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  „Die Ankunft” von Emma   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Frühjahr 2000
Alle hier vorkommenden Personen gehören den Eigentümern von Mission Erde/Earth: Final Conflict, nämlich Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Genaue Angaben zum Copyright finden Sie in der Vorbemerkung der Autorin. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Stella Morel und Sandoval treten kurz nach der Ankunft der Companions in Da'ans Dienste
Zeitpunkt:  drei Jahre vor der ersten Staffel
Charaktere:  Da'an, Sandoval, Stella, [Thompson und andere]
 

 

DIE ANKUNFT

 

Stella saß im Flugzeug und fühlte sich, als würde sie fliegen. Natürlich, das genau tat sie, aber ihrem Gefühl nach war sie eine Feder, die in einer lauen Brise trieb und nicht inmitten eines donnernden Haufen Metalls, der einen Schwall giftiger Abgase nach sich zog. Wenn diese Außerirdischen wirklich in friedlicher Absicht kamen und den Menschen helfen wollten, dann sollten sie mal ein paar Alternativvorschläge zu diesen Dreckschleudern machen.

Doch Stella blieb nicht lange bei diesem Gedanken. Im Geiste war sie immer noch im Himalaya, atmete die klare Luft und ließ den Blick über glitzernde Gipfel gleiten. Erst gestern war sie aus der tiefsten nepalesischen Wildnis nach Katmandu gekommen und hatte erfahren, dass zwei Tage zuvor Außerirdische Kontakt zur Erde aufgenommen hatten. ‚Companions’ nannten sie sich und hatten die ganze Welt in helle Aufregung versetzt. Stella hingegen nahm nach vier Wochen weitgehender Abgeschiedenheit alles wie in einem Traum war. Die gewichtigen Geschäftsleute, mit denen sie in Delhi in diesen Flieger gestiegen waren, kamen ihr genauso irreal vor, wie auf der Erde gelandete Außerirdische. Stella schloß die Augen und war wieder eine Feder.

 
* * *
 

Elaine wußte nicht, zum wievielten Male sie sich heute das Band mit den Nachrichten schon angeschaut hatte. Zunächst hatte sie permanent den Fernseher laufen lassen und darauf gewartet, dass die Nachricht aus dem All wieder abgespielt wurde. Mit der Zeit hatte sich genug von den schwachsinnigen Kommentaren aller Art von Experten, die sie gezwungen war, sich mit anzuhören und hatte die Nachricht auf Band aufgenommen. Wann immer sie dazu kam, schaute sie es sich wieder und wieder an. Sie war immer noch nicht zu dem Schluß gekommen, dass es etwas anderes war als ein schlechter Scherz. Ein verdammt schlechter Scherz, der ihr jetzt schon drei Nächte den Schlaf raubte und sie bis unters Dach mit Arbeit zu gedeckt hatte.

„Schaust du dir das schon wieder an. Das einzige, was sich dabei ins Nichts auflösen wird, ist dieses Videoband.” Frank war sichtlich genervt. Mit verknitterterem Gesicht, als es sich für sein Alter schickte, stand er in der Tür vom Schlaf- zum Wohnzimmer.
„Bist du dir immer noch sicher, dass das wirklich passiert?”
„Klar, die Schadensforderungen könnte sich kein Sender leisten. In ein paar Tagen landen Außerirdische auf der Erde. Aber wir werden dennoch weiterhin ein paar Stunden Schlaf am Tag benötigen. Laß dir das von einem Fachmann sagen.”
Frank wurde schon seit gestern in der Klinik in New York zurück erwartet und das war mit ein Grund für seine Gereiztheit. Leider hatten anscheinend alle Einwohner von Washington beschlossen, dass die Aliens zuerst in New York landen würden, während alle New Yorker der Ansicht waren, dass sie zuerst nach Washington kämen. Auf jeden Fall war es unmöglich, von der einen in die andere Stadt zu kommen, egal auf welchem Wege.

Elaine beschloß, noch einen Schlafversuch zu wagen, und kuschelte sich zu Frank ins Bett. Doch der Schlaf kam nicht. In Gedanken ging sie ihre verschiedenen Aufträge durch. Alle Mitarbeiter ihrer Detektei waren damit beschäftigt, für diverse lukrative Kunden den Personenschutz sicher zustellen. Leider hatte sie zu wenig Leute, um alle zu versorgen. Ihre Kunden, die zum Großteil bereits von ihrem Vater betreut worden waren, waren einflußreich und verwöhnt. Sie würden alle in der ersten Reihe stehen, wenn die Besucher aus dem All eintrafen. Bis auf ein paar. Die machten bereits Fluchtpläne in die hintersten Winkel des Planeten und das waren ihr momentan die liebsten! - Sie brauchte unbedingt eine zuverlässige Informationsquelle, von der sie erfuhr, was wann wie und wo stattfand, damit sie nicht ihre Zeit damit verschwendete, Leute anzurufen, die dann auch nicht mehr wußten als sie. Morgen würde sie Stella im Institut of Intercultural Contacts anrufen. Vielleicht wußte die was.

 
* * *
 

„Stella, da bist Du ja! Dein Flieger hatte ja ganz schön Verspätung. Margret wartet schon.”
„Warum holst du mich ab, Claire?”
„Wir brauchen Dich dringend im Institut.”

Claire hatte sie so schnell und resolut in ihr Auto verfrachtet, dass sie jeden Protest, zu dem Stella sich vielleicht hätte aufraffen können, im Keim erstickte. Die ganze Autofahrt plapperte sie wie ein Wasserfall von Companions, Nachrichtenmeldungen und davon, dass alle Welt verrückt geworden sei. Stella ließ es an sich vorbei rauschen.

Margret konnte sie leider nicht derart ignorieren. Prof. Margret Attwood, Direktorin des Instituts of Intercultural Contacts, verlangte und absorbierte immer die ganze Aufmerksamkeit ihrer Umgebung. Während Stella versuchte, sich auf ihre Chefin zu konzentrieren, begann sie sich zu fragten, wie in aller Welt sie so plötzlich vom Himalaya in dieses Büro gekommen war.

„Also hör zu, meine Liebe. Ich weiß, dass du müde bist vom Flug und eigentlich immer noch Urlaub hast. Aber selbst in Nepal wird Dir nicht entgangen sein, dass Außerirdische Kontakt mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten aufnehmen wollen. Er hat mich um Hilfe gebeten und war mehr als einverstanden, dass ich dich zu seiner Unterstützung abordne.”

Prof. Attwood wartete auf Stellas überschwengliche Begeisterung ... vergeblich. Alles, was sie erntete, war ein Stirnrunzeln. Präsident Thompson würde einer der ersten Menschen sein, dem die Aliens begegneten. Nun, das war nicht überraschend, aber trotzdem sehr bedauerlich.

Margret mißverstand Stellas Reaktion gründlich.
„Ich weiß, dass ist eine wirklich große Sache und so völlig ohne Vorbereitung ist das sehr - hm - heikel. Aber niemand auf diesem Planet ist darauf vorbereitet. Mach dir also keine Sorgen: Du wirst deine Sache hervorragend machen - wie immer!” Sie beugte sich vor und strahlte ihren Lieblingszögling mit so viel Stolz an, daß dieser sich gezwungen sah, nun doch endlich etwas zu sagen.
„Was wissen wir denn bislang über diese selbsternannten Companions?”
„Nicht viel!” Zufrieden, dass Stella die Angelegenheit mit soviel Professionalität anging und sich nicht weiter zierte, stand Prof. Attwood vom Besprechungstisch auf und reichte ihr eine dünne Mappe von ihrem Schreibtisch.
„Wann?” - „Morgen früh um 10 Uhr. Ein Wagen des Präsidenten wartet bereits unten auf Dich. - Zeit zum Umziehen hast du jedoch noch.” fügte die Direktorin mit Blick auf Stellas Reisekleidung hinzu.

Kurze Zeit später war Stella, nun in ein Kostüm gewandet, auf dem Weg ins Weiße Haus. Sie war alles andere als begeistert. Weder von ihrem unbequemen Outfit, noch von der Vorstellung, den Präsidenten der Vereinigten Staaten auf ein Treffen mit Aliens vorbereiten zu müssen. Sie konnte ihn nicht leiden. Weder seine politischen Ansichten, noch seine Person. Er war arrogant, ignorant und opportunistisch. Ein gewiefter Machtmensch, der nur den „richtigen” Leuten die notwendige Aufmerksamkeit schenkte. Nun war aber seine Frau eine alte Studienfreundin von Stellas Chefin und hatte dafür gesorgt, dass das Institut of Intercultural Contacts jetzt weit mehr und weit wichtigere Regierungsaufträge bekam als das unter früheren Präsidenten der Fall gewesen war.
Stella selbst hatte Thompson bereits oft genug auf Reisen in meist eher exotische Länder begleitet und verabscheute die herablassende, ignorante Art, mit der dieser anderen Kulturen begegnete. ‚Nun, dieses mal wird er sich das nicht leisten können!’ dachte Stella mit einiger Befriedigung.

 
* * *
 

Es war bereits nach 17 Uhr, als Stella vom einem Präsidenten begrüßt wurde, der ebenso verzweifelt wie erfolglos versuchte, Souveränität auszustrahlen.
„Dr. Morel, ich bin froh, Sie zu sehen!” Das war ganz offensichtlich eine krasse Untertreibung. „Eine unglaubliche Geschichte! Kommen Sie, sehen Sie sich die Nachricht an, die ich von den Companions erhalten habe!”
Stella kannte sie bereits, es konnte jedoch nicht schaden, sie sich noch einmal und zudem auf einem größeren Bildschirm als dem im Auto anzuschauen.

Das Bild flackerte kurz und dann war vor einem dunkelblauen Hintergrund eine schlanke, blasse Gestalt mit schmalen, aber durchaus menschlichen Gesichtszügen zu erkennen. Hätte sie nicht diese außergewöhnlich blauen Augen gehabt, wäre Stella wirklich enttäuscht gewesen. Auf ihren Reisen hatte Stella Wesen gesehen, die weit unirdischer aussahen als dieses dort auf dem Bildschirm.

„Ich grüße Sie, Präsident Thompson von den Vereinigten Staaten von Amerika. Mein Name ist Da'an und ich bin von der Synode der Taelons ausgewählt worden, der Companion des Nordamerikanischen Kontinents ihres Planeten zu werden. Ich komme in Frieden und Freundschaft und biete meine Hilfe an, wo immer sie die Menschen benötigen. Zu einer ersten Kontaktaufnahme schlage ich ein Treffen am 25. Mai um 10 Uhr in Ihrer Hauptstadt vor. Falls Sie andere Wünsche haben, so teilen sie es mir über ihre Satelliten mit.”

‚Dieses Wesen versteht auf jeden Fall mehr von Diplomatie mit fremden Völkern als Präsident Thompson. Die Worte waren klug gewählt!” dachte Stella, als sie dem Klang der Stimme nachhorchte, die mindestens so eindringlich war wie der Blick von ... Da'an. Sonderbar, die Außerirdischen hatte einen Namen und ein Gesicht bekommen und waren mit einem Mal weit weniger irreal als noch vor einer Stunde. Vielleicht passierte es tatsächlich!

