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  „Der Botschafter und die Priesterin” von Hagazussa   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Dezember 2004
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Botschafter Da'an wird verhaftet und unter Anklage gestellt, doch dann geschieht Unglaubliches.
Zeitpunkt:  gegen Ende der vierten Staffel
Charaktere:  Da'an, Toh'rha die Hüterin/Jeanne D'Arc, Liam Kincaid, Reneé Palmer, Zo'or, Ronald Sandoval, Feiwillige und Taelons
 

 

DER BOTSCHAFTER UND DIE PRIESTERIN

Kapitel 5: Anschuldigungen

 

Einige Zeit später, sie saß gerade in ihrem Büro im Erdgeschoss und war mit Bestellungen für die Bar beschäftigt, kam Liam plötzlich in den Raum gestürmt .
„Jeanne”, keuchte er. „Du musst sofort mit aufs Schiff!”
„Hey, immer langsam mit den jungen Pferden”, bremste sie ihn. „Was ist denn passiert?”
Sie sah zu ihm auf und wies auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch.
Immer noch schwer atmend ließ er sich in den Sessel fallen und begann zu erzählen.
„Gestern morgen begann ich wie immer mit dem Dienst. Aber so gegen elf kam plötzlich Sandoval mit einem Trupp von Freiwilligen vom Schiff.
Noch ehe sie in den offiziellen Räumen der Botschaft waren, wies mich Da'an an, mich zu verstecken und dir von den Ereignissen so bald wie möglich zu berichten. Ich ging also und versteckte mich in der Nähe des Botschaftstores.
Nun, nach etwa zehn Minuten kam dann Sandoval zurück und ein paar der Freiwilligen hatten Da'an gefesselt in ihrer Mitte. Ich habe noch gewartet, bis sie weg waren und habe mich dann erst einmal unsichtbar gemacht. Bis vor ein paar Stunden haben die Freiwilligen nach mir gesucht, dann haben sie es offenbar aufgegeben.”
Sie starrte minutenlang auf die Tischplatte vor sich und presste die Lippen fest aufeinander. Dann fällte sie eine Entscheidung. „Bist du sicher, dass dir niemand gefolgt ist?”
„Ich glaube schon. Ich habe zumindest niemanden bemerkt.”
„Gut! Dann geh jetzt nach oben”, forderte sie und gab eine Codesequenz in den Rechner ein. „Ich komme gleich nach.”
Er nickte bestätigend und stand auf.
„Dann bis gleich.”, verabschiedete er sich und verschwand aus dem Raum.
Kaum war Liam fort, berührte sie einen Kontakt, der sie mit den Räumen der Bar verband.
„Jean, kommen Sie bitte in mein Büro”, forderte sie leise, nachdem sich ihr Chefbarkeeper gemeldet hatte.
Der Mann nickte nur und schloss den Kanal. Sekunden später klopfte es an der Tür.
„Kommen Sie herein!”, rief sie und sah auf.
Der schlanke und doch durchtrainierte Jean betrat den Raum und sah zu seiner Chefin herab.
„Was gibt's, Boss?”, fragte er gespannt.
„Es haben sich Probleme ergeben”, erklärte sie. „Ich werde für längere Zeit aufs Schiff müssen.”
Der Mann nickte.
„In welcher Form?”, erkundigte er sich, denn er gehörte zu den wenigen Menschen, die wussten, dass Jeanne D'Arc noch eine zweite Identität hatte.
„Als Taelon”, gab sie bekannt und ergänzte: „Da'an wurde verhaftet.”
Jean sah zu Boden.
„Mm, verstehe. Wissen Sie schon, wie lange es ungefähr dauern wird?”
„Nein! Ich überlasse Ihnen das Geschäft und hoffe, dass es noch läuft, wenn ich wiederkomme.”
„Wird schon gut gehen, denke ich. Hat doch bisher immer geklappt.”
Wehmütig lächelnd nickte sie.
„Danke, Jean, das war alles”, sagte sie leise und schaute auf den Tisch.
Der Barkeeper blieb noch einen Moment stehen, bevor er sich abwandte und den Raum verließ.
Beim Hinausgehen murmelte er noch „Viel Glück!”, bevor sich die Tür hinter ihm schloss.


Einige Sekunden später erschien Tho'rha in ihrer Diele. Sie betrat den Hauptraum und entkleidete und verwandelte sich. Ihr dunkler Anzug unterschied sie nun kaum noch von den übrigen Taelons auf der Erde.
Die Hüterin verfügte sich mit Liam in das Tor in der Diele, gab eine Sequenz in die Steuerung ein und drückte den Auslöser.
Im Schiff verließen sie das Portal und folgten dem Gang, der sich von dort aus erstreckte.
Nach einiger Zeit betraten sie die geheimen Räumlichkeiten der Hüterin. Tho'rha ließ an einer Wand einen Bildschirm entstehen und bewegte sich mit Hilfe des Überwachungssystems durch die Abteilungen des Schiffes.
Im Arrestbereich sah sie Da'an in meditativer Haltung auf dem Boden einer der Zellen hocken und atmete erleichtert auf. Auf der Brücke sammelten sich langsam die Taelons.
Tho'rha öffnete ein Wandsegment und entnahm einem Fach einen strahlend weißen Umhang mit überbreiten Schultern, ein fast durchsichtiges weißes Tuch und ein Diadem aus Silber mit einem großen grünen Stein in der Mitte und violetten und blauen seitlich des grünen.
Ohne Zögern verwandelte sie sich. Jetzt trug sie einen lichtblauen Anzug und Stiefel mit hohen Absätzen. Dann legte sie den Umhang an, zog sich das Tuch über den Kopf und setzte das Diadem auf. Darauf schlug sie den Schleier über die Krone zurück und trat zu dem Menschen.
Liam hatte unterdessen die Geschehnisse auf der Brücke beobachtet.


