Startseite Aktuelles Update Geschichten Kategorien Bilder Forum - Der Baum Links Hilfe Kontakt
  „Eine unfreiwillige Allianz” von Emma   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Sommer 2000
Alle hier vorkommenden Personen gehören den Eigentümern von Mission Erde/Earth: Final Conflict, nämlich Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Augur macht die Bekanntschaft des Synodenführers
Zeitpunkt:  dritte Staffel
Charaktere:  Augur, Zo'or, [Liam, Sandoval und andere]
 

 

Eine unfreiwillige Allianz

 

„Nun beeil Dich gefälligst ein bisschen, Augur. Ich glaube nicht, dass ich Deine Anwesenheit befriedigend erklären kann, falls uns hier jemand entdeckt.” Liam stapft nervös von einem Bein auf das andere.
„Immer mit der Ruhe, dieses Baby muss man pfleglich behandeln, sonst geht es kaputt.” Vorsichtig entfernte Augur ein handtellergroßes Gerät vom Sicherheitsschloss. „Es hat mich schließlich ein Vermögen gekostet, aber bei Deinem Verhältnis zu Geld ist Dir das ja... „
„Auu-guur, bii-ttee...” Liam erinnerte zunehmend an einen unter Dampf stehenden Kessel.
„Jaja, ich habs ja schon.” Augur schob das Gerät - nachdem er es sorgsam in ein kleines Gehäuse verpackt hatte - in seine Jackentasche und folgte Liam den Gang entlang „Du bist ja nur neidisch, weil ich heute mal den Helden spielen darf.”
„Du sollst nicht den Helden spielen, sondern einfach nur die Daten aus diesem verdammten Computer laden und dann wieder verschwinden, ohne dass irgendein Teilnehmer dieses gottverfluchten Kongresses etwas davon mitbekommt.”
Augur betrachtete Liam von der Seite. „Wirklich interessant, wenn Du selbst irgendwo einbrichst, bist Du die Ruhe selbst, aber wenn Du nur zuschauen musst, kriegst Du die Flatter. Ich kenn da einen Psychologen, der würde dazu sagen, dass sei ein typisches Zeichen von...”
„Ach, halt den Rand!” Liam stoppte abrupt vor einem Treppenaufgang. „Hier geht es hoch! Ab jetzt musst Du alleine klar kommen, sonst vermisst mich noch jemand.”
„Klar doch.” Augur war schon halb um die erste Treppenbiegung rum, als ihm ein „Und lass gefälligst die Maske auf!” nachschall.

 
* * *
 

„Wo waren Sie, Major Kincaid?” fragte Zo'or mit einem Gesicht, als wäre es aus Eis gemeißelt.
„Ich habe noch mal die Sicherheitsvorkehrungen überprüft, Zo'or.”
„Tatsächlich?”
Liam konnte fühlen, wie sich unter dem Blick des Taelons seine Nackenhaare aufstellten.
„Ja, es ist alles in Ordnung.”

Er hatte kaum seinen Mund geschlossen, da erschütterte eine laute Detonation den Raum. Instinktiv warf sich Liam über den Taelon und deckte ihn mit seinem Körper. In kurzer Entfernung Richtung Vordereingang, wo die Explosion stattgefunden hatte, hörte er Sandovals Skrill feuern. Blitzschnell stand er auf und zog Zo'or mit sich.
„Schnell, zum Hinterausgang!” rief er, während Energiegeschosse ungezielt an ihnen vorbei zischten. Sie schafften es überraschend gut, aus dem Raum herauszukommen, dicht gefolgt von dem immer noch feuernden Sandoval und einigen Freiwilligen.

„Zo'or, ist Ihnen etwas passiert?”
Der Taelon ignorierte seinen Attaché und gab dafür Liam einen sauren Blick. „Alles in Ordnung, sagten Sie?”
Liam zuckte nur hilflos mit den Schultern und verfluchte im Stillen Da'an, der ihn für die Dauer dieses Kongresses an Zo'or „ausgeliehen” hatte.
Sandoval übernahm die Führung. „Decken Sie unseren Rückzug!” ordnete er die Freiwilligen an, „Niemand darf durch diese Tür! Major, Sie begleiten uns! - Hier entlang bitte, Zo'or.”

