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  „Kleider machen Leute!” von Emma   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Dezember 2001
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Mission Erde/Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Warum hat Renee so eine große Perückensammlung und eine so perfekte Schminktechnik?
Zeitpunkt:  dritte Staffel
Charaktere:  Renee, Liam, [Sandoval]
 
Anmerkung:  Diese Geschichte wurde als Teil des Adventskalenders 2001 geschrieben. Die Aufgabe: „Woher hat Renée ihre riesige Perückensamlung und wo hat sie vor allem ihre perfekte Schminktechnik erlernt, oder hat sie dafür extra Angestellte?”
 

 

KLEIDER MACHEN LEUTE!

 
ODER
WIESO RENÉE EINE RIESIGE PERÜCKENSAMMLUNG UND EINE
PERFEKTE SCHMINKTECHNIK HAT

 

Sorgsam setze ich den letzen Strich mit dem schwarzen Kajal, bessere hier und da noch etwas das Make-up aus und bürste noch einmal die halblangen glatten Haare der Perücke, bevor ich mit geschultem Blick das Gesamtergebnis prüfe. Perfekt wie immer!
Nach wie vor finde ich, dass mir schwarze Haare besser stehen als dieses fade, falsche Blond. Aber im Grunde ist beides, dieser Vamplook, wie das alltägliche Businesslady-Outfit nur eine Rolle und daher bin ich dankbar für dieses ausdruckslose Gesicht, auf das man jede Maske malen kann. Gut, es ist nicht mein eigenes und hat mich etliche Operationen gekostet, aber man muss ja schon auch etwas investieren, damit das eigene Kapital arbeiten kann!
Entschlossen reiße ich mich von dem Spiegelbild los und schlüpfe in die hochhackigen Pumps. Als ich die Wohnungstüre hinter mir schließe und im engen Minirock den Notaufgang über die Treppen hinuntertrippele, fühle mich wie in alten Zeiten!

„Sind Sie das, Renee?”, fragt Liam als ich zu ihm ins Auto steige. Er sieht aus wie immer, denkt aber mit einer etwas kürzeren Lederjacke, noch mehr Gel in den Haaren und einer Sonnebrille würde ihn niemand mehr erkennen. Sonderbarerweise tut es auch nie jemand, doch warum das so ist, wird mir wohl ein ewiges Rätsel bleiben.
„Fahren Sie los!”, gebe ich kühl zurück und ziehe gleichgültig den linken Mundwinkel ein wenig nach oben. Diese Geste hab ich mir von ihr abgeschaut. Es gab nicht viel, was sie gut konnte, aber diesen gelangweilten, leicht abfälligen Ausdruck beherrschte sie perfekt! Ich muss jedoch gestehen, dass mir Liams anerkennende Äußerung insgeheim schmeichelt. Es ist aber doch auch schön, wenn einem mal jemand sagt, das man seine Sache gut macht. Nur ist mein Job im Alltag viel schwerer, besteht doch da die Aufgabe darin, dass wirklich niemand etwas merkt. Schade eigentlich...
„Ich frage mich wirklich, wie Sie dass immer hinbekommen?”, unterbricht Liam meine Gedanken. „Braucht das nicht unheimlich lange, bis Sie aussehen wie eine... äh... Animierdame?”
„Übung macht den Meister!”, antworte ich ausweichend.
Tatsächlich gehen mehrere Jahre Nachtclub-Erfahrung nicht spurlos an einem vorbei. Als ich wenig später durch den Hintereingang den Kobe-Club betrete, kommt es mir sogar ein wenig so vor, als würde ich meiner Vergangenheit einen Besuch abstatten.

Kincaid hingegen hat natürlich wie gewohnt den Haupteingang gewählt. Als ich ihn endlich im Gedränge entdecke, schlüpfe ich unauffällig an seine Seite.
„Sie übernehmen das Durchsuchen von Tates Klamotten, ich gehe zu Sandoval!”, raune ich ihm zu.
„Halten Sie das für eine gute Idee? Sandoval ist gefährlich!”
Natürlich, er ist mal wieder ganz der besorgte Gentleman. Ich unterlasse es genervt mit den Augen zu rollen. „Eben deshalb!”, antworte ich statt dessen und verschweige, dass der wirkliche Grund, der ist, dass mir ein Blick auf einen nackten Sandoval allemal lieber ist als auf diesen schwabbeligen Koloss Tate.