„Jetzt müssten bald alle da sein”, verkündete er, drehte sich zu der Frau um und riss die Augen auf.
Die Gestalt vor ihm wirkte größer als er die Hüterin kannte und die hellen Kleider ließen ihre dunkelblauen Augen wie tiefe, geheimnisvolle Seen erscheinen.
„Du siehst atemberaubend aus”, stellte er erstaunt fest.
„Ich weiß”, bestätigte sie. „Doch nun lass uns gehen, sonst verpassen wir die Anklageverkündung.”
Wieder gingen die beiden durch Gänge und Räume, die sonst kein Wesen an Bord kannte oder die nur zu Wartungsarbeiten genutzt wurden.
Nahe der Brücke verließen sie vorsichtig den Schleichweg auf einer Seite eines Ganges, um zu einem gegenüber liegenden zu wechseln. Gerade als sich die Wand hinter ihnen geschlossen hatte, kam Sandoval mit einigen Freiwilligen und Da'an um die Ecke.
„Das war aber knapp”, hauchte Liam.
Die Frau an seiner Seite nickte nur bestätigend.
Sie führte ihn weiter durch den Gang in eine kleine Kammer an der Rückseite der Brücke. Eine Berührung ließ die Wand erstrahlen und einseitig durchsichtig werden. Sie sahen und hörten zu, wie Da'an hereingeführt wurde.
„Sie haben ihn wie einen gemeinen Verbrecher in Fesseln gelegt!”, zischte Liam empört. Tho'rha legte ihm den Finger auf die Lippen und wies auf die Wand.
Sofort konzentrierte er sich wieder auf das Geschehen, doch Zo'or sprach Eunoia und Liam verstand zu wenig, um mitzukommen.
„Was sagt er?”, fragte er nach einigen Sekunden hilflos.
Die Hüterin verstand sein Dilemma und fasste zusammen.
„Er wirft Da'an vor, Kontakte zum Widerstand zu haben. Und nicht nur das”, murmelte sie. „Er erklärt, beweisen zu können, dass Da'an Informationen an den Widerstand weitergegeben hat und dass er seit mehreren Jahren einen Stützpunkt der Rebellen kannte, und zwar lange vor der Amnestie, und ihn nicht der Synode [1] gemeldet hat, was den Tatbestand des Hochverrates erfüllen würde.
Weiterhin wird er behaupten, dass Da'an Experimente vorgenommen hat, die Taelons schädigten und sogar in den Tod trieben. Er wird die Höchststrafe verlangen”, endete sie mit zorniger aber auch trauriger Stimme.
„Und das wäre?”, fragte Liam angespannt und auf das Schlimmste vorbereitet, während sie auf dem Bildschirm Zo'ors Anklageverkündung weiterverfolgten.
„Wenn Da'an zur Höchststrafe verurteilt wird”, erklärte sie leise. „wird zuerst sein Gedächtnis sondiert, um an sein Wissen zu gelangen. Dann wird ihm seine gesamte Lebensenergie entzogen und der Synode zur Verfügung gestellt - und das alles bei vollem Bewusstsein. Eine sehr schmerzhafte Prozedur. Doch jetzt sei leise und verlasse diesen Raum nicht!”
Der Mann nickte und die Hüterin zog den Schleier über ihr Gesicht und wechselte in einen der Gänge, die zur Brücke führten.

