glaube ich einfach nicht, wie kannst Du nur so leichtsinnig sein”, stöhnte Naraina. „Aber das ist jetzt nicht so wichtig. Was ich eigentlich sagen wollte: Du kannst nicht hier bleiben, solange Da'an sich in der Stadt aufhält. Es ist zu gefährlich, Cody ist nur 80 Meilen entfernt. Liam ist sein Beschützer, er wird ihn begleiten und es kann gut sein, das er uns hier besucht.”
„Ob er dann den Taelon mitbringt?”
„Kara!”
„Was denn?”
Naraina rollte mit den Augen und versuchte Kara den Ernst der Lage zu erklären. „Liam wird mit dem Shuttle hierher fliegen. Ich kenne mich mit diesen Dingen nicht aus, aber sie können Dich bestimmt mit irgendwelchen Sensoren oder so was aufspüren.”
Kara schüttelte energisch den Kopf. „Nein, ich bleibe. So eine günstige Gelegenheit ergibt sich vielleicht nie wieder.”
Aufgeregt drehte die Drachin sich um, wobei ihr Schwanz mit dem Hornpik am Ende gefährlich dicht am Kopf der jungen Frau vorbeisauste. Erschrocken wand sich Kara zu Naraina - nichts passiert. Nur ein missbilligender Blick kam aus ihrer Richtung.
„So was stures und bockiges habe ich noch nicht erlebt”, murmelte Naraina vor sich hin, dann versuchte sie eine andere Taktik. „Bitte, sei doch vernünftig. Ich mag gar nicht daran denken, was sie alles mit Dir anstellen würden, wenn Du ihnen in die Hände fällst.”
„Aber ...”
„Kein aber, niemand sollte von Deiner Existenz erfahren. Das hast Du mir selbst oft genug gesagt.”
Die junge Frau trat zu Kara und legte sanft ihre Hand auf deren Hals. „Wir haben nicht sehr oft Kontakt mit der Zivilisation dort draußen und Du bist bei uns sicher, aber vor einer Entdeckung durch eine hoch entwickelte außerirdische Technologie können wir Dich hier nicht beschützen.”
„Also gut, Du hast ja Recht. Es wird sowieso langsam Zeit, das ich mir ein gemütliches Sommerquartier suche.”, gab die Drachin endlich nach, „Vor 100 Jahren war es auf diesem Kontinent noch viel leichter, sich zu verstecken. Mmmh, vielleicht Hawaii - oder Disneyland, was meinst Du?”
„Sehr witzig. Was ist Disneyland?”

* * *

Missmutig lief Zi'ra durch die Gänge des Mutterschiffes in Richtung des nächsten Portals.
Da'an hatte um ihre Anwesenheit in der Botschaft gebeten. GEBETEN. Das kam bei ihm einem Befehl gleich.
Was er wohl jetzt schon wieder wollte. In letzter Zeit schien er sehr großen Wert auf ihre Anwesenheit zu legen und schleifte sie ständig zu irgendwelchen Mensch-Taelon-Veranstaltungen mit.
Trotzig warf sie die langen schwarzen Haare zurück und beglückte im Vorbeigehen einen Freiwilligen mit einem zornigen Blick, woraufhin dieser auch brav den Fußboden auf eventuelle Löcher absuchte. Irgendwie befriedigt ob dieser Wirkung zauberte sich wie von selbst ein Lächeln auf ihre Lippen. Funktioniert doch immer wieder, dachte sie belustigt.
Wenig später erschien die Taelon schon etwas besser gelaunt im Portal der Washingtoner Botschaft und begab sich zum Büro des Nordamerikanischen Companion.
Da'an saß auf seinem Thron und sah ihr freundlich entgegen. „Zi'ra, schön dass Du meiner Bitte so unverzüglich Folge leisten konntest.”
„Da'an, es freut mich immer Dich zu sehen.” Als ob sie eine Wahl gehabt hätte.
„Was wolltest Du mit mir besprechen?”, kam sie ohne weitere Umschweife zur Sache.
Mit Bestimmtheit würde er als Einleitung wieder einen seiner Vorträge mit sorgsam ausgewählten Worten über die Bedeutung der Taelongemeinschaft halten oder wie wichtig die Menschheit für das Überleben ihrer Spezies sei.
„Wie Dir sicher bewusst ist, hat ein jedes Mitglied des Gemeinwesens seinen vorbestimmten Platz in unserer Gemeinschaft und diese zwingende aber doch für das Fortbestehen unserer Spezies notwendige Bürde kann unter Umständen dazu führen...”
Zi'ra stöhnte innerlich auf und Da'an's Stimme reduzierte sich zu einem leise murmelnden Bach.
Das darf doch nicht wahr sein. Warum war sie heute überhaupt aufgestanden und warum hatte sie den Datenstrom geöffnet? Sie könnte jetzt gerade Mit'gai mit vorgetäuschten Beschwerden zur Verzweiflung treiben oder Agent Sandoval's Gehorsam und seine Geduld austesten, indem sie ihn mit sinnlosen Besorgungen durch das Mutterschiff scheuchte. Aber nein, sie hatte ja nicht auf die kleine innere Stimme hören wollen, die sie so eindringlich warnte. Selbst Schuld, das hatte sie nun davon.
Das Murmeln verstärkte sich wieder zu verständlichen Worten.
„...und ich würde es begrüßen, wenn Du mich begleitest.”
Äh, was? Wohin begleiten? „Aber natürlich Da'an, es ist mir ein Vergnügen”, versicherte die Taelon ernsthaft, obwohl sie keine Ahnung hatte worum es eigentlich ging.
Leicht irritiert blickte der ältere Taelon auf die vor ihm stehende Zi'ra herab. Das war ja einfach gewesen, so ganz ohne Gegenwehr. Normalerweise würde sie ihm jetzt fadenscheinige Argumente präsentieren, die gegen ihre Begleitung sprachen. Wieso war sie plötzlich so kooperativ?
„Nun, das freut mich”, sprach er weiter und lächelte sanft, um gekonnt seine Unsicherheit zu überspielen. „Major Kincaid war sich ziemlich sicher, dass Dir dieser Ausflug gefallen würde.”
Mit einer eleganten Geste seiner rechten Hand unterstrich er die Bedeutung seiner Worte. „Er kann ziemlich überzeugend sein, wenn er die Vorzüge unserer gemeinsamen öffentlichen Auftritte schildert und seine Argumentation bezüglich Deiner Anwesenheit bei der Veranstaltung war stichhaltig.”
Kincaid hatte ihr das also eingebrockt. Na warte, darüber würde sie noch einmal ausführlich mit ihm sprechen müssen. Aber was für ein Ausflug? Langsam stieg so etwas wie Panik in der Taelon auf, hätte sie doch nur zugehört. Wenigstens dieses eine Mal. Plötzlich kam ihr die zündende Idee, wie sie den Taelon zu einer groben Zusammenfassung seiner Rede bringen könnte.
Mit einem Pokerface blickte sie prüfend an sich herab. „Ich werde zum Mutterschiff zurückkehren, um die passende Kleidung für diese bedeutende Veranstaltung auszuwählen.” So, das müsste Da'an aus der Reserve locken. Und Zi'ra hatte richtig vermutet. So etwas profanes, wie die Wahl von Kleidungsstücken, ging weit über den Horizont des Taelon hinaus. Seine Fassade begann zu flackern und ein blaues Leuchten zog über seinen Körper. Nachdem er sich wieder gefestigt hatte, sprach er mit ungewohnt strenger Stimme. „Zi'ra! Wir werden in Cody den neuen pädiatrischen Flügel im West Park Hospital eröffnen und nicht die Fashion Week in Paris. Niemand in Wyoming interessiert sich dafür, was Du trägst.”
Das sah Zi'ra zwar etwas anders, wagte es aber nicht zu widersprechen. All zu sehr wollte sie ihn dann doch nicht reizen. Außerdem hatte sie ihr Ziel ja erreicht - sie wusste jetzt endlich, worum es ging. Informativ! Und sicherlich sterbenslangweilig, wie die Menschen es ausdrücken würden.
Die Taelon senkte schnell den Kopf um ihr siegreiches Lächeln zu verbergen. Ja, es war immer gut zu wissen, wie man jemanden funktionierte, um ihn erfolgreich manipulieren zu können.
Da'an hingegen interpretierte ihre Geste natürlich als Reue und war sofort wieder milde gestimmt. Er versuchte einzulenken. „Deine Kleidung ist dem Anlass entsprechend durchaus angemessen.”
Das war nicht mal übertrieben, wenn man menschliche Maßstäbe anwendete. Das knielange Stretch Etui Kleid unterstrich sehr vorteilhaft ihre weiblichen Reize, und der auberginenfarbene Satin vermittelte eine zurückhaltende Eleganz, die zu fast jedem Anlass passte.
Da'an erhob sich von seinem Thron und wie auf Kommando erschien Liam auf der Bildfläche.
Zi'ra schüttelte kaum merklich den Kopf. Der hatte doch sicher wieder hinter der Ecke gelauert und sich köstlich über die beiden Außerirdischen und ihre Spielchen amüsiert.
Er zwinkerte ihr schelmisch zu. „Zi'ra, wie schön, dass Sie es einrichten konnten uns zu begleiten. Da'an, das Shuttle ist bereit, wir können sofort aufbrechen.”
Da die Kleiderfrage ja nun geklärt war, konnten die drei sich ohne weitere Verzögerung zur Landeplattform begeben. Nachdem sie ihre Plätze eingenommen hatten, aktivierte der Major das holographische Schild-Interface und sprang in die Interdimension mit dem Ziel Wyoming.

