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  „Der gespiegelte Blick” von Emma   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Entstehungszeitraum: Sommer 2002
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Mission Erde/Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Einige Taelon müssen sich mit ihren langfristigen politischen Strategien auseinandersetzen.
Zeitpunkt:  einige Monate nach der Ankunft der Taelons auf der Erde, kurz nach dem Unfall bei Silent Falls
Charaktere:  Ku'don, Zo'or, Quo'on, Da'an [zwei Teth'a'dar, Steve und Bell Hartley, Yo'lin]
 

 

DER GESPIEGELTE BLICK

Kapitel 3: Taelon-Affairs

 

Der Gang, den Ku'don entlang ging, schloss sich hinter ihm so schnell, wie er vor ihm entstand. Die Teth'a'dar, die die Menschen ihr Mutterschiff nannten, war zwar gewillt, ihn in ihr Innerstes vorzulassen, jedoch niemand anderen und so befand sich Ku'don in einem Gang, der keiner war, in einem Bereich, in dem es sonst nichts gab außer dichtes, von Energie durchflossenes Gewebe.
An der zunehmenden Intensität der Energieströme und der immer offensichtlicher werdenden Richtung, in die sie flossen - jene, in die er ging - erkannte er, dass er beinahe an seinem Ziel angelangt war. Kurz darauf öffnete sich der wandernde Hohlraum, mit dem er sich vorwärts bewegte.
Eine hohe kreisförmige Halle lag vor ihm. Weiße, vor Energie pulsierende Streben wölbten sich im Halbrund zu einer Kuppel, die sich über eine spiegelnde tiefblaue Fläche spannte. Für einen Menschen wäre die Halle leer gewesen, doch Ku'dons Wahrnehmungsfähigkeit zeigte ihm, wie von den halbkreisförmigen Streben Energie abstrahlte, direkt in das Zentrum der Halle.
Vor Ku'don lag einer der Energieknotenpunkte der Teth'a'dar, hier bündelten sich alle Informationen, die sie in sich, von außerhalb und von den anderen Teth'a'dars sammelte. Hier wurden diese zu Wissen und dorthin weitergeleitet, wo es wirken sollte.
Es war das Privileg seiner Kaste, Orte wie diesen aufsuchen und nutzen zu können. Ein Privileg, aber wie so vieles, war auch dies eine zweischneidige Sache, denn der Aufenthalt im Zentrum eines Knotens verlangte höchste Konzentration und war erschöpfend.

Trotzdem zögerte Ku'don nicht. Zügig erreichte er den Brennpunkt der Energien. Er festigte seine Matrix und trat dann, mit einer schnellen, nichtsdestotrotz präzisen Bewegung, hinein. Nur aufgrund seiner Erfahrung gelang es ihm, sich nicht in der Fülle der auf ihn einströmenden Informationen zu verlieren, sondern sich ganz auf sich selbst zu konzentrieren. Dann erst begann er langsam nach dem zu fahnden, was nun wichtig war...

 
* * *
 

Verunsicherung.
Was war geschehen?
Die Teth'a'dar überprüfte ihre Eindrücke wieder und wieder und sandte sie der, aus der sie stammte. Zurück erhielt sie Bestätigung und Unterstützung und Wärme. Doch keine Erklärung.
Das neue Wesen hatte etwas wahrgenommen. Sein Verhalten war diesbezüglich eindeutig und sein Energiezustand hatte ihr Furcht vermittelt, die zu besänftigen ihr nicht ganz gelungen war. Vielmehr schwang diese noch immer in ihm und in ihr selbst nach. Sie wob ein dichtes Netz von Energie um dieses Wesen, um so genau wie möglich seine Energie wahrnehmen zu können, und forschte gleichzeitig im Gemeinwesen nach dessen Eindruck des Vorgefallenen. Was sie fand, war schwer zu deuten. Eine Unterbrechung der Energie - ein Schatten, wie es das Neue nannte. Es mochte eine Vision in ihm sein, doch es konnte auch eine Erscheinung in ihr selbst sein. Eine Erscheinung, die ihr das Neue, als bewohnender Teil von ihr, als ihr Organ, mitgeteilt hatte.
Was sie beunruhigte, war wie sonderbar schwer es ihr fiel, sich auf den Vorfall zu fokussieren. Das Ereignis entzog sich ihr. Ihre Untersuchung ergab nicht, dass da nichts war, sondern sie lieferte kein Ergebnis. Sie lief ins Leere.
Die Teth'a'dar gründete sich fest in der Materie, auf der sie wuchs. Spürte ihre tief in das Gestein gegrabenen Wurzeln und festigte die energetischen Bande, die sie mit diesem Ort verschmolz. - Doch es stellte sich keine Klarheit ein. Ein Schatten - ja, es war wie ein Schatten, der über dem Vorfall lag, der selbst ein Schatten war. In ihr war der Eindruck einer Wolke, die sich über einen hellerleuchteten Himmelskörper schob und den Schatten, den eine Gestalt auf den Boden warf, verschwinden ließ. Ein Schatten, der sich in einem Schatten verbarg...
In der Teth'a'dar stieg eine beängstigende Ahnung auf. Dies mochte Gefahr bedeuten. Eine allzu bekannte Gefahr!

Sie vermittelte es der, die über ihr schwebte. Zurück erhielt sie Besorgnis und Skepsis. Besorgnis, dass stimmen mochte, was sie befürchtete, und Skepsis, die der Irritation über das Bild des Schattens entsprang. Sie spürte, dass sie sich für die andere Teth'a'dar verwirrend anfühlte und das machte sie zu einer unglaubwürdigen Zeugin. Trotz Skepsis und Verwirrung waren sie sich jedoch eins: Wachsamkeit war angebracht, um zu schützen, was sich entfalten wollte.

