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  „Wer hätte gedacht” von Cat   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Dezember 2002
Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Lo'ran und Da'an erfahren von der Höhle - und einigen anderen Dingen ...
Zeitpunkt:  4. Staffel
Charaktere:  Liam, Ha'gel, Jen, Lo'ran, Da'an
 

 

WER HÄTTE GEDACHT ... ?

Kapitel 3

 

Lo'ran stand am Fenster der Botschaft und betrachtete die Sterne - diese Angewohnheit schien in der Familie zu liegen. Der Abend war wirklich sehr aufschlußreich gewesen, langsam verstand er, was sein alter Freund im Schilde geführt hatte. Die Gründe blieben ihm zwar weiterhin verschlossen, aber es war äußerst amüsant zu erleben, wie Da'an auf Miss Doors reagiert hatte. Sein Zwilling ahnte allerdings nicht, wer sich hinter der jungen Frau verbarg.
Lo'ran hatte während des letzten halben Jahres oft mit sich gerungen, ob er ihm alles erzählen sollte, aber er wollte seinen ältesten und wohl besten Freund nicht hintergehen. Das Leid seines Geschwisters war nicht leicht zu ignorieren gewesen, aber das Ganze war zum Wohle des Gemeinwesens und der Menschheit geschehen. Als Da'an dann vor knapp einer Woche kurz Zo'ors Anwesenheit gespürt hatte, hatte er schon geglaubt, es wäre aus. Zum Glück war es ihm aber gelungen, ihn zu überzeugen, es auf sich beruhen zu lassen. Es konnte aber nur noch eine Frage der Zeit sein, bis er dahinter kommen würde, und wenn es so weit wäre, hoffte Lo'ran, möglichst weit weg zu sein. Denn auch wenn Da'an nach außen hin immer ruhig und beherrscht wirkte, konnte sein Zorn Ausmaße erreichen, die nicht ganz ungefährlich waren, vor allem, wenn es um sein Kind ging. Er hatte diese Wutausbrüche schon des öfteren erlebt - wenn er ehrlich war, mußte er auch zugeben, dass er sie häufig geradezu herausforderte.
Lo'ran horchte auf. Wie es aussah, war sein Gast eingetroffen - und vielleicht würde er ja heute nacht einige seiner Fragen beantwortet bekommen.

Jen konnte einfach nicht einschlafen. Sie hatte mehr Glück als Verstand gehabt - ihr Vater hatte schon gewußt, weshalb er sie von den Taelons ferngehalten hatte. Als Da'an plötzlich vor ihr stand, dachte sie, jetzt sei alles aus, aber Lo'ran war rechtzeitig eingeschritten und hatte Schlimmeres verhindert. Es stellte sich nur die Frage, ob das jetzt gut oder schlecht war. Denn ihr Onkel war schon immer seine eigenen Wege gegangen und hatte sich dadurch und durch seinen etwas eigenwilligen Humor nicht gerade Freunde unter den anderen Taelons geschaffen. Sie hätte nur gerne gewußt, warum Lo'ran ihr zugezwinkert hatte, es ließ ihr einfach keine Ruhe. Sie hasste es, nicht zu wissen, was in ihrer Umgebung vor sich ging. Eine Angewohnheit, die sie noch aus ihrem alten Leben beibehalten hatte - eigentlich sogar die einzige.

 