Sandoval lief so rasch, dass der Taelon eben folgen konnte, zum nächstgelegenen Treppenhaus und dann die Treppen empor.
„Sandoval, dies ist ein Hochhaus und wir sind nur im vierten Stock. Wir können unmöglich all die Treppen bis zum Shuttle auf dem Dach laufen.” Leichte Panik überlief Liam, als er daran dachte, dass dies die gleiche Treppe war, die Augur hochlaufen musste.
Der FBI-Agent warf Liam einen Blick zu, als hielte er diesen für zu dumm, um bis drei zu zählen. „Wir nehmen ab dem fünften Stock den Aufzug. Bei meinen Sicherheitsvorkehrungen können die Angreifer unmöglich die Kontrollen darüber übernommen haben!”

 
* * *
 

Augur schlich leise das Treppenhaus empor. Schon nach einigen Stockwerken begann er leise zu schimpfen und da war er erst in der vierten Etage. „Noch nicht einmal die Hälfte. Liam hin, Liam her, ab der nächsten nehm ich den Aufzug!” Entschlossen verliess Augur das Treppenhaus und schlich vorsichtig durch den sich anschließenden Gang. Er kam nicht weit, da hörte - und spürte - er von unten eine Explosion. „Verflucht!” Er wollte gerade einen Zahn zulegen, denn zurück konnte er jetzt nicht mehr, da hörte er vor sich Stimmen.

Hilfesuchend blickte Augur sich um. Gerade noch rechtzeitig fiel ihm eine schmale unscheinbare Tür aus Blech auf. Schnell witschte er dahinter und zog sie zu. Es war nur eine kleine Luke für Sicherungskästen, aber groß genug für ihn, und komfortabelerweise hatte sie zudem in seiner Blickhöhe ein paar Schlitze. Durch diese sah er einen Trupp vermummter Männer, definitiv keine Freiwilligen.

„Ihr drei versteckt s in dem Gang dort, wir positionieren uns oben an der Treppe. Wenn ihr uns angreifen hört, dann kommt uns zu Hilfe, aber erst dann. Und wie vereinbart, wenn ihr den Taelon seht, eliminiert ihn sofort!”

Augur hörte, wie sich der Sprecher mit ein paar anderen entfernte, und sah, wie die restlichen drei in einen Seitengang schräg vor ihm einbogen. Jeder von ihnen war mit schweren Energiewaffen ausgestattet. Offensichtlich legten sie sich dahinter auf der Lauer und Augur saß somit in der Falle. Zu allem Überfluss wurde der Lärm vom Stockwerk unter ihm immer lauter. Als er schon beschlossen hatte, das es kaum noch schlimmer kommen konnte, hörte er Sandovals und Liams Stimme. Rasch kamen sie in sein Sichtfeld und stoppten direkt vor ihm.

„Major, Sie bleiben hier bei Zo'or. Ich vergewissere mich, ob die Aufzüge sicher sind.” Damit entfernte sich Sandoval. Einen Moment war es relativ still und in diese Stille klang ein leises Gerusch vom oberen Treppenhaus, wie wenn Metall auf Metall schlägt. Liam merkte auf.

„Warten Sie bitte hier, Zo'or. Ich schaue, was da los ist.” Liam verschwand ebenfalls und das einzige, was Augur noch sehen konnte, war der schmale Rücken des Führers der Taelonsynode direkt vor ihm. Augur musterte verzweifelt die dünne Blechtür. Sie bot nicht den geringsten Schutz vor einem Schuss aus diesen Waffen und der Alien davor ganz sicher auch nicht.

Augur schloss kurz die Augen und hielt die Luft an. Dann öffnete er lautlos die dünne Tür. Vorsichtig streckte er die Arme aus und lehnte sich vor, bis seine Hände nur noch wenige Zentimeter von dem Taelon entfernt waren. Dann packte er blitzschnell zu. Eine Hand über den Mund und ein Arm um den Körper, zog er ihn zu sich in die schmale Luke. Die Tür fiel glücklicherweise von selbst wieder zu, denn Augur brauchte seine ganze Geschicklichkeit, um den strampelnden Taelon unter Kontrolle zu bringen. Schließlich schaffte er es, ihn so gegen die Wand zu drücken, dass dieser weder Arme noch Beine bewegen konnte.

Im Treppenhaus stolperte Liam mehr oder weniger über fünf vermummte Schwerbewaffnete, die sofort das Feuer auf ihn eröffneten. Nur ein beherzter Sprung rückwärts die Treppe hinunter und unglaubliches Pech auf Seiten seiner Gegner retteten ihn vor der sofortigen Pulverisierung. Er hatte gerade noch Zeit, seine Waffe zu ziehen, da zielten vier der Vermummten auch schon wieder auf ihn.
„Verfluchter Mist!”
Das wären beinahe seine letzten Worte gewesen, da stolperte der fünfte seiner Gegner auf der Treppe. Er fiel - im wahrsten Sinne des Wortes - seinen Kollegen in den Rücken und die ganze Gesellschaft purzelte die Treppe hinunter. Alles, was Liam noch tun musste, war loszuballern. Nach zehn Sekunden lagen seine Gegner reglos vor ihm.

