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  „Besiege das Schicksal” von Alraune   (Emailadresse siehe Autorenseite)
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Da'ans Erinnerungen holen ihn ein
Zeitpunkt:  Anfang der zweiten Staffel
Charaktere:  Da'an, William Boone, Zo'or, Ha'gel
 

 

BESIEGE DAS SCHICKSAL

 
Kapitel 2:
Erinnerungen

 

Der Tag war voller seltsamer Ereignisse gewesen. Er war von den Toten zurückgekehrt. Das klang so melodramatisch, und doch war es wahr. Er hatte seinen Schutzengel kennengelernt, ausgerechnet die Frau, die ihn doch am meisten hassen sollte, doch sie tat es nicht. Sie hatte ihm eine zweite Chance gegeben, eine Aufgabe, die es zu erfüllen gab. Doch jetzt in diesem Moment wünschte Da'an sich nur, er hätte sich anders entschieden. An jenem Ort, in jenem Augenblick schien die Antwort so klar zu gewesen zu sein. Er musste zurückgehen und den Geschehnissen eine neue Wendung geben, sich bemühen, mit Hilfe seines Wissen eine Änderung zum Guten zu bewirken. Doch jetzt fühlte er sich nur müde und erschöpft. Erneut spürte er wie sich jene Schwere auf ihn legte, die er zu gut kannte. Verbitterung und Resignation, die ihn einhüllten und seine Gedanken verdüsterten. Die letzten Jahre waren für die anderen nie geschehen, doch für ihn schon. Er erinnerte sich an alles und auch an die damit verbundenen Gefühle. Der Taelon fragte sich, ob er fähig wäre, damit fertig zu werden. Wäre er fähig, die Last jener Erinnerungen zu tragen, die Scham, die damit verbunden war? Da'an schlang die Arme um seinen Körper und ließ sich langsam zu Boden sinken. Er sehnte sich nach einer tröstenden Berührung, verständnisvollen Worten, doch es war niemand da. Er war allein. Mit geschlossenen Augen lehnte er sich gegen die Wand, spürte wie ein unkontrollierbares Zittern durch seinen Körper lief. Die Stärke, die er vorhin besessen hatte, war nun fort. Er hatte sie einzig aufgebracht, um Boone zu retten. Das war in jenem Moment sein einziger Gedanke gewesen. Doch jetzt ging ihm erst die volle Tragweite der Ereignisses dieses Tages auf. Es war zu viel für ihn. Viel zu viel. Ein leiser Seufzer entfloh seinen Lippen, als er sich noch enger an die Wand schmiegte. Er spürte andere Taelons, die sich ihm über das Gemeinwesen näherten, neugierig wegen seines seltsamen Verhaltens. Er konnte es ihnen nicht erklären, seine Erinnerungen waren nur für ihn, sie zu teilen war unmöglich. Das wollte er auch gar nicht, zu viel Leid war darin enthalten. Leid, das ihn überwältigte, von Minute zu Minute mehr. Energisch schottete er sich von den anderen ab, machte deutlich, allein sein zu wollen. Zögernd wichen sie zurück, taten seinem Wunsch Genüge. Da'an fühlte nun nur noch sich selbst und den Schmerz. Tränen liefen über seine Wangen, glommen sanft im Halbdunkel des Abends.