Liam öffnete die Augen und befand sich an einem ihm unbekannten Ort. Er stand auf einer kleinen Lichtung, ringsum wuchsen fremdartige Bäume und Pflanzen und am Himmel standen zwei Sonnen - eine große rote und eine kleine blassgelbe. Er fragte sich, wie er hierher gekommen war - und vor allem: Wo war er?
„Das ist unsere Heimatwelt”, erklang eine Stimme hinter ihm.
Erschrocken wirbelte Liam herum. ”Ich hatte nicht erwartet, dich noch einmal wieder zu sehen.”
Die sanft leuchtende Gestalt, die dort aufgetaucht war, lächelte geheimnisvoll.
„Ich habe immer über dich und die Menschen gewacht, mein Sohn!”
„Wieso hast du mich hergebracht?” Fragend blickte Liam Ha'gel an.
„Weil ich mit dir sprechen wollte, du bist schließlich mein Sohn.” Liam hob eine Augenbraue. Das Bedürfnis, mit ihm zu reden, hatte sein Vater nicht oft und nie ohne Grund.
„Du scheinst glücklich zu sein mit deiner Gefährtin. ”
„Ich glaube, du bist nicht ganz unbeteiligt daran, dass ich sie gefunden habe, oder?”
Ha'gel schmunzelte leicht.
„Ich wusste, dass bald die Zeit kommen würde, in der du dir eine Gefährtin suchen würdest. Dadurch, dass ich dich und Zo'or schon eine Weile beobachtete, fiel mir auf, dass ihr zwei Seelengefährten seid. Aber keiner von euch war bereit, sich das einzugestehen oder gar auf den anderen zu zu gehen. Also habe ich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Ich schickte Zo'or in die Vergangenheit in einen weiblichen Körper, und damit hatten die Taelons ihren radikalen Anführer verloren und der Weg für den Frieden mit den Jaridians wurde frei. Wie ich vorausgesehen hatte, konnte Zo'or oder jetzt Jen sich ohne den Einfluss der Synode zu dem sanftmütigen Wesen entwickeln, das sie eigentlich immer hatte sein sollen. Als ihr dann aufeinander getroffen seid, habt ihr euch sofort ineinander verliebt und wurdet zu Gefährten. ”
Liam dachte über diese Worte nach. Hatte Ha'gel recht? Er war sich eigentlich sicher, dass er Zo'or gehasst hatte, aber ein altes Sprichwort sagte, dass Liebe und Hass nahe beieinander lagen. Aber darüber brauchte er sich keine Gedanken mehr zu machen, jetzt liebte er Jen.
„Wusstest du, dass die Menschen die Kimera sind?”
„Nein, ich habe es selbst erst vor etwa einem Jahr herausgefunden. Sie haben das alles geplant, als ich und einige andere - die heute tot sind - in Gefangenschaft waren. Du kannst dir mein Erstaunen vorstellen - aber es ist gut, zu wissen, dass wir überlebt haben. ”
Liam verstand, was er meinte. Ihm ging es ähnlich.
„Aber nun zu dem eigentlichen Grund unseres Treffens.”
Liam sah ihn fragend an.
„Ich habe einen Freund unter den Taelons, der weiß, was mit Zo'or geschehen ist. Ich habe ihn auch über alles andere informiert, er wird dir helfen. ”
Liam hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit so etwas.
„Bist du dir sicher, dass wir ihm trauen können?”
Ha'gel nickte.
„Ja, mehr als jedem anderen! Du kennst ihn übrigens schon - es ist Lo'ran. Er wird dir helfen, Da'an einzuweihen und alles vorzubereiten. ”
Bevor Liam zu einer Frage ansetzen konnte, war Ha'gel verschwunden.

Liam blinzelte verwirrt und stellte fest, dass er noch immer im Bett lag, mit Jen in seinen Armen. Er hatte also geträumt, oder so in etwa. Er würde Jen, sobald sie aufwachte, alles erzählen und dann weiter sehen.