„Ihr kennt jetzt die Anklagepunkte. Ist jemand bereit, für Da'an zu sprechen?”, fragte Zo'or und sah sich herausfordernd im Raum um.
„Ja, ich”, erklang eine volltönende, ruhige Stimme von einem der Nebeneingänge der Brücke des Mutterschiffes und eine Gestalt betrat den Raum. Ihr lichtblauer Anzug spannte sich über Rundungen, die den wenigen anwesenden Menschen das Herz höher schlagen ließen und die hohen Absätze ihrer Stiefel und der bodenlange Umhang mit den überbetonten Schultern schufen eine selbst die Taelons beeindruckende Erscheinung. Das Brückenlicht ließ die Edelsteine des Diadems in allen Farben des Spektrums funkeln und leuchten.
„Wer...?”, setzte der Führer der Synode an und in seinen wasserblauen Augen gleißte Zorn.
Sandoval, Zo'ors Beschützer, trat nervös einen Schritt näher an seinen Schützling heran und ballte die Faust. Sein Scrill begann drohend zu zischen.
„Ich”, gab die Angesprochene zurück „bin Tho'rha.”
Zo'ors Augen weiteten sich. „Du lügst!”, fauchte er. „Tho'rha ist seit 1000 Jahren tot!”
„Ja, so sollte es erscheinen”, bestätigte sein Gegenüber und schlug das Tuch zurück, das ihre Identität bisher verhüllt hatte.
„Vor mehr als 3000 Jahren beschloss ich, die Berge und die Hüter zu verlassen und ein Taelon zu sein, um mit Da'an zu leben. Als ich 2000 Jahre später zurückkehrte, begann für mich die Vorbereitung auf eine besondere Mission.
Ein Jahrhundert danach wurde mein Bewusstsein wieder vom Gemeinwesen [2] getrennt, damit ich zur Erde fliegen und hier als Mensch unter den Menschen leben und auf diese Weise die Ergebnisse der Untersuchungen Ma'els zu überprüfen konnte.”
„Und zu welchem Ergebnis kam deine Überprüfung?”, wollte einer der anderen Taelons wissen.
„Die Ergebnisse meiner Untersuchungen gehören noch zu den Mysterien der Hüter und werden euch zu gegebener Zeit zugänglich gemacht werden”, wies sie den Neugierigen zurecht.
Der Taelon senkte den Kopf, schlug die Augen nieder und schwieg beschämt.
Da'an stand einige Schritte entfernt, flankiert von zwei Freiwilligen. Um seine Handgelenke wand sich ein gleißendes Lichtband. Sein Gesicht wirkte eingefallen und seine sonst immer wachen Augen blickten müde und teilnahmslos.
„Lösen Sie die Fessel!”, befahl sie einem der Männer.
Zo'or richtete sich auf und wollte dazwischenfahren, als sie sich zu ihm umwandte.
„Ich werde nicht zulassen, dass du euren Genpool [3] aus reiner Machtgier noch mehr verkleinerst! Eure Rasse ist schon jetzt kaum noch fähig, sich ohne massive genetische Eingriffe zu regenerieren! Und ich bin mir sicher, dass Da'an nicht versuchen wird, zu fliehen.”
Zo'or sprang auf.
„Die An- ...”, rief er.
„Sind an den Haaren herbeigezogen!”, unterbrach sie ihn zornig und in ihren dunkelblauen Augen funkelte eine Warnung.
„Aber er behauptet, überzeugende Beweise zu haben”, wandte sich einer der anderen an die Hüterin.
„Eine Frage der Auslegung und Präsentation”, wehrte sie ab. „Ich wäre durchaus in der Lage...”
„Halt!”, fuhr der Führer der Synode in das Gespräch. Dann wandte er sich an die Frau. „Folge mir!”, forderte er in befehlendem Ton und trat in einen der Gänge, die von der Brücke abzweigten.
Sie neigte mit einem spöttischen Glitzern in den nachtblauen Augen nur leicht den Kopf und tat, was er verlangt hatte.
In einem Nebenraum drehte er sich zu ihr um und sah ihr ins Gesicht.
„Was willst du?”, zischte er.
„Da'ans Leben und seine Freiheit!”
„Niemals!”
„Dann werde ich allen beweisen, dass Da'an nichts getan hat, was euch schaden könnte! Und ich werde den wahren Verräter an eurer Rasse präsentieren!”
Zo'ors Augen weiteten sich. „Wer sollte das sein?!”
„Schau in einen Spiegel!”
„Das kannst du niemals beweisen.”
„Bist du dir da ganz sicher?!”, fragte sie provokativ und ließ ein Bild auf der Wand erscheinen. Es zeigte einen Taelon auf dem Stasisdeck, wie er gerade die Hand auf die Brust eines sich in Starre Befindenden legte.
„Erkennst du es?”
Zo'or starrte einige Sekunden auf die Aufzeichnung und wandte sich dann der Frau mit von Zorn verzerrtem Gesicht zu.
„Ich befehle dir, alle Beweise mir zu zeigen!”, fuhr er sie an.
Du als der Führer der Synode solltest wissen, dass nicht einmal du die Möglichkeit hast, einem Hüter etwas zu befehlen. Wenn du die Klagen gegen Da'an nicht fallen lässt, sorge ich dafür, dass es alle erfahren. Und wenn ich sage ‚alle’, dann meine ich auch alle, auch die Menschen. Willst du das?”, gab sie gelassen zurück.
„Du wagst es, mir zu drohen?!”, fauchte er.
„Ich wage noch viel mehr!”, kündigte sie mit vor Wut verengten Augen an. „In einem Schließfach auf der Erde, zu dem nur eine Handvoll Leute Zugang hat, liegen Beweise, dass du Experimente an Menschen vorgenommen hast, die zu schweren bis schwersten Schädigungen führten, und wenn diese Leute nicht in einer gewissen Zeit von mir hören, werden sie diese der Weltöffentlichkeit präsentieren!
Außerdem werden, sollte mir etwas zustoßen, der Synode Beweise zugänglich gemacht, die aufklären, was die wahren Gründe für T'thans Tod in der Stasis [4] waren!
Was glaubst du, was dann passiert?” Sie hob den Kopf und sah ihm direkt in die eiskalten Augen.
Wie von einem Schlag getroffen wankte er einige Schritte zurück. „Nein! Das ist nicht dein Ernst!”
„So?”, fragte sie mit herausforderndem Unterton in der Stimme. „Willst du es darauf ankommen lassen, oder hasst du Da'an so sehr, dass du euer aller Leben gefährdest, um dich an ihm zu rächen?!” Sie senkte den Kopf und murmelte: „Welch schlimme Fehler müssen ihm in den letzten Jahrhunderten unterlaufen sein. Oder ist es nur deine Gier nach unbegrenzter Macht, die dich dazu verführt, nur noch einen Konkurrenten in ihm zu sehen, den es zu beseitigen gilt?”
„Du nimmst dir zu viel heraus, Hüterin!”, fauchte er. „Niemand wirft mir ungestraft vor, machtgierig zu sein!”
„Warum? Weil es menschlich wäre?!”, schoss sie zurück und in ihren dunkelblauen Augen gleißte Verachtung. „In dieser Beziehung bist du menschlicher als die meisten Menschen, die ich kenne. Du bist machthungrig, aggressiv und in vieler Hinsicht das schlechteste Vorbild, das ich kenne!
Dabei haltet ihr euch doch für eine so überlegene Rasse, die das alles schon vor langer Zeit hinter sich gelassen hat.”, spöttelte sie.
„Was heißt hier ihr?! Hältst du dich für etwas Besseres, nur weil du den Status eines Hüters hast und deine geistige Macht selbst die der Synode übersteigt?”
„Nein Zo'or, ich bin anders. Es sind die Teile meines Genoms, die nicht Taelon sind, welche die Ältesten in der Synode fürchten.”, erklärte sie und gab vor seinen Augen ihre menschenähnliche Gestalt auf.
Was er jetzt zu sehen bekam, ließ ihn vor Schreck erstarren. Vor ihm stand eine Gestalt von zwar noch taelonischer Form, doch die gleißend helle Aura des Wesens strahlte nicht violett wie die der Seinen, sondern in einem intensiven blendenden Gelbgrün.
„Wie du siehst, sind Hüter nicht nur in ihrer Lebensweise anders als die übrigen Taelons. Wir sind eine Rasse in der Rasse. Wir sind die direkten Nachkommen der Kimera.
Ha'gel war nur einer von einigen Hundert, die im Laufe der Zeit dem Massaker entkamen.”
„Aber dann bin ich ja...”, setzte der Jüngere an.
„Nein, Zo'or”, widersprach die Frau. „Denn du bist zwar Da'ans, aber nicht mein Kind.”
Der Jüngere sah einen Moment zu Boden und dann seinem Gegenüber ins Gesicht.
„Ich schlage dir etwas vor”, begann er in lauerndem Tonfall. „Du lehrst mich die Fähigkeiten der Hüter, und ich ziehe meine Klage gegen Da'an zurück.”
Sie blickte ihm in die eiskalten Augen und schürzte die Lippen. „Und du glaubst tatsächlich, ich ließe mich auf so etwas ein?!”, stellte sie mit emporgezogener Braue fest. „Du solltest dir deine Geschäftspartner besser ansehen! Ich feilsche nicht um Da'ans Leben! Entweder du lässt die Klage gegen ihn fallen oder es geschieht das, was ich dir vorausgesagt habe!”
Minutenlang schwiegen sie und starrten einander an, doch dann senkte er kapitulierend die Lider.
„Gib mir einige Tage, um die Sache so zu drehen, dass ich mein Gesicht nicht ganz verliere”, lenkte er scheinbar ein.
„Gut”, gab sie nach. „Ich werde dir sieben Tage lassen. Aber nicht um deinet-, sondern um seinetwillen.”
Sie machte eine kleine Pause, bevor sie fortfuhr.
„Nur eines noch, Zo'or. Wenn du oder einer deiner Lakaien ihn anrührt, bist du erledigt! Dann mache ich dich fertig, ohne Rücksicht auf Da'ans Gefühle zu dir. Verstanden?!”, setzte sie mit zornfunkelnden Augen hinzu
Er schürzte die Lippen und nickte langsam.
Ihr Blick durchbohrte ihn und nach einigen Sekunden wies sie auf die Tür.
Der Jüngere verstand und setzte sich in Bewegung, und sie folgte ihm auf dem Fuß.
Einen Augenblick später betraten beide hintereinander die Brücke.
„Bringen sie ihn zurück in seine Zelle!”, befahl Zo'or, an seinen Beschützer gewandt.
Der Mann sah verwundert auf und öffnete den Mund. Doch der stechende Blick des Taelon ließ ihn schweigen.
Nach einigen Sekunden senkte er die Augen und nickte. „Jawohl, Zo'or.”, bestätigte er widerstrebend den Befehl und trat zu den Freiwilligen.
Tho'rha hatte sich inzwischen hinter dem Sessel des Synodenführers platziert und wechselte einen kurzen Blick mit Da'an.
„Nur Mut”, schienen ihre Augen zu sagen. „Es wird alles gut werden!”
Er verstand und ließ sich abführen, doch jetzt zeigte seine Haltung nicht mehr die vorherige Verzweiflung. Er sah wieder einen Hoffnungsschimmer.
„Das Verfahren wird in sieben Tagen fortgesetzt. Die Beweise der Anklage werden noch einmal überprüft!”, verkündete Zo'or den anwesenden Taelons. „Wir treffen uns dann wieder hier, um fortzufahren.”
Die Umstehenden nickten und verließen den Raum, nur die Hüterin blieb zurück und ihre vollen Lippen umspielte ein zufriedenes Lächeln.
Nachdem die Letzten gegangen waren sah sie dem Jüngeren in die Augen.
„Vergiss es nicht, Zo'or!”, erinnerte sie ihn und wandte sich zum Gehen.
„Ich werde mich daran erinnern, Hüterin”, verabschiedete er sie mit drohendem Unterton in der Stimme. Aber in sieben Tagen kann viel geschehen..., fügte er in Gedanken hinzu.
Sie nickte bestätigend, und verließ die Brücke.