Sandoval lugte vorsichtig um die Ecke und sah einen Trupp von fünf Bewaffneten vor den Aufzügen stehen. Er stieß einen lautlosen Fluch aus und sondierte das Terrain. Es war unmöglich, sie hier zu überwältigen. Leise zog er sich zurück. Als er wieder in den Gang bog, der zum Treppenhaus führte, war Zo'or nirgendwo zu sehen. Plötzlich drang ein wilder Schusswechsel aus dem Treppenhaus. Sandoval begann, seinen Skrill in Bereitschaft, zu rennen. Er war nicht der einzige: knapp vor ihm bogen drei Bewaffnete in vollem Tempo aus einem Seitengang. Zu knapp! Sandoval prallte voll auf den mittleren, welcher sich erfolglos am vordersten festzuhalten versuchte und diesen dabei mit zu Boden riss. Der dritte stolperte über Sandoval. Letzterer rollte sich geschickt ab, und während seine drei Gegner noch versuchten, ihre Waffen einzusammeln, feuerte er schon mit seinem Skrill auf sie. Nach drei präzisen Treffern waren sie tot.

Kaum stand Sandoval wieder, da kam Liam aus dem Treppenhaus.
„Major, wo ist Zo'or?”
„Keine Ahnung, er kann aber nur hier den Gang entlang sein.” Liam zeigte am Treppenhaus vorbei und rannte los.
„Kann es nicht sein, dass... Verflucht, Major, warten Sie!” Sandoval rannte hinterher.

Augur stieß hörbar dem Atem aus. Er zog seinen Gefangenen aus dem Versteck und schupste ihn ins Treppenhaus, wobei er ihm immer noch den Mund zuhielt. Zo'or versuchte sich zu wehren, aber er war viel zu schwach, um für Augur ein Problem darzustellen. Auf der Treppe bot sich ihnen ein Bild des Grauens. Um überhaupt eine Chance zu haben, an den leblosen Körpern vorbei in den nächsten Stock zu gelangen, schnappte sich Augur eine der herumliegenden Waffen und ließ Zo'or los.

„Ein Piep und Sie sind Geschichte! Los, die Treppe hoch!”
„Wie denn? Da liegen lauter Leichen.”
„Steigen Sie drüber, Sie stellen sich doch sonst nicht so an, wenn es um tote Menschen geht. Beeilung jetzt!”
Zo'or zögerte und handelte sich damit einen heftigen Stoß in den Rücken ein. Die nächsten drei Stockwerke wurden daraufhin schnell erklommen, doch dann wurde der Taelon immer langsamer.

„He, was soll dass, ein bisschen mehr Tempo, wenn ich bitten darf.”
„Ich besitzt nicht die Konstitution einer so primitiven Spezies wie der Ihrigen.” Zo'ors Stimme klang zwar schon etwas matt, aber seine Arroganz war immer noch deutlich herauszuhören.
„Primitive Spezies. Das muss ich mir doch nicht von einem solchen Schwächling wie Ihnen sagen lassen. Vor allem nicht, wenn ich es bin, der die Waffe in der Hand hat!”

Augur fuchtelte mit derselben vor Zo'ors Gesicht herum und das milderte die Arroganz in dessen Augen etwas. Er ging sogar wieder ein wenig schneller.

„Was ist überhaupt der Zweck dieses Überfalls?”
„Ich habe nicht die leiseste Ahnung!”
„Wie?” Zo'ors Augen blinzelten überrascht, dann dämmerte es ihm. „Ich verstehe, Sie gehören überhaupt nicht dazu. Sie sind ganz anders gekleidet und hatten offensichtlich keine eigene Waffe dabei. Warum haben Sie mich dann gefangen genommen?”
„Weil diese Idioten den Befehl haben, bei Sichtkontakt sofort auf Sie zu schießen, und Sie Trottel nichts besseres zu tun hatten, als direkt vor meinem Versteck rumzustehen!” Augurs Stimme verriet deutlich, was er von dieser Ungerechtigkeit des Schicksals hielt.
„So und jetzt legen Sie wieder einen Zahn zu!”

Doch schon beim nächsten Stockwerk war klar, dass der Taelon am Ende seiner Kräfte war.