„Was soll ich tun? Wie verhalte ich mich gegenüber einem Außerirdischen?” Thompsons Stimme hatte etwas von einem quengeligen Kind. Er fuhr sich mit einer Hand erst über das Gesicht und dann durch die Haare. Er sah erschöpft und überarbeitet aus. Stella beschloß ihn erst einmal zu beruhigen. Sie setzte sich an den Besprechungstisch und schenkte dem Mann und sich Kaffee ein. Um etwas Zeit zu gewinnen, tat sie sowohl Milch als auch Zucker hinein und rührte sorgfältigst um, wohlwissentlich, dass sie dieses Gebräu niemals trinken würde. Es funktionierte, Thompson setzte sich und tat es ihr nach.

„Zunächst einmal: nicht der Außerirdische, sondern Da'an!” Wenn Thompson den Companion nicht als Person sondern eher als ein Ding realisierte, waren Probleme garantiert.
„Ja, Da'an, wie soll ich ihn begrüßen. Was sagt man in so einer Situation?”
„Nun, lassen Sie IHN als erstes reden. Das ist seine Aufgabe und das wird er wissen!”
Der Präsident lehnte sich erleichtert zurück.
„Heißen Sie ihn und die Taelons wie gern gesehene Gäste willkommen, ohne dabei devot zu sein. Das wird den Menschen Sicherheit geben. Und das ist schließlich jetzt genauso wichtig wie eine angemessene Begrüßung Da'ans. Ach ja, reden Sie nicht darüber, dass die Menschen Angst haben und verunsichert sind. Das wird er wissen, sonst würde er nicht so viel von Freundschaft und Frieden und Hilfe reden.” - „Warum nicht, vielleicht stimmt es ihn milde?” - „Was soll er denn darauf antworten? Indirekt halten Sie ihm damit vor, eine Bedrohung zu sein und somit unwillkommen zu sein. Keine sehr taktvolle Begrüßung.” - „Ich verstehe... Noch etwas?” - „Ja, - fragen Sie ihn nicht, was die Taelons hier eigentlich wollen.” - „Mit anderen Worten, ich soll einfach so tun, als kämen hier alle Nase lang mal ein paar Aliens vorbei, die uns ihre Hilfe anbieten.” - Stella lachte, „Exakt! Friede, Freundschaft, Hilfe, das wissen wir ja schon. Falls Da'an uns mehr von den Zielen der Taelons erzählen will, wird er es schon von sich aus tun.”

Präsident Thompson stand auf und begann im Zimmer herum zu tigern.
„Sagen Sie, Dr. Morel, denken Sie, dass die wirklich mit rein friedlichen Absichten kommen?” - „Möglich ist das durchaus, es gibt schließlich auch menschliche Ethnologen, Missionare und sogar UN-Vertreter, die fremde Kulturen ohne feindliche oder rein egoistische Hintergedanken besuchen. - Aber zur Sicherheit können wir ja bei der Begrüßung die weißen Tauben weglassen.” Thompson schaute verwirrt zu Stella rüber. Etwas verlegen über diese nicht sehr professionelle Äußerung murmelte sie „Den Film „Mars attacks” haben sie wohl nicht gesehen...” - „Doch, leider schon.”

Das folgende beklemmende Schweigen wurde glücklicherweise durch das ungeduldige Klopfen von Thompsons Sicherheitschef beendet. Stella packte ihre wenigen Unterlagen zusammen und verabschiedete sich von dem Präsidenten. Er machte einen deutlich lockeren Eindruck, obwohl sie ihm doch wirklich nichts Außergewöhnliches gesagt hatte. Für den Führer der letzten verbleibenden Weltmacht und weißen, männlichen Anglo-Amerikaner waren jedoch vermutlich schon diese einfachen Ratschläge hilfreich. Stella war sich sicher, dass die Führer der Entwicklungsländer eher wußten, wie sie sich einer überlegenen außerirdischen Rasse gegenüber verhalten sollten.

 
* * *
 

Am nächsten Morgen stand Stella vor dem Weißen Haus und wartete darauf, dass es 10 Uhr wurde. Sie hatte den restlichen Abend damit zugebracht, ihre Reiseutensilien aufzuräumen, Wäsche zu waschen und eine ganze Menge Leute von ihrer Rückkehr zu informieren. Danach hatte sie wie ein Stein geschlafen und von blauem Himmel und plätschernden Gebirgsbächen geträumt. Wenigstens einen blauen Himmel hatte sie tatsächlich über sich. Es war ein wunderschöner Frühlingstag und die Ankunft von Außerirdischen war wieder sehr unwirklich geworden. Es war leicht, sich von der aufgeregten Stimmung um sie herum nicht anstecken zu lassen.

 
* * *
 

*Was für ein wunderschöner Frühlingstag das hätte sein können!* Elaine warf einen ärgerlichen Blick zum strahlendblauen Himmel. Aber nein, sie musste hier gemeinsam mit mehreren Millionen Menschen vor dem Weißen Haus stehen und ihrer Arbeit nachgehen. Es war schwierig, den Überblick zu behalten, welcher ihrer Kunden wo war. Hier machte sie sich wenig Sorgen um sie. Die Hälfte der anwesenden Menschen mußten Polizisten sein. Das Problem war der An- und Abtransport. Elaines Global hatte seit Stunden nicht aufgehört zu pipsen. Genervt öffnete sie es zum wohl tausendsten Mal an diesem Tag.
„Elaine, Mr. Doors Hubschrauber ist im Anflug, aber die Polizei will ihn nicht landen lassen.”
„Ich kläre das.” Sie hielt sich nicht damit auf, den Polizeichef zu suchen, sondern drückte sich abermals an der Absperrung vorbei. Sogar die übereifrigsten Polizisten hatten es mittlerweile aufgegeben, sie aufzuhalten.
„Mr Hoffman, würden sie bitte dafür sorgen, dass Mr. Doors Hubschrauber die Erlaubnis erhält zu landen.”
„Der denkt, wohl er kann sich alles erlauben. Wir haben nur noch eine halbe Stunde!”
„Mr. Hoffman, Jonathan Doors kann sich alles erlauben!”
Hoffman, der Sicherheitschef des Präsidenten, warf ihr einen Blick zu, als würde er sie gleich fressen. Elaine konnte das nicht erschüttern. „Doors wäre bestimmt gar nicht erfreut, wenn ich ihm von Ihrer ... mangelnden Kooperation erzählen würde. - Kommen Sie, verzögern sie es nicht noch mehr. Die Zeit drängt, wie Sie selbst sagen.”
Zähneknirschend und ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen öffnete er sein Global.

Während sie auf Doors wartete, warf Elaine einen Blick auf Stella, die wie ein ruhender Pol zwischen allen den aufgeregten Menschen stand und in den Himmel blickte. Mensch, sie würde eine der ersten sein, die mit einem Außerirdischen sprechen würde, war sie denn durch nichts aus der Ruhe zu bringen!? Schon während ihrer gemeinsamen Studiensemester hatte sie Stellas stets ruhige, überlegte und freundliche Art mal mit Bewunderung, mal mit Ärger erfüllt. Aber das hier war wirklich der Abschuß. Aber Frank war auch nicht besser. Er war zu Hause geblieben mit der Begründung, er müsse den Krimi, den er gestern angefangen hatte, unbedingt zu Ende lesen.

Das Knattern der Rotorenblätter lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Arbeit. Schnell lief sie auf den gelandeten Hubschrauber zu.
„Ah, Mrs. Lorber, Sie mischen also auch mit in diesem Hexenkessel.”
„Gezwungenermaßen, Mr. Doors.” Es war nicht Elaines Art, ihrer illustren Kundschaft Honig ums Maul zu schmieren, und Doors war einer von denen, die das auch gar nicht geschätzt hätten.
„So, wären Sie jetzt lieber mit einen guten Buch im Bett? Das wäre eine gute Alternative, aber wir haben schließlich beide ein Geschäft zu führen.”
Elaine mußte zum ersten mal seit Tagen lachen. Doors redete gerne so, als führte er nichts mehr als den kleinen Waschsalon um die Ecke. Er war trotz seiner Ruppigkeit einer ihrer liebsten Kunden, und da er zudem der mit Abstand mächtigste war, kümmerte sie sich selbst um ihn.
„Soweit ich weiß, landet der Companion um 14 Uhr und wird dann zunächst mit dem Präsidenten alleine sprechen. Danach findet ein Empfang statt, auf dem Sie ihm vorgestellt werden.
„Hat der Kerl auch einen Namen?”
„Haben sie denn Ihre Einladung nicht gelesen? - Er heißt Da'an.”
„Soso. Hoffen wir, das er Manieren hat.”
Verdattert sah Elaine dem Multimillionäre nach. *Verflixt noch mal, bin ich eigentlich die einzig Normale unter lauter Irren? Warum tun die bloß alle so, als käme niemand bedeutenderes als der Botschafter von Tonga?* Sie war regelrecht froh, als sich ihr Global wieder meldete.

 
* * *
 

Präsident Thompson trat in Freie und die Fotographen, Kameraleute und Journalisten, begannen hastig ihrer Arbeit nachzugehen. Der Präsident gab ein paar Interviews und trat dann zu seinem Stabschef. Mit einem Mal wurde die gewaltige Menschenmenge vor dem Weißen Haus ruhiger. Vermutlich ruhiger, als eine solch große Ansammlung von Menschen es jemals zuvor gewesen ist. Stella lief ein Schauer über den Rücken und die plötzliche Erkenntnis stieg in ihr auf, dass dies alles kein Traum war. Mit einem Mal war sie hellwach. Bevor sie sich näher mit ihrer neuen Einsicht auseinandersetzen konnte, erschien wie aus einem Loch am Himmel eine Art Flugzeug, schillernd in allen möglichen Farben. Es gab nur ein leises Surren von sich, bevor es sanft auf dem Rasen aufsetzte. Stella bemerkte aus dem Augenwinkel, wie der Präsident zu ihr hinüberschaute. Sie zwang sich, ihm einen kurzen, möglichst ruhigen Blick zuzuwerfen, während sie sich schräg hinter ihn stellte.

Aus dem Flugzeug stieg eines dieser außerirdischen Wesen aus. Die Menge hielt gleichsam den Atem an. Aber es war nicht Da'an, soviel konnte Stella erkennen. Es schaute sich kurz um und nickte dann ins Innere. Ein zweites Wesen trat ins Freie, und dieses erkannte sie wieder. Sie mußte lächeln, als sie feststellte, dass sie Da'an innerlich fast wie einen Bekannten begrüßte. Sie hatte nicht bemerkt, wie sehr sich die Gestalt auf dem Bildschirm in ihrem Kopf festgesetzt hatte. Da'an ließ seine Augen über die Menge zu Präsident Thompson schweifen und Stella hatte das Gefühl, für einen kurzen Augenblick seinem Blick zu begegnen.