Einige Minuten später trat Sandoval aus einem der Gänge.
„Er darf nicht überleben!”, zischte Zo'or, und beide wussten, wen er meinte.
Der Mensch sah einige Sekunden zu Boden. „Wie lange würde er durchhalten, wenn ihm die Energiedusche weiterhin verweigert wird?”, fragte er leise.
Zo'or sah verwundert auf, doch dann erschien ein grausames Lächeln auf seinem Gesicht.
„Das kommt auf seinen Status an, aber nicht länger als einige Tage.”, gab er Auskunft. „Hat Da'an seit seiner Verhaftung Energie bekommen?”, wollte er weiter wissen.
„Nie”, erwiderte sein Gegenüber.
„Dann soll das auch so bleiben. So wird er voraussichtlich binnen der nächsten fünf Tage die Ebenen wechseln. Wir brauchen also nur zu warten!”, stellte er zufrieden fest.
Der Mensch nickte nur und seine Lippen umspielte ein ebenso grausames Lächeln. Er hatte einen noch weitergehenden Plan.
Wenn der gelang, würde Zo'or sicher sehr zufrieden mit ihm sein und nicht mehr an seiner Loyalität zweifeln.
„Ihm darf auf keinen Fall Gewalt angetan werden!”, erinnerte der Taelon seinen Beschützer noch einmal.
„Ich verstehe”, gab Sandoval zurück. „Man wird nichts finden.”
Der Synodenführer nickte und lächelte verhalten. Er wusste, dass ihn sein Beschützer in dieser Hinsicht nicht enttäuschen würde und wenn doch, dann würde er alles auf ihn abwälzen und abstreiten, davon gewusst zu haben.


Tho'rha hatte nach einigen Metern im Gang eine Wand geöffnet und sich zu Liam in die Kammer gesellt. Sie warf einen kurzen Blick auf den Bildschirm, den sie geschaffen hatte und der noch immer die Brücke und Zo'or zeigte und entnahm einem Fach ein Sprechgerät und einen winzigen Ohrempfänger.
Während sie das Mikrofon Liam reichte, ließ sie den Empfänger in ihrem Ohr verschwinden.
„Warne mich, wenn Sandoval zum Arrestbereich geht, und gib mir die Energiekapseln”, bat sie ihn.
Der Mann griff in seine Jacke und reichte ihr das Röhrchen.
Die Hüterin nickte ihm dankbar zu und ließ es an ihrer Schulter verschwinden.
„Hast du dort eine Tasche?”, wollte der Mensch wissen.
Schelmisch lächelnd neigte sie den Kopf.
„Praktische Sache”, lobte er.
„Vor allem, wenn sie durch einen Umhang verborgen wird”, ergänzte sie.
Dann wandte sie sich ab. „Ich muss ...”, erklärte sie, und der Mann nickte verstehend und winkte ihr mit dem Mikrofon zu.
„Viel Erfolg!”, wünschte er, als sie ging.