„Also gut, nehmen wir den Aufzug.”
„Das wird Ihnen nicht gelingen. Die Kontrollen darüber sind in den Händen meiner Sicherheitskräfte.”
„Na, das werden wir ja sehen!”

Der Weg zu den Aufzügen war auf diesem Stockwerk unbewacht und daher schnell überwunden.

„Setzen Sie sich dort vor die Tür des Aufzuges, damit ich Sie im Auge behalten kann!” befahl Augur seinem Gefangenen.
„Ich werde mich nicht setzen!”
„Setzen, hab ich gesagt.” Augur griff kurzerhand nach dem Taelon und drückte ihn auf den Boden. Zo'or warf ihm einen Blick zu, der Lava hätte gefrieren lassen, machte aber keinen Versuch wieder aufzustehen.

„Ha, ich hab's!” vermeldete Augur nach kurzer Tüftelei an der Elektronik des Aufzuges. „Aber ich hab eine schlechte Nachricht für Sie, Zo'or. Wie es scheint, haben diese Männer in Schwarz die Kontrolle über die Aufzüge und damit vermutlich über das ganze Haus übernommen. Sie sollten also nicht so sehr auf baldige Hilfe ihrer sogenannten Freiwilligen hoffen.”

Zo'or wollte gerade mit saurem Blick etwas erwidern, da öffnete sich hinter ihm die Tür und er kippte rücklings in den Aufzug. Augur zog den Rest des Taelons auch noch hinein. Er wollte gerade eine Taste wählen, da leuchtete eine andere auf und der Fahrstuhl setze sich nach unten in Bewegung.

„Oh, Sch...” war zunächst alles, war Augur dazu einfiel. Hilfesuchend sah er sich um.
„Wenn Sie einen Ausweg suchen, wie wäre es mit der Luke in der Decke?” Zo'ors Stimme klang für die heikle Situation unangemessen kühl.
„Äh, danke. Los, öffnen Sie sie, Sie sind größer als ich.” Augur schnappte sich seinen plötzlich hilfreichen Gefangenen und stellten ihn wieder auf die Beine.

„Was jetzt?” fragte Zo'or, als die Luke offen war.
Ohne zu antworten sprang Augur hoch, griff den Rand der Luke, stieß sich mit den Füßen an den Wänden des Aufzugs ab und schwang sich durch die Öffnung.
„Halt, warten Sie, was ist mit mir. Helfen Sie mir!” schall von unten ein entsetzter Befehl.
„Hab ich eine Wahl? - Strecken Sie Ihren Arm hoch!”
Augur griff nach dem Arm des Taelons und zog ihn völlig mühelos nach oben. „Sie sind vielleicht ein Fliegengewicht! Wie viel wiegen Sie denn? Drei Kilo?” fragte er, während er die Luke schloss.
„Was haben Sie denn erwartet? Ich bestehe aus Energie!” Zo'ors Augen blitzen wütend, was in der plötzlichen Dunkelheit reichlich furchteinflößend aussah. Augur fühlte sicherheitshalber nach seiner Waffe. Doch das war überflüssig, der Taelon brauchte beide Hände, um sich an ihm festzukrallen, als der Aufzug mit einem Ruck stehen blieb. Beide hörten, wie unter ihnen jemand einstieg. Kurz darauf ging es wieder nach oben.

Ein Piepen verriet ihnen, dass unten im Aufzug ein Global aktiviert wurde.
„Maus an Tiger. Wir haben das Gebäude weitgehend unter unserer Kontrolle.”
„Gut! Ist der Taelon schon tot?”
Die eintretende Pause verriet, dass „Maus” diese Frage unangenehm war.
„Ich habe gefragt, ob der Alien tot ist. Antworten Sie, verdammt noch mal!”
„Äh, nein...”
„Aber Sie haben ihn doch, oder?”
„Nun, nicht direkt...”
„Können Sie mir verraten, warum dann dieser Sandoval versucht, mit mir Freilassungsverhandlungen zu führen?”
Die Stimme aus dem Global hatte einen gefährlich freundlichen Ton angenommen.
„Hören Sie, wenn die ihn auch nicht haben, dann muss er ja hier irgendwo in dem Gebäude sein. Keine Sorge, wir finden ihn.”
„Das will ich hoffen - für Sie. Falls Sie diesbezüglich versagen, dann rühre ich keinen Finger, um Sie und Ihre Leute wieder aus dem Gebäude herauszubekommen! Das und acht Millionen Dollar Belohnung sollte Ihnen eigentlich Ansporn genug sein! Tiger Ende.”
Kurz darauf stoppte der Aufzug wieder und „Maus” verließ denselben.

