„Nun, ich habe für ihn gearbeitet, als Freiwilliger. Ich weiß wirklich nicht, warum er mich jetzt umbringen will. Ich verstehe das alles nicht, ich habe doch alles in meiner Macht stehende getan, um den Taelons zu helfen. Ich...” Dennissons Stimme erstarb. „Mhm.” T'than sah nachdenklich auf den Ausgang, aus dem Sandoval eben verschwunden war. „Vielleicht ist ja genau das das Problem.” Als sich der Kriegsminister wieder dem Freiwilligen zuwandte, erkannte er, dass dieser eindeutig nicht weit von einem Nervenzusammenbruch entfernt war. „Beruhigen Sie sich! Ihnen wird nichts geschehen. Ich bringe Sie jetzt in einen sicheren Bereich des Mutterschiffes, zu dem auch Sandoval keinen Zutritt hat und dort werden Sie dann bis zur letzten Kleinigkeit auflisten, was Sie alles in der Vergangenheit getan haben. Ich bin sicher, dass wir so auf die Ursachen dieses sonderbaren Mordanschlags stoßen.” Der Mann nickte nervös und unsicher. Er zitterte leicht. Wie sollte der uns in einem Krieg helfen, fragte sich T'than, wenn er schon jetzt solche Angst hat? Er nahm ihn mit zu einem Portal und gab dort die neuen Koordinaten ein. Er wollte dem Freiwilligen nicht den Weg zu den Taelon-Sicherheitszonen zeigen. *Sa'ri, lösche die Daten, sobald wir transportiert worden sind.* *Natürlich, T'than.* Dann verschwamm das Bild um sie herum.
* * *
Julia ging jetzt schon seit einer geschlagenen Stunde schimpfend in der Arrest-Zelle auf und ab. Augur konnte nicht anders als ihre Ausdauer bewundern. Er selbst hatte es sich auf dem Boden bequem gemacht und hatte die Zeit genutzt, um ein wenig zu schlafen. Naja, mehr als ein wenig Dösen war nicht drin, dazu war Julia einfach zu laut. Glücklicherweise waren sie durch virtuelles Glas getrennt, sonst hätte sie ihn vermutlich schon längst erwürgt. Jetzt stand sie wieder aufgebracht gestikulierend vor ihm. „Wie kannst du nur so ruhig daliegen! Du könntest dich wenigstens entschuldigen! DU hast mich in diese Lage gebracht!” Augur hätte ihr ja gerne gesagt, warum er so ruhig war, aber die Zeit arbeitete für ihn, je später er seinen Trumpf gegenüber den Taelons ausspielen würde, desto besser für ihn. Welch ein Witz, sie versuchten, sie mürbe zu machen, indem sie sie hier ohne weitere Erklärung und Beachtung einsperrten, aber erreichten nur das Gegenteil. Doch plötzlich stockte Julia in ihrer Schimpftriade gegen ihn. Er wandte den Kopf und sah, wie Zo'or den Raum mit den Arrestzellen betrat. Hinter ihm ein anderer Taelon, den beide nicht kannten. „Sie haben es gewagt mich zu bedrohen, Widerständler!” Augur hob entschuldigend die Hände. „Das tut mir wirklich schrecklich leid, aber in dieser Situation schien es mir...” Seine Stimme erstarb unter Zo'ors Blick. „Was waren das für Daten, von denen Sie gesprochen haben?” Augur konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Da'an hatte ihm also wirklich nichts gesagt. Umso besser für ihn. „Ach, wissen Sie... jetzt will ich sie ja gar nicht mehr. Ich...” „Was für Daten?” Zo'or trat bedrohlich näher an das virtuelle Glas. Augur schwieg. „Gut, wenn Sie es nicht anders wollen.” Er sah die beiden Widerstandskämpfer verächtlich an und verließ dann den Raum. In der Zwischenzeit hatte der andere Taelon einige Einstellungen an einem Datenstrom getätigt und kam nun auf sie zu. „Wer möchte der erste von Ihnen sein?” fragte er freundlich. Julia sah erschrocken von dem Taelon zu Augur und auch diesem rutschte das Herz ein wenig tiefer. Doch es gelang ihm zumindest äußerlich ruhig zu bleiben und so trat er lässig etwas näher auf den unbekannten Taelon zu. „Nun, nicht dass ich Ihnen den Spaß verderben will, aber vielleicht sollte ich Sie zuvor über die möglichen Konsequenzen Ihres Tuns in Kenntnis setzen.” „Von Spaß kann hierbei keine Rede sein und ich wüsste nicht, womit Sie uns drohen könnten,” antwortete der Taelon plötzlich kühl und abweisend. „Das werde ich Ihnen gerne sagen. Die Daten, um die es geht, beinhalten Informationen, mit denen man Ihre Rasse vernichten könnte. Informationen, die Ro'an dem Widerstand gegeben hat. Und diese Daten befinden sich mittlerweile im Besitz einer Person, deren Meinung über die Taelons sich ganz und gar nicht zum Besseren wenden wird, wenn sie erfährt, dass wir gefoltert werden.” *Lili wird sie dafür bezahlen lassen!*, dachte Augur grimmig. *Hoffe ich zumindest...* Der Taelon blieb unberührt. „Ach wirklich? Nun, wir wissen, welche Informationen Ro'an Ihnen gegeben hat und können uns ohne Probleme dagegen schützen. Jetzt ist also nur noch die Frage, wer die von Ihnen genannte Person ist. Und danke für diese nützliche Information.” Der Taelon lächelte spöttisch. *Zo'or, das Manöver war erfolgreich. Es gibt eine weitere Person, die im Besitz der Daten ist.