 
* * *
 

Als Zo'or aus dem Portal trat, wartete Quo'on bereits auf ihn.
*Ich hätte nicht gedacht, dass du mich abholst*, begann Zo'or mit leicht sarkastischem Unterton das Gespräch. *Ist es eine Ehre oder wolltest du mich abfangen?*
*Weder noch. Ich hielt es einfach für freundlich, dich als meinen engsten Verbündeten zu begrüßen.* Quo'on wandte sich um und bedeutete Zo'or mit ruhiger Geste, ihm zu folgen. *Außerdem haben wir einiges zu besprechen.*
*Wie zum Beispiel, dass Da'an die Erschaffung eines Hybriden als einen Unfall tarnt?*, fragte Zo'or, während er zu Quo'on aufschloss.
Dieser musterte Zo'or verhalten. *Ich sehe, du hast nicht vor, dich mit Höflichkeiten aufzuhalten.*
*Glaubst du es etwa?* Aus Zo'ors Energie sprach Verärgerung. *Es passt zu gut in Da'ans Konzept und zu schlecht in unseres. Lass mich Nachforschungen anstellen und dir dafür Beweise liefern, dass es kein Unfall war.*
*Ich bin sicher, dass du das gerne würdest. Doch unabhängig davon, was es tatsächlich war, für uns bleibt es ein Unfall*, bestimmte Quo'on ruhig. *Da'ans Einfluss ist ein ernst zu nehmender Faktor, auch wenn du das hartnäckig ignorierst.*
*Und deswegen hast du mit Sa'el einem von Da'ans Gefolgsleuten Zugang zum Shaqarava-Projekt gewährt?* Zo'ors Ton machte deutlich, was er davon hielt.
*Ein gewinnbringender Handel: Wir erhalten über Ne'eg als Sa'els Nachfolger in New York und Boston Einblick in Da'ans Tun und er über Sa'el in unseres.*
*Oh, ich habe deinen Handel schon durchschaut*, entgegnete Zo'or, *nur halte ich ihn nicht gerade für gewinnbringend! Das Shaqarava-Projekt ist eines der Herzstücke unserer Strategie. Es durch Sa'el zu gefährden, halte ich für gelinde gesagt riskant!*
Die Diplomaten waren am Eingang zum Quartier des Synodenführers angekommen. Quo'on ließ Zo'or den Vortritt und verschloss hinter ihnen den Durchgang.
*Es ist in der Tat riskant*, setzte der Synodenführer das Gespräch fort, *doch es gibt noch einen Grund Sa'el einzubeziehen: Er ist nach diesem Vorfall der einzige verfügbare Experte für menschliche Hybriden. Niemand wird so schnell wie er herausfinden können, ob bei den Menschen atavistische Energiestrukturen vorhanden sind.* Unwillkürlich wandte er sich zum Fenster, durch das man den nahen Planeten sehen konnte und ging nachdenklich bis an die durchsichtige Barriere heran. *Wenigstens in diesem Punkt sind wir mit Da'an einer Meinung: Sollte das der Fall sein, ist sowohl seine wie auch unsere Strategie hinfällig. Und wir werden auf diesem Planeten nichts von dem finden, was wir suchen*, meinte er mehr zu sich selbst als zu seinem Gesprächspartner.
Unwirsch fuhr Zo'ors Hand durch die Luft. *Es ist unmöglich, dass die Menschen atavistisch sind! Andernfalls hätte Ma'el nie gemeldet, dass die Menschheit eine ideale Ergänzung für uns wären!*
*Ma'el hat seine Meinung später geändert*, antwortete Quo'on, ohne sich umzudrehen. *Atavistische Energiestrukturen sind heimtückisch und schwer zu entdecken. Gut möglich, dass er sie erst später entdeckt hat. Schließlich hat er uns nach einiger Zeit gewarnt, zur Erde zu kommen!*
*Unsinn! Dann hätte er uns informiert und zur Hilfe gerufen, um das Problem endgültig zu beseitigen.* Zo'or trat neben den Synodenführer, doch dieser sah immer noch auf den vor ihnen im All schwebenden Planeten. *Die einzige logische Erklärung für sein Verhalten ist, dass er wie Be'lai unzurechnungsfähig wurde und diese Spezies vor uns angeblichen Aggressoren schützen wollte. Das Thema haben wir schon oft genug diskutiert. Ich verstehe nicht, warum du dich immer noch davon verunsichern lässt.*
*Weil wir ein großes Risiko eingehen, falls wir doch unrecht haben sollten.* Quo'on schenkte Zo'or einen sorgenvollen Blick. *Du bist nicht Synodenführer und eben erst hier angekommen. Sonst würdest du spüren, wie verunsichert alle Beteiligten dieser Mission sind. Jeder einzelne Taelon geht, so weit irgend möglich, einem direkten, engeren Kontakt mit Mitgliedern dieser Spezies, die kein Implantat tragen, aus dem Weg. Nur Da'ans Initiative, den Menschen Stella Morel in seinen engeren Kreis aufzunehmen, hat einige zu ähnlichen, wenn auch sehr zaghaften Versuchen verleitet. Wie viel Kontakt sie mit diesen Menschen tatsächlich haben, kann ich nicht sagen. Ich fürchte es ist nicht viel, denn nur von Da'an habe ich Informationen, was er im Kontakt mit diesem Menschen herausgefunden hat.*
*Und selbiger Mensch ist nun ein Hybrid! Macht dich das nicht auch misstrauisch?”
*Würde es helfen, wenn ich es wäre?* Quo'on neigte den Kopf und sah wieder durch das virtuelle Glas. *Da'an hat für die anderen Companions eine Vorbildfunktion und es ist wichtig, dass er hin und wieder - und sei es auch nur zum Schein - Zugeständnisse macht und demonstriert, dass er der beschlossenen Linie treu folgt. Ihn zu entlarven würde nur Unfrieden stiften, den wir in unserer prekären Situation nicht brauchen können.*
*Ich kann diese übergroße Vorsicht nicht nachvollziehen!* Zo'or fuhr mit der Hand scharf durch die Luft und begann verärgert auf und ab zu gehen. *Wir müssen endlich handeln! Wir müssen das Shaqarava-Projekt durchführen und wir müssen Missionsteilnehmer zwingen, in engeren Kontakt mit den Menschen zu treten!*
*Nun, dann wird es dich freuen, zu erfahren, dass ich Sa'el seinen menschlichen Assistenten aus New York, der angeblich in Bezug auf den Unfall sein Vertrauen missbraucht hat, zur Klärung ihres Konfliktes zugeordnet habe. Das ist zumindest ein guter Anfang.*
Zo'or sah den Synodenführer skeptisch an. *Und du glaubst ernsthaft, dass dieser Mensch kein CVI trägt?*
*Selbst wenn, so ist das besser als nichts.*
*Quo'on!* Wütend wand sich Zo'or wieder voll dem Synodenführer zu. *Zaghafte Veränderungen durch vorsichtig an unsere Bedürfnisse angepasste Menschen bringen uns nicht weiter! Wenn wir den Jaridian gegenübertreten wollen, so müssen wir uns radikal verändern! Alles andere wird die Jaridian nicht beeindrucken! Wir müssen das Shaqarava wiedergewinnen und die Einflüsse des Gemeinwesens soweit dämpfen, dass wir damit umgehen können. Was willst du, Quo'on? Dass wir weitermachen wie bisher? Vor den Jaridian flüchten, bis sie ausgestorben sind? Auf der Suche nach neuen Impulsen mit einer Spezies nach der anderen Kontakt auf nehmen, Hybriden erschaffen, sie vorsichtig ein bisschen anpassen, uns ein bisschen anpassen, bis wir sie schließlich integriert haben, ohne uns wirklich grundsätzlich zu verändern? Wo hat uns das in den letzten Jahrtausenden hingeführt? An den Rand der Vernichtung! Aber immer noch ist niemand zu wirklichen Veränderungen bereit! Ich werde nicht zulassen, dass es so weitergeht!*
Aufgebracht hielt Zo'or inne und starrte Quo'on herausfordernd an.
Langsam drehte sich dieser um und erwiderte den Blick. *Dein Elan ist bewunderungswürdig, aber dein Verstand ist es weniger*, antwortete der Führer der Synode kühl. *Es war von Anfang an klar, dass wir nicht mit dem Maß an Radikalität vorgehen können, das du befürwortest. Wir müssen vorsichtig sein, denn wir stehen auf einem schmalen Grad. Tun wir zu wenig, droht uns Vernichtung, wagen wir zu viel, ebenso. Weder Da'ans Beharren auf dem Althergebrachten, noch dein Überschwang, alles umzustürzen, ist angebracht. Und das ist auch der Grund, warum ich Da'an als Führer der Synode abgelöst habe und nicht du. Diesen Sachverhalt solltest du niemals vergessen!* Die Hand des Synodenführers fuhr scharf durch die Luft, bevor er sich wieder zum Fenster wandte.
Zo'or war entlassen.