Präsident Thompson ging dem Companion ein paar Schritte entgegen. Wie Stella es vermutet hatte, brach Da'an zuerst das Schweigen. „Es freut mich, Sie persönlich kennenzulernen und ich hoffe, dass sich unsere Völker zu gegenseitigem Nutzen in Friede und Freundschaft begegnen.”
„Ich begrüße Sie und Ihr Volk aufs herzlichste auf unserem Planeten.”
Thompson streckte dem Taelon die Hand entgegen, und dieser nahm sie.
Wie zu erwarten, jubelte die Menge. Stella hingegen schrie innerlich auf. *Auf unserem Planeten! - Warum nicht gleich auf seinem Planeten? - Wie kann er es nur wagen, für den ganzen verdammten Planeten zu sprechen!* Stella versuchte ein möglichst ausdrucksloses Gesicht zu machen, während sie sich genüsslich die hämisch-empörten Kommentare der ausländischen Presse ausmalte. Sie verpasste es darüber beinahe, sich Thompson und Da'an anzuschließen, als diese ins Weiße Haus gingen.

Thompson hatte darauf bestanden, mit dem Companion zunächst allein, nur unter Anwesenheit von Stella, zu sprechen. Dies sollte, wie Stella böswillig vermutete, die Gefahr reduzieren, sich sowohl vor anderen Menschen wie auch vor Da'an lächerlich zu machen.

Als die Tür hinter ihnen zu ging, wandte sich Thompson an den Companion.
„Darf ich Ihnen meine Beraterin, Dr. Stella Morel vorstellen.”
Da'an wandte sich ihr zu. „Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Dr. Morel.”
Als Stella seinem Blick begegnete, mußte sie unwillkürlich lächeln. Zu sehr erinnerten sie seine blauen Augen, deren Lebendigkeit in sonderbarem Kontrast zu dem ausdruckslosen blassen Gesicht stand, an den Himmel über schneebedeckten Berggipfeln.
„Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, Da'an.”

Thompson leitete seinen außerirdischen Gast an einen kleinen Tisch. Auf Stellas Anraten hin wurden dem außerirdischen Besucher keine Getränke oder Essen angeboten. Es war schon schwierig genug, Leuten aus anderen Länder etwas anzubieten, das diese mochte und vertrugen. Wer wußte schon, was die Taelons aßen. Thompson hatte diesen Rat angenommen, dankbar für alles, was peinliche Zwischenfälle vermeiden konnte. Stella bemerkte, nachdem sie sich gesetzt hatten, seinen hilfesuchenden Blick. Nun, es war nicht ihr Job, die Unterhaltung zu beginnen. Da'an bemerkte wohl das Problem und half Thompson aus seiner Lage.
„Präsident Thompson, ich weiß, Ihre vordringlichste Frage ist, warum sich meine Rasse, die Taelons, für die Menschheit interessiert.”
„In der Tat!”
„Wir haben seit jeher ein großes Interesse an anderen Spezies. Der Kontakt mit technologisch weniger entwickelten Spezies birgt jedoch immer eine Gefahr für diese. Im Falle der Menschheit ist die Taelon-Synode jedoch zu der Ansicht gelangt, dass diese in ihrer Entwicklung weit genug vorgeschritten ist, um von einem Kontakt mit uns zu profitieren.”
„Tja, wir werden Sie wohl nicht mit Göttern verwechseln, nicht wahr Dr. Morel.”
Stella zögerte. Es war sehr unwahrscheinlich, dass nicht sehr bald eine geraume Anzahl von neuen und alten religiösen Führern die Ankunft von Außerirdischen zu ihren Gunsten ausnützen würden.
„Ich denke, die meisten Menschen werden dies nicht tun.”
Ihre Antwort brachte Thompson etwas aus dem Konzept, so dass eine kleine Pause entstand, bis Da'an das Gespräch wieder aufnahm.
„Die Taelons würden sich freuen, den Menschen Ihres Landes und der ganzen Welt bei der Lösung ihrer Probleme zu helfen. Dies wird vielleicht die Verwirrung, die viele Ihrer Mitmenschen jetzt zweifellos empfinden, mildern und ein Vertrauen zwischen unseren Spezies aufbauen helfen.”
Das war Thompson offensichtlich aus dem Herzen gesprochen. „Nun, Probleme haben wir genug, und mit Ihrer überlegenen Technik, können wir diese sicherlich in den Griff kriegen. Und was das Schaffen von Vertrauen angeht, nun, das wäre mehr als dringend notwendig. Die Menschen in meinem Land fühlen sich...” Thompson stockte und wandte sich hilfesuchend an Stella. „Dr. Morel, Sie sind die Wissenschaftlerin, wie fühlen sich die Leute?”
*Herzlichen Dank! Erst verplappern und dann mich die Suppe auslöffeln lassen.* Stella wandte sich an Da'an. „Die Menschen fühlen sich - wie in einem Traum. Wir alle werden mit der Zeit aufwachen und erkennen, dass Ihre Ankunft auf der Erde Realität ist.” Mit einem Lächeln fügte sie hinzu. „So lange werden Sie wohl etwas nachsichtig mit uns sein müssen.”
Das erste Mal huschte so etwas wie ein Lächeln über das Gesicht des Companions. „Das werden alle Taelons gerne sein und ich hoffe im Gegenzug auf Ihre Nachsicht, bis wir die Menschen besser verstehen gelernt haben.”
„Das wird kein Problem sein!” Präsident Thompson war mehr als glücklich, etwas gefunden zu haben, was er dem Außerirdischen anbieten konnte. „Wie gehen wir nun in unserem Bemühen, uns besser kennenzulernen, weiter vor? Soweit ich weiß, haben Sie in drei Stunden ein erstes Treffen mit dem kanadischen Premier und es gibt noch etliche Leute, die Sie kennenlernen wollen. Wir sollten ein Verfahren entwickeln, wie wir zusammenarbeiten können.” Es war offensichtlich, dass Thompson dieses Gespräch lieber jetzt als später beenden wollte.
Ein weiteres kurzes Lächeln auf Da'ans Gesicht zeigte an, dass er das wohl bemerkt hatte, es ihn jedoch eher amüsierte als verärgerte. „Ich werde morgen wieder nach Washington kommen, dann können wir alles weitere besprechen.”
„Sehr gut. Dr. Morel wird den Kontakt zwischen uns organisieren und Ihnen zur Seite stehen, wenn Sie irgend etwas brauchen!”
Stella sah den Präsidenten überrascht an. Das kam völlig unerwartet. Mal abgesehen davon, dass diese Order eine Unverschämtheit war, da sie nicht seine Angestellt war und er nicht über ihren Kopf hinweg entscheiden konnte, womit sie ihre Zeit verbrachte, gab es unendlich viele und sehr wichtige Leute, die diesen Job haben wollten. Das ganze war wohl eine Kurzschlußhandlung des Präsidenten, der nur gesehen hatte, dass Stella die Situation meistern konnte.
„Ich würde mich sehr über Dr. Morels Unterstützung freuen.”
Stella hätte Da'ans freundliche Akzeptanz dieses Angebots beinahe überhöht und schaffte es gerade noch rechtzeitig, bevor es sonderbar gewirkt hätte, bestätigend zu nicken.

 
* * *
 

„Nun, wie ist Dein Treffen mit dem Alien verlaufen?”
Claire hatte sich irgendwie in Margrets Büro geschmuggelt. Stella war von dem gesamten Institut erwartet worden und hatte es nur mit Mühe geschafft, zuerst einmal allein mit ihrer Chefin zu sprechen, na ja, fast allein eben.
„Hervorragend, ich habe von Thompson den Auftrag erhalten, die Kontaktperson zwischen ihm und dem Companion zu sein.”
Stella lehnte sich erschöpft gegen die Wand.
„Sehr begeistert klingst Du ja nicht, willst Du diesen Job nicht?”
„Claire, für diesen ‚Job’ würde ich einen Mord begeben! Leider wird es sich Thompson anders überlegen, sobald er realisiert hat, das es wichtigere Leute als mich gibt, die ihn unbedingt haben wollen. Es sein denn...” Stella wandte sich an ihre Chefin, die ihren Satz ohne Zögern beendete. „... jemand überzeugt ihn davon, das ihm dieser Rückzieher als Führungsschwäche ausgelegt und zudem den Companion irritieren würde. - Laßt mich allein, ich habe ein Telefonat zu führen.” Mit einem dankbaren Blick an Margret verließ Stella mit Claire das Büro, um sich dem Ansturm von Fragen ihrer Kollegen zu stellen.

 
* * *
 

Das erste, was Stella in ihrem neuen Job machte, war, sich der Unterstützung des Stabschefs des Präsidenten, James Urick, zu versichert. Das war nicht sehr schwer. Zum einen kannten sie sich von diversen Reisen des Präsidenten und hatten sich bei dieser Zusammenarbeit immer gut verstanden. Zum anderen war Urick froh darüber, dass jemand den Job übernahm, der sich nicht nur profilieren wollte und ihn die Arbeit machen ließ. Daher konnte Stella auf die Unterstützung seiner Mitarbeiter bauen.

Gleich am nächsten Morgen hatte sie einige von diesen auf die Suche nach provisorischen Büroräumen für den Companion geschickt. Dann hatte sie sich auf die Suche nach dem Sicherheitschef des Präsidenten gemacht. Ohne große Überraschung stellte Stella fest, das Hoffman bereits ein Sicherheitsteam gebildet hatte, das allein für den außerirdischen Companion zuständig war. Ebenso wenig war sie davon überrascht, dass er sie nicht darüber informiert hätte, wenn sie nicht auf ihn zugekommen wäre. Selbst den Namen des Leiters dieses Teams und seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort teilte er ihr nur widerwillig mit. Anstatt diesen aufzusuchen, ging Stella zurück ins Büro des Stabschefs.

„Dr. Morel, ich wollte Sie gerade anrufen. Da'an hat sich gemeldet. Er kommt um 14 Uhr?”
*Dem Himmel sei Dank, erst heute Nachmittag!* dachte sagte Stella. „Weiß das der Präsident schon?”
„Nein, ich wollte es erst Ihnen sagen, damit wir uns gemeinsam mit ihm beraten können.”
*Na, wenigstens einer spurt!* Laut fügte Stella hinzu: „Dann sollten wir uns auf den Weg machen.”

 
* * *
 

Als sie eintraten, machte Thompson nicht den Eindruck, als hätte er die letzte Stunde irgend etwas wichtigeres gemacht als auf seine Finger zu starren. In den zahllosen Fernsehinterviews des gestrigen Abends hatte er souverän gewirkt, aber jetzt schien er wie in sich zusammengefallen.
„Da'an kommt um 14 Uhr, Mr. Präsident,” begann Urick mit wenig Rücksicht auf die angeschlagene Verfassung Thompsons.
„Hat er auch gesagt, was er von mir will?” Gereizt stand der Präsident auf und begann, aus dem Fenster zu starren. Urick und Stella wechselten einen raschen Blick. Stella startete einen Versuch, Thompsons Laune zu verbessern. „Gut möglich, dass er heute gar nichts von Ihnen will. Ich werde ihm vorschlagen, vor dem Start einer inhaltlicher Zusammenarbeit Strukturen zu schaffen, die eine solche überhaupt erst ermöglichen.”
Wie erwartet, war Thompson von dieser Idee mehr als beglückt. Erleichtert, für heute aus dem Schneider zu sein, drehte er sich seinen Untergebenen wieder zu. „Was schlagen Sie also vor?”
„Oh, ich habe einige Ideen. Ich schlage jedoch vor, Agent Sandoval zu diesen Beratungen hinzuzuziehen. Er ist der Leiter des von Ihrem Sicherheitschef Hoffman eingerichteten Teams, das den Companion beschützen soll.”
„Meinetwegen, rufen Sie ihn!”