* * *

„Was ist Disneyland?”, wiederholte Kara und sah Naraina ungläubig an. „Ach, vergiss es”, schüttelte sie dann resignierend den Kopf. „Ihr seht nicht viel von der Welt da draußen, oder?”
Die junge Frau zuckte nur mit den Schultern. „Es ist uns nicht wichtig.”
Die Drachin begab sich in den hinteren Teil der Höhle und kam mit zwei Schinken, die an einem Band aus ihrem im Maul baumelten, wieder zurück.
„Und was soll das jetzt werden?”, fragte Naraina erstaunt.
„Na Proviant für unterwegs”, murmelte die Drachin mit vollem Maul. „Ich weiß doch nicht, wie lange ich unterwegs bin und wann ich wieder zum Einkaufen komme.”
„Du könntest jagen”, entgegnete Naraina.
„JAGEN?” Lautstark knallten die Schinken auf den Boden und Kara sah die Frau entgeistert mit weit aufgerissenen Augen an. „Du meinst so richtig mit TÖTEN?”
„Ja”, lautete die schlichte Antwort.
„Niemals!” Beleidigt drehte die Drachin den Kopf zur Seite. „Ich habe noch nie getötet.”
„Aber du ernährst Dich doch auch von Fleisch.”
Aber dann ist es bereits TOT”, schnaubte Kara empört. „Und außerdem bevorzuge ich es auch noch gebraten, gegrillt, gekocht oder wenigstens geräuchert, auf jeden Fall nicht mehr lebendig und auch nicht roh.”
Verständnislos blickte Naraina das Tier an. Wo lag das Problem? Sie selbst war mit der Jagd aufgewachsen und es gehörte für sie zum natürlichen Kreislauf des Lebens. Fressen und gefressen werden. Töten und getötet werden. Wenn man fressen will, muss man eben manchmal auch zwangsläufig etwas töten. „Du bist ein Drache!”, entgegnete sie daher mit der festen Überzeugung, dass diese Tatsache alles erklären würde.
„Und wie viele Drachen kennst Du?”
Das war in der Tat ein gutes Argument. „Außer Dir? Keinen”, lachte Naraina und gab sich geschlagen. Ein letztes Mal strich sie ihr sanft über den Hals. „Ich wünsche Dir einen schönen Sommer und pass gut auf Dich auf, ja?”
Kara quittierte die Berührung mit einem wohligen Schnurrlaut. „Mach Dir keine Sorgen, wir sehen uns im Herbst wieder”, erwiderte sie, schnappte sich im vorbeigehen die Fleischstücke und ging zum Höhlenausgang. Auf dem felsigen Vorsprung sah sie sich noch einmal kurz um und verzog das Maul zähnezeigend zu einem breiten Grinsen, was einer gewissen Ironie nicht entbehrte, da ihr zu beiden Seiten die Schinken runterhingen. Die Drachin stieß sich kräftig vom Felsen ab, breitete zeitgleich ihre Flügel aus und mit ein paar kräftigen Schlägen war sie in der Luft und gewann schnell an Höhe. Naraina schaute ihr besorgt hinterher, hoffentlich passierte ihrer ungewöhnlichen Freundin nichts.