 
* * *
 

Es waren keine positiven Gefühle, die Da'an auf dem Flug über die Wälder um Silent Falls begleiteten. Er hatte den Sprung aus der Interdimension hier über unbewohntem Gebiet gemacht, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, und so glitt das Shuttle nun lautlos und unauffällig wie ein dunkler Schatten durch die Nacht.
Seit dem letzten Kontakt mit den Zwillingen gab es eine nur schwer zu überhörende warnende Stimme in ihm, die ihn schalt, unvorsichtig gewesen zu sein. Hatte er mit der Anweisung, die Zwillinge implantieren zu lassen, fahrlässig gehandelt?
Seine Sorge trieb ihn dazu diesen Flug zu unternehmen, doch auch sonst hätte er ihn nicht hinausgezögert. Es war seine Pflicht, sich um die Zwillinge zu kümmern, und es war - bis auf das Risiko der Entdeckung durch die Synode - eine angenehme. Für Hybriden zu sorgen war etwas, was er gerne tat. Es war schön ihnen zu zeigen, was die Welt für ihn war, und ihnen zu helfen, ihre eigene zu entdecken. Das galt auch noch in diesem Fall, in dem die Hybriden durch ein Implantat in ihrer Entwicklung beschränkt waren.
Diese Beschränkung war bedauerlich, doch welche andere Möglichkeit hätte er gehabt, um der menschlichen Öffentlichkeit nicht den Tod der Zwillinge vorspiegeln zu müssen, was sehr wahrscheinlich die Aufmerksamkeit der Synode auf sich gezogen hätte. Und so hatte er Zo'ors hartnäckigen Bekräftigungen, es wäre aufgrund von Ma'els Verhalten unmöglich, dass die Menschen atavistisch wären, und seinen eigenen Wünschen, dass dies nicht so sein möge, bereitwillig Glauben geschenkt und die Warnungen der Wissenschaftler ignoriert, nie, aber auch niemals Hybriden einer noch weitgehend unbekannten Spezies mit einem Implantat einseitig vom Gemeinwesen zu trennen.
Sich deswegen Vorwürfe zu machen, half nun jedoch nichts mehr. Er war ebenso gefangen in dieser Situation wie die Hybriden. Doch er konnte versuchen, sie ihnen angenehmer zu machen und das war der Grund für diesen Flug.

