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  „Nacht der Erinnerung” von Alraune   (Emailadresse siehe Autorenseite), 2002
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Zehn Jahre sind seit der Vernichtung der Atavi vergangen und Liam macht sich auf den Weg seine Großeltern zu besuchen, wird durch einen Sturm jedoch vom Weg abgebracht.
Zeitpunkt:  10 Jahre nach der 5. Staffel
Charaktere:  Liam, Maellen O'Cuire
 

 

NACHT DER ERINNERUNG

 

Eiskalter Regen peitschte ihm ins Gesicht und machte es zusammen mit der hereinbrechenden Dunkelheit nahezu unmöglich den Weg zu erkennen.
Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen stapfte der Mann durch die schmalen Straßen des kleinen Dorfes, bis er schließlich ein Gasthaus fand.
Der pure Zufall hatte ihn in diesen Teil Irlands verschlagen. Er hatte seine Großeltern besuchen wollen, war jedoch aufgrund des Sturmes vom Weg abgekommen und hatte sich, nachdem sein Wagen im Schlamm steckengeblieben war, gezwungen gesehen zu laufen.
Entsprechend dankbar war er, als sich die warme Luft im Inneren des Hauses um ihn schloss, und seine eisige Haut erwärmte.
Sich innerlich ein paar trockene Hosen herbeiwünschend wand er sich zähneklappernd aus der dicken Winterjacke und beschloss sich einen warmen Tee mit einem tüchtigen Schuss Rum und eine warme Mahlzeit zu bestellen. Er hatte seit dem Morgen nichts mehr gegessen.
Auf dem Weg zur Theke nahm er das Innere des Hauses zum ersten Mal genauer in Augenschein.
Der Innenarchitekt schien auf das Medium Holz gesetzt zu haben. Sämtliche Möbel, der Boden und die Decke bestanden daraus, selbst die Wände waren nahezu vollständig holzverkleidet.
Dem Raum wurde dadurch eine sonderbare Gemütlichkeit verliehen.
Wie es schien, war das Inn auch die Stammkneipe der Einheimischen. An mehreren Tischen saßen sie, ein Bier vor sich, billige Zigarren im Mund, kartenspielend, sich streitend und versöhnend.
Sie genossen ihren Feierabend, nach der zweifelsohne harten Arbeit des Tages.
Der Mann seufzte leise.
Er genoss sein Leben nicht halb so sehr wie diese Leute ihres.
Sein Dasein bestand hauptsächlich aus Pflichten und einer Ehefrau, mit der er sich längst schon auseinandergelebt hatte. Ihrer Verbindung waren zu seinem großen Kummer keine Kinder entsprungen, die seinen Alltag hätten aufhellen können.
Renée hatte keine gemeinsamen Nachkommen gewollt.
Schwer ließ er sich auf einem der Barhocker nieder.
Erneut fiel sein Blick auf die so unbekümmert Feiernden.
Wann hatte er zum letzten Mal so mit seinen Freunden zusammengesessen? Es war schon Jahre her, und Monate waren verstrichen, seit er das letzte Mal mit Street oder Augur gesprochen hatte.
Sein Leben war so leer geworden.
„Was darf ich Ihnen bringen?” Eine Frau von vielleicht Mitte dreißig lächelte ihn über den Tresen hinweg sanft an. Ihre dunklen Augen hießen ihn wortlos willkommen.
Wie lange war es her, dass ihn zum letzten Mal jemand mit einem so warmen und offenen Gruß bedacht hatte? Bei denen, die ihn kannten, lag bei jeder Begegnung irgendwo im Hintergrund ein unabänderliches Misstrauen gegenüber dem Teil in ihm, der ein Alien war.
Der einzige, der ihn stets so arglos begrüßt hatte, war Da'an gewesen.
Nein, dahin wollte er jetzt nicht gehen.
Eine Hand wurde vor seinem Gesicht hin und her gewedelt und holte ihn schließlich von seiner Wanderung auf der Straße der Erinnerung zurück.
„Hm?”, brummte er etwas neben sich stehen.
„Entschuldigen Sie bitte, ich wollte Sie sicher nicht stören, nur wüsste ich gern, was Sie bestellen wollen?”
„Oh ja, richtig. Ich nehme als Getränk bitte eine heiße Zitrone mit schwarzem Tee und einem Schuss Rum, bitte.”
„Honig dazu?”
„Ja, das wäre nett. Und dazu noch eine Suppe.”
Mit einem Nicken und einem weiteren Lächeln verschwand die Frau durch eine Tür in den hinteren Bereich des Gasthauses. Nur Minuten später erschien sie wieder, eine fast randvolle riesige Tasse in beiden Händen balancierend. Sie stellte die Tasse vor ihm ab und kehrte gleich darauf mit einem Teebeutel und einem großen Glas Honig zurück. Der dritte Gang bescherte Liam schließlich ein warmes Stew.
„Wenn Sie noch weitere Wünsche haben, rufen Sie einfach.” Und wieder dieses Lächeln.