Stella ging ein paar Schritte zurück und kramte in ihrer Tasche. Erleichtert registrierte sie, wie die beiden Männer das Gespräch fortsetzten. Schnell wählte sie Sandovals Nummer.
„Agent Sandoval, der Präsident bittet Sie, unverzüglich in sein Büro zu kommen,” flötete sie mit ihrer nettesten Telefonstimme, als sich eine für einen FBI-Agenten überraschend sympathische Stimme meldete. Kaum hatte der Mann zugestimmt, legte sie auf und wählte den Sicherheitschef des Präsidenten an, in der Hoffnung, Sandoval zuvorzukommen.
„Mr. Hoffman, gut dass ich Sie erreiche. Entschuldigen Sie bitte, können Sie mir noch einmal die Nummer des Leiters des von Ihnen aufgestellten Sicherheitsteams geben. Tut mir leid, ich muß sie in der Hektik verlegt haben. Agent - wie hieß er noch gleich. - Sandoval - genau. Die Nummer, Moment, ich brauche was zum schreiben. - Aja, können Sie das zu Sicherheit noch einmal wiederholen? - Vielen Dank, ich verspreche, es kommt nicht wieder vor.” Amüsiert registrierte Stella die zunehmende Gereiztheit des Mannes, der sich nur mit Mühe zur Höflichkeit anhalten konnte. Es machte nichts, er hielt sie als Frau sowieso für zu inkompetent für diesen Job. Hauptsache, er wurde von Sandoval nicht zu diesem Gespräch hinzugezogen.

Kaum hatte Stella aufgelegt, trat ein äußerst gut aussehender Mann asiatischer Herkunft ein und stellte sich als Agent Ronald Sandoval vor. Mit Befriedigung stellte Stella an einer leichten Unsicherheit in seinem Verhalten fest, dass es ihm wohl nicht gelungen war, seinen Chef vor seinem Eintreten zu erreichen.
„Mr. Sandoval,” begann der Präsident „Ich habe von meiner Mitarbeiterin Dr. Morel, gehört, dass Sie damit beauftragt wurden, für die Sicherheit unseres Besuchers zu sorgen. Sehr schön. Das Ganze habe ich zur Stabssache erklärt, was heißt, dass Sie direkt mir unterstellt sind. Ich erwarte von Ihnen hervorragende Arbeit. Es darf zu keinerlei Zwischenfällen kommen. Dr. Morel koordiniert den Kontakt und die Zusammenarbeit zwischen mir und unserem neuen Freund. Ich möchte, dass Sie und Dr. Morel gut kooperieren. Gute Kooperation ist die Basis einer effektiven Arbeit.”
*Oh, Gott, jetzt hält er gleich eine Wahlkampfrede!* Stella stöhnte innerlich auf, auch wenn sie mehr als zufrieden war. Zumindest konnten Sandoval und Hoffman sie jetzt nicht ganz umgehen. Glücklicherweise entließ sie der Präsident nach dieser Ansprache, ohne auf weitere inhaltliche Arbeitsaufträge zu sprechen zu kommen. Im Hinausgehen wechselte sie mit Urick einen bedeutungsvollen Blick. Er war nicht weniger glücklich über diese neu definierten Strukturen als sie. Stella wußte, dass Hoffman sich nach Uricks Geschmack viel zu sehr in politische Angelegenheiten und - was schlimmer war - in sein eigenes Einflußgebiet einmischte.

 
* * *
 

Nach einem mehr als turbulenten Vormittag hetzte Stella um 14 Uhr zum Hubschrauber-Landeplatz, als stünde nichts weiter an als eine weitere nichtige Besprechung. Das änderte sich schlagartig, als dieses sonderbare Flugzeug am immer noch strahlend blauen Himmel auftauchte. Mit einem Mal war sie die Ruhe selbst und gleichzeitig voller Konzentration. Überrascht merkte sie, dass sie sich auf das Treffen mit dem außerirdischen Companion freute. Nachdem Da'an mit den gleichen langsamen und fließenden Bewegungen, die sie schon gestern fasziniert hatten, aus dem Flugzeug ausgestiegen war, begrüßte sie ihn mit einem ehrlich gemeinten Lächeln.
„Da'an, es freut mich, Sie im Namen des Präsidenten begrüßen zu dürfen.”
„Es ist schön, Sie wieder zu sehen, Dr. Morel, und ich freue mich darauf, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.”
Stella führte ihren Gast in ein vorbereitetes Besprechungszimmer. Zimmer war nicht ganz der richtige Ausdruck, Saal wäre korrekter. Da'an ging direkt auf eine große Glastür zu, die auf einen kleinen Balkon führte und schaute interessiert nach draußen.
„Sie haben sich ein paar wunderschöne Frühlingstage ausgesucht für einen ersten Kontrakt mit unserem Land.”
„In der Tat. Ich kann mich glücklich schätzen, andere Companions sind in dieser Hinsicht weniger gesegnet.”
Belustigt stellte sich Stella eine Gruppe Taelons in einer fliegenden Untertasse vor, die sich über das Wetter unterhielten. Sie fasste sich jedoch schnell.
„Präsident Thompson läßt fragen, ob Sie ihn gleich sprechen möchten oder ob Sie erst einige organisatorische Fragen mit mir klären möchten?”
Da'an drehte sich zu ihr um und sah sie, den Kopf leicht zu Seite geneigt, eindringlich an. Stella gelang es, diesem Blick stand zu halten, sie hatte jedoch das Gefühl, sich in ihm zu verlieren. Da'an schien in ihr lesen zu können, warum sie diese Frage gestellt hatte.
„Ich denke, es wird nicht nötig sein, den Präsidenten Ihres Landes zu bemühen, bis wir nicht die organisatorischen Grundlagen unserer Zusammenarbeit geklärt haben.”
Stella lächelte. Oh, es würde viel Spaß machen, mit ihm zusammenzuarbeiten.

 
* * *
 

Da'an ging langsam durch die Gänge des Mutterschiffes auf den Raum des Leiters der Synode zu. Quo'on hatte ihn zu einem ausführlichen Bericht seiner ersten Wochen als Nordamerikanischer Companion zu sich beordert. Es hatte zwar schon diverse Treffen der Synode gegeben, aber noch keines nur zwischen ihnen beiden.

„Da'an, es freut mich, dich zu sehen.” Quo'on formte seine Hände zum Taelon-Gruß.
„Auch ich bin erfreut über dieses Treffen.” sagte er und erwiderte den Gruß.
Quo'on wandte sich um und ging die paar Schritte zum Ende des Raumes. Durch das virtuelle Glas hatte man von dort einen wundervollen Blick auf die Erde. „Wie ist dein erster Eindruck von den Menschen, Da'an?”
Indem er sich neben den Synodenführer stelle, antwortete er nicht ohne ein kurzes Zögern. „Sie sind sehr - unterschiedlich.” Und auf Quo'ons fragenden Blick fügte er hinzu „Einige schienen mit unserer Ankunft zunächst kaum umgehen zu können, andere hingegen waren sehr kooperativ. - Alles in allem denke ich, die Menschen sind vielversprechend.”
„So? Andere sind leider nicht dieser Ansicht.” Nun war es an Quo'on, einen fragenden Blick zu beantworten. „ Zo'or hält die Menschen für genauso wenig geeignet wie andere Rassen. - Was nicht nichts ist, aber deutlich weniger, als wir uns erhofft haben. Mir ist daher daran gelegen, zu erfahren, was dich zu deiner differierenden Ansicht brachte.”

Da'an wandte sich wieder dem Anblick der Erde zu und sammelte seine Eindrücke.
Präsident Thompson war seit dem ersten Treffen ein Problemfall gewesen und hatte den persönlichen Kontakt mit ihm soweit wie möglich vermieden. Mit dem Generalsekretär der UN hatte es deutlich weniger Probleme gegeben, wenngleich Da'an diesem weit weniger Zeit und Aufmerksamkeit schenkte. Das sich diese Anfangsschwierigkeiten ein wenig gelegt hatten und nunmehr langsam eine konstruktive Zusammenarbeit beginnen konnte, hatte er vor allem Dr. Morel zu verdanken. Sie hatte sowohl ein Gespür für seine Intensionen als auch für die Befindlichkeiten ihrer eigenen Mitmenschen. Sie hatte ihm sehr diskret aber dennoch deutlich verständlich gemacht, worin das Problem mit Präsident Thompson lag. Er war der Führer des wirtschaftlich und militärisch mächtigsten Landes der Erde, eines Landes, für das diese Überlegenheit ein wichtiger Teil seiner Kultur war. Darüber hinaus gehörte er innerhalb dieses Landes zu einer privilegierten, hochgeachteten Gruppe. Die Ankunft der Taelons bedeutete eine Gefahr - wie hatte es Dr. Morel genannt - für die Identität dieser Gruppe, und hatte ihm damit zu verstehen gegeben, vor allem eben auch für Präsident Thompson. Wohl um ihn zu beruhigen, hatte sie hinzugefügt, dass diese Menschen sich nach einer gewissen Zeit schon an die neuen Gegebenheiten anpassen würden.
Auch wenn Da'an die Konzepte Kultur und Identität fremd waren, so war Dr. Morels Erklärung einleuchtend genug gewesen, um der Synode seine offensichtlichen Probleme als nicht von ihm verursacht verständlich zu machen, und seine nunmehr zu verzeichnenden Fortschritte hatten die Synode wieder milde gestimmt. Doch in Dr. Morels Ausführungen steckte etwas mehr. Kultur und Identität waren keine Begriffe, die so einfach waren, wie es zunächst den Anschein hatten. Da'an spürte, das darin ein Schlüssel zum Verständnis der Menschheit lag.