Kaum hatte er das Shuttle lautlos im Garten hinter dem Haus der Zwillinge gelandet, kamen diese auch schon auf ihn zu. Er ließ kurz das virtuelle Glas verschwinden, damit sie hineinklettern konnten, und schloss das Shuttle dann wieder.
„Da'an!” Bell kam direkt zu ihm und nahm ungestüm seine Hände. „Ist das schön, dass du da bist!”
Sie setzte sich, ohne seine Hände loszulassen, auf den Stuhl neben ihm und sah ihn strahlend an. Die Rührung über diesen Empfang ließ ihn für einen Moment die Kontrolle über seine Maske und seine Sorgen verlieren. Über ihren Kontakt ließ er Bell etwas von seiner Energie zufließen, um auch sie willkommen zu heißen.
Steve hatte sich währenddessen auf den hinteren Sitz fallen lassen.
„Hi!”, grüßte er Da'an lässig, als dieser sich mitsamt seinem Sitz nach hinten drehte.
„Wie geht es euch?”
„Prima.” Steve mustere ihn verhalten.
„Von wegen!”, protestierte Bell, die es sich auf ihrem Sitz bequem gemacht hatte. „Es ist schrecklich hier! Die Menschen überschütten uns nur so mit Herzlichkeiten. Ständig kommt jemand vorbei und nervt uns mit Sätzen wie, ‚Ach, wie arm wir doch seien!’ und ‚Wie viel Glück wir doch gehabt hätten!’. Wir bekommen bergeweise gute Ratschläge, aber in Wirklichkeit wollen die sich doch alle nur selbst beweisen, wie nett sie zu zwei armen, armen Waisenkinderchen sind.”
Irritiert musterte Da'an das Mädchen.
„Wieso gehst du davon aus, dass sie es nicht ehrlich meinen?”
Bell machte eine wegwerfende Handbewegung. „Niemand hier macht etwas ohne Hintergedanken! Alles ist nur für einen selbst, auch wenn es gar nicht so aussieht. Und das Ekligste daran ist, dass sie es sich selbst nicht eingestehen. Die Menschen sind so dumm, Da'an!”
Einen Moment lang schwieg Da'an. Bells Äußerungen beunruhigten ihn, signalisierten sie doch, wie stark die beiden Zwillinge sich von der Menschheit distanziert hatten.
„Denk einmal nach!”, forderte er die Hybridin auf. „Hast du das auch schon früher gedacht?”
Energisch nickte sie. „Ja, wir haben auch schon früher ganz genau gewusst, mit wem wir uns wie abgeben durften, zu wem wir nett sein mussten und über wen wir uns lustig machen durften. Nicht nur in der Schule, sondern auch bei den anderen Leuten hier in der Stadt. Mom und Dad haben das auch gewusst und es uns auch ziemlich deutlich zu verstehen gegeben.” Nachdenklich stockte sie. „Gut, ganz so bewusst wie jetzt war mir das nicht. Aber ich hab auch nicht so darüber nachgedacht. Jetzt bin ich klüger und durchschaue es.”
„Bist du sicher oder bist du nicht vielleicht nur deswegen so kritisch, weil ihr gegen euren Willen hier bleiben musstet?”, versuchte Da'an noch einmal Bells Gewissheit zu durchbrechen.
Sie verzog ärgerlich den Mund. „Willst du uns jetzt mit aller Gewalt davon überzeugen, dass die Menschen ganz toll sind, damit wir begeistert hier bleiben, obwohl es einfach nur entsetzlich ist? Da'an, haben wir oder du die letzten fünfzehn Jahre hier gelebt? Ich weiß, was hier ab geht und wie die Menschen sind! Ich war bis vor kurzem selbst einer!”
Bells scharfer Blick ließ Da'an den seinen abwenden. Hinter ihrer zutraulichen Art flackerte eine erstaunliche Beharrlichkeit und Stärke, um nicht zu sagen Härte auf.
„Ich verstehe...”, antwortete Da'an einlenkend. Sein Blick wanderte hilfesuchend zu Steve, doch der sah ihn nur ausdruckslos an. Bevor er sich darüber Gedanken machen konnte, beugte sich Bell vor und berührte sein Knie, um seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen.
„Da'an, bitte!”, meinte sie flehend. „Wir können nicht hier bleiben. Hier passen wir nicht mehr hin. Du musst uns mitnehmen! Bitte!”
Der eindringliche Blick der jungen Hybridin nahm ihn gefangen. Die gewisse Härte von eben war verschwunden und nun lag ein Hauch Verzweiflung darin, mehr jedoch noch Hoffnung und Zuversicht, ihn überzeugen zu können, und dass er sich ihrer Bitte nicht verschließen konnte.
Betroffen verlor Da'an für einen Moment die Kontrolle über seine menschliche Maske. Wie konnte er sich dem entziehen? Wie sollte er den Hybriden dauerhaft das vorenthalten, was ihnen zustand: Beistand und Leitung? - Er konnte es nicht. Gegen seinen Willen traf er diesen Entschluss. Er würde sie mit in die Botschaft nehmen. Es gab dort Freiwillige und als solche konnte er sie ausgeben. Das war nicht ungefährlich und erhöhte die Gefahr der Entdeckung beträchtlich, zumal Zo'or sich mit Sicherheit nicht die Zurückhaltung auferlegen würde, die Quo'on auszeichnete. Doch es war offensichtlich, das es nicht anders ging, als den beiden zu geben, was sie brauchten...
„Nein!”
Steves wütende Stimme durchschnitt, begleitet von einem Aufblitzen seiner Energie, die Stille, ehe Da'an Bell antworten konnte. Überrascht fuhren sie beide herum. Steve starrte sie mit zusammengekniffenen Augen und geballten Fäusten an.