* *(zufrieden) Dann weißt du, was dein Auftrag ist.* *(Bestätigung)* Augur wurde vor Schreck schummrig. Was hatte er nur getan. Jetzt würden sie ihn erst recht foltern. Ein Glück nur, dass er keine Ahnung hatte, wo Lili tatsächlich war, so dass er nichts außer ihrer puren Existenz preisgeben konnte. Doch er würde nichts sagen, was nicht unbedingt notwendig war. Er machte die Augen wieder auf und versuchte dem Blick des Taelons standzuhalten. „Meine Freundin kann Ihnen nichts sagen und ich werde Ihnen nichts sagen,” meinte er mit festerer Stimme, als er sich selbst zugetraut hatte. Der Taelon lächelte leicht. „Das werden wir ja sehen.” Er aktivierte irgendetwas auf der Schaltfläche und ein tiefes Summen ertönte. Das virtuelle Glas begann, sich zu verändern. Augur sah unbehaglich um sich und hätte am liebsten „Bitte nicht!” geschrien. Aber er wollte vor diesem kalten Taelon keine Blöße zeigen, das würde er wahrscheinlich noch früh genug tun müssen. Er schluckte heftig und sah, wie sich Julias Augen vor Schreck weiteten. Hastig sah Augur sich um und plötzlich erkannte er, dass nicht nur das virtuelle Glas eine dunklere Tönung erhalten hatte, sondern dass die Decke über seinem Kopf grell weiß leuchtete. Erschrocken duckte er sich, doch da schossen auch schon weiße zuckende Blitze auf ihn nieder. Ein stechender Schmerz durchströmte seinen Körper und ließ ihn auf die Knie sinken. Er wusste nicht, ob der Schrei, den er hörte, seiner war oder ob es Julia war, die schrie. Dann, so plötzlich wie es gekommen war, hörte es wieder auf. Er schnappte nach Luft und rieb sich die Augen, um wieder eine klare Sicht zu bekommen. Als er sie wieder öffnete, sah er, dass seine Kleidung nur noch in verkohlten Fetzen an ihm hing, während seine Haut völlig unversehrt war. *Na prima!*, dachte er. „Wenn das noch mal passiert, dann hört das hier auf, jugendfrei zu sein.” Ein Teil von ihm wunderte sich, dass er in so einer Situation so einen Blödsinn dachte, während ein anderer Teil dankbar war, dass er heute morgen nicht sein Lieblingsshirt angezogen hatte. Schließlich hob er den Blick und sah, wie der Taelon ihn aufmerksam musterte. Dann hörte er Julia schreien und als er zu ihr sah, war sie von einem weißen Licht umhüllt, so eins, das im Fernsehen immer als positiv und überirdisch dargestellt wurde. Ja, überirdisch, die Taelons kamen nicht von der Erde. Das Licht stoppte und Augur bemerkte, dass Julias Kleidung mittlerweile ganz fehlte und ihre Haut an einigen Stellen sogar angefangen hatte zu bluten. Der Taelon sah ihn an und begegnete seinem Blick. Wie um ihn auf Julia aufmerksam zu machen, wendete er seinen Kopf zu der leidenden jungen Frau hin und ein weiterer aber kürzerer Strahl erleuchtete. Er wollte ihm zeigen, was mit ihm passieren würde. Entsetzt sprang Augur auf. „Verdammt, hören Sie auf!”,schrie er den Taelon wütend an. Mit einer Handbewegung ließ der Taelon den Strahl verschwinden. Sein Blick war wieder freundlich, so als würde es überhaupt nichts bedeuten, dass er hier andere Wesen leiden ließ. Augur widerte dieser Blick einfach nur an. „Nichts lieber als das. Sie werden mir also alles sagen, was ich wissen will?” Langsam nickte Augur. Warum sollte er sich das antun, er wusste, dass er nicht zu den Menschen gehörte, die eine Folter überstanden, ohne ihr Wissen am Ende doch preis zu geben. Er wusste noch nicht einmal, ob er diese Art Heldentum überhaupt bewunderte. „Gut,” sagte er schließlich laut. „Ich werde reden.” Plötzlich hörte er ein unterdrücktes Stöhnen von Julia. „Nein, Augur, nicht! Sag ihm nichts!” „Julia! Das bringt doch nichts! Du würdest es nicht überleben! Guck dich doch mal an!” „Augur, du darfst den Widerstand nicht verraten!” Damit sank ihr Kopf wieder zu Boden, sie war bewusstlos, was wahrscheinlich besser für sie war. Verriet er den Widerstand, wenn er ihnen sagte, dass Lili die Daten hatte? Er wusste ja nicht einmal, wo sie war und wie es ihr ging. Und ob der Taelon ihm glauben würde, dass er nicht mehr wusste? Wenn er ihn doch foltern würde, um zu erfahren, ob er nichts verschwieg? Und wenn er noch mehr wissen wollte? Jetzt war sich Augur sicher, dass er um eine Folter nicht herumkommen würde, so schrecklich der Gedanke für ihn auch war. Eher half es ihm jetzt, wenn er schwieg, denn dann würde der Taelon denken, dass das alles sei, was er wüsste. „Sie hat