Mit einer unterstreichenden Handbewegung wandte er sich wieder dem Führer der Synode zu. „Die Menschen sind komplexer, als sie scheinen. Sowohl im einzelnen, wie auch in ihrer Gesamtheit. Zeigen das nicht schon die ganz unterschiedliche Erfahrungen, die unsere Companions bereits jetzt mit ihnen gemacht haben?”
„Ist es nicht eher so, das diese offensichtliche Unterschiedlichkeit nur ein Zeichen für ihre Primitivität ist? Sie sind unorganisiert und können schlecht zusammenarbeiten. Ja, sie können sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Sprachen noch nicht einmal alle miteinander verständigen. Ganz davon abgesehen, liegen sie ständig miteinander im Streit und führen, ganz im Gegensatz zu fast allen anderen Rasse, die wir bislang kennen, sogar blutigste Kriege gegeneinander. - Ein Faktor, von dem Zo'or meinte, dass er uns zum Vorteil gereichen könnte. - Ich verstehe also nicht ganz, wie du das als etwas positives annehmen kannst.”
Diese Erwiderung war so einleuchtend, dass Da'an für einen Moment die Kontrolle über seine menschenähnliches Aussehen verlor. Doch er war nicht so leicht bereit, die Ahnung, die in ihm aufgestiegen war, aufzugeben. Nach einer kurzen Pause führte er seine Überlegungen fort.
„Diese Unterschiedlichkeit zeigt doch, dass die Menschen in der Lage sind, sich den gegebenen Umständen anzupassen. Vielleicht liegt in dieser Anpassungsfähigkeit ihre besondere Stärke.”
„Nichts zeigt an, dass sie genetisch flexibler und manipulierbarer sind als andere uns bekannte Spezies, eher das Gegenteil ist der Fall.”
„Ich meine keine genetische Variabilität. Ich spreche von einer ... kulturellen Anpassungsfähigkeit.”
Da'an spürte mehr als deutlich, dass Quo'on nicht verstand, worauf er hinauswollte; er wußte es ja selbst nicht genau. Doch der Führer der Synode schätzte ihn und seine Fähigkeiten genug, um seine Ansichten nicht einfach zu verwerfen.
„Da'an, ich bin froh darüber, dass du Hinweise darauf siehst, dass die Menschheit uns so nützlich sein könnte, wie wir es uns erhofft haben. Ich wünsche, dass du in dieser Hinsicht weitere Nachforschungen anstellst und der Synode zu gegebener Zeit davon berichtest.”
Quo'on zeigte mit einer Handbewegung an, dass er entlassen war. Da'an zögerte jedoch.
„Ist noch etwas, Da'an?”
„Wie weit sind die Forschungen zur Implantierung von CVI's vorangeschritten?”
„Recht weit, soweit ich weiß. Hast Du einen Kandidaten?”
„Ja, und es wäre sinnvoll, in dieser Sache schnell zu handeln. - Präsident Thompson hat ein Team bilden lassen, das für meine Sicherheit in seinem Land verantwortlich ist. Der Leiter dieses Teams ist ein FBI-Agent mit Namen Ronald Sandoval, und er war bislang vor allem mit geheimdienstlichen Aufgaben betraut.”
Quo'on warf ihm einen alarmierten Blick zu. „Woher weißt du das?”
Da'an wandte sich wieder zum Fenster. Mit einem Seitenblick antwortete er. „Aus einer meiner Ansicht nach zuverlässigen Quelle.”
Dr. Morel hatte vor wenigen Tagen scheinbar nebensächlich eine Bemerkung gemacht, nachdem sich ein Mann von der Presse unkontrolliert in seine Nähe hatte schleichen können. „Agent Sandoval gibt sein Bestes, man kann ihn nicht allzusehr wegen dieses Fehlers kritisieren. Schließlich war es der Sicherheitschef des Präsidenten, Mr. Hoffman, der ihm diese für ihn ungewohnte Aufgabe zugewiesen hat, und das, obwohl er doch bislang vor allem geheimdienstlich tätig war.” Mit kurzen Blick hatte sie sich vergewissert, ob ihre Botschaft angekommen war. Seitdem fragte er sich, warum sie das getan hatte. Sie hatte ihn wissen lassen, dass Sandoval den Auftrag hatte, ihn auszuspionieren, und dass dies anscheinend ohne das Wissen des Präsidenten erfolgte. Er hatte das nicht vermutet; Sandoval war sehr talentiert. Er hatte sich so sehr zurückgenommen, das Da'an ihn kaum beachtet hatte. Sicherlich, es hatte nie die Gefahr bestanden, dass Sandoval an geheime Informationen herangekommen wäre. Nichts desto trotz, für die Zukunft bestand ein gewisses Risiko, so dass er handeln sollte. Dr. Morels Motive, ihm dieses Wissen anzuvertrauen, waren ihm jedoch unklar. Er würde sie klären müssen, sobald er die Angelegenheit mit Agent Sandoval erledigt hatte.
„Nun, gut.” Quo'on riß ihn aus seinen Überlegungen. „Sprich mit den Wissenschaftlern. Wenn sie so weit sind, dann hast du in dieser Sache die Vollmacht, alles zu tun, was du für richtig befindest.”

 
* * *
 

Nachdenklich betrat Stella den Aufzug, um in die provisorische Botschaft des Nordamerikanischen Companion, die im obersten Stockwerk eines riesigen neuen Bürogebäudes untergebracht war, hinaufzufahren. Sie hatte soeben erfahren, dass es Widerstände gab, den Wunsch Da'ans nach einem eigenen Botschaftsgebäude zu erfüllen. Diese Widerstände trugen vor allem den Namen Hoffman, wie ihr Urick zu verstehen gegeben hatte. Stella hatte Da'an erfolglos geraten zu warten, bis man auf ihn zukommen würde. Wie die anderen Companions, die ebensowenig geduldig gewesen waren, mußten sie sich jetzt mit den Befürchtungen und Ängsten der Politiker und Bevölkerung der von ihnen betreuten Länder herumschlagen. Befürchtungen, die - so die Vermutung von Elaine - vor allem von Geheimdiensten und Militärs genutzt wurden.

Vielleicht waren diese Befürchtungen aber auch nicht ganz ungerechtfertigt. Die Taelons waren jetzt erst fünf Wochen auf der Erde und Stella war von der Schnelligkeit, mit der diese Ergebnisse produzieren wollten, überrascht. Um nicht zu sagen: beunruhigt. Die Taelons erwarteten von den Menschen eine zu schnelle Anpassung an sie. Leider hatte Da'an sie sehr verständnislos angeschaut, als sie andeutungsweise auf dieses Thema zu sprechen kam. Vielleicht wußten die Taelons weit weniger von den Menschen, verstanden sie weit weniger, als Stella bislang gedacht hatte. Wenn dies so war, dann mußte sie ihr bisheriges - zugegebenermaßen recht vorläufiges - Bild von ihnen revidieren.

Als Stella aus dem Aufzug stieg, wurde sie von Agent Sandoval empfangen. Abgefangen war wohl eher der richtige Ausdruck.
„Habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen sich über Ihr Global anmelden, bevor Sie hochfahren,” schnauzte er sie an.
„Doch, haben Sie. Mir ist nur immer noch nicht klar, was das soll. Unten stehen mehrere Wachen, die alles kontrollieren. Warum haben Sie plötzlich so viel Angst, dass jemand hier hereinspaziert und unseren wertvollen Alien klaut. Früher...”
„Unterlassen Sie diese respektlosen Bemerkungen über den Companion! - Und halten Sie sich gefälligst an meine Sicherheitsanweisungen.”
Damit drehte Sandoval sich um und ließ Stella stehen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihm hinterherzustarren. *Früher,* beendete sie ihren Satz in Gedanken, *hättest du selbst solche Bemerkungen gemacht.* Okay, sie waren in den wenigen Wochen, die sie zusammengearbeitet hatten, nicht gerade Freunde geworden, aber der ein oder andere Scherz, auch über ihren außerirdischen Besucher, war schon drin gewesen. Und sie wären sich bestimmt sympathisch gewesen, wenn sie nicht in einem so eklatanten Interessensgegensatz gestanden hätten.

Seit Sandoval vor einer Woche in Da'ans Dienst übergewechselt war, hatte er sich verändert. Er war hart und kühl geworden, vollkommen humorlos. Stella überlegte sich, ob daran dieses Implantat schuld war, das er von den Taelons in seinen Kopf gesetzt bekommen hatte. CVI hatte es Da'an genannt und ihr nur gesagt, es diene dazu, Sandovals physischen und kognitiven Fähigkeiten zu verbessern. Nun, eigentlich konnte es ihr egal sein. Die Zusammenarbeit zwischen Da'an und Thompson verbesserte sich zunehmend, bald würde Thompson sie durch einen einflußreicheren Gefolgsmann ersetzten. Nur: es war ihr nicht egal, denn sie wollte diesen Job behalten!

Stella wurde unsanft aus ihren Gedanken gerissen, als einer der Wachmänner sich an ihr vorbei zum Fahrstuhl drängelte. Stella beschloß erst Da'an die schlechte Nachricht über die Botschaft zu überbringen. Danach war es allerdings höchste Zeit, einen Plan zu entwickeln, wie sie ihre Stellung behaupten konnte.

 
* * *
 

Bereits als sie wieder aus Da'ans provisorischer Botschaft trat, wußte sie, dass sie mit ein paar Nachforschungen beginnen würde. Sandoval hatte, seit er in die Dienste des Companion getreten war, jedes Mal heftig reagiert, wenn etwas auch nur im entferntesten Negatives über Da'an oder die Taelons gesagt wurde. Dennoch war er allem Anschein nach von Hoffman damit beauftragt worden, Da'an auszuspionieren. Stella hatte Hinweise darauf erhalten, als sie Elaine, die Kontakte zum FBI hatte, gebeten hatte, ein paar Information über Sandoval einzusammeln. Nachdem Sandoval und Hoffman sich sowohl hinter Da'ans wie hinter Thompsons Rücken immer stärker darum bemüht hatten, Stella aus ihrer Position zu drängen, hatte sie Da'an gegenüber eine Bemerkung fallen lassen. Wer hätte gedacht, das dieser daraufhin Sandoval in seine Dienste übernehmen würde!

Daran war etwas faul. Jedoch bestand die Möglichkeit, dass Sandoval nur deshalb so hart reagierte, um den Anschein eines loyalen Anhängers der Taelons zu erwecken. Gleichsam als Tarnung für seine eigentliche Aufgabe. Wenn sie nun ihre kritischen Bemerkungen über die Taelons verstärkte und wartete, wem Sandoval dies zutragen würde? In der Folge würde sie entweder Da'an zu Rede stellen oder Hoffman würde versuchen, sie vor seinen Karren zu spannen. Wenn letzteres der Fall sein sollte, so hätte sie mit Hoffman einen neuen Verbündeten und sie würde ihren Posten sehr wahrscheinlich behalten können. Doch was, wenn Sandoval tatsächlich einer Gehirnwäsche unterzogen worden war? Sie mußte dann etwas in der Hand haben, dass Da'an von ihrer Loyalität überzeugen würde. Der Ansatzpunkt war richtig, doch die Vorgehensweise mußte noch etwas überarbeitet werden. Und sie wußte auch schon, wer ihr dabei helfen würde.

 
* * *
 

Elaine hatte seit der Ankunft der Taelons keine ruhige Minute mehr gehabt. Nicht, dass sie direkt etwas mit ihnen zu tun gehabt hätte, doch alle ihre Klienten wollten wissen, was zwischen Präsident Thompson und dem nordamerikanischen Companion verhandelt wurde. Die Geschäftsleute witterten das große Geld und nützten sowohl ihre Kontakte als Lobbyisten wie auch sie und ihre ‚informellen’ Kontakte. Dass sie ihre Klienten besser als alle anderen mit Informationen füttern konnte, hatte jedoch weniger mit ihren Beziehungen zum Weißen Haus und zu den diversen Geheimdiensten zu tun, als mit ihrer Bekanntschaft mit Stella. Sie hatte bereits massig Geld damit verdient. Als sich Stella daher via Global bei ihr meldete, war sie mehr als bereit, sich mit ihr zu treffen. Heimlich natürlich.