* * *

Fasziniert betrachte Zi'ra den Interdimensionstunnel. Das Farbspiel fand sie immer wieder überwältigend, auch wenn sie des Öfteren in einem Shuttle flog und der Anblick nichts Neues für sie war, konnte sie sich einfach nicht daran satt sehen. Ein Seitenblick auf Da'an zeigte ihr, dass er gleichermaßen die Aussicht bewunderte. Schönheit lag ja bekanntlich im Auge des Betrachters und ein Taelon war durchaus in der Lage, sich an dieser Ästhetik zu erfreuen.
Liam hingegen hatte keine Zeit, den Anblick zu genießen. Er konzentrierte sich voll und ganz darauf, das Shuttle zu fliegen und die Anzeigen im Auge zu behalten, schließlich war er nicht zu seinem Vergnügen hier. Oder doch? Vielleicht konnte er ja das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden und noch einen kleinen Bonus herausschlagen.
„Da'an, da die Eröffnung Ihr einziger Termin für heute ist, hätte ich noch eine interessante Abwechslung vorzuschlagen”, legte er vorsichtig den Haken aus, „Der Yellowstone Nationalpark befindet sich in der Nähe von Cody und es gibt dort einige beeindruckende Naturschauspiele und auch einige inzwischen seltene Tierarten zu bewundern.”
Der Taelon nahm den Köder bereitwillig auf. „Liam, das ist eine gute Idee. Ich habe schon von der Schönheit der hiesigen landschaftlichen Vielfalt gehört und würde sie mir gerne ansehen.” Lächelnd wandte er sich zu seiner Begleiterin. „Zi'ra, was meinst Du?”
Begeisterung sah sicher anders aus, als der Ausdruck auf dem Gesicht der jungen Taelon. Es war schon schlimm genug, dass er sie zu dieser Eröffnung mitschleifen wollte. Aber jetzt sollte sie als Krönung des Tages auch noch auf einem Familienausflug durch die Botanik latschen. Toll, ganz toll. „Danke Major, das ist wirklich eine gute Idee. Der perfekte Rahmen für einen gelungenen Tag.”
Ja, danke Liam, auch darüber würde sie sich noch einmal ernsthaft mit ihm unterhalten müssen. Aber nicht, solange Da'an in der Nähe war. Er reagierte doch immer etwas irritiert auf ihre Kritik an Major Kincaid. Im Moment war es wohl klüger, den Mund zu halten und wieder einmal gute Mine zum bösen Spiel zu machen.
Der Major grinste zufrieden vor sich hin, er hatte sich eine kleine Auszeit verschafft und vielleicht ergab sich auch die Möglichkeit, Naraina Durrant in der Enklave zu besuchen. Freundschaften mussten schließlich gepflegt werden, damit sie prächtig gedeihen konnten.
Die Anzeigen zeigten ihm, dass sie ihren Zielort bereits erreicht hatten und somit setzte er an, plötzlich recht gut gelaunt, mit dem Shuttle aus der Interdimension zu springen.

* * *

Kara flog in Richtung Westen, um sich tiefer in die Berge zurückziehen zu können. Geschickt wechselte sie im Flug die Schinken aus dem Maul in die vorderen Klauen um mehr Bewegungsfreiheit für den Kopf zu bekommen. So konnte sie sich besser orientieren und das Risiko des Verfliegens reduzierte sich auf ein Minimum.
Die Drachin überflog gerade eine der dichten Waldflächen, als plötzlich ein ohrenbetäubender dumpfer Knall ertönte. Kurz vor ihr öffnete sich eine Art weißer Ring und es schoss ein lilafarbenes riesiges Insekt? direkt auf sie zu.
„Wow, was zum ...”, erschrocken schmiss sie sich reaktionsschnell mit aller Kraft zurück, indem sie ihre Flügel zu einem heftigen Schlag nach vorne drückte. Dieses Manöver brachte Kara allerdings durch das zusätzliche Gewicht des Fleisches, welches die Drachin auf gar keinen Fall loslassen wollte, in eine gefährliche Rückenlage und sie sackte plötzlich ab, ähnlich einem Flugzeug, das in ein Luftloch geriet.
„Scheiße!”

* * *

Kaum, dass das Shuttle die Interdimension verlassen hatte, meldete sich auch schon lautstark der Annäherungsalarm. Der Major versuchte sich anhand der Sensoren einen Überblick zu verschaffen, um herauszufinden, was sich denn da von wo näherte und mit ihnen zu kollidieren drohte.
„Werden wir angegriffen?”
„Stürzen wir ab?”
„Ich weiß es nicht”, antwortete Liam leicht gereizt, denn die Fragen der beiden Taelon's waren jetzt nicht sehr hilfreich.
Und er wusste es wirklich nicht, denn es wurde nur eine große undefinierte Masse angezeigt, die ihnen auf ihrer Flugbahn entgegen kam. Doch was er jetzt durch das virtuelle Schild vor ihnen sah verschlug ihm die Sprache. Trotzdem hatte er noch die Geistesgegenwärtigkeit, das Shuttle nach oben zu ziehen, während das Ding plötzlich auch die Richtung wechselte, glücklicherweise aber nach unten.
„Was war das?”