 
* * *
 

Als ich wie ein Schatten ins Separée schlüpfe, liegt mein Opfer bereits entkleidet auf dem Massagetisch und lässt seinen Rücken von den zarten Händen einer falschen Rothaarigen bearbeiten. Lautlos gleite ich an den beiden vorbei, bewaffnet mit einem Tablett mit Reisschnaps, dessen ich mich nach kurzem Kampf mit einer zerbrechlich aussehenden, tatsächlich aber äußerst biestigen Inderin bemächtigen konnte. Während ich mit einer Hand die Becherchen sortiere, taste ich mit der anderen nach Sandovals Global. Aus den Augenwinkeln beobachte ich, wie Rothaarige ungeschickt in Sandovals Nacken kneift.
Autsch, das sind vielleicht doch nicht so zarte Hände! Ich ziehe gerade noch rechtzeitig meine Hand aus der Sakkotasche und schaue mit großen erschrockenen Augen auf, als die berechtigte Reaktion auf diesen Dilettantismus kommt.
„Nimm deine Flossen von mir, du Trampel! Verschwinde!” Mit einer unmenschlich schnellen Bewegung richtet sich der solcherart Malträtierte auf und schlägt die Hände der erschrocken zurückweichenden Frau zurück. Knack! Oh oh, das war das Handgelenk. Mit schmerzverzerrtem Gesicht greift sie nach ihrer Hand und lässt sich nicht zweimal bitten. Ein echtes Herzchen, dieser Kerl! Pech für die Rothaarige, aber das ist Berufsrisiko.
Ich behalte meinen erschrockenen Gesichtsausdruck bei, als Sandoval sich an mich wendet.
„Komm her und mach weiter!”
Ich murmele ein „Sehr wohl!” und tue - innerlich etwas angenervt - wie geheißen.
Was für ein Glück, dass ich darin Übung habe. Die echte Renee Palmer würde jetzt gehörig in der Patsche stecken! Ich hingegen frage mich lediglich - während ich mit geübten Händen die wohlgeformte Rückenmuskulatur des Agents bearbeite - wie ich jetzt an dieses verflixte Global komme...

 
* * *
 

Während ich noch nachgrübele, wird leise die Türe einen Spalt aufgeschoben. Gerade als in mir eine Spur Panik aufsteigen will, erkenne ich in der Dunkelheit Liams Gesicht. Was er sieht, scheint ihn nicht zu erfreuen. Wild gestikulierend versucht er mir etwas begreiflich zu machen. Erst nachdem ich mir die Pantomime einige Minuten angeschaut habe - ein guter Schauspieler wird aus dem Kerl nie! - erkenne ich, was er will: Ich soll Sandoval mit einem Handkantenschlag bewusstlos schlage. Klar, warum auch nicht. Falls es schief geht, sind es ja nur meine Knochen, die er brechen wird.
Mit einem bösen Blick und einem resoluten Verweis Richtung Ausgang gelingt es mir schließlich Liam wieder loszuwerden, bevor mir Sandoval meine nicht mehr ganz so gleichmäßigen Handbewegungen ernsthaft übel nimmt. Um die Sache endlich hinter mich zu bekommen beschließe ich - wenn auch mit leichtem Bedauern, denn unter anderen Bedingungen hätte dies eine interessante Nacht werden können - zu meiner altbewährten Geheimwaffe zu greifen: Ich lasse den Mann umdrehen und beginne mit einer Gesichtsmassage. CVI hin oder her, wer dabei nicht früher oder später einschläft, ist noch nicht geboren worden!

Eine Viertelstunde später habe ich die gewünschten Daten von dem Global geladen und werfe einen letzten Blick auf den schlummernden Sandoval. Wirklich schade...


Als ich zum Auto komme, sitzt Liam schon wie auf Kohlen und trommelt mit den Fingern auf dem Lenkrad herum.
„Wo bleiben Sie denn bloß?”
„Manchmal muss man eben etwas raffinierter vorgehen”, antworte ich kryptisch.
„Raffiniert vorgehen?” Liam schaut verständnislos. „Klar, bin ich doch auch. Ich hab Tate bewusstlos geschlagen und dann sein Global geklaut.”
Ich sage dazu lieber nichts. Er und Renee hätten prima zusammengepasst. Sie hatte genauso wenig Stil.
Das erinnert mich an einen wichtigen Termin, den ich heute noch habe.
„Setzten Sie mich bitte dort vorne ab, Liam.”
„Wie? Hier? Es ist noch nicht mal ganz hell. Dies ist keine Gegend, in der man um diese Zeit allein als Frau spazieren gehen sollte. Außerdem ist dort vorne ein Friedhof.” Er versucht streng und ermahnend auszusehen, doch alles was ihm gelingt, ist sein Standardgesicht mit gerunzelter Stirn.
„Eben dort will ich ja hin”, antworte ich.