Im Zellentrakt trat sie offen aus einem der Zugänge und ging auf die Zelle zu.
„Halt!”, forderte die Wache. „Niemand darf ohne Agent Sandovals Erlaubnis zu ihm.”
„Von wem stammt der Befehl?”, wollte sie ruhig wissen.
„Von Agent Sandoval persönlich.”, gab der Freiwillige Auskunft.
„Dann gilt das wohl nicht für mich”, stellte sie fest und trat näher an den Mann heran.
„Ich muss ihn fragen”, erklärte er entschuldigend und nervös.
Die Frau neigte nur den Kopf und kam noch näher. Als er sich zur Kommunikationseinheit umwandte, legte sie ihm nur die Hand auf die Schulter und ließ kurz ihr Shaqarava aufglühen.
Im selben Moment stürzte der Mann und sie fing ihn auf und legte ihn sanft zu Boden.
Da'an hatte dem Geschehen mit schreckensweiten Pupillen zugesehen, doch als sie an die Zelle trat, entspannte er sich wieder.
„Er wird sich an nichts erinnern”, erklärte sie mit einem Blick auf die Wache, während sie das Kraftfeld mit einem Spezialcode abschaltete. Mit einem leisen „Plop” verschwand es, doch sie gab ihm zu verstehen er solle im Zelleninnern bleiben. Dann trat sie zu ihm.
Die Frau musterte ihr Gegenüber von Kopf bis Fuß und blickte ihm dann in die Augen.
„Wie geht es dir?”, wollte sie leise wissen.
„Nicht gut”, erwiderte er. „sie verweigern mir den Energiestrom.”
„Das habe ich mir schon so gedacht.”, verkündete sie lächelnd. „Aber das haben wir gleich.” Sie griff an ihre Schulter. Als ihre Hand wieder zum Vorschein kam, lag darin das Röhrchen mit den vollen Energiekapseln.
Dankbar nickend nahm Da'an die erste und verabreichte sich den Inhalt.
Plötzlich griff sie sich ans Ohr und sah für eine Sekunde konzentriert zu Boden. Dann hob sie den Kopf.
„Ich muss gehen”, sagte sie traurig. „Sandoval ist auf dem Weg hierher.”
Die Frau verstaute die leere Kapsel und legte die volle in seine Handfläche. Sie umschloss seine Hand mit den ihren und löste die Kapsel aus, während sie leise „Lass dich nicht unterkriegen, ich komme wieder!” sagte. Dann verließ sie die Zelle und reaktivierte das Kraftfeld.
Beim Gehen stellte sie den Wachmann noch an die Wand und berührte ihn am Kopf, und ehe er zu sich gekommen war, verschwand sie in derselben. Kurz bevor sich der Durchgang schloss, nickte sie dem Gefangenen noch einmal aufmunternd zu.
Erleichtert und gestärkt ließ sich Da'an wieder zu Boden sinken und versank in Trance.
Tho'rha blieb hinter der nur einseitig undurchsichtigen Wand stehen und beobachtete, was geschah.


Einige Sekunden nachdem der Wachmann wieder bei sich und verwirrt auf seinen Posten zurückgekehrt war, erschien Sandoval auf der Bildfläche.
„Irgendwelche Vorkommnisse?”, erkundigte er sich bei dem Mann, doch der schüttelte nur den Kopf.
„Keine, Sir.”, meldete er nervös.
Zo'ors Beschützer trat an die Zelle und deaktivierte das Kraftfeld. Er ging zu Da'an, griff in seine Tasche und holte ein Röhrchen hervor, dessen kristalliner Inhalt fliederfarben glitzerte. Genüsslich drehte er es in der Hand hin und her und beobachtete dabei aus dem Augenwinkel die Reaktion seines Gegenübers.
„Nun, Da'an, wie fühlen Sie sich heute?”, fragte er hämisch.
Der Alte legte den Kopf etwas schräg, hob die Hand und sah zu dem Menschen herüber.
„Den Umständen entsprechend gut, Agent. Warum fragen Sie?”, entgegnete er und stand mit einer fließenden Bewegung auf.
Sandoval hob bei der ruhigen Antwort des Taelon seinen Blick und musterte sein Gegenüber eingehend.
Was ist hier los? , fragte er sich. Er wirkt wieder so frisch wie vor zwei Tagen. Wenn ich nicht wüsste, dass es nicht sein kann, dann würde ich denken, er hat Energie bekommen .
Dann beruhigte er sich wieder und schaute auf das Röhrchen.
„Nun gut, aber sollte es Ihnen einmal nicht so gut gehen, wenden Sie sich vertrauensvoll an mich. Ich habe hier etwas, das Sie sicher schnell wieder auf die Beine bringen wird.”
„Ich werde daran denken, Agent”, bestätigte Da'an mit einem leichten Nicken und amüsierten Glitzern in den fliederfarbenen Augen.
Der Mensch verzog das Gesicht. Du hast keine Chance! , dachte er. Wenn die Schmerzen anfangen, wirst du mich anflehen, dir das Kryss [5] zu geben! Und dann wirst du alles tun, um es zu bekommen, du wirst alles gestehen und dich selbst anklagen!


Die Frau hinter der Wand ballte die Fäuste, ihre langen Fingernägel bohrten sich in ihr Fleisch und einige Tropfen aquamarinfarbenen Plasmas [6] fielen zu Boden. Der Schmerz lenkte sie soweit ab, dass sie nicht vor Wut aufschrie.
Nach einigen Sekunden wandte sie sich angeekelt ab und kehrte zurück zu Liam in die Kammer.
Dort angekommen sah sie sich einer eingehenden Musterung ausgesetzt.
„Willst du es mir erzählen?”, fragte der Mann vorsichtig, denn ihr Gesicht war noch immer von Wut und Abscheu verzerrt und ihre Hände strahlten in leichtem Energieverlust.
„Jetzt nicht!”, wehrte sie ab. „Wir müssen erst einmal weg hier. Du brauchst einen sicheren Platz, damit Sandoval dich nicht auch noch kriegt.”
Liam nickte nur und folgte der Frau in den Gang.