* * *

Katzengleich drehte sich die Drachin um ihre eigene Achse, wobei sie mit ihrem Schwanz das Gewicht ausbalancierte und schoss dann spiralförmig mit angelegten Flügeln dem Wald entgegen. Nur kapp über den Wipfeln fing sie den Sturz ab, indem sie die Flügel wieder aufspannte und diese als Gleitsegel benutzte. Elegant glitt Kara über die hohen Nadelbäume hinweg, während sie ihre Hautfarbe dem dunklen Grün unter ihr anpasste. Der perfekte Tarnmodus!
Das Taelonshuttle, Kara war sich inzwischen sicher, dass dies eins war obwohl sie noch keines gesehen hatte, drehte weiter oben einen großen Bogen und überflog den Wald. Die würden sicher nach ihr suchen und Naraina hatte doch irgendetwas von Sensoren gemurmelt.
Ein Versteck wäre jetzt ideal, nur fiel der Wald hier als Kandidat leider aus, denn die Bäume standen zu dicht beieinander, um gefahrlos landen zu können.
Die Drachin roch plötzlich Wasser, viel Wasser nach der Intensität des Geruches zu urteilen.
Natürlich - der Yellowstone Lake! Warum war ihr der nicht gleich eingefallen, er lag zwar ein paar Meilen weiter südlich, aber es müsste zu schaffen sein. Kurz entschlossen führte Kara die erforderliche Kurskorrektur durch und folgte ihrem ausgeprägten Geruchssinn in Richtung See.

* * *

„Ich habe keine Ahnung, was das war, Da'an”, murmelte Liam etwas unsicher, denn das, was er eben glaubte gesehen zu haben, war völlig unmöglich. Es gab keine Drachen, das war nur eine optische Täuschung gewesen, ganz bestimmt. Auch in seinem genetischen Gedächtnis, egal von welcher Spezies, war keine Lebensform gespeichert, welche dieser Erscheinung auch nur annähernd ähneln würde.
„Vielleicht nur ein Drachenflieger, der den Park aus der Luft betrachten wollte”, versuchte er sich selbst und seine Passagiere mit einer rationalen Erklärung zu überzeugen und flog das Shuttle in einem weiten Bogen zurück über die bewaldete Ebene.
„Nein, es war kein Fluggerät, sondern ein Lebewesen”, stellte der Taelon analytisch fest. „Ein sehr großes, geflügeltes Wesen mit riesigen und ziemlich klobigen vorderen Gliedmassen.”
„Und mit einem langen Schwanz”, ergänzte Zi'ra begeistert das aufgezeigte Erscheinungsbild. „Anthrazitfarben mit einem Hauch von Aubergine. So etwas habe ich noch nie gesehen. Major, war das vielleicht eines von den seltenen Tierarten, die Sie vorhin erwähnten?”
Liam seufzte, also doch keine optische Täuschung. „Nein, wohl eher nicht und eigentlich existieren auch keine derartigen Lebewesen”, entgegnete er und prüfte die Sensoren auf irgendwelche Hinweise nach dem Verbleib der gesichteten Lebensform. „Das, womit wir beinahe zusammengestoßen sind, gibt es nur in der irdischen Mythologie.”
Überrascht richteten sich zwei strahlendblaue Augenpaare neugierig auf den Hinterkopf des Hybriden.
„Mythologie?”, fragte Da'an erstaunt, „Major, von welchen Wesen reden Sie?”
„Drachen.”
„Drachen?”
„Drachen.”
„Können Sie es aufspüren?”
Liam checkte erneut die Sensoren. Wieder wurde eine undefinierbare, große Masse angezeigt, die sich schnell in Richtung Südwest entfernte.
Zi'ra rief in der Zwischenzeit einen Datenstrom auf und ließ sich alles über Drachen anzeigen, was die Datenbanken hergaben. „Cool!”, staunte sie begeistert.
„Ja Da'an, wenn ich die Sensoren neu kalibriere, bin ich in der Lage, den Drachen aufzuspüren.”
„Dann tun Sie das bitte, Liam”, ordnete der Taelon an.
„Was ist mit der Veranstaltung? Wir werden uns verspäten”, merkte der Major an. Verdammt, er wollte die beiden Taelons loswerden und dann Augur kontaktieren. Das Tier gehörte der Menschheit und dem Widerstand.
„Wen interessiert denn jetzt noch diese Veranstaltung?”, warf Zi'ra euphorisch ein. „Wir haben hier einen Drachen!”
„Dem stimme ich zu”, bestätigte Da'an. „Liam, bitte kontaktieren Sie das Krankenhaus und sagen Sie unseren Termin ab.”
Das war ja wohl nix, dachte der Major leicht frustriert. „Und was soll ich als Begründung angeben?”, fragte er resignierend. „Wir jagen einen Drachen?”
„Nun seien Sie mal ein bisschen kreativ. Sagen Sie der Nordamerikanische Botschafter ist verhindert, weil er unter einem Kryss-Schock steht”, fauchte die junge Taelon gereizt. Endlich passierte mal etwas Aufregendes und dieser unfähige Idiot war nahe daran, alles zu vermasseln. Sie wollte diesen Drachen!
„Zi'ra! Das ist nicht sehr schmeichelhaft für mein Image”, entgegnete Da'an empört.
„Quatsch, die Menschen werden Mitleid mit Dir haben”, beruhigte sie den Taelon. „Die lieben Dich.”
Der Major schüttelte amüsiert den Kopf und nahm Kontakt zum Leiter des Hospitals auf. „Dr. House, es tut mir sehr leid, aber ich muss den Termin absagen. Da'an leidet an einem Energiedefizit und benötigt dringend medizinische Versorgung.”
Der Arzt zeigte sich natürlich sehr verständnisvoll und bot sofort seine umfassenden medizinischen Kenntnisse an, welche der Major aber dankend ablehnte.
„Erledigt”, bestätigte er und schloss den Datenstrom.
„Na dann”, entgegnete Zi'ra auffordernd und voller Vorfreude bis über beide Ohren grinsend. „Jagen wir einen Drachen.”