Augur stieß einen leisen Pfiff aus.
„Acht Millionen Dollar! Da müssen Sie ja jemandem ganz gewaltig auf die Füße getreten sein!”
„Ich bin der Führer der Taelon-Synode und da wundern Sie sich, dass ich Feinde habe?”
Zo'ors Stimme klang auf eine arrogante Art amüsiert.
„Na ja, ich bin ja gewiss auch kein Fan von Ihnen, aber mit acht Millionen Dollar, da wüsste ich schon was Besseres mit anzufangen... Vielleicht geben die mir was davon ab, wenn ich Sie ausliefere.”
„Wahrscheinlicher ist es, dass man Sie noch vor mir tötet! - Überlegen Sie sich lieber einen Ausweg aus diesem Schacht!”
„Wieso ich? Sie sind doch hier das Mitglied einer angeblich höher entwickelten Spezies?”

Doch Augur kramte seine Taschenlampe hervor und fand in ihrem Licht eine in die Schachtwand eingelassene Leiter.
„Na, wie wär's denn damit? Nach Ihnen, Zo'or!”
„Ich soll vorangehen? Haben Sie etwa Angst, ich würde Ihnen hier davonlaufen?”
„Nein, ich habe Angst, dass Sie runterfallen und einen Höllenlärm dabei machen.”

Es ging überaus mühsam voran. Der Taelon war offensichtlich nicht für derartige Unternehmungen geschaffen. Immer wieder flackerte als Zeichen seiner Erschöpfung hinter der menschlichen Maske seine eigentliche Gestalt auf und schon bald musste Augur Zo'or mehr hochschieben, als dass er alleine kletterte.

Schließlich stoppte Augur.
„Ok, da wären wir.”
„24. Stockwerk? Das war Ihr Ziel? Interessant! Dann darf ich wohl annehmen, dass Sie für die Widerstandsbewegung arbeiten?”
„Wie kommen Sie darauf?”
Das Erstaunen in Augurs Stimme war unüberhörbar.
„Hier sind die Büros einer kleinen Firma, mit der die Taelonsynode ein Kooperationsprojekt durchführt. Laut meiner Informationen ist der Widerstand höchst interessiert an den Daten dieses Projekts.”
„Gut zu wissen! Dann wird Doors wohl ordentlich zahlen, wenn ich sie ihm anbiete.”
„Aha, Sie arbeiten also für Geld. Ich muss Ihnen aber diesbezügliche Hoffnungen nehmen. Aufgrund meiner Informationen und der Brisanz der Daten habe ich dafür gesorgt, dass besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden. Sie werden nicht an sie herankommen!”
Zo'or konnte in seinem eigenen Licht sehen, wie die Augen des Menschen wütend blitzten.
„Freuen Sie sich da mal nicht zu früh!” blaffte er ihn an. „Und können Sie jetzt endlich aufhören zu leuchten? Wenn ich die Aufzugtür öffne, muss ja nicht jeder da draußen wissen, wo wir genau sind!”

Zo'ors Blick hätte vermutlich jeden, der sich nicht gerade an einer Leiter über einem Abgrund festklammern musste, dazu gebracht, ein paar Schritte zurück zu weichen. Als Augur sich davon erholt hatte und den Knopf zum Öffnen der Tür drückte, war es jedoch stockfinster im Aufzugsschacht.

Taelon und Mensch erstarrten gemeinschaftlich, als die Türflügel lautlos auseinander glitten. Alles blieb still. Mit einem Aufatmen löste sich Augur von der Leiter und kletterte aus dem Schacht. Er wollte sich gerade umdrehen, um Zo'or zu helfen, da begegnete sein Blick dem eines Vermummten, der sich wie für ein kleines Nickerchen an eine Säule gelehnt hatte.

Während Augur vor Schreck seine Waffe fallen ließ, war sein Gegner geistesgegenwärtiger. Blitzschnell war er auf den Beinen und packte gleichzeitig seine Waffe. Bedauerlicherweise riss er das schwere Energiegewehr mit solchem Schwung nach oben, dass er aus dem Gleichgewicht geriet.

Augur nutzte die Gelegenheit und sprang ihn an. Mit einem lauten Knall flogen beiden durch die Glasscheibe der nächstgelegenen Tür.

Augurs Gegner war auch jetzt wieder der erste, der sich besann. Er beförderte Augur mit einem heftigen Tritt von sich und bewaffnete sich mit der nächstbesten Vase. Doch er hatte nicht bedacht, wie leicht Augur war: Dieser flog außer Reichweite und hatte genügend Zeit, sich einen schweren gepolsterten Stuhl zu schnappen. Einem Moment standen sich die beiden in einer Pattsituation reglos gegenüber.