recht. Ich darf und werde den Widerstand nicht verraten!” Obwohl ich es letztendlich doch tun werde, ergänzte er in Gedanken. Der Taelon beobachtete ihn. „Sie ändern Ihre Meinung schnell. Aber wie Sie wollen, es ist ganz allein Ihre eigene Entscheidung, für die Sie die Verantwortung tragen müssen.” Das ärgerte Augur. „Die Verantwortung tragen? Dafür dass ich gefoltert werde? Das ist doch IHR Werk, also sind Sie auch verantwortlich!” Der Taelon blieb unberührt. „Das sehe ich anders. Sie hatten eine andere Option, die Sie aber abgelehnt haben.” War es klug? Augur fing wieder an zu schwanken. Aber konnte man überhaupt klug sein, wenn es um Schmerz ging? Schließlich zuckte er die Schulter. Er konnte es ja zur Abwechslung mal mit Aufrichtigkeit probieren. „Seien wir ehrlich: Wenn ich Ihnen jetzt die Wahrheit sage, dann werden Sie mich foltern, um herauszufinden, ob ich nicht vielleicht doch gelogen habe. Also warte ich doch lieber die nächste Attacke ab und antworte dann unter Schmerzen, in der Hoffnung, dass Sie mir dann glauben.” Der Taelon sah ihn einen Moment einfach nur an und Augur hätte schwören mögen, dass er irritiert war. Er beschloss dem noch eins drauf zu setzen. „Sie sehen mein Problem? Was würden Sie mir denn raten?” Der Taelon sah ihn irgendwie skeptisch an. „In der Tat, eine sehr schwierige Lage. Darin liegt wohl auch Ihr Schwanken begründet.” Augur sah ihn auffordernd an. „Nun, also?” „Ich bin mir nicht sicher, was ich Ihnen raten soll.” „Sie sind derjenige, der mich foltern will...” Ein kurzes Schweigen. „Sie haben recht, ich würde nicht glauben, dass Sie mir freiwillig alles sagen. Und die Wahrheit Ihrer Aussagen können wir ja überprüfen, während Sie hier festgehalten werden.” „Danke! Waren Sie denn noch nie in einer solchen Situation?” Der Taelon schien über diese Frage nicht sehr begeistert zu sein. „Ich habe mich durchaus schon einmal in Ihrer Lage befunden.” „Also müssen Sie doch auch wissen, wie ich mich jetzt fühle.” „Ich habe damals gelogen und verschwiegen.” Augur schluckte. Das war keine gute Nachricht. Jetzt erwartete er also auch dasselbe von ihm. „Äh, tja... Ich denke, wenn ich Ihrer Person aufgrund der Umstände nicht doch etwas negativ gegenüberstehen würde, dann würde ich Ihnen jetzt meine Hochachtung für dieses Verhalten aussprechen.” Einen Moment lang sah ihn der fremde Taelon einfach nur an und mit einem Mal hatte er den Eindruck, als würde sich ein Verständnis zwischen den beiden bilden. Auch der Taelon nahm die Skurrilität ihrer Situation wahr. Dies entsprach nicht mehr seiner Vorstellung, wie eine Folter abzulaufen hatte. Da sollte es Gebrüll und Schmerzensschreie und Wut und Hass geben, aber doch kein zivilisiertes Gespräch, wie sie es gerade führten! Es war, als wäre die Situation zerbrochen, und sie besahen sich nun die Scherben, die ihnen die Austauschbarkeit ihrer Positionen deutlich vor Augen führten. Würde er auf der anderen Seite der Scheibe nicht vielleicht genauso handeln? Noch vor ein paar Minuten hätte er den Gedanken mit Abscheu von sich gewiesen. Doch sein Gegenüber machte nicht den Eindruck, als hätte er Freude am Quälen. Vermutlich dachte er, er tue das Beste, das Notwendige für seine Seite. Schließlich ging es um eine mögliche Vernichtung der Taelons. Wenn es um die mögliche Vernichtung der Menschheit ginge, würde er sich dann nicht vielleicht auch überwinden können, ein anderes Wesen zu foltern. Leider machte diese Erkenntnis weder seine noch die Situation des Taelon besser. „Ich mache Ihnen einen Vorschlag”,ergriff Augur schließlich das Wort: „Ich gebe Ihnen die Möglichkeit mit der Person Kontakt aufzunehmen und Sie verhandeln dann direkt mit dieser.” Der Taelon sah ihn skeptisch an. „Einverstanden. Denken Sie aber nicht, dass wir Sie solange freilassen würden. Sie werden hier bleiben. Bis wir mit Ihnen fertig sind.” Augur versuchte ein Lächeln. „Kein Problem. Das war mir doch klar! Übrigens, darf ich mich vorstellen? Ich bin Augur. Und wie heißen Sie?” Der Taelon sah ihn mit einem Ausdruck an, der nahezu Entsetzen glich. Er führte nicht nur ein zivilisiertes Gespräch mit dem Gefangenen (soweit wie das mit einem Menschen eben möglich war), jetzt sollten sie sich auch noch persönlich kennen. Nein, er würde sich von diesem Auftrag zurückziehen. Sollte ein anderer diesen Fall hier übernehmen. Er war nicht mehr in der Lage diesen Widerständler so zu behandeln, wie es notwendig war. Er schrieb sich die angebliche Globalnummer der Person auf. „Mein Name ist Fe'lun.” Dann wandte er sich um und ging.