***

Die Drachin hatte den See fast erreicht, als sie das Shuttle förmlich in ihrem Nacken spürten konnte. Für einen Sichtkontakt war es glücklicherweise noch zu weit entfernt, außerdem war sie ja immer noch getarnt. Trotzdem waren die Verfolger etwas zu nahe für ihren Geschmack. Mit kurzen, schnellen Richtungswechseln versuchte Kara, die Verfolger in einem Zickzackkurs abzuhängen. Aber das Shuttle folgte exakt ihrer Flugbahn.
Mist, die konnten sie also aufspüren. Das reicht jetzt, dachte Kara entschlossen. Na, dann wollen wir doch mal sehen, ob das auch unter Wasser funktioniert. Kurzerhand drehte die Drachin ab und beschleunigte zu einem direkten Sturzflug in den See.

„Liam, da sehen Sie, er fliegt nach links. Jetzt rechts”, gab Zi'ra präzise Anweisungen an den mittlerweile völlig genervten Piloten. In vollem Jagdfieber kommentierte sie aufgeregt jeden Richtungswechsel, der von den Sensoren angezeigt wurde.
Da'an begnügte sich glücklicherweise damit, die jeweilige Änderung der Flugbahn stillschweigend mit eleganten Handbewegungen anzuzeigen.
„Da, verlieren Sie ihn nicht!”, unruhig rutschte die junge Taelon in ihrem Sitz hin und her.
„Wollen Sie vielleicht fliegen?”, platzte Liam schließlich der Kragen.
„Gerne”, kam es patzig zurück. „Ich hätte das Tier schon längst eingefangen.”
„Ja klar, nur ich hätte es gerne lebend.”

* * *

Geschafft.......der See.......ein Versteck......im Wasser. Wasser?......Schinken!
Verdammt, den sollte sie besser nicht mit ins Wasser nehmen. Loslassen! Gedacht, getan. Reflexartig öffneten sich die Klauen der Drachin und zwei Fleischklumpen stürzten in die Tiefe.
Bevor Kara ins Wasser eintauchte, registrierte sie noch die Stelle, wo das Fleisch auf den Boden knallte. Diese sollte sie dann später mühelos wieder finden.

* * *

„Natürlich will ich das Tier auch lebend, nur möglichst heute noch”, nörgelte Zi'ra. „Ein gut platzierter Schuss müsste den Drachen doch fast unverletzt vom Himmel holen.”
„Das dürfte etwas schwierig sein bei dieser Geschwindigkeit”, versuchte Liam die heute offenbar etwas schiesswütige Taelon zu bremsen. „Abgesehen davon, dass er als Ziel nicht genau zu erfassen ist. Und außerdem kann sich das Tier bei einem Sturz aus dieser Höhe tödliche Verletzungen zuziehen.”
„Und wie wäre es, wenn Sie...”
„Ruhe!”
„Was?”
„Er ist weg.”
„Wie, er ist weg?”
„Weg, wie nicht mehr vorhanden”, Liam Hände glitten flink über das Interface. „Weg - die Sensoren zeigen nichts mehr an.”
Ratlos sahen die beiden Taelons erst sich und dann Liam an. „Und was machen wir jetzt?”, fragte schließlich Da'an. „Ein Tier dieser Größenordnung kann sich ja nicht einfach so in Luft auflösen.”
Zi'ra sah sich durch das Interface die Umgebung an. Plötzlich hatte sie eine Idee. „Können Drachen eigentlich auch tauchen?”, wandte sie sich aufgeregt an den Major. „Ich meine, in den Datenbanken stand, es gibt welche, die schwimmen können.”
„Worauf wollen Sie hinaus?”, fragte Liam etwas unsicher.
Zi'ra deutete nach vorne. „Ein See.”
„Ich verstehe”, erneut kalibrierte er die Sensoren, überflog den Yellowstone Lake und scannte das Wasser unter ihnen. „Also entweder bewegt sich ein riesiger Fischschwarm auf das Ostufer zu, oder unser Drache macht gerade eine Unterwasserwanderung.”

* * *

Die Drachin steuerte mit Spitzengeschwindigkeit in einem weiten Bogen auf das Ostufer zu. Dort war der See am tiefsten und würde sicher ausreichenden Schutz vor den allzu neugierigen Sensoren bieten. Sie konnte bis zu zwanzig Minuten lang die Luft anhalten, das sollte eigentlich ausreichen um die Verfolger davon zu überzeugen, dass sie - na ja eben weg war.
Soweit die Theorie.
Und nun zur Praxis.
Große Ereignisse warfen ja bekanntlich ihre Schatten voraus. Hier war es der Schatten des verfolgenden Shuttles, der Kara durch die Wasseroberfläche ins Sichtfeld kam. Verdammt, die waren aber hartnäckig. Anscheinend hatten sie eine Möglichkeit gefunden, sie unter Wasser zu orten. Also auch noch clever, eine gefährliche Kombination.
Und ganz miese Aussichten für einen Drachen auf der Flucht. Etwas frustriert ließ sich Kara auf den Grund sinken und beschloss die verbleibenden zehn Minuten Restluft mit Nachdenken zu verbringen. Wie kam sie da jetzt wieder raus?

Die Verfolger hatten ein paar Meter über dem abgetauchten Drachen eine Warteposition eingenommen und unterhielten sich über Jagdstrategien.
„Und was machen wir jetzt?”, eröffnete ein mittlerweile ziemlich mies gelaunter Major die Diskussion.
„Ich bin immer noch für schießen”, beharrte eine etwas trotzige junge Taelon auf ihrem Standpunkt.
Diese Bemerkung trug nicht unbedingt zur Besserung von Liams Laune bei und er quittierte sie mit einem giftigen Seitenblick.
„Wir sollten abwarten”, kam es aus der Diplomatenecke.
„Da'an, wir verfügen nicht endlos über Energie”, verdrehte Liam ungeduldig die Augen.
„Irgendwann wird das Tier zum Luft holen an die Oberfläche kommen”, vollendete der Taelon seinen Vorschlag. „Dann können Sie einen gezielten Schuss platzieren, um es zu betäuben.”
„Und wie kriegen wir es dann aus dem Wasser?”
Das war eine durchaus berechtigte Frage und veranlasste das Trio Infernale zu intensiver Gehirnakrobatik.

