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  „Weite Wege” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Juni 2004
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Zusammenkunft der Synode / Unerwartetes Ergebnis
Zeitpunkt:  ab kurz vor dem Ende der dritten Staffel
Charaktere:  Da'an, Zo'or, T'than, Rhe'on, Augur, Liam Kincaid (andere Synodenmitglieder)
 

 

WEITE WEGE

Kapitel 5

 

Die Synode war vollzählig versammelt in ihrem riesigen Raum auf dem Mutterschiff, der ausschließlich derartigen Anlässen vorbehalten war. Alle Taelon, die über eine menschliche Fassade verfügten, hatten diese abgelegt und sich dem, was sie gemeinsam formten, geöffnet, in stabiler energetischer und mentaler Verbindung miteinander, was das Selbe war.
„Diese Zusammenkunft ist einberufen, um einen Überblick über die Situation an der Front sowie über den Erfolg sämtlicher aktuell laufender Projekte zu erstellen”, eröffnete Zo'or, Führer seiner Rasse, die Sitzung. „T'than, ich erwarte zunächst Deinen Bericht, dann wünsche ich Mit'gais Darlegung der Fortschritte der Experimente mit Humanobjekten bezüglich Verbesserung von Kampftauglichkeit und größtmöglicher Angleichung der Intellektleistung. Daran anschließend erwarte ich von Dir, Da'an, Daten über die aktuelle Akzeptanz unserer Maßnahmen für die Menschen und gegebenenfalls Aktionsvorschläge zur Eindämmung auftretenden Widerstandes, und danach hat Rhe'on Rechenschaft über den Schiffsstatus abzulegen - mir ist zugetragen worden, es sei zwischenzeitlich zu Unregelmäßigkeiten bezüglich der Bewaffnung gekommen ...”
Er musterte jeden einzelnen Angesprochenen kalt, ihre jeweiligen mehr oder weniger bewußten Reaktionen darauf sehr genau registrierend.
Der Kriegsminister schaute herausfordernd zurück, der leitende Heiler wandte den Blick ab, sein Elter, der nordamerikanische Companion, strahlte die übliche scheinbar unerschütterliche Gelassenheit aus und Rhe'on schien ihn gar nicht wahrgenommen zu haben, da er gerade mit einem offenen Datenstrom beschäftigt war.
Mit'gais Reaktion befriedigte ihn - die Furcht, die der Heiler permanent vor ihm zu empfinden schien, sorgte dafür, daß dieser seinen Forderungen stets gerecht zu werden wünschte, während T'than aus seiner Gegnerschaft dem Synodenführer gegenüber kaum einen Hehl machte. Die Undurchschaubarkeit, die sein Elter so gern zur Schau trug, paßte ihm ebenso wenig wie des führenden Schiffs- und Gebäudebiotechnikers offensichtliche Gleichgültigkeit - die er sich Letzterem allerdings nachzusehen gezwungen sah, da dieser mehr Zeit mit der mentalen Überwachung dieser Nutzwesen verbrachte als mit Seinesgleichen. Nach der Abtrennung war er der Einzige, der diese Aufgabe beherrschte. Die übrigen Taelon, die ihm halfen, das Schiff zu steuern und die Gebäude zu warten, waren kaum in der Lage, über ihren jeweiligen eingegrenzten Aufgabenbereich hinaus zu schauen oder gar zu agieren.