* * *
Boone genoss einfach die Sanftheit, mit der Da'an seine aufgebrachten Emotionen beruhigte und erst als Da'an ihn mental wieder ansprach, wand er sich den gegenwärtigen Problemen wieder zu. *Auf welche Weise Ro'an mich verraten hat?*, wiederholte Boone Da'ans Frage. *Ich beginne am besten ganz am Anfang. Als er mich aus dem Tank holte, sagte er mir, dass er mich vor einem Mordanschlag durch Zo'or gerettet hat, um der menschlichen Widerstandsbewegung zu helfen. Er hat mir Daten versprochen, mit denen wir endlich ein echtes Druckmittel und damit eine Verhandlungsbasis ihrem Volk gegenüber gehabt hätten. Damit ich ihm glaube, hat er mir Teile dieser Daten gezeigt und sie so verschlüsselt, dass nur ich sie wieder entschlüsseln konnte. Dies hat bewirkt, was Ro'an beabsichtigte: Ich habe ihm daraufhin vertraut. Sehr vertraut! Ich hielt ihn für einen Freund, einen Freund, wie du einer gewesen bist. Ich habe unser Beisammensein so vermisst, Da'an! Und vielleicht hab ich ihm deshalb so vertraut, weil ich ihn unbewusst mit dir verglichen habe. Ro'an brachte mich wieder auf die Erde und ich nahm Kontakt mit... einem Freund auf und lernte so Liam kennen. Liam erzählte mir, wie menschenverachtend Zo'or als Führer der Synode handelte und wie du Liam und die Widerstandsbewegung verraten hast. Ich konnte es erst nicht glauben, doch langsam konnte Liam mich überzeugen, dass wir dir nicht mehr vertrauen konnten. Heute weiß ich, dass es im Grunde Ro'an war, der uns beide beeinflusst hat. Als Ro'an dann den Vorschlag machte, Zo'or zu entführen, um seinen Platz einzunehmen, stimmte ich dem Plan zu. Er versprach, Friedensverhandlungen mit den Jaridians zu führen und eine Politik der Gleichberechtigung mit den Menschen zu verfolgen, und wieder glaubte ich ihm. Aus scheinbar guten Gründen, denn erstens gab er uns Mittel an die Hand, wie wir Zo'or abschirmen konnten, so dass das Gemeinwesen ihn für tot erklären würde, ohne dass wir ihm tatsächlich schaden mussten. Und zweitens erklärte er, dass er die Unterstützung einer anderen Rasse, der Geryn, hätte, was seine Friedensbestrebungen realistisch aussehen ließ. Und tatsächlich, während die ganze Operation schon lief, also wir alle in Kanada versammelt waren und Ro'an schon auf dem Weg zur deiner Botschaft, da tauchte Martyr bei mir auf. Da ich ihn für Ro'ans Verbündeten hielt, berichtete ich ihm, was gerade passierte. Daraufhin verwandelte sich Matyr in Liam und erklärte, er würde Ro'an in die Botschaft folgen, um ihm zu helfen. Ich denke, Ro'an war ebenso überrascht, Matyr in der Botschaft zu finden, wie ich überrascht war, als die Männer dann nicht nur Zo'or sondern auch dich mitbrachten. Dies war definitiv das Gegenteil von dem, was ausgemacht gewesen war. Heute denke ich, dass Matyr - in Liams Gestalt - deine Entführung gestattet hat, um mich ins Wanken zu bringen. Als wir uns zuvor in Kanada unterhalten hatten, sah er mich so eindringlich an, als wir über dich sprachen. So, als würde er meine Gefühle besser ergründen können als ich selbst. Als du und Zo'or dann in unserer Gefangenschaft waren, kamen mir die ersten Zweifel. Doch dabei blieb es nicht. Plötzlich fand ich eine Nachricht auf meinem Global. Eine Nachricht von einem anonymen Adressaten, die detailliert beschrieb, was Ro'an wirklich vorgehabt hatte. Sobald er an der Macht war, wollte er Zo'or töten lassen und ebenso alle anderen, die sich in Kanada aufhielten. Für mich hatte er sich etwas besonders Perfides einfallen lassen. Er hatte, während ich noch im Tank war, eine bestimmte Programmierung in mein CVI integriert, die mich auf seinen Befehl hin töten würde. Die Daten wären mit meinem Tod für den Widerstand wertlos geworden. Die Nachricht bekräftigte all diese Aussagen mit Beweisen, Mitschnitten von Globalgesprächen, die Ro'an und eine Person, deren Identität die Daten nicht aufdeckte, geführt hatten. Kein Wunder also, dass ich wütend war. Zuerst wollte ich mich an allen Taelons rächen, doch schon nach unserem Gespräch war mir klar, dass nur Ro'an meinen Hass verdiente und ich ihn nicht auf alle Taelons übertragen durfte. Leider habe ich keine Ahnung, von wem die Nachricht kam, die ich erhalten habe, und wer der Komplize von Ro'an ist, mit der er die ganzen Gespräche geführt hat.* Nun, wer der Komplize war, konnte sich Da'an schon denken, aber sie verdrängte ihre Gedanken, schließlich hatte sie noch keine Beweise. *Du kannst dir nicht denken, wer der Absender der Nachricht war?* Bonne schüttelte im Geiste den Kopf. *Wirklich nicht.* Da'an zeigte ihm ein Bild von Nyan. *Vermute ich zumindest. Die Geryn waren sehr interessiert daran, Ro'ans Vorhaben zu stoppen.* Nyan, daran hätte Will nicht gedacht. *Was hatten die Geryn denn gegen Ro'an?* *Nun, er wollte keinen Frieden, sondern verschärften Krieg gegen die Jaridians und zwar direkt im Sektor der Geryn.* Boone verstand. *Da'an, es... es tut mir leid.* Will spürte die emotionalen Strahlen von Da'ans Lächeln über sich gleiten. *Es ist vorbei. Niemandem ist was passiert.* Sie spürte Boones skeptischen Blick. *Na gut, ein paar Widerstandskämpfer wurden getötet und gefangen genommen*, gestand Da'an ein. *Aber viel wichtiger ist es jetzt, dich in Sicherheit zu bringen. Es war sowieso schon sehr riskant, dass du dich auf's Mutterschiff begeben hast.* Ein kurzes Bedauern floss durch die beiden Individuen, bevor sie ihre geistige Verbindung unterbrachen.