„Was soll ich also tun?” fragte Stella, als sie Elaine ihr Problem geschildert hatte.
„Schwierige Frage. Du könntest natürlich einfach das Risiko eingehen und den unwahrscheinlichen Fall ignorieren, dass Sandoval nicht mehr für Hoffman arbeitet.”
„Etwas riskant, meinst du nicht?”
„Mhm. Wenn Da'an kein Außerirdischer, sondern ein menschlicher Diplomat und ein Mann wäre, würde ich sagen, es reicht, wenn du die Harmlose spielst, die einfach nur wissen wollte, wieso sich Sandoval so sonderbar verhält. Aber so wie die Sache liegt, brauchst Du etwas mehr, als einen unschuldigen Augenaufschlag.”
„Viel mehr! Wenn Da'an einen anschaut, hat man das Gefühl, er sieht bis auf den Grund deiner Seele.”
„Klingt unheimlich.” - „Das ist es, aber es ist auch ... faszinierend.”
Elaine musterte ihre Freundin aufmerksam. „Du hast ein Faible für dieses Alien entwickelt, nicht wahr.”
Stella antwortete ruhig und scheinbar ungerührt von dieser Andeutung.
„Er hat einen gewissen Charme, dem ich mich nicht ganz entziehen kann.”
„Und wie ich dich kenne, versuchst du es auch gar nicht erst!”
Ein scharfer Blick aus Stellas grünen Augen ließ Elaine es ratsam erscheinen, wieder aufs Thema zurück zu kommen.
„Schon gut. Wenn du ihm nichts vormachen kannst, dann mußt du versuchen, so nah bei der Wahrheit zu bleiben wie möglich. Wenn du ihm sowieso schon verfallen bist, so solltest du versuchen, das zu nutzen und...” - „Ich bin weder ihm noch sonst irgend jemandem ‚verfallen’ und ich werde es auch niemals sein, und was ich brauche, ist ein Plan und keine schlechte Ausrede!”
Elaine blinzelte überrascht. Die ruhige Stella war nahe daran wütend zu werden. Die Sache mußte ihr wirklich wichtig sein. Mit ernster Stimme fuhr sie daher fort.
„Beruhige dich Stella und hör mir erst mal zu. Ich habe eine Idee, wie du zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kannst...”

 
* * *
 

Da'an stand einige Tage später am Fenster in seiner provisorischen Botschaft und schaute hinaus in den Regen. Das Wetter war schließlich doch noch trübe geworden und es entsprach seiner Stimmung. Agent Sandoval hatte ihm Meldung gemacht von einigen kritischen Bemerkungen, die Dr. Morel über die Ankunft seiner Spezies auf der Erde gemacht hatte. Nichts davon war gravierend gewesen und doch ... Dr. Morel war die erste gewesen, die ihn auf der Erde ehrlich willkommen geheißen hatte. Vom ersten Moment an war sie ihm mit einer Herzlichkeit begegnet, die er nicht erwartet hatte, und in den kurzen Wochen ihrer Zusammenarbeit hatte er sie schätzen gelernt. Sie war nicht nur freundlich, sondern auch intelligent und ihre Vorschläge waren zumeist sehr hilfreich.

Als Dr. Morel eintrat, grüßte sie ihn so warm und freundlich wie immer, doch kaum war sie seinem Blick begegnet, schwieg sie betroffen.
„Was ist los?” Sie sah mit einem Mal unsicher und sehr jung aus. Sie war jung, selbst für einen Menschen. Er versuchte, seinen Ärger zu mäßigen.
„Agent Sandoval hat mir berichtet, Sie seien mit der Ankunft meiner Spezies auf Ihrer Erde nicht glücklich.”
„Was, so ...” Sie unterbrach sich.
„Reden Sie weiter.”
Die junge Frau fuhr sich mit einer Hand durch ihre blonden Haare. Er hatte sie ganz offensichtlich aus der Fassung gebracht, ein Zustand, den er bei ihr noch nicht erlebt hatte. Sie sammelte sich einen Moment, bevor sie fortfuhr.
„Da'an - es tut mir leid. Ich habe nicht vermutet, dass Sandoval so schnell mit Ihnen darüber sprechen würde.” Und mit einem schwachen Lächeln fügte sie hinzu: „Dabei hatte ich doch noch gar nicht richtig angefangen.”
„Dr. Morel, Ihre Worte ergeben wenig Sinn. Wenn Sie erwartet haben, dass Agent Sandoval mir Ihre Bemerkungen zutragen würde, warum haben Sie sie dann in seiner Gegenwart gemacht?”
„Ich habe nicht unbedingt erwartet, dass er sie Ihnen zutragen würde, und darüber hinaus habe ich diese Bemerkungen ausschließlich in seiner Gegenwart gemacht.” Auf seinen fragenden Blick hin fuhr sie fort. „Wie ich bereits angedeutet habe, denke ich, dass Sandoval den Auftrag hatte, Sie auszuspionieren. Nachdem er in Ihren Dienst getreten war, fragte ich mich, ob er diesem Auftrag treu geblieben ist. Ich habe daher einige kritische Bemerkungen über Sie und die Ankunft Ihrer Spezies gemacht, in der Erwartung, Sandoval würde sie Hoffman zutragen und dieser wiederum würde versuchen, mich ebenfalls dazu zu bewegen, für ihn zu spionieren.”
„Und wenn er dies getan hätte, wären Sie auf sein Angebot eingegangen?”
„Ja, aber ich hätte Sie davon informiert.”
„Diese Aussage läßt sich im nachhinein leicht machen. Doch sagen Sie mir, warum haben Sie diesen ganzen Aufwand betrieben?”
„Ganz einfach, ich wollte unbedingt weiterhin für Sie arbeiten! Doch ohne Hoffmans Unterstützung werde ich nicht mehr sehr lange als Kontaktperson zwischen Ihnen und Präsident Thompson fungieren.”
„Könnten Sie das bitte erklären.” Da'an war irritierter, als seine ruhige Erwiderung es scheinen ließ. Warum sollte Thompson Dr. Morel so schnell ablösen, sie leistete offensichtlich hervorragende Arbeit.
„Mich zu Ihrer Kontaktperson zu bestimmen war ... eine sehr spontane Entscheidung des Präsidenten gewesen, die er nicht so einfach wieder zurück nehmen konnte. Mittlerweile jedoch..., nun, es gibt eine große Anzahl von einflußreichen Kandidaten auf diese Position, die der Präsident nicht mehr lange ignorieren kann.” Die junge Frau hob ihren Blick und sah ihn direkt an. „Eine Tatsache, die ich wie gesagt sehr bedauere.”
Diese Aussage war erst gemeint. In ihren Augen war wieder diese warme und aufrichtige Zuneigung erkennbar, deren Herkunft er zwar nicht verstand, die er aber dennoch genoss. „Ich sehe, ich habe noch viel über Ihr Volk zu lernen,” antwortete er mit einem kleinen Lächeln. „Ihr Präsident wird Sie also ablösen, obwohl Sie ihre Arbeit gut machen. Was, wenn ich damit nicht einverstanden wäre?”
„Dann würde er es sicherlich bei dem derzeitigen Arrangement belassen.” Nach einem kurzen Zögern fügte sie hinzu: „Jedoch würde ich Ihnen davon abraten. Ich bin lediglich eine unabhängige Beraterin des Präsidenten. Ich besitze zwar einige gute Kontakte und habe auch ein paar wenige einflußreiche Unterstützer, aber es gibt eben auch ein paar Leute, die es gar nicht schätzen, dass sie auf mich so wenig ... Einfluß haben. So gerne ich das ignorieren würde, aber ich bin nicht sehr effektiv, wenn ich vor allem damit beschäftigt bin, um meine Position zu kämpfen.”
„Ihre Worte erklären Ihre offenkundige Überraschung, als Präsident Thompson Sie als Kontaktperson vorschlug, wie auch einige andere Ihrer Handlungen, die mir bislang unklar waren. Ich bewundere Ihre Ehrlichkeit, Dr. Morel.”
Da'an ging wieder zum Fenster und blickte hinaus. Es wäre schade, auf die Hilfe dieser Frau verzichten zu müssen. Er hörte, wie sie ein paar Schritte in seine Richtung ging. „Darf ich eine Frage stellen, Da'an?” - Er wandte sich wieder zu ihr um. „Bitte, Dr. Morel.”
„Ich habe bemerkt, dass Sandoval auf jede auch nur annähernd kritische Bemerkung, die er über Sie oder Ihre Spezies hörte - nun - mehr als heftig reagierte.” Sie hob ihren Kopf und sah ihn nun direkt an. „Es ist das Implantat, nicht wahr?”

Das kam überraschend, für einen kurzen Moment drohte Da'an die Kontrolle über seine menschliche Fassade zu verlieren. Schnell drehte er sich zum Fenster. Als er merkte, wie sie neben ihn trat und zu ihm hochschaute, überkam ihn ein Gefühl von Ärger wie auch Hochachtung vor ihrer Hartnäckigkeit. Sie hatte nicht vor, ihn ohne eine Antwort davonkommen zu lassen. Dies veranlaßte Da'an zu einer Entscheidung.

Wahrheitsgemäß antwortete er ihr: „Das CVI enthält eine Komponente, die als ein Motivationsimperativ funktioniert. Es sichert den Taelons die absolute Loyalität des Implantanten. - Ich hatte keine Ahnung, dass es seine Persönlichkeit derart verändern würde.”
Ein Seitenblick zeigte ihm, dass sie sich dem Fenster zugewandt hatte. Dem Ausdruck auf ihrem Gesichts konnte er nicht entnehmen, was sie dachte. Er wandte sich um, ging einige Schritte in den Raum hinein und setzte sich, um ihr die Zeit zu geben, darüber nachzudenken.

„Werden Sie diese Information Präsident Thompson mitteilen?” fragte er nach einer Weile.
Dr. Morel wandte sich schließlich wieder zu ihm um und schaute ihn direkt an.
„Nein, das war nie meine Absicht. Ich wollte es nur wissen.” Da'an konnte in ihren Augen lesen, dass dies der Wahrheit entsprach. Er wollte etwas erwidern, doch Dr. Morel kam ihm zuvor. „Da'an, darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?”
Mit einer Handbewegung forderte er die junge Frau auf zu sprechen.
„Wenn Agent Sandoval nun tatsächlich Hoffman raten würde, mich damit zu beauftragen, Sie auszuspionieren...” Sie stockte, als wäre sie sich ihrer Sache nicht ganz sicher, fuhr dann aber fort, „Ich könnte dieses Gespräch aufzeichnen und Sie hätten ein Druckmittel in der Hand. Thompson würde nach so einem Vorfall Ihre Botschaftspläne unterstützen und wäre zudem gezwungen, Hoffman seines Postens zu entheben. Der im übrigen der Hauptgegner einer Taelon-Botschaft ist.”

