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  „Sternenhimmel über der Erde” von Alraune   (Emailadresse siehe Autorenseite),   November 2002
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Die Erde wurde von den Jaridians erobert und jede Hoffnung auf Freiheit ist zerschlagen, als plötzlich... seltsame Dinge geschehen.
Zeitpunkt:  fünfte Staffel, AU
Charaktere:  Liam, Augur, Da'an, Jaridians
 
Vorwort der Autorin:  Denjenigen, die Marion Zimmer Bradleys Kurzgeschichte ‚Der Tag der Schmetterlinge’ gelesen haben, wird das hier sicher bekannt vorkommen. Ich habe diese Story immer sehr geliebt und wollte schon längst mal meine eigene Version schreiben. Obwohl ich sicher nie an das Original herankommen werde. Für diejenigen, die die Geschichte nicht kennen: Hier ist der Link zu einer Internetversion.
 

 

STERNENHIMMEL ÜBER DER ERDE

 

Müde stapfte die Kolonne durch die Trümmer der Stadt. Ihr Weg führte sie vorbei an den staubigen Überresten von Hochhäusern und schließlich einer Kirche. Einer der Männer, ein schlanker Schwarzer, stolperte unerwartet und brachte die ganze Reihe ins stocken. Und erregte die Aufmerksamkeit ihrer Bewacher. Mehrere von ihnen eilten herbei um des Gestürzten zu strafen. Der schmerzhafte Hieb der Peitsche riss ihn in die Gegenwart zurück. Erschöpft taumelte er an seinen Platz zurück.
Unbemerkt von allen fiel ein Grashalm zu Boden, wo er kurz darauf unter dem Stiefel eines der Jaridian-Wächter zermalmt wurde. Wem würde so ein kleines Ding auch auffallen? Es gab schon längst kein Gras mehr auf der Erde. Oder überhaupt Leben, außer ein paar zerlumpten Menschen und ihren Wächtern.

 

Liam Beckett lag schon halb schlafend auf seiner schmalen Pritsche, als Augur schließlich hereingeschwankt kam. Ein kurzer Blick offenbarte seinen jämmerlichen Zustand. Das Gesicht des Computergenies war grau vor Erschöpfung, ein Peitschenhieb hatte sein Hemd zerfetzt und Blut durchtränkte es. Plötzlich wieder hellwach sprang er auf, um seinem Freund zu helfen. Der Schwarze war alles, was er noch hatte. Alle anderen waren entweder tot oder verschwunden. Die Jaridians hatten, was von der Menschheit noch übrig war, über das ganze Universum verteilt. Es war ein Wunder, dass sie beide sich noch auf der Erde befanden, ein noch Größeres, dass sie einander gefunden hatten.
„Großer Gott, Augur! Was ist passiert?”
„Einer der Aufseher hat mich erwischt. Ich bin gestolpert. Aber weißt du, was wirklich sonderbar war?”
Liam hörte kaum zu, als er seinem Freund das Hemd praktisch vom Leibe riss und begann die Wunde notdürftig zu versorgen. Er gab nur einen nichtssagenden Laut von sich, der aber ausreichte, um den anderen zum Weiterreden zu ermuntern.
„Mir ist was ganz Sonderbares passiert. Als ich mit den anderen Arbeitern unterwegs war. Im einen Moment war ich noch in der Kolonne und im nächsten Moment auf einer herrlichen Waldlichtung. Weißt du, so wie es sie früher auf der Erde gab. Ich muss wohl geträumt haben, das nächste, was ich wusste war, dass ich die Peitsche des Aufsehers zu spüren bekam.” Augur verstummte. In Gedanken war erneut auf der kleinen Lichtung und Tränen traten in seine Augen. Das alles war für ihn, für alle Menschen längst verloren. Unerreichbar fern und unwirklich wie ein Traum.


Er hatte Augur nicht geglaubt, hatte es für eine Wunschvorstellung oder vielleicht eine Phantasie geboren aus Erschöpfung gehalten. Doch niemals hatte er dies ernst nehmen können. Es weckte Wünsche, die besser begraben und vergessen blieben.
Ein paar Tage später jedoch war es ihm nicht länger möglich es zu ignorieren.
Seine Gruppe befand sich auf einem ihrer unzähligen Arbeitseinsätze. Ihre Aufgabe war es alles, was noch irgendwie verwertbar war, einzusammeln. Oft stießen sie dabei auf die Überreste von Menschen oder Tieren. Sie hatten sich längst schon daran gewöhnt, waren so abgestumpft, dass sie nicht mehr davor zurückschreckten, sondern die Knochen einfach ignorierten.
Doch als Liam dieses Mal ein Trümmerstück anhob, kam ein Schmetterling darunter hervorgeflattert. Ein tanzender Farbfleck inmitten der grauen Wüste. Es dauerte lange, ehe er überhaupt begriff, was er da sah, noch länger, bis er akzeptierte, dass dies Wirklichkeit war. Ehrfürchtig blickte er diesem winzigen Stück Leben hinterher, bis es plötzlich mitten in der Luft verschwand. Schockiert blickte er sich um, ob vielleicht eine der Wachen dies getan hatte, aber niemand blickte auch nur in seine Richtung. Niemand hatte den Schmetterling gesehen.
War es Einbildung gewesen?
Vielleicht.