„Wir werden nicht anfangen zu betteln! Also halt den Mund, Bell! Bei mir ist die Botschaft nämlich angekommen. Ihr wollt uns nicht! Und wenn ihr uns nicht wollt, dann kommen wir auch allein zurecht.”
Da'an schwieg - zutiefst erschrocken über das, was er eben zu sehen geglaubt hatte.
Bell hingegen sprang auf.
„Steve! Was soll das? Das ist doch gar nicht wahr...”
„Bist du zu blöd, es zu kapieren, Bell? Die wollen uns nicht!”
„Aber an allem ist doch nur dieser Mistkerl Brown schuld! Wegen ihm konnten sie uns nicht als tot ausgeben. Aber es muss doch eine andere Möglichkeit geben...”
Bell drehte sich hilfesuchend nach Da'an um.
Doch er sah sie nicht an. Er war aufgestanden und drehte den beiden den Rücken zu. Aufgebracht starrte er durch das virtuelle Glas hinaus in die Dunkelheit. Er musste die Synode informieren und die genaue Untersuchung ihr überlassen. - Doch noch während er dies dachte, wusste er, dass er es sich nicht so einfach machen würde. Er brauchte Gewissheit!
Da'an fühlte Steves wütenden Blick, der dessen Verzweiflung nur schlecht verbarg, doch er drehte sich nicht um. Er wartete. Schließlich stand Steve auf, ohne den Blick von ihm zu nehmen. An der Energie, die er abstrahlte, konnte Da'an spüren, dass seine Wut zunahm.
„Verstehst du denn nicht, Bell, dass sie uns überhaupt nicht wollen? Wir sind nicht gut genug!”
„Das ist doch...” Bell drehte sich um und wollte zu Da'an kommen.
Doch er kam ihr zuvor und wandte sich langsam den Hybriden zu. Er wusste, dass sein Blick kühl und abschätzig und seine Energie zurückweisend war.
„Es ist schon richtig, was dein Bruder sagt”, antwortete er Bell mit einer bedauernden Geste, „Ihr seid eine Enttäuschung. Ein bedauerlicher Irrtum, der meine Erwartungen nicht erfüllt.”
Bell zuckte zusammen, während Steve ihn weiter mit zunehmendem Hass in seinem Blick anstarrte. Da'an beachtete ihn nicht. Mit einer unangebracht ruhigen Geste der Beschwichtigung trat er einen Schritt näher und sah auf Bell hinunter.
„Es ist natürlich nicht so, dass ihr mir nichts bedeutet. Aber momentan seid ihr ein Risiko, das ich nicht eingehen kann. So leid es mir auch tut...”
Da'an war froh, dass Bell ihren schmerzerfüllten Blick auf den Boden richtete, auch wenn er nicht daran zweifelte, dass er dieses grausame Spiel durchhalten würde.
Langsam hob er die Hand, um die Wange der Hybridin zu berühren.
„Spar dir dein Mitleid, Da'an!” Steves Stimme war so hasserfüllt wie sein Blick, strahlend hell blitzte die gesammelte Energie in seinen angriffsbereit erhobenen Handflächen. „Fahr zur Hölle!”
Die Zeit dehnte sich, während Da'an Steves Blick erwiderte. Die Situation hing in der Luft, überlegte, welche Möglichkeit sie Wirklichkeit werden lassen wollte. Da'an bedauerte es fast, doch sie nahm die wahrscheinlichste.
Steve zögerte.
„Nein, nicht!” Bell stürzte auf ihren Bruder zu und schlug ihm die Arme herunter. „Bist du wahnsinnig geworden!”
„Ich... Nein...” Steves Wut sank in sich zusammen und verwandelte sich in Verzweiflung. „Verstehst du denn nicht? Verstehst du denn nicht, dass wir alleine sind? Was sollen wir denn nur tun?”
Bell antwortete nicht, sondern legte nur ihre Arme um ihren Bruder, der kraftlos seinen Kopf hängen ließ.
Das Bild holte Da'an aus seiner Erstarrung. Er ignorierte den Aufruhr seiner Gedanken und seine Maske hielt.
„Ihr seid niemals allein”, meinte er in ruhigem Tonfall. „Auch wenn ich euch nicht geben kann, was ihr wollt, und ihr nicht seid, was ich mir wünsche, so ändert das nichts an unserer Verbundenheit. Was ihr nun zu tun habt, kann ich euch nicht sagen. Ihr müsst es selbst herausfinden und diesen Weg dann konsequent verfolgen.” Mit einer Geste startete er als Zeichen, dass das Gespräch beendet war, den Antrieb des Shuttles. „Mein Besuch diente dem Zweck, euch das mitzuteilen und euch darauf vorzubereiten, dass wir uns für lange Zeit nicht mehr sehen werden. Ich werde euch alles zukommen lassen, was ihr braucht. Und nun geht.”
Auf eine weitere Geste hin löste sich das virtuelle Glas auf.
Zögernd ließ Bell Steve los. Fassungslos sah sie Da'an an, der nicht verhindern konnte, dass sich auch etwas von der Trauer, die er empfand, in seinen Blick stahl. Doch er blieb still und unbewegt stehen, bis Bell schließlich die Augen abwandte und das Shuttle verließ. Steve folgte ihr nach einem kurzen Blick auf Da'an, der jedoch nichts weiter tat als zu warten, bis er das virtuelle Glas hinter ihnen schließen konnte.
Er sah ihnen nach, bis sie in dem dunklen Haus verschwunden waren. Erst dann konnte er sich zwingen das Shuttle zu starten und den Rückflug über die Wälder anzutreten.