Während Boone Da'an noch etwas verträumt ansah, wandte sich dieser an den Geryn. „Ich denke, ich weiß jetzt, wie sich alles zugetragen hat. Das einzige fehlende Glied in der Kette ist Ro'ans Verbündeter. Sag mir, Nyan, wisst ihr, wer das sein könnte?” Der Geryn, immer noch in kugeliger Gestalt, rollte ein wenig hin und her, als wäre er nicht sicher, ob er sich freuen sollte, dass er jetzt wieder beachtet wurde, oder ob er noch beleidigt war, weil er ausgeschlossen worden war. Es dauerte eine Weile, bis er dem Taelon antwortete. „Tut mir leid, Da'an, aber wir haben keine Ahnung. Wer auch immer es war, er hat sich gut zu verstecken gewusst.” „Das ist überaus bedauerlich, aber ich denke, in diesem Fall kann ich diese Information am ehesten direkt bei der Quelle erhalten, bei Ro'an!” „Ro'an ist hier? Auf dem Mutterschiff?”,fragte Boone aufgeregt. „Allerdings, doch ich muss darauf bestehen, dass du ihn mir überlässt. Dein Leben ist in großer Gefahr, solange du dich hier auf dem Mutterschiff aufhältst.” Da'an hob seine Hand, um sie sanft über Wills Wange gleiten zu lassen. „Ich werde dich nun zu einem Portal bringen und dich zur Erde schicken. Du hast doch hoffentlich einen Ort, an dem du Unterschlupf finden kannst?” „Ja...”,murmelte Boone und verlor sich wieder in Da'ans blauen Augen. Da'an begegnete seinem Blick für einen Moment, wandte sich dann aber wieder zu Nyan. „Was ist nun mit Liam, Nyan? Will hat recht, es ist besser ihn freizulassen.” Durch ein kräftiges Springen verdeutlichte Nyan, dass er das nicht vorhatte. Trotzdem machten sie ab, dass Boone erst einmal allein zur Erde flog und Nyan bei Da'an bleiben würde, bis er Boone einigermaßen ungefährdet wiedersehen konnte. Nyan war traurig, sehr traurig, dass er und Boone sich jetzt trennen mussten. Aber er traute sich nicht, Will dies zu zeigen. Er war ein Mensch und in den letzten Stunden hatte er mehr als deutlich mitbekommen, dass er ihn nicht wie einen Geryn einschätzen durfte, auch wenn er netter als Liam war. Deshalb ließ er nur kurz den Satz „Ich wünsche dir alles Gute, Will!” erklingen und kullerte dann unsicher in den hinteren Teil von Da'ans Raum. Da'an verließ mit Boone den Raum und sie gelangten wie durch ein Wunder unentdeckt zum nächstgelegenen Portal. Sie gab die Koordinaten von Washington ein und schon stand er in der Transportzone. Für einen kurzen Moment berührten sich noch einmal ihre Hände, bevor der Mann verschwand. Sie durften keine Zeit verlieren, Boone durfte nicht gesehen werden. Da'an schaute noch einen Moment gedankenverloren auf die Stelle, an der Boone eben verschwunden war, dann wandte er sich ab und ging schnellen Schrittes in Richtung der Arrestzellen.
„Na, so was! Da'an, was verschafft mir die Ehre deines Besuches?”,fragte Ro'an mit der gewohnt spöttischen Stimme, als er den nordamerikanischen Companion eintreten sah. Doch dieser ließ sich dadurch nicht irritieren. „Ro'an, ich habe gerade mit meinem ehemaligen Beschützer William Boone gesprochen.” Der Angesprochene verlor vor Schreck kurz die Kontrolle über seine menschliche Fassade. „Da du noch lebst, kann ich wohl davon ausgehen, dass ihr wieder so gute Freunde seid, wie es früher der Fall gewesen ist. Zo'or wird sehr erfreut sein, wenn ich ihm erzähle, dass du Kontakt mit einem führenden Mitglied der Widerstandsbewegung hast, und dich wieder umgehend zu meinem Zellennachbarn machen.” „Wohl kaum. Der Kontakt ging nur indirekt über Nyan, so dass man mir nicht das geringste vorwerfen kann. Von Feinden Informationen zu erhalten und weiterzugeben ist schließlich nicht verwerflich. Fakt ist, dass ich jetzt nicht nur weiß, wie sich alles zugetragen hat, sondern dafür auch Beweise habe. Nur eine Frage ist noch offen: Wer war dein Komplize?”
* * *
Matyr betrat das Mutterschiff. Er hatte sich ein bisschen traurig, aber auch in Vorfreude von den Seinen verabschiedet und war nun zu den Taelons zurückgekehrt. Er als Botschafter bei den Taelons, es machte ihn immer noch stolz. Er lächelte. Dann nahm das Lächeln neugierige Züge an, als er diesen Griesgram Sandoval sah, der aussah, als hätte ihm das Essen am Morgen nicht geschmeckt [Anmerkung: eine gerynianische Redewendung]. Was wohl mit ihm war? In einigem Abstand folgte er ihm und bemerkte nach kurzer Zeit, dass der Mensch sich der Brücke näherte. Gut, dann würde er also Zo'or treffen. Er war schließlich Botschafter.
* * *
Renée lag wieder auf einer Liege und erwachte. Verdammt, wie lange sie wohl geschlafen haben mochte? Sie erinnerte sich an T'than, an seine beruhigenden Worte. Aber sie musste weg. Sie durfte sich von einem Taelon nicht so einlullen lassen! Sie erinnerte sich plötzlich an Augur und Julia. Mein Gott, sie hatten sie retten wollen. Was war jetzt mit ihnen? Vielleicht waren sie gefangen worden. Am besten wäre es wohl, T'than zu fragen, aber sie wollte nicht mehr auf ihn warten. Geschickt knackte sie den Code des Schlosses und war auch schon auf dem Gang.