An diesem Abend ging er sehr nachdenklich zurück in die Lagerhalle, in der er mit vielen seiner Leidensgenossen untergebracht war, zurück. Das, wie durch ein Wunder, unversehrt gebliebene Gebäude war behelfsmäßig zu einer Art Zellentrakt umgebaut worden. Die Menschen konnten sich problemlos untereinander bewegen, zeigten aber selten den Wunsch dazu. Es gab einfach keinen Grund sich zusammenzufinden, nichts, wovon sie sprechen konnten. Es gab keine Flucht, keine Hoffnung. Nur endlose Arbeit und ewiges Grau, wo einst Leben gewesen war.
Dieses Mal jedoch sah Liam sich um, er sah die Menschen zum ersten Mal an. Und er erkannte eine Veränderung. So subtil war sie, dass sie wohl niemandem aufgefallen wäre, der nicht wusste, wonach er zu suchen hatte.
Es betraf bei weitem nicht alle seiner Leidensgenossen, doch manche von ihnen hatten einen neuen Ausdruck im Gesicht. Einen Ausdruck, den er fast schon vergessen hatte. Sie hatten den Ausdruck von Menschen, die erneut begonnen hatten zu träumen.


Tage vergingen. Und Liam selbst fand sich öfter und öfter in sonderbaren Visionen gefangen. Visionen, aus denen er tränenüberströmt erwachte. Oft brachte er seltsame Dinge von jenen Orten mit. Dinge, die auf der Erde nicht mehr existierten. Muscheln, ganze Arme voll Blumen und Früchte. Und einmal nach einer langen Wanderung am Strand benötigte er eine gute Stunde, um sich von dem feinen weißen Sand zu befreien.

Und nicht immer war er allein in diesen Träumen.

So fand er sich eines Abends nach stundenlanger harter Arbeit plötzlich auf einer kleinen sternenbeglänzten Lichtung wieder. Ein gemütliches Holzfeuer flackerte munter und erfüllte den nächtlichen Wald mit seinem warmen Schein. Grüßend nickte er der anderen Person an diesem Ort zu und erhielt ein rätselhaftes Lächeln in Erwiderung. Tanzende Flammen spiegelten sich golden in sanften Augen wieder. Schweigend saßen sie einander gegenüber, bis Liam ebenso unerwartet wie stets in seine tote Welt aus Schutt und Staub zurückkehrte.

Sie teilten viele dieser ‚Träume’ miteinander, ohne jemals ein Wort miteinander zu wechseln. Vielleicht zweifelten sie beide an der Realität des anderen, vielleicht gab es auch einfach keinen Grund zu reden.


Die verschiedenen Realitäten begannen einander zu überlappen. So konnte es geschehen, dass sich zu den Mahlzeiten ein Spatz im Speiseraum einfand und laut tschilpend seinen Anteil forderte, den ihm niemand verwehrte, so wie auch keiner der Menschen seine Anwesenheit in Frage zu stellen schien.
Menschen begannen einfach davon zu wandern und wurden oftmals meilenweit von ihrem Ausgangspunkt wiedergefunden, ohne dass es eine Erklärung gab, wie sie dorthin gekommen waren. Sie selber kannten offenbar die Antwort nicht und sprachen nur von sonderbaren Visionen, die sie heimgesucht hatten.
Wie sie dabei jedoch selbst durch meterdicke Mauern und stählerne Gitterstäbe gekommen waren, blieb ein Rätsel.

Dann begannen die ersten zu verschwinden. Niemand wusste wohin.
Und obwohl die Jaridians beinahe buchstäblich jeden Stein auf dem Planeten umdrehten, fanden sie nie eine Spur von ihnen.
Für jene, die zurückblieben, wurde die Situation nur immer unerträglicher, sie standen nun Tag und Nacht unter strengster Bewachung. Zu jeder beliebigen Zeit wurden sie aus dem Schlaf gerissen oder in ihrer Arbeitsgruppe gezwungen durchzuzählen. Und immer öfter fehlten dabei Mitglieder ihres Trupps. Liam fragte nicht, wohin sie verschwunden waren oder wann er an der Reihe sein würde. Er wartete einfach.