Abrupt stand Da'an auf und sah ihr scharf in die Augen.
„Warum sind Sie bereit, Ihren eigenen Präsidenten zu verraten?”
Das menschliche Wesen vor ihn hielt seinem Blick stand, auch wenn es ihr offenkundig schwer fiel. „Er ist nicht mein Präsident, Da'an. Ich habe Thompson nie gewählt, ich mag ihn nicht und ich bin nicht einverstanden mit der Politik, die er macht. Ich habe noch nicht einmal zugestimmt, für ihn zu arbeiten. Er hat mich nicht gefragt, sondern es einfach angeordnet. Ich denke, man kann nicht für zwei Herren arbeiten. Daher habe ich mich dafür entschieden, Ihnen gegenüber loyal zu sein.”

Wieder sagten ihm ihre Augen, dass sie es ehrlich meinte. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund mochte sie ihn und das war vielleicht besser als ein CVI. Er revidierte seine Entscheidung.

„Dr. Morel, könnten Sie sich vorstellen, Ihren derzeitigen Posten aufzugeben und statt dessen ganz in meine Dienste zu treten?”
„Bitte?” Ihre Überraschung war offenkundig, doch sie schaltete schnell, und als sie zu ihm hochschaute, war Angst in ihrem Blick.
„Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde Sie nicht für die Implantation eines CVI vorschlagen. Sandovals Beispiel zeigt, dass dies genau die Fähigkeiten ... vermindern könnte, die ich an Ihnen so schätze.” Er drehte sich wieder zum Fenster. „Sie müssen das nicht jetzt entscheiden. Kommen Sie wieder, wenn Sie sich Ihrer Antwort auf mein Angebot sicher sind.” Mit eine Handbewegung entließ er sie.

 
* * *
 

Als Stella Da'ans Büro verließ, trugen sie ihre Beine nur mit Mühe bis zu ihrem Auto. Als sie endlich saß, legte sie beide Arme um das Lenkrad und ließ ihren Kopf darauf sinken. Sie hatte das Gefühl, hoch gepokert und nur mit viel Glück nicht alles verloren zu haben. Ihr Ziel hatte sie wohl erreicht, oder zumindest so etwas ähnliches. Viel zu erschöpft, um darüber jetzt nachdenken zu können, war sie einfach nur froh, dass sie nicht richtig hatte lügen müssen. Denn das hätte sie mit Sicherheit nicht erfolgreich geschafft. *So ein Spiel spiele ich mit Da'an bestimmt nie wieder!* dachte Stella, als sie sich endlich soweit aufraffen konnte, um nach Hause zu fahren.

 
* * *
 

„Da'an, dein Anliegen ist inakzeptabel! Wir können unmöglich Menschen in unseren Dienst übernehmen, deren Loyalität wir uns nicht ganz sicher sein können. - Ganz davon abgesehen, sind sie ohne kognitive Verbesserungen nicht effektiv genug.” Zo'ors Handbewegungen zeigten fast noch deutlicher als seine Worte, was er von Da'ans Wunsch hielt, eine Frau ohne Implantat in seine Dienste zu stellen.
„Zo'ors Einwände sind nicht von der Hand zu weisen,” gab Quo'on zu bedenken.
„Dr. Morels Fähigkeiten sind - ausreichend. Und ich denke, ihre Loyalität ist es auch, solange ich sie allein im diplomatischen Bereich einsetze. Ich verspreche, dass ich sie aus allen anderen Projekten heraushalten werde und sie von sensiblen Belangen keinerlei Kenntnis erlangen wird.”
„Dies wirst du aber vielleicht nicht auf Dauer gewährleisten können,” wandte Zo'ors heftig ein.
„Wenn dieser Fall eintreten sollte, so werde ich geeignete Maßnahmen ergreifen, um unsere Interessen zu verteidigen. Aber bis dahin halte ich es für unklug, ihre Talente nicht zu nutzen. Zumal sie immerhin schon von dem Motivationsimperativ des CVI weiß.”
„Es war höchst fahrlässig und ebenso überflüssig, dass du es diesem Menschen überhaupt gesagt hast.”
Quo'on trat zwischen Zo'or und Da'an und beendete ihren Disput mit einer Handbewegung. Langsam ging er zu seinem Stuhl und setzte sich. „Ich bitte die Synode, den Beschluß zu fassen, dass Dr. Morel, wenn sie Da'ans Angebot annimmt, vorerst ohne Implantat in seine Dienste aufgenommen wird. Falls sie es jedoch ablehnt, muß ihr zwangsweise ein CVI implantiert werden.”

 
* * *
 

Stella ging langsam zu Da'ans provisorischem Empfangsraum. Sie hatte sich seit dem letzten Gespräch zwei Tage Zeit genommen. Zwar war es von Anfang an klar gewesen, dass sie sein Angebot annehmen würde, doch sie mußte zumindest so tun, als müßte sie erst darüber nachdenken. Im Grunde hatte sie ja auch nur ihre Position als Kontaktperson behalten und keinesfalls ausschließlich für den Companion arbeiten wollen. Sie liebte ihre Unabhängigkeit und wollte sich stets die Möglichkeit vorbehalten, einen Job von jetzt auf nachher niederlegen zu können. Stella hatte das ungute Gefühl, dass dies hierbei nicht so ohne weiteres möglich sein würde. Zudem gab es in ihr eine mahnende Stimme, die ihr sage, daß sie sich vielleicht auf die falsche Seite stellte. Sandoval war ein lebendes Beispiel dafür, dass die Taelons den Menschen nicht nur Gutes brachten. Und mehr noch, sie hatte eine gewisse Mitschuld an seinem Zustand. Sie lächelte bitter: *Ich hab mich in meinem eigenen Netz verfangen. Vater hätte gesagt, man muss die Suppe auslöffeln, die man sich eingebrockt hat.* Aber das Gefühl, unbedingt für den Companion arbeiten zu wollen, drängte alle diese Bedenken beiseite. Als Da'an sie freundlich begrüßte und sie der Blick seiner fremdartigen Augen traf, wurde dieses Gefühl zur Gewissheit. Diese Chance durfte sie sich auf keinen Fall entgehen lassen.

„Ich nehme an, Sie sind gekommen, um mir Ihre Antwort mitzuteilen.”
„Das ist richtig. Ich möchte Ihnen sagen, das ich mich über Ihr Angebot sehr freue und es gerne annehme.”
„Das ist eine erfreuliche Nachricht.” Der Companion ging zum Fenster und sah in den nun wieder blauen Himmel. Stella hatte den Eindruck, er wäre erleichtert über ihre Antwort.
„Sind von Seiten des Präsidenten Schwierigkeiten in bezug auf Ihren Wechsel zu erwarten.”
„In keinster Weise!” Erklärend fügte Stella hinzu: „Er hat keinerlei Verfügungsgewalt über mich. Sobald ich meine gegenwärtige Position aufgebe, steht es mir frei zu arbeiten, für wen auch immer es mir beliebt. Ich bin lediglich eine unabhängige Beraterin.”
„Das heißt, Sie haben ihm gegenüber keinerlei Verpflichtungen?”
„Im Gegenteil, eher das Umgekehrte ist der Fall!”
Da'an drehte sich zu ihr um und sah sie kurz an, bevor er den Kopf senkte. „Das freut mich zu hören,” sagte er und unterstrich es mit einer seiner typischen Handbewegungen.

 
* * *
 

Sandoval war nicht im mindesten glücklich über die Aussicht, dass Morel ebenfalls für Da'an arbeiten würde. Er traute ihr nicht und hatte das Da'an auch gesagt. Der Companion hatte ihn mit einem Blick angesehen, der zeigte, dass er seiner Sache selbst nicht ganz sicher war. Nun, mit der Zeit würde er sie schon entlarven und zum Teufel jagen können!

„Agent Sandoval, Sie werden bereits von Mr. Hoffman erwartet.” Die freundliche Sekretärin holte ihn aus seinen zuversichtlichen Überlegungen. Als sie vor ihm herging, registrierte er ihre attraktive Figur. Er hatte sie immer hübsch gefunden, doch nun ließ ihn das völlig kalt. Es gab Wichtigeres.

„Na, Ron, wie geht's? Und wichtiger noch: Wie geht's unserem glatzköpfigen Alien?”
Sandoval unterdrückte nur mit Mühe den Impuls, Hoffman mit seinem Skrill ins Nirwana zu befördern. „Bestens ... fürchte ich.” Er hatte das Gefühl, an diesen Worten ersticken zu müssen. Zum Glück wußte er, dass ihm im Laufe des Gespräches das Lügen leichter fallen würde. „Ich habe jedoch auch eine gute Nachricht. Dr. Morel scheint auch nicht sehr begeistert von unserem Besuch zu sein. Ich konnte einige äußerst aufschlußreiche Gespräche mitanhören.”
„Ach, ich dachte, die ist über alle Zweifel erhaben. Das ist doch so eine pc-Ziege, die sogar Aliens nur das Beste zutraut. Vielleicht hat sie mehr Grips in ihrem hübschen Köpfchen, als man ihr zutrauen würde.”
„Das könnte man fast annehmen.” Tatsächlich hatte der diesen Eindruck gewonnen, seit er sich bei ihrem Anblick nicht mehr ständig überlegte, was er gerne mit ihr anstellen würde, wenn er es nur dürfte. „Vielleicht sollten Sie sich mal mit ihr unterhalten.”
„Ich wüßte zwar Dinge, die ich lieber mit ihr täte als mich mit ihr zu unterhalten, aber doch - ich denke, ich werde diesen Rat beherzigen. Und ich verspreche Ihnen, Ron, dann haben wir einen weiteren Trumpf gegen diese außerirdischen Schwuchteln in der Hand.”

Sandoval verließ den Raum mit einem grimmigen Lächeln. Es war ein wirklich guter Plan! Und er würde funktionieren. Das einzig Schlechte daran war: er stammte leider nicht von ihm!