Überrascht stellte Liam fest, dass er sich plötzlich besser fühlte.
Es war, als sei ein Teil von ihm nach Hause gekommen.
Langsam begann er zu essen und nahm dazwischen hin und wieder einen Schluck des wirklich köstlichen Tee-Getränks.
Es war sonderbar, doch je mehr er darüber nachdachte, so war es doch nicht der Raum, der dieses Heimatgefühl auslöste, sondern vielmehr die Bartenderin. Sie erinnerte ihn an den einzigen Elternteil, den er jemals gehabt hatte, wenn sie auch keine genetischen Bande teilten.
Vielleicht war es ihre Begrüßung, die diese alten Erinnerungen wieder erweckte. Erinnerungen, die er jahrelang unterdrückt hatte und die sich nun nicht länger zurückhalten ließen.
„Da'an ...” Das leise Wort war kaum mehr als ein Seufzer, der Taelon, der diesen Namen trug, lange schon auf die nächste Ebene gewechselt.
„Haben Sie etwas gesagt?”
Die Bartenderin hatte ihn offensichtlich gehört, aber wohl nicht verstanden.
„Ne... Ja. Ich habe gerade an einen alten Freund gedacht.”
„Jemand, der Ihnen viel bedeutet hat?” Tonfall und Mimik der Frau brachten aufrichtiges Interesse zum Ausdruck. Liam hatte plötzlich den Wunsch sich mit ihr zu unterhalten.
„Ich habe ihm nie gesagt wie viel. Und ich bedaure das heute sehr.”
„Möchten Sie mir von ihm erzählen?”
Einen langen Augenblick lang blickte Liam die Frau nur in wortlosem Erstaunen an. Niemand hatte ihn je aufgefordert über seinen ehemaligen Mentor zu sprechen, niemand war je bereit gewesen zuzuhören. Bis auf diese Fremde, die sich gerade in einer unbewussten Geste das schulterlange dunkelbraune Haar aus dem Gesicht strich und ihn ermunternd anlächelte. Mehr brauchte er nicht als Bestätigung, er begann zu sprechen.
Liam erzählte nicht von Da'an, dem Nordamerikanischen Companion und Mitglied der Synode, sondern von seinem Freund. Einer Person mit Angewohnheiten und Eigenheiten, die ihn manchmal wahnsinnig machten. Er berichtete von glücklichen und traurigen Momenten, die sie beide geteilt hatten. Begebenheiten aus einer Zeit, als Lili noch bei ihnen war und seine Welt im Gleichgewicht.
Er merkte kaum, wie ihm Tränen in die Augen traten und schließlich über seine Wangen flossen.
Schließlich verstummte er. Die Bartenderin hatte ihm zugehört ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen. Jetzt zog sie irgendwo ein Taschentuch hervor und begann behutsam seine Wangen zu trocknen.
„Ihr Freund war sicher ein wunderbarer Mensch.” Sie lächelte sanft. Überraschenderweise sah Liam sich geneigt zuzustimmen. Da'an war so menschlich gewesen, wie es ihm als Alien nur möglich gewesen war.
„Ich danke Ihnen.” Liam lächelte sie an. „Aber ich fürchte, ich muss jetzt wieder los.” Er machte Anstalten seine Brieftasche herauszuziehen, wurde jedoch aufgehalten.
„Lassen Sie, das geht aufs Haus.”
„Dann danke ich Ihnen noch einmal.” Der Kimera-Hybrid erhob sich.
„Warten Sie. Sie wollen doch wohl nicht wieder in diesen Sturm rausrennen?”
„Ich muss. Mein Wagen steckt fest und ich muss ihn freikriegen, bevor er ganz im Schlamm versinkt.”
Die Bartenderin lachte leicht. „Sie müssen gar nichts. Sie werden hier übernachten und morgen früh werden Ihnen ein paar der Männer aus dem Ort helfen Ihr Auto freizubekommen.”
Ein allgemeines „Yepp” ertönte aus dem Hintergrund und bewies, dass der Austausch zwischen ihnen Gegenstand des allgemeinen Interesses war.
Liam überlegte einen Moment. Eigentlich wollte er wirklich nicht wieder in diesen Regen hinaus, und die Aussicht auf ein warmes Bett erschien verlockend.
„Also gut. Ms?”
„O'Cuire. Maellen O'Cuire.”
„Erfreut Ihre Bekanntschaft zu machen.” Liam beugte sich über den Tresen und reichte ihr die Hand. Als sie seinen Gruß erwiderte, bemerkte er den schlichten goldenen Ring an ihrem Finger. Sie war verheiratet. Überrascht bemerkte er die tiefe Enttäuschung, die ihn bei diesem Gedanken befiel. Hastig unterdrückte er dieses Gefühl. Hier war seine Chance einen Teil dessen zurückzugewinnen, was er mit Da'an verloren hatte, und wenn dies bedeutete, dass sie beide nie etwas anders als Freunde sein würden, sollte es eben so sein.
„Mein Name ist Liam. Liam Beckett.”

 

ENDE

 

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