Eines Tages war das Warten beendet.
Die Unruhe war es, die ihn weckte. Leises verwirrtes Murmeln, das durch den Zellengang echote und von einem unerwarteten Ereignis sprach.
Langsam trat er allein hinaus auf den Gang. Augur war schon vor gut einer Woche gegangen.
Draußen zwischen den Zellen stand ein Taelon. Die schmale, so fragil erscheinende Gestalt war unverhüllt und gestattete einen ungehinderten Blick auf die eleganten Energielinien seines Körpers.
„Da'an.”
Ihre Blicke trafen sich zum ersten Mal seit Jahren und Liam fühlte, wie sein Mund sich zu einem leichten Lächeln verzog, als die Energielinien des Taelons in Erkennen aufleuchteten. Der Alien vermittelte den Eindruck eines Lächelns, als er eine Hand hob und die behutsam geschlossenen Finger langsam öffnete.
Auf der, wie Wasser wirkenden, Handfläche lag eine winzige bunte Feder. Ein fingernagelgroßer Farbtupfer. Er blies sie sanft an und sah zu, wie sie langsam zu Boden taumelte.
Erst dann trat er mit selbstbewusster Grazie auf seinen ehemaligen Beschützer zu.
„Liam.” Da'an nickte ihm grüßend zu.
Der junge Mann wäre dem anderen gern um den Hals gefallen, war sich aber bewusst, dass der Taelon dies nicht geschätzt hätte. So begnügte er sich damit zurückzunicken und seinen ehemaligen Mentor in seine Zelle zu winken.
Schweigend sah er zu, wie der Alien sich aufmerksam in dem beengten Raum umsah. Da'ans Körper leuchtete sanft und erzeugte sonderbare Schatten auf den Wänden.
„Da'an?” Er entschied sich schließlich die Aufmerksamkeit seines Freundes auf sich zu lenken. Als er den Blick der blauen Augen gefangen hatte, fuhr er fort. „Ich dachte, die Jaridians hätten die Taelons vernichtet.”
„Das haben sie auch, Liam. Das haben sie.” Der Taelon wirkte bedrückt. „Es gibt nur noch acht von uns, Liam.”
„Das tut mir ...” der Hybrid unterbrach sich, es schien ihm unangemessen diese zu oft verwendete Phrase zu verwenden. Es gab keine Worte für dieses Grauen und keine Worte als Trost. Die Menschheit schien im Vergleich noch glimpflich davongekommen zu sein, oder vielleicht hatte sie das schrecklichere Schicksal getroffen.
Da'an schien entlang ähnlicher Linien zu denken. „Manchmal frage ich mich, ob es die Menschen nicht schlimmer getroffen hat als mein Volk. Die Meinen sind dem Terror der Jaridians entkommen.”
„Sie sind tot.”
„Ja.” Der Taelon lächelte jenes enigmatische Lächeln, welches ihn den Herzen der Menschen so nahe gebracht hatte und das nichts verriet. Dann wechselte er recht plötzlich das Thema. „Wussten Sie, dass Menschen auf Jaridia und den Raumstationen verschwinden? Die Jaridians sind außer sich.”
„Ich weiß. Apropos, was ist mit Ihnen, wird man Sie nicht vermissen?”
Wieder jenes Lächeln. „Es wird gewiss eine Weile dauern, bis jemand darauf kommt hier nach mir zu suchen. Schließlich müssen sie erst auf die Idee kommen, dass ich mich nicht mehr auf Jaridia aufhalte.”

 