Boone schritt langsam, fast widerwillig, durch die Gänge der Botschaft. Er verspürte nicht den Wunsch Da'an, gegenüberzutreten. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte.
Da'an wusste alles!
Er wusste, dass sein Beschützer und seine Pilotin Mitglieder des Widerstandes waren. Und er hatte nichts gesagt, niemandem Mitteilung erstattet.
Warum?
Warum sollte Da'an das für sich behalten? Gut, er und der Taelon waren Freunde, und er wusste auch, dass Da'an Lili sehr schätzte, doch war es ihm unverständlich. Die Synode hatte sich deutlich gegen den Widerstand ausgesprochen, und sein Freund brachte sich selbst in große Gefahr durch sein Stillschweigen. Weshalb sollte er ein solches Risiko eingehen? Seine Wertschätzung der Menschen konnte einfach nicht so weit reichen. Oder?
Zutiefst verunsichert näherte der Beschützer sich dem Büro des Companions.
Die Ereignisse, die denen in der Kirche folgten, waren ebenfalls alles andere als beruhigend.
Agent Beckett hatte neun Stunden nach dem ‚Vorfall’ mit Ha'gel einen Sohn geboren. Ein völlig normales Kind, so schien es auf den ersten Blick, doch dann war er mit großer Geschwindigkeit zu einem augenscheinlich Vierjährigen weiterentwickelt. Die ersten Worte des Kindes waren ebenso überraschend wie eindeutig.
„Liam. Mein Name ist Liam.”
Dann war er wieder in Schweigen verfallen. Seine Intelligenz war offensichtlich gewesen. Medizinische Tests hatten ergeben, dass seine DNA über eine Dreifachhelix verfügte. Zwei der Stränge waren menschlich und einer Kimera. Gut eine Stunde später hatte Liam einen erneuten Wachstumsschub durchlitten. Seine derzeitige Erscheinung glich der eines Manne von Anfang dreißig. Da niemand wusste, was man nun mit ihm machen sollte, hatten sie ihn vorerst der Obhut Augurs überlassen, der darüber durchaus erbaut zu sein schien. Der Hacker genoss es augenscheinlich, sich um jemanden kümmern zu können. Trotzdem blieb die Frage offen. War der Mischling nun ein Freund oder ein Feind? Konnte man ihm vertrauen oder war es besser, ihn zu vernichten? Gesetzt dem Falle, dass letzteres nötig war, wie würde Ha'gel reagieren? Sicher wäre er nicht sehr begeistert. Offen war ebenfalls, was aus Beckett werden sollten. Ihr CVI degenerierte zusehends. Um ihr Leben zu retten, müsste man sie neu implantieren. Doch konnte man sie nicht so ohne weiteres zu den Taelons zurückschicken, sie würde den Widerstand verraten.
Das zu Zeit größte Problem war allerdings der Auslöser des Ganzen. Ha'gel. Der Kimera war weiterhin verschwunden. Da Sandovals ‚Kokon’ noch immer im Keller der Botschaft residierte, war es klar, dass Ha'gel sich für den Agent ausgab. Wie lange glaubte er das durchhalten zu können? Und welchen Grund hatte er dafür? Auch in Ha'gels Fall war nicht klar, ob man ihm vertrauen konnte.

Boone hatte während seiner Überlegungen sein Ziel erreicht, doch es war niemand da. Wo war Da'an? Er hatte die Botschaft nicht verlassen.
Vielleicht war er in seinem Quartier.
Der Mann begab sich dorthin. Vor dem Quartier angekommen, zögerte er kurz. Er wusste nicht, ob er dort willkommen war. Da'an hatte ihn nie aufgefordert, ihm dort Gesellschaft zu leisten. Vielleicht schätzte der Taelon seine Privatsphäre ebenso wie die Menschen?
Diese Gedanken waren ohne Belang, so lange er nicht wusste, ob Da'an tatsächlich da war. Er würde einfach eintreten müssen. Klopfen hatte bei jenem Biomaterial keinen Sinn, und anders konnte er auch nicht auf sich aufmerksam machen. Behutsam machte er jene Geste, die er bei dem Taelon so oft gesehen hatte, zu seiner Überraschung öffnete sich die Tür sofort und ließ ihn ein.