 


Lo'ran entspannte sich auf einer Bank im Garten, als Liam und Jen eintraten. Er wirkte nicht überrascht, sie zusammen zu sehen.
„Ich habe euch schon erwartet. Hat Ha'gel dir alles erzählt, Liam?”
Dieser nickte.
„Gut, kommt mit. Wir unterhalten uns besser an einem Ort, wo wir ungestört sind.”
Lo'ran führte sie zu seinem Quartier. Dort waren drei Stühle um einen kleinen Tisch gestellt. Als alle saßen, ergriff Jen das Wort.
„Du hast es von Anfang an gewusst - und ich habe mir schon Sorgen gemacht, mich durch mein Verhalten gestern Abend verraten zu haben!”
Lo'ran lachte kurz und Liam blickte Jen überrascht an - sie hatte ihm nichts davon gesagt.
„Nein, dein Verhalten erinnert nicht im geringsten an dein früheres Ich. Ich konnte mir aber nicht verkneifen, dich ein wenig zu ärgern.”
Jens Blick sprach Bände.
„Ach ja, bevor ich es vergesse - ich wünsche euch beiden Glück für die Zukunft!” Lo'ran hatte jedes einzelne Wort genüsslich betont. Als Jen und Liam daraufhin beide erröteten, lachte er still in sich hinein.
„Lo'ran, könnten wir uns vielleicht wieder etwas wichtigeren Dingen zuwenden?” Liam hoffte, ihn so von sich und Jen abzulenken.
„Natürlich. Ich nehme an, du meinst, ich soll dir das erzählen, was Ha'gel ausgelassen hat.” Lo'ran überlegte kurz, um sich seine Worte zurecht zu legen.
„Lo'ran, ich habe noch eine Frage, bevor du beginnst. Wie geht es Da'an wirklich?” Jen sah ihren Onkel bittend an. Auch wenn sie als Zo'or vor langer Zeit aufgehört hatte, sich um die Belange und Gefühle ihres Elters zu kümmern, war ihr bewusst, dass Da'an dies in ihrem Fall nie getan hatte.
„Er leidet darunter, dich verloren zu haben, und würde alles tun, um dich wieder zu finden. Was ihm vor gar nicht langer Zeit auch fast gelungen wäre - ich denke, du weißt, was ich meine.”
Jen schloß die Augen, um ihre Gefühle zu verbergen.
„Ich wünschte, ich könnte alles, was ich ihm angetan habe, rückgängig machen!” Lo'ran sah sie mitfühlend an.
„Kann mir jemand sagen, worum es geht? Ich habe das Gefühl, irgend etwas verpasst zu haben . . .” fragte Liam dazwischen, verwirrt.
„Da'an ist mein Elter.”
Das war eine Überraschung - aber dadurch wurden viele von Da'ans Handlungen plötzlich nachvollziehbar. Sanft legte Liam seine Hand auf Jens, um ihr zu zeigen, dass er sie verstand. Seine Situation Da'an gegenüber war bis vor kurzem ganz ähnlich gewesen.
„Kinder, wir sind ganz schön vom Thema abgekommen. Ich erörtere euch jetzt lieber, was Ha'gel mir gesagt hat. Also, er hat die Idee, dass die Generatoren, die dazu dienten, die Kimera zu Menschen zu machen und sie nun in die Kimera zurück verwandeln sollen, umfunktioniert werden können.”
Seine Worte hatten die erhoffte Wirkung. Jen und Liam sahen ihn gebannt an.
„Und zwar so, dass sie zusätzlich Taelons mit Grundenergie aufladen können. Dazu müssten sie natürlich erst einmal neu eingestellt werden!”

 