Eine halbe Ewigkeit - so schien es zumindest Renée - irrte sie durch das Schiff, bevor sie sich halbwegs orientieren konnte. Sie hatte ein Portal ausgemacht, das sie für die Flucht zu verwenden plante, und schließlich fand sie auch den Weg zu den Verhörzellen, die, welch Wunder, mehr als gut bewacht waren. Gerade noch rechtzeitig sprang sie um eine Ecke in Deckung, denn sonst wäre ihr Befreiungsversuch gescheitert, bevor er überhaupt begonnen hatte. Scheinbar hatten die Taelons, nachdem Augur und Julia versucht hatten, sie zu befreien, die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Ein Zeichen dafür, dass die Taelons nicht ganz so blöd waren, wie sie aussahen, und ein mögliches Indiz dafür, dass ihre verhinderten Retter sich tatsächlich in diesem Arrestbereich befanden. Nun, von hier aus fand sie das nicht raus. Sie brauchte eine Freiwilligenuniform...
Sie war wieder zurück, von den anderen Freiwilligen nur noch dadurch unterscheidbar, dass sie kein Implantat besaß, aber sie ließ ihre Haare einfach halb offen, so dass es auf den ersten Blick nicht so auffallen würde. Sie sah einen Taelon aus einer der hinteren Arrestzellen kommen. So hatte sie noch nie einen Taelon gesehen. Wäre er ein Mensch, dann hätte sie ihn als vollkommen fertig und entsetzt beschrieben, aber er war ein Außerirdischer. Der Taelon bemerkte sie nicht, als er an ihr vorbeiging. Augenscheinlich wollte er von diesem Ort schnell wegkommen. Gut, dachte sich Renée und trat in den gesicherten Raum. Die anderen Freiwilligen sahen sie schief an. Sie kannten sie nicht. Eine Frau mit strengem, harten Gesicht kam auf sie zu. Sie schien ebenfalls eine Freiwillige zu sein, denn sie trug ein Implantat. Sie kam ihr so bekannt vor, aber ihr Gehirn weigerte sich, ihr die entsprechenden Informationen zu geben. Renée dachte schon, sie würde jetzt wieder gefangen genommen werden, aber dies geschah nicht. Die Frau baute sich vor ihr auf, musterte sie von oben bis unten und bat sie dann diskret, ihr zu folgen. Ohne zu überlegen, befolgte sie den Befehl und ließ die anderen Freiwilligen im Raum stehen. Sobald sie wieder auf dem Gang waren, zog sie die Frau, sie hatte rabenschwarzes Haar, zur Seite und sah sie noch strenger als zuvor an. „Renée, hören Sie mir jetzt gut zu! Ich habe nicht viel Zeit. Der Taelon von eben will mich vielleicht gleich anrufen! Wir müssen Augur und Julia so schnell wie möglich hier raus bringen! Sobald wir wieder da drinnen sind, ziehen Sie das hier auf,” die Frau zeigte ihr eine besonders kleine Gasmaske. „Sobald die da drinnen alle betäubt sind, werden wir sie da raus holen!” Die Schwarzhaarige wollte sie schon wieder in den Zellenbereich ziehen, als Renée sie stoppte. „Entschuldigung, aber woher kenne ich Sie?” „Ich war Emmas Freundin. Aber jetzt müssen wir uns beeilen. Unterhalten können wir uns später vielleicht noch!” Und schon waren sie im Zellenbereich und Renée hatte gerade noch Zeit die Gasmaske vor ihre Nase zu halten, als sich der Raum auch schon mit feinem Nebel füllte. Renée rannte zu Augurs Zelle und bedeutete ihm wild gestikulierend gleich rauszukommen. Und dann fiel ihr Blick auf Julia, die noch immer am Boden lag. Oh mein Gott, war alles, was Renée denken konnte, bevor sie in die Zelle raste und Julia vorsichtig berührte. Die Freiwillige erschien, reichte ihr einen Overall und bedeutete ihr, sich zu beeilen. Sie gab ihr noch eine Gasmaske und dann Augur eine. Doch Julia wachte nicht auf und Fe'lun kehrte nicht zurück. So trug Augur die bewusstlose Julia auf seinen Armen, wozu hatte er sich denn solche Muskeln antrainiert, aus der Zelle. Joan versteckte sie schnell in einem kleinen kammerartigen Raum. Sie sollten dort warten. Renée stiegen Tränen in die Augen, wenn sie Julia ansah. Sie sah grauenvoll aus, geschunden, fast tot. Ihre Haut war an einigen Stellen verbrannt, an anderen stark gerötet. Mein Gott, mein Gott. Augur versuchte sie anzulächeln, was ihm aber nicht sehr glücklich gelang, bevor er seinen Blick wieder senkte. Es war nichts zu sagen, etwas anderes als Stille hätte nicht gepasst.