Es dauerte einige Sekunden, bis sich die Augen des Mannes an das Halbdunkel angepasst hatten. Das erste, das er wahrnahm, war ein bequemer Sessel neben einem kleinen Tisch, voll mit Büchern. Da'an schien viel und gern zu lesen. Eine Überraschung, denn obwohl Boone wusste, dass der Taelon die menschliche Kultur studierte, hatte er nicht angenommen dass Da'an die Literatur der Menschen schätzte. Und das schien der Fall zu sein. Viele der Bände wirkten, als seien sie mehr als einmal gelesen worden. Die Vielfalt der Themen war verblüffend, Wissenschaft, Poesie, Goethes Werke, Überlebenstips für die Wildnis, an dieser Stelle schmunzelte Boone leicht, vereinzelte Romane und ... Science Fiction? Seit wann las er denn so etwas? Der Beschützer beschloss, diese Frage später zu klären, erst musste er den Taelon finden. Aufmerksam suchten seine Augen den Raum ab, doch konnten zuerst nichts entdecken. Boone schritt weiter durch die Kammer, in dem Bemühen nichts zu übersehen. Dann fand er Da'an. Der Taelon lag, eng an die Wand gekuschelt, in einem Winkel. Die schlanken Arme fest um seine Knie geschlungen, als suche er Trost bei sich selbst.
Boone war entsetzt, noch nie hatte er Da'an so gesehen. So hilflos und verwundbar. Stark regte sich der Beschützerinstinkt in ihm. Er wollte seinem Freund helfen, ihn von seinem Kummer befreien. Aber wie es anfangen? Er hatte keine Ahnung, wie Da'an auf seine Anwesenheit reagieren mochte, bisher schien er ihn nicht bemerkt zu haben. Vielleicht sollte er auch einfach gehen und ihn sich selbst überlassen? Nein. Boone wusste, dass er das nicht konnte. Der Taelon litt aus irgendeinem Grunde, und der Beschützer war entschlossen ihm zu helfen.
Langsam trat er näher heran. Der Taelon rührte sich noch immer nicht. Vorsichtig kniete der Mann sich neben Da'an nieder. Noch immer keine Reaktion, obwohl der Taelon wissen musste, dass Boone da war. Dann sah er es und hielt vor Schreck und vor Staunen den Atem an.
Tränen!
Da'an weinte!!
Boone konnte nicht anders. Vorsichtig zog er den Taelon in seine Arme. Die möglichen Konsequenzen waren ihm in diesem Moment völlig egal. Was auch immer der Grund war, er konnte Da'an nicht im Stich lassen. Zu kostbar war ihm die Freundschaft zu dem Alien, der inzwischen einen Grossteil seines Lebens ausmachte. Ohne Da'an wäre auch er einsam.
Der Companion reagierte noch immer nicht, weder zustimmend noch ablehnend, ließ es still geschehen. Boone schmiegte den schlanken, heftig zitternden, Körper an sich, so dass Da'ans Kopf auf seiner Brust zu ruhen kam. Sanft wischte er ihm anschließend die Tränen aus dem Gesicht. Er hatte nicht gewusst, dass Taelons weinen konnten. Er wusste so vieles nicht. Konnte er hoffen, es jemals in Erfahrung zu bringen? Er konnte es nicht sagen, aber er würde für seinen Freund da sein, so lange dieser ihn brauchte. Behutsam lehnte er sich nun gegen die Wand, hielt Da'an in einer festen Umarmung.


Zur selben Zeit
Mutterschiff

Es herrschte große Aufregung. Die Übertragung eines Replikanten war aufgefangen worden. Leider hatte man nicht verhindern können, dass die Nachricht ihren Bestimmungsort erreichte. Das andere Problem war der Replikant selbst. Die Maschine würde sich daran machen, jeden Taelon auf dem Planeten zu finden und zu töten. Die meisten Botschafter waren inzwischen zurückgerufen worden, doch Da'an war nicht zu erreichen, er verweigerte jeden Kontakt, sein Geist war dem Gemeinwesen völlig verschlossen.
Zo'or hatte inzwischen ein ganz eigenes Problem in Gestalt seines Beschützers. Agent Sandoval benahm sich wie immer und doch war er irgendwie verändert. Zo'or war es nicht möglich, eine klare Aussage zu treffen, es war einfach so. Der junge Taelon fühlte sich plötzlich unwohl in der Gegenwart des Mannes. Vielleicht sollte er sich einen anderen Beschützer suchen? Nein, das wäre ein Zeichen von Schwäche, und so etwas würde er niemals zulassen. Dann doch lieber das Unbehagen erdulden. Er richtete sich auf, straffte seine Gestalt noch mehr. Doch er konnte nicht verhindern, dass sein Blick erneut zu Agent Sandoval glitt, wieder liefen ihm Schauer über den Rücken. Selbst Boone wäre ihm im Moment lieber, doch der war nur gegenüber Da'an wirklich loyal. Verdruss begann sich in ihm breit zu machen.