Das nannte man wohl eine klassische Pattsituation. Die Beute lag unerreichbar auf dem Grund des Sees und die Jäger lauerten darüber und ließen ihr keine Fluchtmöglichkeit. Wer hatte wohl den längeren Atem? Kara jedenfalls nicht, so langsam ging ihr die Luft aus.
Kurz entschlossen stieß sie sich kräftig vom Grund ab und schoss zur Oberfläche um das zu ändern.
Ähnlich einem Wal sprang die Drachin aus dem Wasser, pumpte die Lungen voll Luft und verschwand wieder in der Tiefe.

Das war schnell”, stellte Zi'ra bewundernd fest. „So kriegen wir es nie.”
Der Major konnte nur zustimmend nicken, zum handeln war er nicht einmal ansatzweise gekommen.
„Vielleicht sollten wir unsere Taktik ändern”, warf Da'an ein und erntete die volle Aufmerksamkeit der beiden. „Manchmal muss man die Beute zum Jäger kommen lassen. Wir haben zwar keinen Köder, um das Tier anzulocken”, fuhr er mit seinen Gedanken fort. „Aber wenn wir uns zurückziehen und von einem geeigneten Standort aus abwarten, wird der Drache sicher das Wasser verlassen und an Land gehen. Dort ist er dann bestimmt leichter einzufangen”
„Das könnte funktionieren”, stimmte Liam zu und landete das Shuttle auf einer kleinen Lichtung in der Nähe des Ufers. „Ich will nur hoffen, dass er nicht vom Wasser aus gleich wieder in die Luft startet.”
„Hauptsache, er kommt aus diesem See raus”, versuchte Zi'ra den Major aufzumuntern. „Alles Weitere wird, wie die Menschen so schön sagen, ein Kinderspiel.”
Dieser naive Optimismus löste bei dem Kimeramischling angemessenes Erstaunen aus, während Da'an nachsichtig lächelte.
„Sie ist noch sehr jung”, versuchte der Taelon ihren Übermut zu erklären.
Ein böser Blick von Zi'ra und verständnisvolles Nicken bei Liam waren die prompten Reaktionen darauf.

* * *

Auf dem Grund des Sees registrierte Kara mit gebührendem Misstrauen den Abflug des Shuttles. So schnell gaben ihre Verfolger bestimmt nicht auf, das stand mal fest. Mit Sicherheit würden sie in der Nähe bleiben und versuchen, ihr eine Falle zu stellen. Nicht mit mir, dachte die Drachin und beschloss, weiterhin unter Wasser und in Bewegung zu bleiben. Alle zwanzig Minuten schoss sie an die Oberfläche um Luft zu holen und mit einem kurzen Rundblick die Lage zu checken.
Nach dem Kara zum fünfzehnten Mal einen Blick riskiert hatte, ließ das Misstrauen langsam nach. Vielleicht waren sie ja doch weggeflogen. Sie hoffte es inständig, denn langsam nervte dieses kalte Wasser und Hunger hatte sie auch schon wieder. Apropos. Wehe, wenn sich da ein Bär oder Wolf an ihrem Schinken vergriffen hatte, na der würde was erleben. Wenn es um ihr Futter ging, verstand die Drachin nicht den geringsten Spaß.

Nachdem Zi'ra im Shuttle geschlagene fünf Stunden damit verbracht hatte den im See planschenden Drachen zu beobachten, war ihre Stimmung mittlerweile von gelangweilt zu leicht übellaunig abgesunken. Geduldiges Warten war nicht ihre stärkste Seite.
Da'an schien darin geübter zu sein, er spielte schon die ganze Zeit Salzsäule, wie beneidenswert.
Liam hatte diverse Sensorendaten und Karten auf sein Global überspielt und dann das Shuttle abgeschaltet, um bei dem Tier keine Aufmerksamkeit zu erregen.
Seine Laune war auch nicht gerade auf dem Höhepunkt. Kein Wunder, denn die ganze Zeit auf engen Raum mit einer leicht reizbaren und einem etwas mundfaulen Taelon zu verbringen, war auch kein Zuckerschlecken. Zwischendurch hat er sich nur einmal in die Büsche geschlagen, damit er sich erleichtern konnte. Verpflegung war natürlich auch nicht an Bord, was sein Magen entsprechend laut kommentierte.
„Und, wie lange sollen wir uns die Wasserspiele jetzt noch mit ansehen?”, wandte er sich mit leicht gereizter Stimme an Da'an. Schließlich war das Ganze ja dessen Idee gewesen, da konnte er mal eine klare Ansage erwarten.
„Liam, Sie müssen lernen, sich mehr in Geduld zu üben”, erwiderte der Taelon gelassen und unterstrich die beabsichtigte beruhigende Wirkung der Worte mit einer eleganten Geste seiner Hand.

Vorsichtig schwamm Kara in Richtung Ufer und schlich geduckt an Land. Die Aktion sah etwas merkwürdig aus, da sie die Büsche, hinter denen sie sich eigentlich verbergen wollte, um gut einen Meter überragte. Das war ja wohl nichts mit Deckung. „Also gut, dann eben aufrecht”, murmelte sie Kopfschüttelnd vor sich hin. „Die Büsche waren auch mal größer ...... oder ich war mal kleiner.”
Alle verfügbaren Sinne geschärft folgte die Drachin einem Wildwechsel weiter hinauf in die Berge, um sich von oben einen Überblick zu verschaffen und einen geeigneten Startplatz zu suchen.

„Ähm Leute, da passiert was”, unterbrach Zi'ra die angeregte Unterhaltung ihrer Begleiter und zeigte zum See hinab. „Ich glaube, jetzt kommt es an Land.” Na endlich, das hatte ja ewig gedauert.
Gemeinsam beobachteten sie das etwas seltsame Treiben des Tieres, bis es im Wald verschwand.
„Ob es verletzt ist?”, fragte Da'an besorgt. „Oder krank? Es lief so geduckt.”
Liam zuckte nur mit den Schultern und öffnete sein Global. „Finden wir es heraus. Los geht's.”
Und wieder machten sich die drei auf den Weg, um einen Drachen zu jagen. Nur diesmal zu Fuß.