Heute war es so weit. Jen würde gemeinsam mit Lo'ran ihren Elter in alles einweihen, denn die Zeit drängte. In knapp vier Wochen würde das Mutterschiff die Erde erreichen und ein untergegangen geglaubtes Volk wiederbeleben. Wenn das geschehen war, sollte Ha'gels Plan umgesetzt werden.
Lo'ran drückte aufmunternd ihre Hand - sie war schrecklich nervös. Auf dem Flur waren Schritte zu hören, die kurz verstummten. Da'an schien mit jemandem zu sprechen, dann entfernte sich dieser Jemand und der Synodenführer trat ein.
„Danke, dass du gekommen bist. Setz dich erst einmal, ich habe dir einiges zu sagen.” Nachdem er saß, begann Lo'ran ihm alles, was sich seit der Entdeckung der Höhle ereignet hatte, zu erzählen.
„Das ist die Situation. Ich kann mir denken, dass du etwas überrascht bist, aber deine Hilfe ist unerlässlich.”
Da'an erhob sich langsam.
„Ich soll also jegliche Überreaktion verhindern und dafür sorgen, dass das Kimera-Mutterschiff nicht angegriffen wird.” Da'an schaute Loran fragend an.
Als dieser nickte, versank er in kurzes Nachdenken. Er hatte immer geahnt, dass mehr in den Menschen steckte - aber so etwas hatte er nicht erwartet. Wie es aussah, waren sie tatsächlich der Schlüssel zum Überleben seines Volkes und vielleicht auch dem der Jaridians. Aber das würde er später allein mit Lo'ran besprechen.
„Am besten wäre es wohl, die Synode gemeinsam mit dem Major und dir zu informieren! Gemeinsam mit mir als Synodenführer sollte es gelingen, sie zu überzeugen, keine kriegerischen Handlungen auszuführen. Am besten wäre, wenn ihnen die Daten für die Neukonfiguration der Generatoren vorgelegt würden. Was denkst du, Lo'ran?”
„Wenn ich nicht wüsste, dass du das hasst, würde ich dich jetzt küssen.”
Da'an nahm vorsichtshalber etwas Abstand - wer konnte sagen, ob Lo'ran sich nicht doch verleiten ließ?
„Wenn das alles war, würde ich sagen, wir treffen uns morgen hier, und dann überlegen wir uns, wie die Synode am besten zu überzeugen ist. Falls es nötig sein sollte, kann ich Augur Zugang zu unseren Informationen über die Kimera und ihre Technologie verschaffen. So kann er vielleicht besser abschätzen, wie genau er die Einstellung der Generatoren verändern muß - das dürfte auch bei der Synode hilfreich sein.”
„Da'an, du bist ein Genie!”
„Das dürfte auch der Grund sein, weshalb ich zum Führer der Synode geworden bin und nicht du!”
Jen versuchte nicht zu kichern - wenn Da'an wollte, konnte er richtig fies sein.
„Sehr witzig! Aber ich lasse dich jetzt einmal mit Miss Doors allein, sie hat dir noch etwas Wichtiges zu sagen.”
Sprach's und verschwand.
Jen blickte wütend hinter ihm her. So ein Feigling - dabei hatte er ihr doch helfen wollen . . .
Da'ans Aufmerksamkeit war nun ganz auf sie gerichtet, dabei hatte er zuvor den Eindruck erweckt, ihre Anwesenheit völlig vergessen zu haben.
„Nun, Miss Doors, wie kann ich Ihnen helfen?” Fragend sah der Taelon sie an.
„Nun ja, es geht um . . . . . . . . . . . . . . . . . . . um eine Idee von Liam. Augur und Street haben den Vorschlag gemacht, einige Generatoren in klein nachzubauen, denn auf dem Mutterschiff sind ja auch Menschen.” Nervös knetete Jen ihre Hände.
„Weiter?”