Unter anderen Umständen hätte Liam vermutlich überrascht reagiert, jedoch nicht angesichts dessen, was bisher geschehen war. Für Überraschung war in dieser neuen Realität kein Platz mehr. Vermutlich würden sie beide in ein paar Tagen schon nicht mehr hier sein.
Das Gewebe der Realität wurde immer dünner, an vielen Stellen hatten sich bereits Löcher gebildet und bald würde es vollends reißen. Er konnte die neue Welt fast schon spüren, ihren Atem auf der Haut fühlen. Eine fremdartig schöne, süße Musik schien ihre Luft zu erfüllen und lockte ihn mit dem Versprechen eines verlorenen Paradieses. Er verstand nicht, weshalb der Taelon gleichfalls betroffen schien. Vielleicht bestanden zwischen ihren Völkern mehr Gemeinsamkeiten, als sie jemals geahnt hatten. Vielleicht lag die Ursache aber auch ganz woanders. Es mochte sein, dass die Menschen nicht die ersten waren, die einen solchen Wechsel vollzogen. Vielleicht folgten auch sie nur den Spuren ihrer Vorgänger auf alten Pfaden, die sich im Lauf der Zeit verloren, ihr Ursprung im Dunkel der Vergangenheit verschollen. (An: Meine Güte hab ich das geschrieben? Arg philosophisch, aber na ja.)
Ohne dass es ihm bewusst war, begann seine Umgebung sich zu verändern. Der harte Betonboden wich tiefgrünem regenfeuchtem Moos, anstelle der Wände traten die Stämme uralter Bäume, an deren tiefgefurchter Rinde Wasser perlend herunterfloss. Die Luft war schwer von Feuchtigkeit. Nicht das geringste Gefühl des Ungewöhnlichen begleitete die Feststellung, dass Da'an auf einer der gewaltigen Wurzeln saß und sich mit mildem Interesse umsah. Nur eines war seltsam. Wo immer er sich befand, öfter als nicht war auch Da'an anwesend. Es war dem jungen Hybriden unbegreiflich, wie dies zustande kam. Andere hatten ihm berichtet, dass sie sich niemals mit ihren Lieben gemeinsam wiederfanden, selbst wenn sie Arm in Arm waren, als sich die Realität verschob. Welche Art von Verbindung ließ sie einander stets finden, egal wohin es sie verschlug?
Gerade als er diesen Gedanken zuende dachte, kehrte die Wirklichkeit an ihren Platz zurück. Der Taelon hingegen war verschwunden. Nichts zeugte davon, dass er je da gewesen war.


Die Jaridians begannen nun beinahe stündlich die Quartiere ihrer Gefangenen zu durchsuchen. Die ständigen Verluste an Gefangenen hatten sie nervös gemacht und so waren die Zeiten wenig angenehm für ihre Opfer. Eine falsche Bewegung brachte oft schmerzhafte Bestrafung und mehr als einmal auch den Tod. Der Zorn der Aliens vergrößerte sich nur noch durch die Tatsache, dass nach jeder Durchsuchung mehr Menschen einfach fort waren. Und die Verbleibenden weigerten sich ihre Fragen zu beantworten.


Und dann endeten die Träume ebenso plötzlich, wie sie begonnen hatten. Keine Menschen verschwanden mehr. Keine Zeugnisse einer anderen längst toten Welt erschienen mehr, um sie zu erinnern, wie es einmal gewesen war.
Verzweiflung begann sich breit zu machen. Der Funke Hoffnung, der in ihren Herzen so unerwartet aufgeflammt war, erlosch, wie es schien, für immer. Erneut war die Nacht von den fast lautlosen Klagen jener erfüllt, die alles verloren hatten bis auf ihr nacktes Leben, die Klagen jener, die zurückgelassen wurden, ohne eine Aussicht auf Flucht.


Liam war nicht fähig zu sagen, wie viel Zeit seit dem letzten ‚Vorfall’ verstrichen war. Tag und Nacht waren vom gleichen eintönigen Grau, ununterscheidbar ineinander verwoben. Es hätten Wochen oder Monate sein können. Dem Hybriden war es gleich. Er wartete nur noch auf das unausweichliche Ende, in welcher Form auch immer es kommen würde.


So kam es, dass ihm die Veränderung nicht auffiel, als sie endlich kam. Mit gesenktem Kopf wanderte er inmitten einer Kolonne anderer Sklaven durch die Stadt einem unbekannten Ziel zu, wie schon so oft. Und die Realität begann zu bröckeln. Sie zerbrach Stück um Stück und fiel einfach fort. An ihre Stelle trat eine andere Wirklichkeit.
Tiefblauer Himmel wölbte sich über einem lebenden atmenden Land, in voller Blüte. Tausende von blühenden Bäumen und Sträuchern, Abermillionen von Blumen verliehen der Luft einen süßen Duft, der sich mit der Wärme der Sonne vermischte und wie eine weiche Decke auf dem jungen Mann lag.
Als er aufblickte, fand er Da'an neben sich. Der Taelon schien schon seit einer ganzen Weile neben ihm herzuwandern und darauf zu warten, dass sein ehemaliger Beschützer von ihm Notiz nahm.
Ein verschmitzter Ausdruck vertiefte das natürliche Lächeln auf dem Gesicht Da'ans, als er sprach. „Sie haben sich wirklich viel Zeit gelassen, Liam. Lassen Sie mich bitte nicht noch einmal so lange warten.” Mit diesen Worten und einem Augenzwinkern wandte er sich wieder dem Weg zu, Liam hinter sich zurücklassend. Der junge Mann blickte dem Alien einen Moment lang fassungslos hinterher und begann dann zu lachen. Ein befreites unsagbar glückliches Lachen. Er war Zuhause.

 

ENDE

 

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