* * *

Kara hatte die Anhöhe erreicht, auf der sich der Wald zu einem kleinen länglichen Tal ausweitete. Nicht breit genug, um starten zu können und am hinteren Ende wurde ihr der Durchgang von einer Felswand versperrt. Also auch nichts mit Rundblick, schade eigentlich. Die Drachin machte auf der Hinterhand kehrt und wollte gerade zurückgehen, um einen anderen Weg auszuprobieren, als sie mitten in der Bewegung erstarrte. „Mist!”, entfuhr es ihr leise, aber inbrünstig. Das hatte sie jetzt nicht kommen sehen.
Angriff ist die beste Verteidigung, dachte Kara bei sich. Sie wollte zwar keinen verletzen, das lag nicht in ihrer Natur, aber die Drachin würde sich im Notfall auch verteidigen. Vorerst versuchte sie es mit Imponiergehabe. Zur vollen Größe aufrichten, die Flügel zur vollen Spannweite ausfahren, den Kopf bedrohlich vorstrecken, das Maul aufreißen, Zähne zeigen und brüllend den Lauten machen. Mal sehen, ob es half.

„Wow!”, entschlüpfte es Liam, als er abrupt stehen blieb und ruckartig die Waffe in Anschlag brachte. Die hinter ihm laufenden Taelons konnten nicht schnell genug abbremsen und verursachten einen leichten Aufprall-Unfall.
Ja, das konnte man schon einen imposanten Anblick nennen, der sich ihnen da bot.
Während Liam überlegte, wie er einen Drachen für den Widerstand rekrutieren könnte und Da'an schnell ein paar gentechnische Verbesserungen durchkalkulierte, starrte Zi'ra völlig fasziniert auf dieses fremdartige Geschöpf. Ja, dieser Drache könnte durchaus ein repräsentatives Haustier abgeben, sie musste ihn nur irgendwie zähmen.

Kara analysierte kurz ihre derzeitige Lage: der blonde Wuschelkopf mit der Waffe in der Hand konnte definitiv gefährlich werden.
Der Taelon, das vornehmliche Objekt ihrer Begierde, war unbewaffnet, somit relativ harmlos und er würde sie auch bestimmt nicht angreifen.
Bliebe noch die schwarzhaarige, zierliche Frau - also die war nun wirklich keine Bedrohung.

Mit einem kehligen Grollen wandte sich die Drachin zu Liam und schenkte ihm zähnefletschend ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Böser Fehler! Unmittelbar spürte sie einen stechenden Schmerz in der rechten Schulter.
Aufbrüllend wirbelte die Drachin herum und wich sogleich erschrocken zurück, wobei sie unbeabsichtigt den Major in die Büsche schubste. Dieser riss im Fallen den hinter ihm stehenden Taelon gleich mit.
Zi'ra hatte reflexartig und rein instinktiv auf die Bedrohung reagiert. Nun stand sie mit langen, blau leuchtenden Krallen an den Fingern vor dem Untier, jederzeit bereit, weitere Wunden in dessen Körper zu reißen. Den Wunsch nach einem Drachen als Haustier legte sie vorläufig ad acta.

Kara starrte überrascht auf die seltsame Person vor ihr. Das war definitiv kein Mensch. Aber was war sie?
Irgendwie roch es nach verbranntem Fleisch. Gab's hier ein Barbecue? Dann ging der Drachin auf, dass sie das Grillgut war. Offenbar konnten diese Krallen nicht nur klaffende Fleischwunden verursachen, sondern diese auch gleichzeitig kauterisieren. Das würde natürlich auch erklären, warum sie nicht in einer Blutlache stand. Der Schmerz ließ auch so langsam nach.
Vorsichtig wich Kara weiter zurück, um einen gewissen Sicherheitsabstand zwischen sich und der blaukralligen Frau zu bringen. Noch einmal würde sie diese nicht unterschätzen.
Langsam machte sich Ärger in der Drachin breit. So hatte sie ihre erste Begegnung mit einem Taelon aber nicht geträumt. Irgendwie lief das hier nicht nach Plan. Und wo zum Geier war dieser Taelon eigentlich abgeblieben?
Sich hektisch umblickend entdeckte sie den Gesuchten mit dem Menschen in den Büschen, wie sie sich gerade wieder hochrappelten. 'Ups, war ich das?' dachte sie leicht verschämt und drehte sich so, dass sie alle drei im Auge behalten konnte. Und wieder eine Patt-Situation. Toll, ganz toll. Das war heute einfach nicht ihr Tag.

Zi'ra registrierte mit einer gewissen Befriedigung das Zurückweichen des Drachen. Er schien Angst vor ihr zu haben, gut.
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie der Major Da'an wieder auf die Füße stellte und dabei Ausschau nach seiner Waffe hielt. War wohl nix, die musste etwas weiter weg geflogen sein.
„Ich kann ihn mit meinem Shaqarava betäuben”, raunte Liam dem Taelon zu, doch dieser schüttelte den Kopf. „Ich will nicht, das Zi'ra von ihrer Herkunft erfährt”, flüsterte Da'an. „Wir werden eine andere Lösung finden.” Den Drachen argwöhnisch beäugend gingen die zwei zu der jungen Taelon hinüber, welche im Moment als einzige über so was wie eine Waffe verfügte. Irgendwie hatten sie sich das Ganze viel einfacher vorgestellt.
„Das reicht jetzt”, brach Zi'ra schließlich das grüblerische Schweigen und ging entschlossen auf den Drachen zu.
„Zi'ra!”, kam es entsetzt von Liam und Da'an. Sie aufzuhalten traute sich natürlich keiner der beiden.

Kara beäugte misstrauisch die näher kommende Frau. Was hatte die denn jetzt vor. Tja, Imponiergehabe hatte nicht funktioniert, vielleicht sollte sie es mal mit Diplomatie versuchen.
Als Zi'ra bis auf einen Meter heran war, konnte sich die Drachin nicht mehr beherrschen.
„DAS IST NAH GENUG!”

Im Hintergrund klappte Liam die Kinnlade herunter, während Da'an vor Überraschung taelonmäßig erblaute.