Das Warten zerrte an ihren Nerven. „Verdammt,” stieß Renée wütend hervor, „wie konnte es nur so weit kommen? Was hat T'than bloß mit mir angestellt?” Traurig schaute sie Augur an und murmelte leise: „Das alles wollte ich nicht, das habe ich nicht einkalkuliert!” „Vergiss es,” zischte Augur, während er sich besorgt um Julia kümmerte. „Jetzt ist nur eines wichtig, dass wir so schnell wie möglich von hier verschwinden.” Er wollte noch etwas hinzufügen, als sie Schritte hörten, die immer näher kamen. Ängstlich schauten sie sich an und machten sich bereit. Ohne Kampf würden sie nicht aufgeben, darin waren sie sich einig, ohne dass sie ein Wort wechseln mussten. Doch als sich der Eingang zu der kleinen Kammer öffnete, war es nur Emmas Freundin, die zurückkam. „Okay, alle sind betäubt und der Weg frei. Fe'lun hat sich sonderbarerweise nicht wieder bei mir gemeldet, aber wir haben keine Zeit mehr zu warten. Los!” Ihre unerhoffte Retterin winkte sie aus dem Raum und führte sie aus dem Arrestbereich. Überall in den Gängen lagen bewusstlose Freiwillige. Renée war froh, als sie endlich draußen waren und die Gasmasken absetzen konnten. Im Laufschritt machten sie sich auf den Weg zu dem Portal, das sie bereits ausgemacht hatte. Überrascht bemerkte Renée, wie gut auch Augur mit Julia auf den Armen vorankam. Entweder die Angst ließ ihn über sich hinauswachsen oder der Mann war stärker, als er aussah. Minuten später stoppten sie vor dem Portal. Der Freiwillige, den Renée zuvor hier gesehen hatte, war verschwunden, wofür wohl Emmas Freundin gesorgt hatte. „Schnell, stellt euch ins Portal!”,befahl sie nun und machte sich, während sie ihrem Befehl nur zu gerne Folge leisteten, an den Kontrollen zu schaffen. „Viel Glück!”,wünschte sie ihnen. Renée wollte ihr noch danken, doch da blitzte auch schon das typische Licht eines ID-Tansfers auf. Diesmal hatten sie Glück. Nichts behinderte ihre Flucht. Als das Portal erlosch, befanden sie sich in einer Halle, die mit lauter Gerümpel angefüllt war. „Verdammt, wo sind wir hier gelandet?”,entfuhr es Renée. „Ist doch eigentlich egal,” meinte Augur, „die Hauptsache ist doch, dass wir nicht mehr auf dem Mutterschiff sind.” „Augur,” zischte Renée, „wir müssen so schnell wie möglich von hier weg. Hier sind wir nicht sicher und außerdem braucht Julia so schnell wie möglich ärztliche Hilfe. Lassen Sie sich gefälligst etwas einfallen. Tun Sie endlich etwas, stehen Sie nicht so tatenlos rum.” Er grinste leicht, so nervös hatte er Renée noch nie erlebt. Er schaute sie an, um dann ganz schnell zu sagen: „Nur keine Panik, Renée, ich weiß zufällig, wo wir hier sind und auch wie wir von hier wegkommen. Okay??” Renée wirkte skeptisch, doch sie folgte Augur, der zielsicher den Weg durch die Halle fand und strahlte, als wäre dies der schönste Augenblick seit langem. Wäre Julia nicht gewesen, wäre er wahrscheinlich noch weiter durch die verschiedenen Ecken voller Metallschrott gerannt, aber dann besann er sich. „Haben Sie ein Global dabei? Dann könnten wir Dr. Belman Bescheid geben.” Renée schüttelte den Kopf. Ihre ursprüngliche Kleidung war sonst wo abgeblieben, sie hatte ja nur eine Freiwilligenuniform an. „Mist!”,entfuhr es ihr. T'than musste ihr Global haben. Ihr Global, in dem Nummern von wichtigen Mitgliedern des Widerstandes gespeichert waren. Aber eigentlich, was sollte das Versteckspiel? T'than wusste doch sowieso schon, dass sie für den Widerstand arbeitete. Aber was, wenn er so die Widerständler in eine Falle lockte? Doch Renée brach diesen Gedankengang ab. Sie mussten einen Schritt nach dem anderen machen. „Augur, wo sind wir?” „In einem meiner alten Verstecke.” Plötzlich blieb Augur vor einer Wand stehen und zauberte aus dem Nichts eine Öffnung hervor. „Nach Ihnen, Mrs. Palmer.” Renée trat in ein und stellte fest, dass sie sich in einer Art Schleuse befand. Einen Moment später war Augur mit Julia auf den Armen wieder da. Er schloss die Tür hinter ihnen und öffnete die mit einem DNA-Scanner gesicherte Tür vor ihnen. Der Raum, in den sie nun traten, war bis auf ein transportables Portal vollständig leer. Renée versuchte möglichst unbeeindruckt zu bleiben und vorerst auch nicht darüber nachzudenken, woher Emmas Freundin gewusst hatte, dass sich in dieser verlassenen Lagerhalle neben dem Portal, durch das sie gekommen waren, noch ein zweites befand. Augur legte Julia in das Portal und begann mit der Programmierung des Zielortes. „Wo wollen Sie hin? Zurück ins ehemalige Hauptquartier können wir nicht. Das kennt Da'an!” „Das überlass mal ruhig mir, Süße,” antwortete Augur ebenso überheblich wie unverschämt. Dann verschwamm das Bild um sie herum und Renée blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten.