Der Kriegsminister zog mit einem rotvioletten Energieimpuls, den er in die mentale Einheit gab, die Aufmerksamkeit auf sich.
„Zo'or, es gelingt uns nach wie vor, die Raumsektoren, die wir noch besitzen, gegen die Jaridian zu halten - diese haben ihre Angriffe auf ein lächerliches Minimum heruntergefahren; das Massenaufgebot, mit dem sie uns in den letzten hundert Zyklen so zurückgeworfen haben, scheint ihnen endgültig auszugehen. Wahrscheinlich sterben ihnen inzwischen die Kämpfer weg, bevor sie überhaupt einsatzfähig sind. Die letzten Gefangenen, die wir gemacht haben, waren keine zwanzig Zyklen alt, aber verbraucht, als hätten sie achtzig davon hinter sich. Die Stoffwechselstörung, unter der sie leiden, ist offenbar immer noch progredient, und das ist die beste Nachricht, die die jüngsten Entwicklungen an der Front bisher gezeitigt haben.”
Eine dünne pulsierende weiße Schwingung ging ringförmig von ihm aus, Befriedigung ausdrückend.
„Wir brauchen mehr Kämpfer, unbedingt - Zo'or, das Grundenergieproblem halte ich wirklich für zweitrangig. Wir brauchen hochleistungsfähige, ausdauernde Implantierte; unser Zhawi- und Fünfgliedrigen-Nachschub reicht nicht aus - wenn uns da draußen ständig ein größeres Kontingent Menschen zur Verfügung stünde, könnten wir damit beginnen, die Jaridian wieder zurück zu drängen und die angebliche Energiequelle, mit denen sie die Abtrünnigen in die Falle gelockt haben, gegebenenfalls einfach erobern. Die Jaridian werden weniger und weniger - und diese Welt da unten trägt über acht Milliarden zukünftiger ...”
„Mäßige Dich, T'than”, dämpfte der Synodenführer die flammend roten Energiewogen, die von dem Sprechenden ausgingen. „Wenn ich Mit'gais Bericht gehört habe, kann ich Dir auf Deine Forderungen antworten.”
Dieser öffnete einen Datenstrom.
„Es ist uns gelungen, die Implantate für die als Kämpfer vorgesehenen Menschen und humanen Biosurrogate erneut erheblich zu verbessern”; ließ der führende Heiler die Seinen wissen. „Wir konnten ihre genetisch programmierte primitive Zerstörungswut, Gier und Rachsucht nicht nur ausbauen, sondern darüber hinaus dem straffsten Motivationsimperativ unterstellen, der je ein CVI regiert hat. Derart Implantierte verhalten sich wie Zhawi - das eigene Leben bedeutet ihnen überhaupt nichts mehr, sie haben nicht einmal mehr ein Bewußtsein dafür. Sie löschen alles und jeden aus, der auch nur im Ansatz gegen uns sein könnte. Das Problem, das noch nicht zur vollen Zufriedenheit gelöst ist, ist die immer noch nicht ausreichende Materialbelastbarkeit - die Physis der Implantierten ist zu anfällig für Verletzung und zu rasch verschlissen. Werfen wir tausend in den Kampf, überstehen das nicht einmal hundert im aktionsfähigen Zustand für eine ausreichend lange Zeit. Wir experimentieren nach wie vor mit jaridianischer DNS, ebenso wie mit der von Fünfgliedrigen und Gepanzerten, aber die bisherigen Hybriden sind noch nicht wirklich zufriedenstellend, die Gepanzerten-Kreuzungen versprechen allerdings das Meiste. Das bedeutet im Prinzip, wir können zahlenmäßig bereits liefern, was Du forderst, T'than - an der gewünschten Qualität wird gearbeitet.”
„Mit'gai, können Deine Projektgruppen die doppelte Menge dessen liefern, was ich an Material benötige? Damit wäre schon ein Fortschritt ...” Wieder ging Flammendrot von dem Kriegsminister aus.
„Schweig’, T'than - ich habe gesagt, ich muß Mit'gais Bericht anhören, und damit meine ich anhören bis zum Ende.” Zo'ors eisiger Blick ließ den Angesprochenen einmal mehr unbeeindruckt, was den Synodenführer wütend machte - und das durfte hier niemand merken ... Er strahlte bewußt kaltes Blau aus, in langsamer Bewegung, und wandte sich wieder Mit'gai zu.
Dieser schaute unsicher zwischen ihm und dessen Gegner hin und her, schloß dann etwas fahrig den Datenstrom und ließ mit einer weiteren Geste einen neuen erscheinen.
„Ich bin Dir sehr dankbar, Zo'or, daß Du Dich, trotz der Ereignisse um Rho'ha damals, letztendlich doch entschlossen hast, Taelon-Mensch-Hybrid-Experimente wieder zu gestatten. Allein durch den Einsatz von Taelon-Energie, verbunden mit einer weiteren neu entwickelten Sorte von Implantaten, konnte es gelingen, in mehreren sehr sorgsam ausgesuchten Humanobjekten die reine Intellektleistung zu verhundertfachen ... Erzeugung von Grundenergie ist eine wissenschaftliche Leistung, die enorme Flexibilität des Denkens erfordert - wir müssen herausfinden, wie genau sie beschaffen ist und woraus sie neu entstehen kann, da wir über dieses Wissen nicht mehr verfügen. Es muß primitive Quellen dafür gegeben haben, denn nur dank ihr konnten wir uns zu dem entwickeln, was wir sind, also nutzen wir Hirne, die im Primitiven wurzeln ... Die menschliche Physis hält allerdings nur begrenzte Mengen dieser Energie aus - die erfolgreich erzeugten Hybriden sind leistungsstark, aber kurzlebig ...”
In den fließenden Daten tauchte ein Bild auf - das Bild eines Wesens mit einem überproportional großen Schädel, hervorquellenden blauen Augen und merkwürdig verkrümmten Gliedmaßen an einem schmächtigen Rumpf, schwebend in einem Tank voll transparenter Flüssigkeit. Es war mit verschiedenen Gerätschaften außerhalb des Tankes verbunden, unter anderem mit etwas wie einem Bildschirm, wie ihn Menschen herstellten, über den taelonische Schrift flimmerte.
„Das ist das Interface”, erklärte Mit'gai, darauf deutend. „Wie gesagt, leistungsstark, aber sie halten nicht lange - auch hier arbeiten wir an beständiger Verbesserung.”
Der Tonfall des Heilers hatte sich zum Ende seiner Ausführungen hin deutlich verändert, ebenso wie die energetischen Muster, die er ausstrahlte - Furcht vor Nichtgenügen/Wunsch nach Anerkennung bestimmten das Bild, das er abgab ...
Zo'or wollte gar nicht verhindern, daß die anderen die Verachtung mitbekamen, die das in ihm auslöste.
„Ich habe Dich gehört, Mit'gai”, gab er in das gemeinsame Ganze. „T'than, Deiner Forderung wird stattgegeben - Mit'gais Projektgruppen werden Dich mit dem doppelten Kontingent dessen, was Du benötigst, beliefern - ich denke, das ist erfolgversprechend. Da'an?”
Sein Elter erhob sich von seinem Stuhl.
„Ich bedaure sehr, nicht ebenso gute Nachrichten für Dich zu haben wie meine beiden Vorredner”, ließ er ihn wissen, unterstrichen von fließenden Handbewegungen und eben solchen Energiemustern in Blau- und Violett-Tönen. „Unmut und Widerstand gegen uns sind in der letzten Zeit sehr gewachsen, und das nicht nur in Rand- und Untergrundgruppen - weltweit beginnen auch führende Kreise, uns in Frage zu stellen. Seitdem irgendwann durchgesickert ist, daß wir den Jaridian nicht in dem Maße überlegen sind, wie wir es gern wären, fürchten Menschen um die Sicherheit ihres Planeten - nicht alle glauben, trotz unserer vielfachen eindrucksvollen Demonstrationen, daß unsere Waffen wirksamen Schutz darstellen beziehungsweise das Bündnis mit uns ein solcher sei ...Und wenn ich das richtig sehe, bereitet uns nicht nur das Schwierigkeiten, sondern wir werden auch von unseren Feinden auf eine neue Weise bedroht.”