„Wer sich bewegt, stirbt!” durchschnitt eine nicht sehr menschlich klingende Stimme die Stille.
Augurs Gegner erschrak derart, dass er den Befehl missachtend herumfuhr. Beim Anblick eines blau leuchtenden Taelons mit einer Waffe in den Händen entglitt ihm die noch gefüllte Vase und zersprang auf dem Boden.

Augur nutze die Ablenkung. Er schwang seinen Stuhl hoch und warf ihn mit seiner ganzen Kraft dem Mann in den Rücken. Zo'ors Versuch, dem armen Kerl auszuweichen, war nicht erfolgreich. Beide fielen und rutschten auf dem nassen Boden mit voller Wucht gegen den Türrahmen.

Augur war schon im Begriff, den nächsten Stuhl zu werfen, da realisierte er, dass die zwei sich nicht mehr bewegten. Vorsichtig, um auf dem nassen, mit Scherben und Blumen übersäten Boden nicht auszurutschen, kam er näher und erkannte, was passiert war. Sein unglücklicher Gegner war mit dem Kopf an den Türrahmen gestoßen und hatte - durch den Schlag bewusstlos geworden - den Taelon unter sich begraben.

„Helfen Sie mir gefällst, diesen Kerl los zu werden!” befahl Zo'or.
„Gerne, aber erst lassen Sie die Waffe los!”
„Glauben Sie etwa, ich wäre - erschöpft wie ich bin - damit noch ein Gegner für Sie?”
„Keine Ahnung. Eigentlich dachte ich, Sie wären zu erschöpft, um allein aus dem Aufzugschacht zu kommen.”
Zögernd ließ der Taelon die Waffe los und wurde daraufhin unter dem Mann hervorgezogen.

Etwas hilflos sah Augur auf den Bewusstlosen runter
„Was machen wir jetzt mit ihm?”
„Sie haben doch eine Waffe in der Hand. Töten Sie ihn!”
Augur starrte Zo'or nur entsetzt an.
„Er hätte sicher keine Sekunde gezögert!”
„Darum geht es nicht. Ich könnte nie jemanden töten!”
„Das ist gut zu wissen!”
„Freuen Sie sich nicht zu früh, bei Ihnen mache ich vielleicht eine Ausnahme.”
„Das sollten Sie, denn ich hätte in Gegenzug keine solchen Skrupel.”
„Tatsächlich? Warum haben Sie dann nicht geschossen, als Sie die Gelegenheit dazu hatten?”
Über Zo'ors Mimik lief ein blaues Flackern.
„Es ging zu schnell!”
„Glaub ich nicht!”
„Sie bluten!” Zo'or zeigte auf Augurs Arm. Der Ärmel seines schwarzen Pullis war zerrissen und aus einer kleinen Wunde sickerte Blut über das grellbunt gemusterte Shirt, das er darunter trug.
„Oh nein! Mist!”
„Sie werden nicht daran sterben.”
„Sie haben ja keine Ahnung, was diese Designerklamotten kosten! Ganz zu schweigen davon, dass es ein Unikat ist!”

Zo'or sah den Menschen an, als würde er gleich die Fassung verlieren. Er schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln.
„Wenn Sie den Mann nicht erschießen wollen, dann sollten Sie ihn fesseln und knebeln.”
„Ok. Womit?”
„Da hinten in dem Raum waren Vorhänge. Schneiden Sie ein paar Stoffstreifen davon ab.”
„Ich hab eine bessere Idee: Sie machen dass! Ich passe auf, das unser Freund hier nicht vorzeitig aus seinen Träumen erwacht.”

Kurze Zeit später war der wenig beneidenswerte Mann gut vertäut und Augur nahm dessen Global und Maske an sich.

„Und jetzt?” fragte Zo'or.
„Jetzt gehen wir ins Büro des Projektleiters.”
„Das ist Zeitverschwendung. Sie werden nicht an die Daten herankommen. Wir sollten uns lieber von diesem Stockwerk entfernen.”
Doch Augur ignorierte Zo'ors Einwand und schob ihn den Gang hinunter.

 
* * *
 

„Ich habe doch gesagt, dass Ihre Bemühungen fruchtlos bleiben werden.”
Zo'or saß stocksteif auf einem der Besuchersessel und beobachtete, wie der Mensch vor ihm auf die Tastatur eines Computers einhackte. Nur die ständigen Bewegungen seiner Finger verrieten, dass er nervös war. Der Mann hingegen war ganz in seine Arbeit versunken und schien alles um sich herum vergessen zu haben.