Im Geheimbereich des Hüters berührte sie eine Wand und sofort wuchs eine Liege aus der halb-organischen Fußbodensubstanz des Raumes. Die Frau griff in ein Wandfach und reichte dem Menschen ein Kissen und eine Decke.
„Hier kannst du erst einmal bleiben”, erklärte sie. „Mit dem Essen wird es etwas schwieriger, das muss ich von der Erde hochschicken.”
Ihr Gegenüber nickte verstehend.
„Ich bin momentan der einzige von uns, der sich noch frei bewegen kann, also werde ich den Kontakt zu Renée und den anderen halten”, gab sie bekannt, während sie ihren Schleier und die Krone verstaute.
Dann wandte sie sich ab und begab sich in die offenen Bereiche des Schiffes.
Tho'rha ging in Da'ans Quartier und ließ sich auf den Boden sinken, um zu meditieren.
Gerade als sie die entsprechende Haltung eingenommen hatte summte der Türmelder. Sie stand auf und öffnete den Zugang. Vor ihr stand Zo'ors Beschützer.
„Ja bitte, was wünschen Sie, Mister Sandoval?”, wollte sie wissen.
„Waren Sie heute schon bei Da'an?”, erkundigte sich der Mann.
„Nein, warum?”, log sie mit unschuldigem Blick.
„Nun, ich dachte, Sie wollten vielleicht wissen, wie es ihm geht.”, vermutete er.
„Ich habe ihn auf der Brücke gesehen, das hat mir gereicht, um mir ein Bild zu machen!”, gab sie leicht ungehalten Auskunft.
Der Mann nickte nachdenklich und sah zu Boden. Dann schaute er auf und ihr direkt in die Augen.
„Was haben Sie als nächstes vor?”, erkundigte er sich weiter.
„Ich werde auf die Erde zurückkehren. Doch vorher werde ich mich zur Brücke begeben und etwas mit Ihrem Boss besprechen. Stellt Sie die Auskunft zufrieden, Agent?”, erwiderte sie spöttisch.
Der Mann überlegte. „Sie werden einen Piloten brauchen.”
„Das ist nicht nötig, ich bin durchaus in der Lage, selbst zu fliegen.”
„Aber wenn etwas schief geht...”
Doch sie hob die Hand und gebot ihm Schweigen. „Mister Sandoval! Sind Sie tatsächlich um mein Wohlergehen besorgt, oder wollen Sie mir nur so unauffällig wie möglich einen Bewacher zuweisen?!”, fragte sie verärgert .
Sandoval senkte den Blick und schürzte die Lippen. „Natürlich bin ich um Ihr Wohlergehen besorgt!”
„Das brauchen Sie nicht, Agent. Um mein Wohlergehen kann ich mich selbst kümmern, das habe ich mein ganzes bisheriges Leben lang geschafft und ich werde es auch jetzt nicht ändern!”
Ihr Gegenüber verzog das Gesicht ob der offensichtlichen Abfuhr und wandte sich zum Gehen.
„Mister Sandoval!”, rief sie ihn noch einmal zurück.
Der Mann drehte sich um und sah erwartungsvoll zu ihr herüber.
„Ich weiß, wenn ich beobachtet werde und werde dementsprechend reagieren!”, warnte sie.
Der Mensch nickte nochmals und verließ den Raum und die Frau ließ sich im Lotussitz wieder zu Boden sinken und ging in Trance. Dabei erhob sich ihr Körper und schwebte etwa einen Meter über dem Bodenniveau und der Saum ihres Umhanges hing nur wenige Millimeter von selbigem entfernt. Vom Zugang aus und für die Überwachungsanlagen war so nicht auszumachen, ob die Frau stand oder eine andere Haltung einnahm.


Nach mehreren Stunden erwachte sie und ging zur Brücke.
„Du wolltest etwas mit mir besprechen?”, begrüßte sie der Führer der Synode, als sie den Raum betrat.
Tho'rha neigte bestätigend den Kopf.
„Dann sprich”, forderte er sie auf. „Ich habe nicht ewig Zeit!”
Sie nickte wieder und sah zu ihm auf. „Ich werde”, verkündete sie fest, „Da'ans Platz auf der Erde einnehmen, bis er wieder frei ist.”
„Das ist ein akzeptabler Vorschlag”, stellte Zo'or zufrieden fest und dachte. Dann bist du hier aus der Schusslinie und wir können uns in aller Ruhe Da'an vornehmen. In einer Woche habe ich ein vollständiges Geständnis von ihm und du kannst nichts mehr für ihn tun!
„Wann wirst du gehen?”, erkundigte er sich.
„In einer Stunde werde ich fliegen. Doch vorher werde ich noch einmal nach Da'an sehen.”
„Das ist dein gutes Recht.”
Sie neigte den Kopf. „Gib deinem Beschützer Bescheid, dass er mich zu ihm lässt.”, forderte sie, wobei sie den Status des Menschen mit einer besonderen Betonung versah, die Zo'or klar machte, was sie von dem Mann hielt.
„Das werde ich tun”, bestätigte der Synodenführer. „Wann gehst du hin?”
„Jetzt sofort”, erklärte sie und wandte sich ab.
Ihr langer Umhang folgte ihr wie ein Schleier und bauschte sich als sie den Raum verließ.
Widerwillig musste ihr der jüngere Taelon Respekt zollen, ihre Auftritte waren immer wieder beeindruckend, trotz ihrer verhältnismäßig geringen Körpergröße.


Im Arrestbereich wartete Sandoval bereits auf sie und begleitete die Hüterin zu Da'ans Zelle.
Der Alte trat dicht an das Kraftfeld heran und sah ihr in die Augen.
„Tho'rha”, begrüßte er sie leise.
„Würden Sie mich bitte zu ihm lassen?!”, fragte sie herausfordernd, als der Mensch keine Anstalten machte, das Kraftfeld zu deaktivieren. „Oder soll ich selbst öffnen?”
Der Mann zögerte noch einige Sekunden, doch dann nickte er und öffnete den Zugang.
Tho'rha trat in den Raum zu dem Taelon.
„Wie fühlst du dich?”, fragte sie leise in ihrer Muttersprache.
„Im Moment gut”, erwiderte er ebenso leise.
Sie nickte und umschloss seine Rechte mit ihren Händen.
„Zeig ihnen, wie gut es dir geht!”, raunte sie.
Er reagierte sofort, streckte sich wohlig und ließ für einen Augenblick seine Taelon-Physiologie durch die menschliche Hülle hindurch schimmern, als sei ihm gerade etwas Wunderbares widerfahren.
„Sollte es dir an irgend etwas fehlen”, sagte sie nun etwas lauter und für den Menschen verständlich, „dann zögere nicht, mich zu benachrichtigen. Ich bin in der Botschaft in Washington.”
„Das hat mir Mister Sandoval auch schon angeboten”, stellte er mit einem belustigten Glitzern in den Augen fest.
Sie nickte. „Dachte ich mir schon. Nur dass ich es ernst meine!”
Bestätigend nickte der Alte.
„Ich komme morgen wieder!”, versprach sie als, sie ihn verließ.
Da'an sah zu Boden und schwieg. Kurz bevor sie außer Sichtweite für ihn war, blickte sie sich noch einmal um und hob die Hand.
Der Taelon in der Zelle grüßte zurück und seine Lippen umspielte ein verhaltenes Lächeln.