 
* * *
 

Es war bereits 11 Uhr abends, als Stella endlich ihre Wohnungstür aufschloss. Sie wollte nur noch ins Bett. Mit einem Schwung schleuderte sie ihren Schlüssel auf die Ablage und war schon halb auf dem Weg ins Bad, als sie bemerkte, das in ihrem Wohnzimmer Licht brannte. Es war nicht ungewöhnlich, dass sie so etwas vergaß. Sie ging hin, um das Licht zu löschen und - erstarrte.
„Dr. Morel, ich bin sehr erfreut, Sie doch noch anzutreffen.”
Für einen Moment war Stella völlig handlungsunfähig, bevor sie erleichtert feststellt, dass sie immer noch ihr Jackett anhatte. Dann kam die Wut.
„Was fällt Ihnen ein, in meine Wohnung einzubrechen. Das wird Ihnen noch leid tun, Hoffman!” - *Oh ja, das wird es!* fügte sie in Gedanken hinzu, als sie ihre linke Hand in ihre Jackentasche schob und das Aufnahmegerät aktivierte, das Sandoval ihr gegeben hatte.
„Nun regen Sie sich mal nicht so auf, meine Liebe.” Hoffman stand von dem Sessel, auf dem er gesessen hatte, auf und begann im Zimmer herumzuwandern. „Schöne Wohnung haben Sie. Nur aufräumen sollten Sie mal.” Der Mann hob ein am Boden liegendes T-Shirt auf und ließ es auf das Sofa fallen. Mit einem Lächeln registrierte er, dass Stella ein wenig rot wurde.
„Es gibt gute Gründe für mein Eindringen. Ich muss sicher gehen, dass unser Gespräch geheim bleibt. Schließlich wollen wir doch nicht, dass unser außerirdischer Freund davon erfährt, dass wir gewisse Vorbehalte gegen ihn haben, oder?”
„Ich habe keine ‚Vorbehalte’ gegenüber den Taelons. Das kann ich mir in meine Position auch gar nicht leisten.”
„Na, zumindest sollte das nicht bekannt werden. Aber ich habe Informationsquellen, die mir von Ihren wahren Ansichten über diese ‚Companions’ berichtet haben.”
„Bitte, ich...”
„Keine Sorge, ich will Sie nicht erpressen. Glauben Sie mir, wir stehen auf der selben Seite. Ich bin auch nicht glücklich über diese ... außerirdische Störung. Diese Aliens haben etwas mit uns vor. Niemand kommt einfach daher und bietet selbstlos seine Hilfe an.”
„Nun, ich muss zugeben, dass das ....” Stella gab vor, nach Worten zu ringen, und warf Hoffman einen verwirrten und hilflosen Blick zu. Zu ihrem Entsetzen kam Hoffman auf sie zu und nahm ihre Hand „.. dass das ziemlich unwahrscheinlich ist.” Stella senkte den Blick, äußerlich ganz das verängstigte Mädchen, innerlich kochend vor Wut über diese Unverschämtheit.
Mit überraschend sanfter Stimme fuhr Hoffman fort: „Jemand muss etwas gegen diese Bedrohung unternehmen - ich werde etwas unternehmen. Und dazu brauche ich Ihre Hilfe. Sie haben direkt mit dem diesem Taelon zu tun. Geben Sie mir alle die Informationen, an die Sie herankommen.”
Vorsichtig und ohne den Blick zu heben entzog Stella Hoffman ihre Hand und stellte sich mit dem Rücken zu ihm ans Fenster. Leise, mit fast flüsternder Stimme, fragte sie: „Sie wollen, dass ich für Sie spioniere?”
Hoffman trat hinter sie und fasste sie bei den Schultern. „Ich möchte, dass Sie das Richtige tun. Das Richtige für ihr Land, das Richtige für die ganze Menschheit. Ich verspreche Ihnen, es wird ihnen nichts passieren. Ich werde Sie beschützen.” Vorsichtig versuchte er sie zu sich umzudrehen. Eine leichte Panik stieg in Stella auf, die Situation begann aus dem Ruder zu laufen. Mit gepresster Stimme flüsterte sie „Ich, ich werde darüber nachdenken. Bitte gehen sie jetzt.” Mit einem kleinen Schritt nach vorne entzog sie sich seinem Griff. Zu ihrer Erleichterung kam Hoffman ihr nicht nach.
„Gut, denken Sie darüber nach, Ich werde Sie zu nichts drängen, was Sie nicht wollen, aber ich bin mir sicher, Sie werden zu dem einzig richtigen Ergebnis kommen.” Stella registrierte, wie er sich entfernte. „Sie hören von mir,” sage er noch, bevor er die Wohnungstür hinter sich schloss.

Stella seufzte erleichtert und lehnte erschöpft ihre Stirn an die Fensterscheibe. *Überstanden!* Sie ließ sich auf den nächstbesten Sessel fallen und holte das Aufnahmegerät aus ihrer Tasche. Interessiert betrachtete sie es, bevor sie es ausschaltete und zurücklaufen ließ. Sie wollte es gerade einschalten, um sich das Gespräch noch einmal anzuhören, als ihr die Idee in den Sinn kam, dass Hoffman sie vielleicht abgehört ließ. Schnell ging sie ins Bad und drehte die Wasserhähne der Badewanne an. Leider hatte sie keine Ahnung, ob das moderne Abhörgeräte überhaupt stören würde. Sie beschloss, das Gespräch lieber in Gedanken noch einmal durchzugehen und das Wasser zum Baden zu verwenden.

Was Hoffman gesagt hatte, entbehrte nicht einer gewissen Logik. Doch es war seine Logik, die ihn nicht daran glauben ließ, dass jemand einem anderen half, ohne einen Hintergedanken dabei zu haben. Vielleicht war es ja naiv von ihr, sich auf all das einzulassen - und gefährlich. Doch es war auch höchst aufregend, sich inmitten eines Spionagekrimis wiederzufinden. *Ich muss unbedingt Sandoval fragen, ob das mit dem Wasser laufen lassen noch funktioniert. Oder nein, besser ich frage Elaine,* dachte Stella, als sie es sich in der Wanne bequem machte. *Irgend etwas sagt mir, dass ich in Zukunft derartige Informationen brauchen kann.*

 
* * *
 

Als Hoffman vor dem Haus sein Auto anließ, schaute er noch einmal kurz nach oben zu den erleuchteten Fenstern. *Hab dich!* Sie würde mit Sicherheit für ihn spionieren. Er hatte eigentlich vorgehabt, sie mit seiner Unterstützung für ihre Position zu ködern, aber dieser moralische Appell war viel wirkungsvoller gewesen und hätte zudem beinahe noch zu einem anderen Ergebnis geführt. *Nun, aufgeschoben ist nicht aufgehoben.* dachte er und fuhr davon.

 
* * *
 

„Sie haben Ihre Sache gut gemacht, Dr. Morel.”
„Es freut mich, dass Sie mit meiner Arbeit zufrieden sind, Da'an.”
„Sie scheinen eine hervorragende Schauspielerin zu sein.” Sandoval ließ die Diskette mit der Aufnahme des gestrigen Gesprächs zwischen seinen Fingern kreisen und schaute sie durchdringend an.
„Danke schön, Agent Sandoval,” antwortete Stella mit dem unschuldigsten Blick, der ihr zur Verfügung stand.

Ein Klopfen unterbrach die Unterhaltung und Präsident Thompson trat ein.
„Sie wollten mich sprechen? In welcher Angelegenheit? Die Botschaft...”
Da'an stand auf und unterbrach ihn mit einer Handbewegung. „In einer äußerst ernsten Angelegenheit, Mr. Präsident. - Agent Sandoval, Sie können gehen.”
Stella hielt ihren Blick weiter auf die beiden Diplomaten gerichtet, aber sie hörte an der Heftigkeit, mit der Sandoval die Diskette auf den Tisch legte, wie wütend er war, dass er hinausgeschickt wurde, während sie bleiben sollte. Sie hielt sich jedoch nicht mit Schadenfreude auf, dazu war die Szene vor ihr viel zu interessant. Da'ans ganze Erscheinung drückte Autorität und Verärgerung aus, während Thompson den Eindruck eines verunsicherten Schuljungen machte.
„Was...?”
Wieder schnitt ihm der Companion mit einer Handbewegung das Wort ab. „Hören Sie!” Da'an ging zum Tisch und legte die Diskette in ein Abspielgerät, bevor er sich zum Fenster drehte.
Mit jedem abgespielten Satz wurde Thompson blasser. Als die Sequenz mit einem kleinen Knacken endete und Stille eintrat, schaute er mit zunehmender Verzweiflung zwischen Da'ans Rücken und Stellas gesenktem Blick hin und her.

Schließlich drehte der Companion sich wieder um. Mit nunmehr sanfter Stimme nahm er das Gespräch wieder auf. „Ich bin mir dessen sicher, dass Sie von dieser Aktion Ihres Untergebenen nichts gewusst haben, Mr. Präsident.”
„Das ist richtig.” Thompson seufzte und entspannte sich etwas. „Ich bin sehr erleichtert, dass Sie das erkannt haben.”
„Das haben Sie allein der Überzeugungskraft von Dr. Morel zu verdanken.”
Auf Thompsons überraschten Blick hin begann Stella zu erzählen.
„Als Da'an mich mit der von Agent Sandoval gemachten Aufzeichnung konfrontierte, konnte ich klarlegen, dass Sie weder von meinen Vorbehalten den Taelons gegenüber wussten, noch von Hoffmans Aktionen, wie dieser mir selbst in einem anderen Gespräch versicherte. Glücklicherweise glaubte mir Da'an dies, ohne es nachprüfen zu können.”

Da'an ließ seine Hand durch die Luft gleiten und nahm das Wort wieder an sich.
„Was gedenken Sie nun zu tun, Mr. Präsident?”
Thompson zögerte nur kurz. „Hoffman wird seines Postens enthoben und angeklagt.”
Zustimmend und zugleich abwartend senkte der Taelon den Kopf.
„Und Dr. Morel wird selbstverständlich ebenfalls ersetzt werden,” fügte Thompson hinzu.
„Dies wird in der Tat notwendig sein, da sie so bald als möglich in meine alleinigen Dienste treten wird.”
„Wie?”
„Das braucht Sie nicht zu überraschen. Denken Sie nicht auch, dass es sinnvoll ist, sich mit Leuten zu umgeben, die sich durch eine kritische, unabhängige Sicht der Dinge auszeichnen?”
„Selbstverständlich,” murmelte Thompson und fuhr sich verwirrt durchs Haar.
Mit einem kleinen Lächeln wechselte Da'an das Thema.
„Sagen Sie mir, welche Fortschritte machen die Genehmigungsverfahren für den Bau einer Taelon-Botschaft?”
„Große! Ich versichere Ihnen, Ihrem Wunsch wird in Kürze nichts mehr im Weg stehen, weder in Washington, noch in New York.”
„Die Taelon-Synode wird erfreut sein, das zu hören.”
„Ich werde es Sie wissen lassen, sobald es soweit ist.” Thompson nutzte erleichtert diese Gelegenheit, das Gespräch zu beenden und den Raum zu verlassen.

„Sie sind ebenfalls ein sehr guter Schauspieler, Da'an!” Stella konnte sich diese Bemerkung nicht verkneifen und erhielt dafür einen strengen Blick aus Da'ans Augenwinkel.
„Kommen Sie morgen früh mit Ihren Vorstellungen der Konditionen, nach denen wir in Zukunft zusammenarbeiten werden, Dr. Morel.”
„Stella! Eine meiner Konditionen ist es, von Ihnen mit dem Vornamen angeredet zu werden,” sagte sie in der Hoffnung, mit diesem Angebot Da'ans Misstrauen gegen ihr zu dämpfen oder wenigstens seine momentane Stimmung zu bessern. Zumindest mit letzterem war sie nicht ganz erfolglos. Da'ans Blick wurde wärmer. „Bis morgen ... Stella.”

 

Ende

 

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