Zi'ra blieb abrupt stehen und verlor Krallen und kurzzeitig die Fassade. „Du kannst sprechen.”
„Du ja auch”, kam es schnippisch zurück.
„Ich bin eine Taelon.” Klar, als ob das alles erklären würde.
„Bist Du nicht”, nickte die Drachin in Richtung Da'an. „Das ist ein Taelon.”

„Ich bin eine Taelon!”, fauchte Zi'ra empört und war kurz versucht, die Hände in die Hüften zu stemmen.
„Nö, Taelons sind androgyn”, beharrte Kara hartnäckig. „Du bist eine Frau. Zugegeben, etwas ... ungewöhnlich, aber eindeutig eine Frau.”
Das war vielleicht ein stures Vieh. Die Taelon überlegte kurz und entschloss sich dann zu etwas drastischeren Maßnahmen. Mit erhobener Hand ging sie langsam auf die Drachin zu.
Sofort allarmiert wich diese zurück. „Und was soll das jetzt werden?”
„Ich werde Dir beweisen, dass ich eine Taelon bin.”
„Jaha klar, und wie?”, lautete die misstrauische Antwort.
„Wenn ich Dich berühre kann ich es Dir zeigen.” Zi'ra blickte auf ihre jetzt leicht bläulich schimmernde Hand und dann in die Augen des Tieres. Weder die Absicht einer Täuschung oder eines Angriffes lagen in ihrer Ausstrahlung, nur entschlossene Aufrichtigkeit.
Kara senkte den Kopf und nickte zustimmend. „Die Krallen lässt Du aber stecken”, fügte sie noch beiläufig an.
Zi'ra lächelte leicht, legte ihre Hand auf den Hals der Drachin, schloss die Augen und stellte eine Verbindung her. Der ganze Körper der Taelon schimmerte jetzt bläulich. Ihre Energie floss in den beiden völlig verschiedenen Spezies und übertrug Gedanken, Bilder und Gefühle. Die Essenz ihres Seins.
Menschliche Attribute würden den Gemütszustand Zi'ras am ehesten als traurig, einsam, verzweifelt und verbittert bezeichnen. Und doch, es gab da noch etwas anderes. Es ähnelte einem kleinen Hoffnungsschimmer, ganz fern am Horizont. Eines hatten beide gemeinsam. Die Einsamkeit und die Sehnsucht nach etwas, was sie nicht näher beschreiben konnten, da sie selber nicht wussten, was es war. Zwei Lebewesen, die unterschiedlicher nicht sein konnten, erfuhren hier eine Seelenverwandtschaft, die es nur sehr selten im Universum gab.

* * *

Sechs Monate später.
Auf einem sonnenüberfluteten Felsplateau, mitten im Yellowstone Nationalpark, stand ein anthrazitfarbener weiblicher Drache und blickte sehnsüchtig zum Himmel.
„Wo bleibst Du nur”, murmelte sie vor sich hin und schlug ungeduldig mit dem Schwanz hin und her.
Dann der erlösende Knall. Ein Shuttle sprang aus der Interdimension und landete punktgenau zwei Meter neben dem Tier.
„Du bist spät dran”, rief Kara gespielt vorwurfsvoll der jungen Taelon zu, die aus dem Gefährt stieg.
„Entschuldige, Sandoval war noch in der Botschaft. Ich musste warten, bis er weg war”, erwiderte Zi'ra und fiel der Drachin zur Begrüßung um den Hals. „Er soll ja schließlich nicht mitbekommen, das ich nur zu Da'an in die Botschaft komme, um mir das Shuttle für meine Spritztour zu Dir auszuleihen.”
„Gutes Kind”
„He, was heißt hier Kind”, spielte Zi'ra die Empörte und stemmte theatralisch die Hände in die Hüften. „Ich bin 1000 Jahre alt.”
„Junger Hüpfer”, lachte Kara. „Du bist nur halb so alt wie ich. Also reg Dich ab. Und, was machen wir heute?”
„Du hast es versprochen”, bettelte die Taelon.
„Es ist gefährlich”, wand die Drachin besorgt ein. „Du bist nicht unverwundbar.”
„Ich habe ein Sicherheitspaket dabei”, rief Zi'ra triumphierend aus. „Na gut, Da'an hat darauf bestanden.” Sie lief zum Shuttle und kam mit einem Brustgeschirr zurück. „Das ist ein Einzelstück”, hielt es die Taelon stolz der Drachin hin. „Maßanfertigung.”
„Es ist lila.”
„Aubergine!”
Zi'ra legte der Drachin das Geschirr an. Dabei strich ihre Hand sacht über eine Narbe auf der rechten Schulter des Tieres. „Tut mir leid”, flüsterte sie beschämt.
„Ist schon gut”, entgegnete Kara. „Hey, das ist ein Zeichen vom Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Also, wie sieht es aus?”
Die Taelon legte die Hand auf den Hals der Drachin und zeigt ihr, wie sie sie sah.
„Na toll, ich sehe aus wie ein Voltigierpferd”, nölte Kara und kniete sich hin.
„Nein, es sieht gut aus”, versicherte Zi'ra und kletterte auf den Rücken des Tieres. Ihre Hände und Füße verstaute sie sicher in den dafür vorgesehenen Schlaufen am Geschirr. „Ach, da fällt mir ein. Da'an veranstaltet dieses Jahr ein Weihnachtsfest in der Botschaft und ich möchte Dich dazu einladen.”
„In Washington? Das ist aber gefährlich, wo soll ich denn da unbemerkt landen?”
„Du musst nur bis in die Nähe fliegen. Ich habe einen Laster organisiert, der bringt Dich sicher in die Stadt.”
„Mmh, ich weiß nicht.” Die Drachin erhob sich und ging zum Rand des Plateaus.
„Ich garantiere für Deine Sicherheit.”
„Was gibt's zu Essen?”
„Eis.”
„Kein Schinken? Eis also. Schokolade?”
„Ja.”
„Bin dabei.” Kara breitete die Flügel aus und machte sich zum Absprung bereit.
„Es gibt da auch einen riesigen Baum im Garten der Botschaft”, legte Zi'ra noch ein Bonbon oben drauf.
„Oh, also eine Baumweihnacht. Das gefällt mir. Fertig? Na dann looooooooooooooos.”

 

ENDE

 

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