Kurz darauf flogen die dunklen, nur mehr schwach belaubten Baumwipfel unter ihm davon und bildeten bis zum Horizont einen geschlossenen Teppich aus sich nun in der Nacht umsonst nach dem Licht reckenden Äste. Es war lange her, seit er in einer weitgehend natürlichen Umgebung gewesen war.
Unwillkürlich ließ er das Shuttle stoppen und zwischen den Bäumen absinken. Seine Gedanken und Gefühle waren zu unruhig. Er konnte nicht in die Botschaft zurück.
Geradezu hastig durchschritt er das virtuelle Glas und trat ins Freie.
Es war still hier.
Eine Art Stille, die nur die lebendige Natur eines Planeten bot. Ohne Geschäftigkeit, ohne störende Energie, ohne Sorgen vor der Zukunft...
Was sollte er nur tun?
Da'an ging ein Stück von der Teth'a'dar weg. Die Bäume überragten ihn und formten ein lebendiges Dach. Unter sich nahm er das stützende Geflecht ihrer Wurzeln wahr. Die Energie, die sie abstrahlten, war schwach. Es war fast Winter und die Pflanzen waren von der Verstrahlung durch den Unfall angegriffen. Doch sie war da und hüllte ihn ein. Langsam kniete sich Da'an nieder und strich mit den Händen zart über das tote und doch lebendige Laub.
Würde es hier noch einen Frühling geben?
Resignation nahm ihn in den Griff.
Atavus! Es gab keine andere Erklärung für das Vorhandensein eines Shaqaravas bei einem nur unzureichend mit dem Gemeinwesen verbundenen Hybriden, als dass der Ursprungsspezies atavistische Energiemuster zueigen waren.
Da'an hätte sich gerne gesagt, dass das eine völlige Überraschung war, doch es schien ihm mehr die Bestätigung von etwas, das er schon längst gewusst hatte. Die letztendlich erstaunlich problemlosen Experimente hatten darauf hingedeutet. Und hatte nicht Stella nach nur wenigen Tagen ihr Erinnerungsvermögen zurückgewonnen? Etwas, das sonst Wochen, Monate oder gar Jahre dauerte, wenn es sich überhaupt je wieder vollständig einstellte. Doch Stella hingegen schien, wenn man einmal von der Verbundenheit mit dem Gemeinwesen absah, weniger eine qualitative Veränderung durchgemacht zu haben, als vielmehr nur eine quantitative Steigerung ihres Energielevels. Und dann die Zwillinge. Nach der Implantation hätten sie sich eigentlich wieder wie Menschen fühlen und verhalten müssen. Statt dessen fühlten sie sich dieser Spezies gar nicht mehr zugehörig.
Das alles waren Indizien gewesen, für deren Vorhandensein es auch eine andere Erklärung hätte geben können. Steves Shaqarava hingegen... Nein, das war nicht weniger als ein eindeutiger Beweis.
Was nun?
Er sollte die Synode informieren, damit sie gemeinsam berieten. Doch Da'an wusste nur zu gut, was dies nach den Protokollen der Synode für diese Mission bedeutete: Die umgehende Vernichtung dieses Planeten!
Da'an spürte die Energie seiner Umgebung die seine durchdringen und fuhr abermals durch das vermodernde Laub. Da war Leben, lebendige Energie, zu der die verschiedensten Spezies und Materialien beitrugen, auch wenn da unterschwellig ein Missklang, ein Hauch von Zerstörung mitschwang. Lag es in seiner Hand? Sollte er die Nachricht überbringen und damit diesen Planeten dem Untergang weihen? Würde die Synode denn tatsächlich den gefassten Beschluss in die Tat umsetzen? Es war doch eigentlich noch genügend Zeit, bis die Jaridian diesen Planeten erreichten. Wenn sie umgehend beginnen würden, die Menschen zu verändern, und ihre gefährlichen Anlagen eliminierten, wie sie es schon bei so vielen anderen Spezies getan hatten...
Ja, es war genügend Zeit vorhanden und auch über die Mittel verfügten sie, doch konnte er sich darauf verlassen, dass die Synode die weitere Existenz dieser Spezies über Quo'ons Strategie stellte? Es war ein eindeutiger Beschluss, dass sie, sollte sich die Menschheit als mit atavistischen Energiemustern verseucht herausstellen, keine Zeit auf deren Beseitigung verwenden würden, sondern direkt die nächste potentiell geeignete Rasse aufsuchen würden. Wie konnte er sicher sein, dass sie nicht vielleicht tatsächlich diesen unvorstellbaren Plan der Vernichtung eines ganzen Planeten ausführen würden?
Da'an wurde sich langsam klar darüber: So wenig er das wirklich glaubte, so wenig wollte er das Risiko eingehen, dass er sich irrte. Zu unvorstellbar war die Vernichtung eines derart lebendigen Planeten und zu groß die Schuld, die sie auf sich laden würden. Doch wie konnte er dieses Geheimnis für sich behalten? Es musste schließlich unbedingt darauf reagiert werden!
Ku'dons Worte kamen ihm in den Sinn. Hatte dieser ihn nicht bekräftigt, seinen Weg weiterzuverfolgen, verbunden mit der Aufforderung sich anzupassen? Wussten die Philosophen nicht, was Ma'el herausgefunden hatte? Ma'el musste die atavistische Natur der Menschen aufgedeckt haben, doch warum hatte er geschwiegen? Und warum schwiegen die Philosophen, falls sie davon wussten?
Es war unmöglich diese Fragen jetzt zu beantworten, doch Ku'dons Worte boten ihm eine klare Handlungsanweisung: Seine Strategie würde als Reaktion auf die Entdeckung einer atavistischen Spezies die allmähliche Veränderung ihrer Energiestruktur vorsehen. Gleichzeitig sollte er in einen engen Kontakt mit dieser Spezies treten. - Das war unmöglich! Die Vorstellung jagte einen Schauer durch Da'ans Energiebahnen! Er würde sich anpassen, sein Kontakt zum Gemeinwesen würde geschwächt und schließlich...
Da'an dachte den Gedanken nicht zu Ende.
Die Philosophen konnten das unmöglich wollen! Oder doch? War es vielleicht notwendig, dass die Beteiligten dieser Mission für das Gemeinwesen diesen Weg gingen? Da'an konnte darin keinen Sinn entdecken, aber was hieß das schon?
Er musste mit Ku'don reden! Doch so schnell ihm diese Idee gekommen war, so schnell verwarf er sie wieder. Ku'don würde ihm nicht mehr offenbaren als er bereits getan hatte. Alle seine bisherigen Erfahrungen mit der Kaste der Philosophen sagten ihm dies.
In einer Mischung aus Entschlossenheit und Ergebenheit stand Da'an auf und begann zur Teth'a'dar zurück zu kehren. Er war sich wohl bewusst, dass der Plan, der in ihm zu reifen begann, alle Mitglieder dieser Mission gefährdete, aber ebenso klar war ihm, dass es manchmal notwendig war, wenige zum Wohle aller zu opfern.