„Sie müssen ja auch von der Energie erfasst werden, um verwandelt zu werden, und da hatte Augur also. . . . . . . . . also die Idee, die kleinen Generatoren auf dem Mutterschiff aufzustellen und wo es sonst noch nötig ist. Allerdings weiß Augur noch nicht, ob er überhaupt in der Lage ist, sie nachzubauen, aber wenn Sie ihm Ihr Wissen zur Verfügung stellen, schafft er es bestimmt.”
Wunderbar, sie hatte sich verhaspelt und war dem eigentlichen Grund dieses Gespräches kein Stück näher gekommen. Wo war nur ihre frühere Selbstsicherheit geblieben - zumindest wäre sie ihr jetzt eine Hilfe!
„Ich bin mit diesem Vorschlag einverstanden - und schlage vor, dass wir dies später noch einmal in Anwesenheit des Majors erörtern. Wenn das alles war, denke ich, sollten wir das Gespräch nun beenden.”
Da'an betrachtete die junge Frau vor sich, sie war offensichtlich sehr nervös. Langsam wandte er sich dem Ausgang zu.
„Da'an, warten Sie bitte!”
Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Sie schloß kurz die Augen und atmete tief durch.
„Ich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ich meine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ich . . . . . . . . . . . . . . ich weiß, was mit Zo'or geschehen ist!”
Schlagartig wirbelte Da'an herum und musterte sie.
„Was soll das heißen? Sagen Sie es schon!”
Jen schluckte. Jetzt oder nie . . .
Sie sah Da'an in die Augen und konnte dort den Schmerz und die durch ihre Worte geweckte Hoffnung erkennen. Sie versuchte zu sprechen, aber jedesmal, wenn sie den Mund öffnete, blieben ihr die Worte im Hals stecken. Der Taelon stand plötzlich vor ihr - sie hatte nicht bemerkt, dass er auf sie zu gegangen war.
„Miss Doors, ich bitte Sie, sprechen Sie!”
Jen hob den Kopf und spürte die unterdrückten Emotionen, die von ihrem Elter ausgingen. So schnell, dass er keine Möglichkeit hatte, zu reagieren, schloß sie die Arme um ihn und legte den Kopf an seine Brust.
„Es tut mir so leid, was ich dir alles angetan habe, Ma'puti.”
Da'an war bereits während ihrer Umarmung erstarrt, aber jetzt schien er förmlich zur Salzsäule zu werden.
„Miss Doors, falls das ein Scherz sein soll, kann ich nicht darüber lachen!”
„Es ist kein Scherz, glaub mir bitte! Ich bin es wirklich!” Sie hatte so verzweifelt gesprochen, dass Da'an ihr Gesicht anhob, um ihr in die Augen zu blicken. Konnte es wirklich sein? Sie spürte sein Zögern und tat das Einzige, was ihr einfiel, um es ihm zu beweisen. Sie hob seine Hand, legte ihre Handfläche an die seine und bedeutete ihm, ein Sharing einzuleiten.
Langsam entstand ein angenehmes Kribbeln in ihrer Hand, das schließlich ihren ganzen Körper durchflutete. Dann spürte sie eine federleichte und vorsichtige Berührung ihres Geistes - Da'an drang in ihre Erinnerungen ein.
Schon nach kurzer Zeit beendete er die Verbindung - er hatte die Bestätigung ihrer Worte gefunden.
„Wie ist das möglich?”
Jen zog ihn zu einem der Stühle und drückte ihn sanft darauf, dann setzte sie sich ihm gegenüber und begann zu erzählen.
„Dann hat Ha'gel also seine Finger im Spiel, und Lo'ran ist auch nicht gänzlich unbeteiligt.” Bei den letzten Worten leuchteten seine Augen kurz auf. Ein gewisser Taelon sollte sich besser - wie die Menschen sagten - ‚warm anziehen, denn er hatte noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen’.
”Sei nicht böse auf Lo'ran - er hat getan, was er für das Beste hielt, und was hättest du tun können?”