* * *
„Mr. Dennisson, wollen Sie mir wirklich weismachen, Sie hätten all diese Aufträge für Agent Sandoval im Namen der Taelons erledigt?” T'than war etwas skeptisch. Dieser ängstliche Mensch wirkte nicht gerade, als könne er derartiges leisten. Doch Dennisson nickte eifrig. „Doch wirklich! Und immer zu seiner Zufriedenheit! Und jetzt...” Seine Stimme brach ab. „Dann ist jetzt auch klar, warum er diesen Mord an Ihnen ausführen wollte”,stellte T'than fest. Doch der Mann sah ihn mit großen, erstaunten Augen an. „Warum denn?” „Warum?” Wie beschränkt die Menschen doch waren! „Sie sind ein Mitwisser von Sandovals Taten, egal ob von Zo'or gewollt oder nicht. Sie könnten anderen von diesen Handlungen berichten! Und ich bin mir sicher, dass viele Dinge, die Sie in Sandovals Auftrag getan haben, nicht im Namen von Zo'or oder eines anderen Taelons war.” Christopher Dennisson sah ihn verwirrt an, bestürzt. Er wollte doch den Taelons dienen und Sandoval übertrug die Wünsche der Taelons auf die Freiwilligen. Er war stolz gewesen, dass er seine Aufgaben so gut erledigte. Wenn sie auch manchmal etwas sehr blutig gewesen waren, für die Taelons war es ihm das doch wert gewesen. Und jetzt? Wofür hatte er diese korrupten, schrecklichen Dinge jetzt getan? Für Sandoval? Wut stieg in ihm auf. Wut. T'than sah die Enttäuschung und Verwirrung des Mannes, ignorierte sie aber. Erst sein plötzlicher Zorn, den T'than in seinen Augen aufglühen sehen konnte, weckte sein Interesse. Diesen Menschen konnte er vielleicht noch gebrauchen. Er sah zu, wie Dennisson die Fäuste ballte und er scheinbar Mühe hatte seine Wut nicht in körperliche Aktivität umzusetzen. „Wollen Sie mir damit sagen, dass ich für Sandoval Dinge tat, die nicht im Sinne der Taelons waren?” Die Stimme des Mannes klang vor Wut gepresst. Abschätzend sah ihn T'than an. Ganz so schwach, wie er zuerst gedacht hatte, war dieser Mensch vielleicht doch nicht und allzu dumm konnte er ja auch nicht sein, schließlich war er Ro'ans Machenschaften auf die Spur gekommen, wenn ärgerlicherweise auch nur zu einem kleinen Teil. „Ja”,antwortete T'than schließlich, „ich kann mit Gewissheit sagen, dass Sandoval Ihr Vertrauen missbraucht hat. Ihres genauso, wie das von uns Taelons.” „Dieser...” „Mäßigen Sie sich!”,stoppte ihn T'than und ließ die Wand, auf die der Mann gerade im Begriff war einzuschlagen, zurückweichen. Dieser taumelte, doch es gelang ihm überraschend gut das Gleichgewicht zu halten. Erstaunt sah er T'than an, welcher seinen Blick streng erwiderte. „Derartige Gefühlsausbrüche sind unnütz und verschleudern nur Energien! Wenn Sie in Zukunft als mein direkter Untergebener für mich arbeiten wollen, so unterlassen Sie ein solches Verhalten!” „Ich als Ihr...” Der Mann sah aus, als würde er erst mal eine Weile brauchen, um die Ereignisse der vergangenen Stunde zu verarbeiten, und so griff T'than ein. „Aber das können wir auch später besprechen. Ruhen Sie sich erst einmal aus. Ich werde Ihnen ein neues Quartier zuweisen, für das Sandoval keinen Code besitzt.” T'than brachte Dennisson zurück in den Bereich der Menschen und zu einem neuen Quartier. *Und ich dachte immer, Sandoval hätte alle Codes. Was wenn...* war das Letzte, was Christopher dachte, bevor er erschöpft auf einen Stuhl sank und merkte, wie müde er doch eigentlich war.
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Matyr genoss es, seine Farbe und Struktur den Wänden des Mutterschiffs anzupassen. Bei dem Planeten Erde war doch immer recht viel los. Und so schlich er Sandoval als wandelnde Wand hinterher. Der Mensch schien von irgendetwas beunruhigt zu sein und drehte sich ein paar Mal um. Matyr konnte sich aber in Windeseile „unsichtbar” machen und so schien dieser Sandoval ihn nicht zu bemerken. Im Gegenteil, seine Nervosität machte den Geryn misstrauisch. Schnell merkte Matyr, dass Sandovals Ziel keinesfalls die Brücke war, wie er zuerst vermutet hatte. Nein, Sandoval ging in einen Bereich des Schiffes, den Matyr nicht kannte, aber unschwer als eine Art Lager ausmachen konnte. Offensichtlich eines, das Sandoval nicht ohne ausdrückliche Berechtigung betreten durfte, denn sonst wäre er nicht so nervös. Matyr wurde immer neugieriger und kam Sandoval so nahe, dass er beinahe mit ihm zusammengestoßen wäre, als der Mann plötzlich stehen blieb und einen Durchgang öffnete. Matyr verwandelte sich hinter Zo'ors Attaché in eine hellviolette Strebe und sah ihm interessiert über die Schulter, als er ein unscheinbar aussehendes rundes Gerät aus einem Behältnis nahm und es in seine Tasche gleiten ließ. Ein selbstzufriedenes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Mannes aus und Matyr wurde immer misstrauischer. Die ganze Sache gefiel ihm überhaupt nicht und er hatte Lust, den Menschen einfach zu verschlingen. Nur musste er erst mal abwarten, was Sandoval vor hatte, bevor er ihn gefangen nahm. Leider. Matyr hoffte nur, dass er keine Bedrohung für T'than war. Schnell huschte Matyr hinter Sandoval her, der mittlerweile schon wieder weiter gegangen war. Die Form der Strebe gefiel ihm besser, sie war noch unauffälliger als eine Wand, schließlich standen auf dem Mutterschiff Streben im Überfluss rum. Könnte er als Geryn nicht einen anderen Geryn egal in welcher Form erkennen, so hätte er vermuten mögen, dass noch mehr seiner Artgenossen hier rumstanden. Matyr sah nun, dass Sandoval nun doch zur Brücke ging. Sie waren schon fast da. Es enttäuschte Matyr ein wenig. Er wollte dem Geheimnis des Mannes auf die Spur kommen und dies würde es nur weiter hinauszögern. Er musste ihn nun weiterhin heimlich beobachten. „Agent Sandoval, warum kommen Sie so spät?”,hörte Matyr Zo'or. Matyr verwandelte sich in eine humanoide Gestalt und betrat ebenfalls die Brücke.
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Da'an sah Ro'an abwartend und unnachgiebig an, doch dieser wandte sich lachend ab und lehnte sich lässig gegen die Wand seiner Zelle. „Mein Komplize? Wie kommst du auf die absurde Idee, ich hätte so etwas gebraucht?” Da'an musterte den Gefangenen mit kühlem Blick. „Die Geryn haben Gesprächsmitschnitte von dir und einer weiteren Person aufgezeichnet. Ich frage dich jetzt nur noch einmal im Guten: Wer war das?”
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