 
* * *
 

Ku'don merkte, dass seine Konzentration nachließ. Es wurde Zeit den Brennpunkt zu verlassen, zumal die Teth'a'dar ihn deutlich ihre Beunruhigung spüren ließ und ihn damit zusätzlich zu verwirren drohte. So sammelte er sich und trat dann mit einer schnellen, aber präzisen Bewegung zurück.
Er brauchte einen Moment, bevor er die dunkelblau schimmernde Fläche unter sich und die hohe gewölbte Kuppel über sich wieder wahrnahm. Auch die normale Energie der Teth'a'dar berührte ihn wie gewohnt und darüber spürte er - wenn auch nicht ganz so deutlich wie vorher im Brennpunkt - ihre Besorgnis. Er konnte es ihr nicht verdenken, aber er sendete ihr dennoch nicht mehr als einen kurzen beruhigenden Impuls, bevor er sich auf den Rückweg in sein Quartier begab. Er brauchte Erholung, Ruhe, Energie...
*Was wird jetzt getan?*
Die Teth'a'dar war nicht bereit, es dabei zu belassen.
*Alles, was notwendig ist, um uns zu schützen*, antwortete Ku'don ausweichend.
*Du bist auch beunruhigt!*, setzte sie nach.
Dieser Feststellung konnte Ku'don nicht widersprechen. Die Dinge liefen nicht wie geplant. Er musste darüber nachdenken. Und er musste mit Yo'lin sprechen. Doch zu aller erst musste er sich ausruhen.
Statt einer Antwort sendete er daher der Teth'a'dar einen unmittelbaren Eindruck seiner Energie, der deutlicher als jede andere Botschaft übermittelte, wie er sich fühlte. Die Reaktion war wie erwartet ein unterstützendes Energiefeld und das Unterbleiben weiterer Fragen. In der ihn umgebenden Energie blieb jedoch ein unruhiger Unterton.


Das Signal des Datenstroms schreckte ihn aus seiner Ruhephase. - Wenn man sie denn überhaupt so nennen konnte. Er war zu aufgebracht, um sich wirklich ganz im Gemeinwesen aufgeben zu können. Rastlos suchte er - sich seiner selbst noch bewusst - in ihm nach Strömungen, Eindrücken, Verschiebungen, obwohl er sehr gut wusste, dass dies in seiner Verfassung ein nutzloses Unterfangen war. Aber wenigstens hatte er die durch den Aufenthalt im Brennpunkt der Teth'a'dar zerstobene Energie wiedergewonnen.
Ku'don fürchtete, es würde Da'an oder gar Quo'on sein, und so war er erleichtert, als er nach Öffnen des Datenstroms feststellte, dass es Yo'lin war, der ihn sprechen wollte. Allein das Mitglied der Künstlerkaste zu sehen, wirkte ausgleichender auf seine Stimmung als die gesamte Ruhephase.
Mit der üblichen gelassenen Heiterkeit wurde er gemustert.
*Ich nehme an, dein Zustand bedeutet, dass sich etwas ereignet hat*, lautete schließlich das Ergebnis der Untersuchung.
*Ja*, bestätigte Ku'don besorgt, *die Situation gerät in Bewegung.*
*Hervorragend!* Yo'lin sah sehr zufrieden aus.
*Ich fürchte, deine Begeisterung ist fehl am Platz, denn es läuft nicht wie geplant. Da'an weiß bereits von der atavistischen Natur der Menschen. Das ist viel zu früh.*
*Nach unserer anfänglichen Prognose vielleicht, doch nachdem er zwei Hybriden implantieren ließ, war das zu erwarten*, erwiderte Yo'lin ungerührt. *Außerdem läuft nie alles genau wie geplant. So ist diese Welt und so muss sie auch sein. In diesem Fall ist das für uns auch keine Katastrophe.*
*Aber es verkompliziert die Sache erheblich*, gab Ku'don zu bedenken. *Wir müssen alle Bedingungen mit einer neuen Rasse neu aufbauen und das unter ungünstigeren Bedingungen als das erste Mal. Wenn die Synode nun ihren getroffenen Beschluss revidiert, einen ganzen Planeten zu vernichten, dann werden die Traditionalisten nicht noch einmal daran glauben und das verringert den Druck auf sie ganz erheblich. Währenddessen läuft uns die Zeit davon. Die Situation der Jaridian wird immer kritischer...*
*Hör auf zu lamentieren, Ku'don*, wurde er ermahnt. *Hast du bereits Nachricht von der Einberufung einer Synodensitzung? Da'an wird schweigen, wie ich es vorhergesagt habe!*
*Das Ausbleiben einer Nachricht von Da'an oder Quo'on ist tatsächlich ein gewichtiges Argument, aber es passt nicht zu Da'an, das korrekte Vorgehen zu missachten*, entgegnete Ku'don etwas beruhigt, wenn auch noch nicht ganz überzeugt
*Wirklich nicht? Als Synodenführer lag es früher immer in seinem Interesse, dass die von ihm aufgestellten Regeln eingehalten wurden. Doch nun? Es wird ihm nicht leicht fallen, mit alten Gewohnheiten zu brechen, aber er hat die nötige Flexibilität. Darf ich dich daran erinnern, dass A'lur ihn nach seiner Absetzung als Führer der Synode aufgefangen hat und er nun die Energie eines Künstlers trägt? Und außerdem, ist Zo'or nicht sein Kind? Von Zo'or kann man wohl kaum sagen, er habe zu wenig Neigung zu unkonventionellem Verhalten. Vielleicht war Da'ans ureigene Bereitschaft zum Widerspruch nur durch die Umstände verschüttet?*
*Vermutlich hast du mit deiner Einschätzung Recht. Zumal ich im Vorfeld der letzten Synodensitzung bereits Vorkehrungen getroffen habe, dass Da'an sich in unserem Sinne verhält.* Ku'don merkte, dass Yo'lins Zuspruch wie gewohnt seine aufbauende Wirkung tat und nun die Energie wieder ruhiger durch seinen Körper floss. *Gehen wir also vorerst davon aus, dass wir wie geplant fortfahren können. Ich hoffe nur, dass meine stabilisierenden Fähigkeiten ausreichen, die Situation hier unter Kontrolle zu halten. Die Teth'a'dar sind äußerst beunruhigt. Zumal es auf dem Mond einen ungeklärten Vorfall gab...*
Ku'don ließ den Satz unbeendet, doch wie erwartet verstand Yo'lin und erwiderte seinen Blick ernst.
*Dergleichen bleibt nicht aus beim Kontakt mit atavistischen Spezies. Brauchst du Unterstützung?*
Ku'don überlegte. *Das Shaqarava-Projekt muss nun, nachdem Da'an Bescheid weiß, noch genauer überwacht werden, wenn wir verhindern wollen, dass sich die atavistische Natur der Menschen auch den anderen offenbart. Auch Da'ans weiteres Vorgehen müssen wir genau beobachten. Wenn ich dann noch gesteigerte Aufmerksamkeit auf die Hybriden richten muss, werde ich tatsächlich Unterstützung brauchen.*
*Zi'ran?*
*Nein, ein weiteres Mitglied der Synode hierher zu bitten, würde Aufmerksamkeit erregen. Ich werde ein weniger exponiertes Mitglied meiner Kaste hier her beordern. Sho'een wäre eine gute Wahl. Er hat ein besonderes Talent, Verschiebungen innerhalb des Gemeinwesens zu entdecken.*
*Gut, ich werde euch weiterhin von hier aus unterstützen.* Yo'lin musterte ihn freundlich. *Du siehst erschöpft aus.* Vermittelt durch den Datenstrom strich eine sanfte Welle über Ku'don, nicht so wohltuend, wie wenn Yo'lin vor ihm gestanden hätte, aber besser als nichts.
Dankbar erwiderte er die Geste des Künstlers. *Ich werde mich ausruhen, bevor ich weitere Schritte unternehme*, versprach er und beendete dann die Verbindung.