„Ich könnte mich mit der Synode beraten, und gemeinsam überlegen wir dann, wie du wieder zu einem Taelon werden kannst.”
„Nein, nie wieder! Nie wieder möchte ich zum Taelon werden!” Da'an schaute sie überrascht an, sie hatte so vehement, fast wütend geklungen . . .
„Zo'or, du bist ein Taelon, auch wenn du zur Zeit einen menschlichen Körper besitzt.”
Jen ballte die Hände zu Fäusten und atmete tief durch.
„Nenn mich bitte nicht Zo'or, ich heiße Jen. Ich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ”
„Aber das ist dein Name!”
„Das war er einmal. Wenn du mich kurz ausreden lässt, verstehst du mich vielleicht besser.”
Da'an nickte, zum Zeichen, dass er zuhörte.
„Du kannst nicht wissen, wie es ist, nicht ständig die Anwesenheit des Gemeinwesens zu spüren. Es ist wundervoll - keine fremden Gedanken und Gefühle, niemand, der sich ständig in deinen Geist drängt. Nur Ruhe und das Wissen, dass deine Gedanken allein dir gehören.
Aber das ist ja nicht einmal das Schönste! Endlich kann ich zu Recht behaupten, dass mein Handeln und Tun ausschließlich von mir selbst bestimmt wird. Dass alle Entscheidungen, die ich treffe, allein durch mich geprägt sind!”
Da'an blickte sie irritiert an.
„Wie hast du deine Entscheidungen denn sonst getroffen? Das Gemeinwesen unterdrückt doch nicht die Individualität . . .”
Jen schnaubte nur verächtlich.
„Nein? Da muss ich dich eines Besseren belehren. Ich war das letzte lebensfähig geborene Kind, und in mir hat die Synode ihre letzte Chance gesehen. Sie dachten, wenn sie einen Taelon von Anfang an in bestimmte Bahnen lenken, wäre er in der Lage, Dinge zu tun, die ihnen unmöglich sind. Sie förderten also bestimmte meiner Eigenschaften und unterdrückten wiederum andere. Und irgendwann hatten sie es geschafft. Ich wurde zu dem, was sie wollten - einem kompromisslosen Wesen, das bereit war, alles für den Erhalt der Rasse zu unternehmen. Und wenn ich drohte, weich zu werden, verstärkten sie ihren Griff und zwangen mir ihren Willen erneut auf.
Das soll ich erneut in Kauf nehmen - mich wieder unter ihre Knute zwingen lassen? Nein!”
Da'an konnte nicht glauben, was er gehört hatte - so etwas hätte die Synode nie getan - nicht ohne sein Wissen!
„Das glaube ich nicht - das hätten sie nicht gewagt.”
„Genau das haben sie! Mein Gott, Da'an - öffne endlich die Augen, deine Taelonfreunde sind nicht so unschuldig, wie sie immer tun. Sie waren äußerst geschickt bei ihrer Manipulation - nicht einmal du hast es bemerkt.”
Schweigend saßen sie sich eine Weile gegenüber, keiner wußte, was er noch sagen sollte.
Jen ergriff als Erste wieder das Wort.
„Ich bitte dich, geheim zu halten, dass ich noch lebe - ich habe keine Ahnung, was sie sonst mit mir machen würden. Da'an, vielleicht können wir jetzt so mit einander umgehen, wie es Elter und Kind sollten - zumindest wenn wir unter Freunden oder allein sind.”
„Ich habe wohl zu früh aufgehört, um deine Zuneigung zu kämpfen, aber man erhält nur selten eine zweite Chance, und diese werde ich nutzen!” Lächelnd erhob er sich und Jen folgte seinem Beispiel. Vorsichtig nahm er sie in die Arme und drückte sie an sich. Das Schicksal hatte ihm sein Kind zurückgegeben und nichts und niemand würde es ihm wieder nehmen. Auch nicht seine Artgenossen!