Ha'gel war amüsiert. Dieser Taelon, Zo'or, spürte, dass etwas anders war und versuchte vergeblich sein Unbehagen zu verbergen. Vielleicht wäre es besser, wenn er in den Dienst Da'ans ‚zurückkehrte’. Aber nicht sofort. Ein Weilchen wollte er dieses Spektakel noch genießen, er hatte schon lange nicht mehr solchen Spaß gehabt. Trotzdem musste er vorsichtig sein, die Gefahr entdeckt zu werden war immens. Es würde seinen sofortigen Tod bedeuten, wenn die Taelons herausfanden, wer sich da mitten unter ihnen befand. Und er hatte eigentlich noch nicht vor zu sterben. Er wusste um die Geburt seines Sohnes. Die Frau, Shioban, hatte ihn Liam genannt. Ha'gel hoffte ihn kennenzulernen. Doch war die Wahrscheinlichkeit dafür eher gering, da er beabsichtigte, vorerst Agent Ronald Sandoval zu bleiben. Sein Sohn hingegen würde sich wohl stets verstecken müssen, seine Gene verrieten ihn. Ihre Wege würden sich also nur durch Zufall kreuzen. Mit einem lautlosen Seufzer wandte er sich seinen neuen Pflichten zu, es gab viel zu tun. Er war beauftragt worden, den Replikanten zu finden, eine leichte Übung. Doch wäre es nicht gut, wenn er zu schnell fertig wurde, also auf die menschliche Art und Weise. Es würde vermutlich die ganze Nacht dauern.


Der nächste Morgen
Nordamerikanische Botschaft, Washington

Das Zittern hatte irgendwann in der Nacht aufgehört, ebenso die Tränen. Es schien, dass Da'an zur Ruhe gekommen war, doch er hatte noch immer nicht gesprochen. Er verharrte im Schweigen, und so sagte auch Boone nichts. Vielleicht war es für Da'an wichtig.

Doch schließlich wurde es nötig zu sprechen.
„Da'an, es wird Zeit. Wir müssen zu unseren Pflichten zurückkehren.”
Eine lange Stille, es schien, dass der Taelon die Entgegnung gründlich erwog.
„Wollen Sie eine ehrliche oder eine vernünftige Antwort darauf?” fragte er schließlich leise.
Jetzt war es an Boone zu überlegen. „Beides bitte”, meinte er schließlich.
„Nun, die ehrliche Antwort wäre, dass ich gern bleiben würde wo ich bin und mich der Rest der Welt im Augenblick nicht interessiert. Die vernünftige Antwort ist, dass Sie völlig recht haben und wir aufstehen sollten, bevor uns jemand so findet. Die Tür ist nach wie vor nicht verschlossen.” Ein leichter Seufzer folgte diesen Worten. Dann stemmte Da'an behutsam beide Hände gegen den Brustkasten des Mannes und schob sich weg von ihm in eine sitzende Haltung. „Es ist besser, wenn ich der Vernunft folge leiste.” Damit erhob er sich entgültig. Boone folgte seinem Beispiel. Keiner der Beiden wollte im Moment über die vergangene Nacht sprechen, so blickten sie einander wortlos an.
In diesem Moment erscholl ein lauter Alarm.
„UNBEKANNTER EINDRINGLING, UNBEKANNTER EINDRINGLING”, wiederholte die emotionslose Computerstimme ständig. Da'ans Reaktion verblüffte Boone allerdings sehr viel mehr.
„Shabra!!! Der Replikant!!! Den hatte ich ganz vergessen.”
Das waren nicht unbedingt die Worte, die der Beschützer erwartet hatte.

 

Ende von Kapitel 2

 

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