Doch als Ku'don seine Ankündigung wahrmachen und den Energieschauer wieder aktivieren wollte, verweigerte ihm die Teth'a'dar dies.
*Das Vorhaben ist riskant! Wir können das nicht zulassen!*
Ihre plötzlich deutlich spürbare Präsenz wirkte in ihrer Heftigkeit wie ein Schock und Ku'don brauchte einen Moment, bis er eine Antwort fand.
*Wir gehen kein grundsätzliches Risiko ein. Unser einziges Ziel besteht darin, uns so zu verändern, dass eine Wiedervereinigung mit den Jaridian möglich wird. Sie sterben und uns bleibt nicht mehr viel Zeit.*
Doch die Teth'a'dar ließ sich nicht beirren.
*Das Aufspüren und Beseitigen dessen, was ihr atavistische Energien nennt, hat oberste Priorität! Davon hängt das Schicksal unzähliger Spezies inklusive unserer eigenen ab. Das Schicksal der Jaridian hat demgegenüber zurückzustehen!*
Die von der Teth'a'dar abgegebene Strahlung prasselte hart auf Ku'don ein und trübte seine Wahrnehmung. Unfähig etwas zu erwidern, festigte er das Feld, dass seine Energiebahnen erhielt, während die Teth'a'dar mit unverminderter Härte fortfuhr.
*Was ihr atavistisch nennt, ist keinesfalls überwunden und kehrt nicht lediglich in Ausnahmefällen zurück. Die Kimera haben ihre Saat überall in dieser Galaxis gelegt und wo sie aufgeht, bleibt für alle anderen nichts als die Vernichtung. Habt gerade ihr das vergessen?*
Ku'dons Unbehagen nahm zu und er brauchte seine ganze Konzentration, um bei Bewusstsein zu bleiben. *...bitte...*
Tatsächlich nahm die Energie der Teth'a'dar an Intensität und Härte ab, doch ihre unangenehme Qualität blieb. *Habt ihr vergessen, wie schwer es war, die Kimera zu überwinden, das Gemeinwesen in der jetzigen Form zu schaffen und so zu gestalten, dass die Kimera es nicht kontrollieren können?*
*Nein, wir haben nichts vergessen, doch ihr anscheinend.* Ku'don gelang es, seine Gedanken soweit zu sammeln, um zu einer Erwiderung anzusetzen. *Ohne die Jaridian hätten wir die Kimera nie überwinden können. Wir Taelon können das Gemeinwesen schützen, aber wir können keinen Kimera physisch besiegen. Es ist richtig, dass wir jederzeit auf Kimera stoßen können, wer hilft uns dann?*
*Wir haben die Skrill...*
*Aber ist das genug?*
Die Teth'a'dar zögerte, unsicher ob der Logik dieses Einwandes. *Aber es ist nicht das mögliche Auftauchen von Kimera, weswegen ihr die Jaridian für uns gewinnen wollt, sondern der Wunsch das zusammenzufügen, was vor langer Zeit getrennt wurde. Doch nur die wenigsten Taelon wollen das. Die meisten halten es nach dem langen Krieg, den euer Brudervolk über die Galaxis gebracht hat, für das Beste, sie ihrem Schicksal zu überlassen, oder wollen sie gar vernichtet sehen. Nur die wenigsten wollen eine Vereinigung wie du und Yo'lin.*
Vehement sendete Ku'don eine Verneinung. *Ich und Yo'lin existieren ebenso wenig wie all die anderen Taelon. Was wir für Wünsche äußern, ist nicht von Belang und sagt nichts über uns aus. In der Tiefe des Gemeinwesens sind wir wie die Teth'a'dar eine einzige Strömung! Umrathma sehnt sich nach Shaqarava, der nun vielleicht endlich zur Vergebung bereit ist.*
Eine Weile herrschte Stille.
*Warum?*
*Weil sie uns brauchen! Sie sterben und das können wir nicht zulassen. Doch unabhängig davon wird das Überleben der Jaridian für uns alle gut sein, denn sie sind die Einzigen, von denen wir sicher wissen, dass sie die Kimera physisch bekämpfen können.*
Die Teth'a'dar schwieg abermals, doch Ku'don spürte an der auf ihn gerichteten Energie, dass er die Konfrontation auch dieses Mal gewonnen hatte.
*Wir werden dafür sorgen, dass die Menschheit die von den Kimera verursachten Anlagen nicht entfalten können*, meinte sie schließlich, während sie ihre Aufmerksamkeit auf ihn bereits wieder auf das normale, halbbewusste Maß senkte, dass sie stets jedem ihrer Insassen zugedachte. *Und wir werden weiterhin keines der Kinder in die Welt entlassen, solange sie dort durch atavistische Einflüsse gefährdet sind!*

 

Ende von Kapitel 3

 

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