„Was hat sie mit Ihnen gemacht?!”, fuhr Zo'ors Beschützer ihn an, als die Hüterin fort war.
„Sie würden es, glaube ich, so ausdrücken: Sie hat mir Mut zugesprochen”, log der Gefangene kühl.
„Aha! Und warum habe ich nichts gehört?!”, wollte der Mensch wissen.
„Weil es in diesem Fall unnötig war, verbale Kommunikation zu verwenden. Nonverbale Verständigung ist viel effizienter”, erklärte der Alte.
Sandoval presste die Lippen zusammen und senkte für einige Sekunden den Blick. Plötzlich sah er auf, wandte sich ab und ging.
Da'an ließ sich auf dem Boden der Zelle nieder und versank in meditativer Trance. Dies war für ihn die momentan energiesparendste Aktivität, und er wusste nicht, wann seine Gefährtin wieder fähig sein würde, ihn mit neuer Energie zu versorgen.


Tho'rha hatte sich inzwischen zur Shuttlerampe begeben und ließ sich eines der Beiboote zuweisen. Sie führte eine gründliche Systemüberprüfung durch, denn sie traute Zo'or und seinem Beschützer durchaus zu, die Maschine zu sabotieren, um sie bei einem „Unfall” zu töten und sie gedachte ihren Gegnern die Sache so schwer wie möglich zu machen.
Dann flog sie zur Erde und landete das Shuttle einige Minuten später sicher und geschickt an der Taelon-Botschaft.
Nach kurzer Zeit war sie bereits in ihrer Wohnung in der Stadt und tauschte die leeren Energiekapseln gegen volle aus. Sie sah noch einmal kurz nach den automatischen Futterstellen auf ihrer Terrasse und verließ die Räume auf demselben Weg, den sie gekommen war.
Nur die große schwarze Katze, die in einer der Sitzecken döste, hatte sie bemerkt.

Direkt aus der Wohnung begab sie sich zu Doors International, um mit Renée zu sprechen. Sie hatte wieder die Form von Jeanne D'Arc angenommen und in dieser Aufmachung erschien sie in den Büros des Konzerns und wurde sofort von der Geschäftsführerin empfangen.
„Was gibt's Wichtiges, dass Sie sofort mit mir sprechen mussten, Jeanne?”, erkundigte sich Renée interessiert.
„Da'an sitzt seit zwei Tagen in Haft auf dem Schiff und Liam ist an Bord im Hüterquartier. Er ersetzt mir Augen und Ohren und ist außerdem dort sicher vor Sandoval.”, erwiderte die Angesprochene.
Renée schaute einige Sekunden auf die glänzende Platte ihres Schreibtisches und dann in die Augen ihres Gegenübers.
„Was wird Da'an vorgeworfen?”, wollte sie wissen.
„Unter anderem Spionage und Kollaboration mit dem Feind, sprich mit der Widerstandsbewegung.”
„Mm”, murmelte die Menschenfrau. „Das sind schwere Anschuldigungen. Können Sie etwas für ihn tun?”
„Im Moment habe ich erst einmal etwas Zeit herausschinden können, doch wenn es zum Schlimmsten kommen sollte, muss ich sicher sein, dass die Anweisungen auf dieser Disc genau befolgt werden. Nicht nur Da'ans Leben könnte davon abhängen, sondern auch meines und Liams.”, gab die Taelon zurück und reichte eine Datenspeichereinheit über den Tisch. „Werden Sie mir das versprechen?”
„OK! Wenn es uns nicht zu sehr in Gefahr bringt.”, erwiderte die andere.
„Ich glaube, da können Sie sicher sein. Wenn Sie sich genau an die Anweisungen halten, sollte es kaum Risiken geben.”, beruhigte Jeanne die andere.
„Gut”, erwiderte diese und nickte.
Sie sprachen noch einige Minuten über den Inhalt der Disc und ihre Pläne. Währenddessen erzählte Tho'rha ihrem Gegenüber davon, dass sie vorerst die Botschaftsgeschäfte übernommen hatte.
„Haben Sie zu Ihrem neuen Posten auch einen Beschützer bekommen?”, fragte Renée lächelnd und versah das Wort mit einer besonderen Betonung.
„Nun, angeboten hat mir Zo'or sowohl einen Beschützer als auch einen Piloten für das Shuttle, doch ich habe beides dankend abgelehnt”, klärte die andere sie ebenso amüsiert auf.
„Dann sollten Sie sich vielleicht angewöhnen, eine Waffe zu tragen, damit Sie sich selbst verteidigen können”, schlug die Konzernchefin daraufhin vor.
„Mm, gar keine so schlechte Idee, aber sie denken doch alle, dass wir unfähig sind, physische Gewalt anzuwenden”, gab die Taelon zu bedenken.
„Wer sie kennt”, erklärte Renée, „der weiß, dass es sehr wohl individuelle Unterschiede zwischen ihnen gibt. Und der Rest glaubt sowieso nicht an die Geschichte mit der Gewaltlosigkeit.”
„Da könnten Sie Recht haben, Renée.”, bejahte die Taelon die Vermutung. „Nun gut, ich werde darüber nachdenken. Ich bin auf jeden Fall bereit, wenn ich eine Waffe trage, sie auch einzusetzen.”
„Das glaube ich”, bestätigte die Menschenfrau.
Tho'rha stand auf.
„Sie entschuldigen doch, wenn ich jetzt gehe, ich habe noch einige wichtige Termine.”
„Aber natürlich ”, erwiderte Renée.
„Wenn Sie noch etwas möchten, hinterlassen Sie mir doch eine Nachricht in der Bar”, bot Jeanne an und reichte der anderen die Hand. „Ich werde regelmäßig dort auftauchen. Guten Tag.”
„Guten Tag, Jeanne”, verabschiedete die Geschäftsführerin sie und schlug ein.
Einige Minuten später erschien Tho'rha wieder in der Botschaft und widmete sich für den Rest des Tages routiniert den Botschaftsgeschäften.
Am Abend kehrte sie mit dem Shuttle zurück zum Schiff.
Kaum war sie in ihrem Quartier angekommen, rief sie eine Nachricht zur Brücke.