„Ich halte es für riskant, länger hier zu bleiben.” startete der Führer der Taelonsynode einen weiteren Versuch.
Ohne aufzuschauen, machte Augur eine abwinkende Handbewegung.
„Bitte, dann gehen Sie doch.”
„Sie haben wohl vergessen, dass Sie ohne meine Hilfe längst tot wären.”
„Sie ohne meine aber auch!”
„Sie sind doch an Geld interessiert. Ich biete Ihnen das Doppelte, was Sie für die Daten erhalten, wenn Sie mir helfen, aus dem Gebäude zu kommen.”
„Haben Sie Angst vor den Männern da draußen oder davor, dass ich die Daten erhalte?”
Dass Augur keine Antwort erhielt, verriet, dass er mit seiner Vermutung ins Schwarze getroffen hatte.

„Yeah, geschafft!” Fünf Minuten später schlug Augur triumphierend mit der Handfläche auf die Tischplatte.
„Bitte?” Überrascht sprang Zo'or auf und lief um den Schreibtisch. Ebenso entsetzt wie hilflos beobachtete er, wie Augur einen Datentransfer auf sein Global initiierte.
„‚Unmöglich’, haben Sie gesagt?”
„Ich muss zugeben, dies ist eine überraschende Leistung für einen Menschen.”

Der Mensch wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzten, da piepte das fremde Global. Augur zog sich die Maske seines ehemaligen Gegners über und öffnete es.

„Maus an Seepferdchen. Alles ruhig da oben?”
„Ja.”
Augurs Stimme klang etwas gepresst durch den Versuch, ein Lachen zu unterdrücken.
„Alles in Ordnung, Seepferdchen?”
„Äh... ja.”
„Gut. Wir sind jetzt mit dem Durchsuchen des 20. Stockwerks fertig. Halt die Augen offen.”
„Ok.”
„Maus Ende.”

„Seepferdchen?” Zo'or zog die nicht vorhandenen Augenbrauen hoch.
„Schauen Sie mich nicht so an. Ich hab's mir nicht ausgedacht,” antwortete Augur, während er kichernd seine Sachen zusammenpackte.

„Was haben Sie vor?”
„Unsere Wege werden sich nun trennen. Ich habe eine abhörsichere Verbindung hergestellt, mit der Sie Ihren Kettenhund Sandoval erreichen können. Vielleicht gelingt es ihm ja, Sie hier herauszuholen, bevor unsere Freunde in Schwarz Seepferdchen entdecken.”
„Machen Sie sich keine Hoffnungen, mit den Daten aus dem Gebäude zu kommen. Ich werde dafür sorgen, dass Sie gefunden werden.”
„Ich würde ja gerne behaupten, es hätte mich gefreut, Sie kennen zu lernen, aber ehrlich gesagt, ich hätte lieber darauf verzichtet.”
„In diesem Punkt sind wir uns also einig!”

 
* * *
 

Zo'or wartete noch, bis der drahtige Mensch die Tür hinter sich verschlossen hatte, und stellte dann über den Computer eine Verbindung zu Sandovals Global her.
„Zo'or! Was ist...”
„Verschwenden Sie meine Zeit nicht mit unnützen Fragen! Ich befinde mich nicht in den Händen dieser inkompetenten Attentäter, sondern allein im Büro des Projektleiters von Pharmatech im 24. Stockwerk. Diese menschlichen Idioten durchsuchen gerade das 21. Stockwerk, also beeilen Sie sich gefälligst. - Und noch was: Im Gebäude befindet sich ein vermummter Mann, der nicht zu den Attentätern gehört. Er ist im Besitz wichtiger Daten. Finden Sie ihn!”
„Sehr wohl, Zo'or.”

 
* * *
 

Eine knappe Stunde später war das Gebäude wieder in der Hand der Freiwilligen und alle Attentäter tot oder verhaftet. Der Führer der Taelonsynode war aufs Mutterschiff zurückgekehrt, nicht ohne sich zuvor den Vertretern der Presse gestellt zu haben. Auf allen Kanälen wurde über den Vorfall berichtet.