 


Jen löste sich sanft aus Da'ans Armen.
„Da'an, ich denke, du hast jetzt bestimmt noch einiges zu erledigen, und um ehrlich zu sein, habe ich mittlerweile Hunger bekommen. Wie wäre es, wenn wir uns heute Abend wieder hier treffen? Dann können Liam und ich dir bestimmt berichten, was Augur von deinem Vorschlag hält.”
„Einverstanden - ich muss auch noch etwas mit Lo'ran klären.”
„Dann bis später - und lass ihn am Leben, wir brauchen ihn noch!” Lächelnd begab Jen sich zur Tür, wo sie sich noch einmal kurz umdrehte.
„Ich habe dich nie freiwillig zurückgewiesen, ich habe nur versucht, dich zu schützen. Denn wenn du herausgefunden hättest, was die Synode getan hat, hättest du eingegriffen, und das konnte ich nicht zulassen. Sie hätten dir sonst das Gleiche angetan.” Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ sie den Raum.
Da'an verlor kurz seine Fassade - Jen hatte ihn von der Schuld freigesprochen, als Elter versagt zu haben. Nur änderte es nichts daran, dass er sich schuldiger denn je fühlte! Nach endlosen Minuten, wie es ihm vorkam, löste er sich aus seiner Erstarrung und machte sich auf die Suche nach Lo'ran, wofür er nicht lange brauchte - dieser war, wie die meiste Zeit, im Garten. Da'an schüttelte innerlich den Kopf. Lo'ran hätte Gärtner werden sollen - er kannte keinen anderen Taelon, der die Natur so sehr liebte und sich lieber draußen als drinnen aufhielt.
„Ist euer Gespräch etwa schon zu Ende?” Da'an musterte seinen Zwilling, er wirkte nervös. Gut so, geschah ihm recht, wenn er eine Weile im eigenen Saft schmorte.
„Wir haben eine sehr aufschlussreiche Unterhaltung geführt - du weißt, glaube ich, auch genau, worum es ging. ”
Lo'ran schluckte. Er hatte ja geahnt, dass es besser wäre, heute sehr weit weg zu sein!
„Dann bist du doch sicher bestens gelaunt. Man erfährt schließlich nicht jeden Tag, dass jemand, den man für tot gehalten hat, lebt!” Wo war der nächste Fluchtweg, oder wo blieb Sandoval, der Da'an dringend sprechend mußte?
„Meine Laune wird sogar immer besser! Bevor ich es vergesse - die Synode hatte mich gebeten, jemanden auszuwählen, der an einem Vortrag eines menschlichen Wissenschaftlers teilnimmt. Würdest du dies Aufgabe vielleicht übernehmen?”
Puh, noch einmal Glück gehabt - Da'an war gnädig!
„Selbstverständlich, worum geht es denn?”
„Um Meeresbiologie. Dank eines neuen U-Boot-Typs ist es möglich, tiefer als bisher zu tauchen und so endlich einige unerforschte Tierarten in der Tiefsee zu untersuchen. Der Vortrag schließt auch eine kleine Tauchfahrt mit ein. ”
Lo'ran schloss resigniert die Augen. Es wäre ja zu schön gewesen, um wahr zu sein. Da'an wusste, dass er das Meer nicht gerade mochte, und dann auch noch Tauchen - zuviel Wasser auf einmal für seinen Geschmack. Er legte in Gedanken eine Notiz an - immer erst fragen, worum es bei Da'ans Aufgaben geht!

Liam setzte sich an einen kleinen Tisch des Cafés und wartete auf Jen. Sie hatte ihm über Global gesagt, sie würde gleich kommen. Er hatte am Morgen mit Renée gesprochen - sie war seit gestern Abend aus Australien zurück - sie hatten in der Basis eine Bibliothek gefunden. Darin war das Wissen über Tausende von unterschiedlichen Rassen enthalten, über die Taelons oder Jaridians hatten sie allerdings bisher noch nichts gefunden. Etwas, das Liam wunderte - er hätte erwartet, dass über beide Völker eigentlich große Datenbanken existieren würden. Vielleicht hatten sie sie nur noch nicht gefunden.
Auf einmal schlangen sich zwei Arme um ihn.
„Hast du lange gewartet?” Jen gab ihm einen Kuß auf die Wange und setzte sich ihm gegenüber.
„Nein. Alles gut gegangen?”
„Ich erzähle dir alles nach dem Essen, dann sollten wir uns auch einen ruhigeren Ort als dieses Cafe suchen. ”
Nachdem sie gegessen hatten, machten sie sich auf den Weg in den Park, wo sie sich ungestört unterhalten konnten.

 

Ende von Kapitel 3

 

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