„Nun, Botschafterin”, begrüßte Zo'or sie hämisch. „wie war dein erster Tag?”
„Sehr ruhig und problemlos”, erwiderte die Hüterin gelassen.
Beim Klang ihrer selbstbewussten Stimme ruckte sein Kopf hoch und er starrte sie an.
„Zu meiner Ausbildung gehörten auch Lektionen in Diplomatie”, erklärte sie. „Außerdem hatte ich in den letzten Jahrhunderten genügend Gelegenheit, einschlägige Erfahrungen zu sammeln und die Tatsache, dass ich mehrere Erdensprachen fließend beherrsche, erleichtert die Arbeit natürlich auch.”
Der Synodenführer presste kurz die Lippen zusammen und nickte langsam.
„Hattest du sonst noch Fragen oder Probleme?”, erkundigte sie sich und als er den Kopf schüttelte, gab sie ihre Absicht, jetzt zu ruhen und am Morgen den Gefangenen zu sehen, bekannt.
Zo'or hob die Hand und gab ihr mit einer Geste zu verstehen, dass sie entlassen sei.
Daraufhin machte sich Tho'rha auf den Weg zu Da'ans Räumen.
Nach einigen Einstellungen am Überwachungssystem verschwand sie in einer Wand und ging zu Liam. Nachdem sie ihm erzählt hatte, was am Tag geschehen war, begab sie sich auf dem kürzesten Weg wieder in ihr Quartier und zur Ruhe.
Am nächsten Morgen stand sie auf, füllte die Energie der Kapseln in ihren Leib und erschien nach einigen Minuten im Arrestbereich. Ihr ganzer Körper prickelte vom Energieüberschuss.
„Wie ist es dir ergangen?”, fragte sie ihren Gefährten, als sie bei ihm in der Zelle stand.
„Gut”, war seine ruhige Antwort. „Und wie war dein Tag gestern?”
„Aufschlussreich, aber sieh selbst...”, erwiderte sie und hob die Hand mit leicht gespreizten Fingern.
Er verstand und legte seine Handfläche gegen ihre. Für mehrere Minuten schlossen beide die Augen und durch ihre Körper gingen Schauer, die immer wieder ihre Taelon - Physiologie durch die menschliche schimmern ließen.
„Das gibt mir zu denken”, stellte Da'an fest, nachdem sie sich voneinander gelöst hatten.
„Du hast ja einen ganzen Tag Zeit, bis du wieder neuen Stoff bekommst.”, entgegnete sie bevor sie ging.
Der Alte nickte und schaute ihr nach, als sie ihn verließ und zur Botschaft zurückkehrte.

 

[1] Synode:
regierende Körperschaft der Taelons. Rat der 13. Die Synode entspricht etwa einem menschlichen Parlarment und ihr Führer einem Präsidenten, jedoch mit viel weitergehenden Befugnissen. Der Synodenführer kann nur durch Tod oder Herausforderung eines anderen abgelöst werden.

[2] Gemeinwesen:
telepatisches Netzwerk das alle lebenden und die Seelen der meisten toten Taelons miteinander verbindet. Es gleicht normalerweise Aggressionen aus und sorgt für die ruhige Auftretensweise der Taelons, kann jedoch auch zur Überwachung und Kontrolle einzelner missbraucht werden.

[3] Genpoole einer Rasse:
Gesamtheit aller genetischen Merkmale und Kombinationen. Eine Rasse deren Anzahl an Individuen die nicht direkt miteinander blutsverwandt sind unter eine gewisse Zahl sinkt ist nicht mehr regenerationsfähig und stirbt durch Inzucht und damit verbundene Krankheiten aus.

[4] Stasis, Hybernation:
Zustand in dem sich ein Großteil der Taelon-Rasse befindet. Bei einem in Stasis liegenden Individuum sind die Lebensfunktionen auf ein Minmimum reduziert, was eine fast unbegrenzte Verlängerung des Lebens ermöglicht.

[5] Kryss:
kristallines Medikament, das von den Taelons genommen wird, um einen unerklärlichen Energieverlust der speziell auf der Erdoberfläche tätige Taelons befällt auszugleichen. Die konzentrierte Form des Kryss ist eine harte Droge die sofort zur Abhängigkeit führt. Da'an ist Kryss-süchtig und kann nur durch die speziellen Energien in den Kapseln seiner Gefährtin wieder geheilt werden. Reines Kryss wird aus den Körpern von Menschen gewonnen denen zu diesem Zweck außerirdische Nahrung verabreicht wird. Es handelt sich bei diesen Personen um Freiwillige die wissen was mit ihnen geschieht, was jedoch nicht immer der Fall war. Nach Aufnahme der Nahrung bildet sich im speziellen Ambiente des menschlichen Magens eine flüssige violette Substanz die als Grundstoff für das Kryss fungiert und aus der durch Trocknung und Kristallisation das fertige Produkt entsteht. Synthetisches Kryss wurde von Menschen entwickelt, nachdem es zu ersten Todesfällen bei den Taelons kam, und stellt eine Art Methadon-Behandlung dar. Es hat die gleiche Wirkung wie reines Kryss, ohne dessen Nebenwirkungen.

[6] Plasma:
Lebenssaft der Taelons - vergleichbar mit unserem Blut, jedoch von violetter (bei Taelons) oder aquamarinfarbener (bei Kimera und Hütern) Farbe

 

Ende von Kapitel 5

 

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