 
* * *
 

Ich bekomme nicht mit, was Liam davon hält, denn ich bin damit beschäftigt mir meine Perücke abzunehmen und die echten Haare zu ordnen - na ja, was man halt so echt nennt. Die Perücke stopfe ich in meine Tasche, aus der ich zuvor einen leichten beigefarbenen Mantel ziehe, der mein momentan etwas auffälliges Outfit verbergen soll.
„Okay, dann halten Sie mal an.”
Liam gehorcht zögernd und sieht - wieder nervös auf das Lenkrad trommelnd - in den trüben Morgennebel hinaus. ‚Er wird doch nicht...’, denke ich beim Aussteigen.
„Haben Sie was dagegen, wenn ich Sie begleite?”
Also doch. Im Kampf Angst gegen Neugierde hat also mal wieder letzteres gesiegt. Ich wäge ab. Es dürfte nicht klug sein, ihn durch eine Abfuhr noch neugieriger zu machen...
„Nein, kommen Sie ruhig mit.”


Ich ziehe den Trenchcoat noch enger um mich, als ich um die Pfützen herum über das Gräberfeld stöckele. Liam geht mit lässigem Schritt einen Meter neben mir, sein Blick schweift immer wieder über die nebelumwaberten Grabsteine - ganz so, als erwarte er, dass sich jeden Moment jemand auf uns stürzen würde.

Obwohl ich jedes Jahr nur ein mal hier her komme, finde ich das Grab stets auf Anhieb. Es ist noch ungepflegter als im Jahr zuvor. Der beauftragte Service macht nicht mehr, als unbedingt notwendig ist. Immerhin tun sie überhaupt etwas. Die Rose, die ich letztes Jahr dort abgelegt habe, ist verschwunden und es ist Platz für die, die ich aus meiner Tasche ziehe.
Ich versuche mich zu besinnen und etwas Feierliches zu empfinden, als ich sie behutsam auf den Kies vor dem Grabstein legen. Immerhin ist es in gewissem Sinne mein Grab, auch wenn es nicht mein Körper ist, der darin verwest.
Liams vorhersehbare Frage stört jedoch den andächtigen Augenblick.
„Wer war das?”
Mit einem Seufzer richte ich mich wieder auf.
„Wir haben zusammen im Widerstand gekämpft, in der Zelle Schwarzer Mittwoch.” Das stimmt nicht ganz. Ich habe nie gekämpft. Renee hat gekämpft, ich wollte nur an Jonathan Doors rankommen. „Wir kamen in einen Hinterhalt und die Freiwilligen haben alle getötet - nur ich konnte mich retten.” Auch das stimmt nicht ganz. Es war vielmehr so, dass wir die Freiwilligen in einen Hinterhalt gelockt hatten, weil wir ihre Implantate untersuchen wollten. Die armen Kerle hatten keine Chance, doch wer hätte ahnen können, dass sie eine Bombe zünden würden? Wochenlang bin ich mit verbundenem Gesicht herumgelaufen, doch das hat sich letztlich ja als Glücksfall erwiesen und mir die Annahme von Renees Identität, mit all dem Reichtum und den Beziehungen, die diese bot, erst ermöglicht.
Liam nickt betroffen und streicht etwas Moos von der Inschrift. „Heute, vor genau fünf Jahren... ” Er macht eine eindrucksvolle Pause, bevor ihn die Neugierde zum weiterfragen drängt. „Machen Sie diesen Besuch jedes Jahr?”
„Ja. Es erinnert mich daran, warum ich gegen die Taelons kämpfe. - Aber lassen Sie uns jetzt gehen.”
Gemeinsam gehen wir den Weg zurück.
Nach einer Weile bricht Kincaid wieder das Schweigen.
„Kannten Sie diesen James Query eigentlich gut?”
„Ja, wir standen uns nahe”, antworte ich und schließe die Friedhofspforte hinter mir.

 

ENDE


Damit sollte klar sein, warum „Renee” so eine perfekte Verkleidungstechnik beherrschen muss. *veg*

 

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