„Jetzt sieh Dir das an, Liam! Was der Kerl für ein Medianecho erhält! Dabei hab ich viel mehr durchgemacht als er! Ich kam mir schon vor wie Bruce Willis, nur mit Schuhen und einem Taelon!” klagte Augur, als er sich aus der Freiwilligenuniform schälte.
„Du und viel durchgemacht? Hast Du eigentlich eine Ahnung, welche Sorgen ich mir um Dich gemacht habe!” Liam lief aufgebracht zwischen Augurs Computern hin und her. „Ich bin nur froh, dass ich nicht auf Dich gehört und die Uniform in dem Lüftungsschacht versteckt habe.”
Augur hörte gar nicht zu.
„Da, siehst Du? Jetzt bringen sie schon wieder das Interview mit ihm!” Mit ausgestrecktem Arm zeigte er auf den Bildschirm. „Ich kann's noch gar nicht glauben, dass ich ihm das Leben gerettet habe.”
„Mir wär's auch lieber, Du hättest es nicht getan. Zo'or hat mich in einer Stunde aufs Mutterschiff bestellt.” Liam schüttelte sich, als würde ihm ein Schauer über den Rücken laufen.
„Nimm's nicht so schwer, Liam. Wir sollten uns damit trösten, dass wir dieses hier haben.” Augur wedelte mit seinem Global in der Luft herum. „Und so wie Zo'or sich verhalten hat, ist das ein richtig dicker Fisch.”
„Meinst Du?” Liam trat hoffnungsvoll näher und beobachtete, wie Augur die Daten von seinem Global in seine Systeme lud.
„Oja! Unser allseits geliebter Jonathan Doors wird dafür sehr tief in die Tasche greifen müssen.”
„Du willst doch nicht etwa Geld dafür?”
„Doch, natürlich! Umsonst ist der Tod und nur verträumte Weltenretter wie Du machen so was für ein Lächeln.” antwortete Augur, während seine Finger schon über die Tastatur flogen.
„So? Dann will ich aber diesmal meinen Teil abbekommen. Ohne mich wärst Du da schließlich weder rein, noch wieder raus gekommen.”
„Klar doch, kein Problem. Ich leg's in einem Fond an und wenn Du 18 bist, darfst Du darüber verfügen.”
Liam schnappte sich seine Lederjacke und brummelte etwas vor sich hin, in dem mit ziemlicher Sicherheit das Wort „gemein” vorkam. Augur war jedoch bereits so vertief in die Analyse seiner Beute, dass er nicht einmal aufsah, als Liam durch den Ausgang entschwand.

 
* * *
 

„Agent Sandoval, Major Kincaid - das einzige, was Ihnen am heutigen Tag mit Bravour gelungen ist, ist die Eliminierung von acht dieser Attentäter. Dies würde Achtung verdienen, wenn es nicht Ihre Schuld gewesen wäre, dass sie überhaupt ins Gebäude gelangen konnten.”
Zo'or umrundete die beiden wie ein Raubtier seine Beute und durchbohrte sie dabei mit seinem scharfen Blick. „Wie ich bemerken muss, haben Sie für Ihre Inkompetenz nach wie vor keine Erklärung!”

Dieses „Verhör” ging jetzt schon eine gute halbe Stunde und selbst der schadenfreudigste und gelangweilteste Freiwillige hatte mittlerweile Mitleid mit den beiden Companion-Beschützern. Sie selbst hielten sich überraschend gut und ertrugen das Ganze, indem sie stocksteif und mit starr geradeaus gerichtetem Blick dastanden. Lediglich als Zo'or das halbe Lob aussprach, verloren sie kurz die Fassung und man sah ihnen an, wie unwohl sie sich fühlten.

Schließlich setzte sich Zo'or wieder auf seinen Thron.
„Major Kincaid, Sie können gehen.”
Sandoval sah seinem Kollegen nach und eventuell blitzte so etwas wie Neid in seinen Augen auf.

„Nun, Agent Sandoval, haben Sie mit Hilfe der Blutprobe herausgefunden, um wen es sich bei der betreffenden Person handelt?”
„Ja. Es ist ein krimineller Hacker, der sich Augur nennt. Er ist uns schon lange bekannt, aber bislang noch nicht zu fassen gewesen. Gilt als genial und scheint ein Sympathisant des Widerstandes zu sein. Vor allem jedoch ist er wohl an einer guten Bezahlung interessiert.”
„Intensivieren Sie die Bemühungen, ihn zu finden! Und wenn Sie ihn haben, lassen Sie ihn zu mir bringen. - Lebend!”
„Ich nehme an, Sie wollen ihn nicht lebend, um sich bei ihm bedanken zu können?”
Ein eisiges Lächeln umspielte Zo'ors Lippen.
„Nein, ganz sicher nicht!”

 

ENDE

 

Zurück / Back

 

Zum Seitenanfang