Zo'or und alle anderen wandten ihm volle Aufmerksamkeit zu, die Energie durchzog mit einem Mal eine gewisse Spannung mit silbrigen dünnen, straffen Linien.
„Es scheint, als hätten die Jaridian - Wege gefunden, das Gemeinwesen als solches anzugreifen, und zwar - mental.” Da'an öffnete jetzt seinerseits einen Datenstrom, der das Symbol der Tiefdenkenden-Kaste zeigte, bevor die Zeichen, die den Mythos über die beiden Avatare lebendig werden ließen, eine Kaskade im Raum bildeten.
Er berichtete von dem, was ihm seit einiger Zeit während der Regeneration widerfuhr - seit das Gemeinwesen nur noch so wenige der Seinen umfaßte.
Was er die Anderen wissen ließ, löste Unbehagen, Furcht und Empörung aus, wobei sich alle bemühten, sich alles bis auf Letzteres keinesfalls anmerken zu lassen.
Zo'or war der Einzige, der scheinbar die Ruhe bewahrte. Er bemühte sich, den Triumph, den er empfand, zu verbergen - Triumph darüber, daß es etwas gab, das sein Elter spürbar in den Grundfesten erschütterte ...
„Da'an, ich halte ausgerechnet die Jaridian dazu schlicht für nicht fähig. Sie haben ihre geistige Entwicklung nie vorangetrieben - wie, bitte schön, sollen sie jetzt plötzlich in der Lage sein, uns mental anzugreifen? Über eine derartige Entfernung?”
„Zo'or, wie willst Du ausschließen, daß sie sich in all der Zeit zwar vielleicht nicht weiterentwickelt, aber eine Waffe geschaffen haben, die zu Derartigem in der Lage ist? Wie willst Du ausschließen, daß sie sich die Abtrünnigen gefügig gemacht haben oder sie schlicht benutzen?”
Eine Woge aus Abscheu und Ekel flutete durch die Verbindung aller, gelblich Energielinien zusammenziehend.
„Glaubt mir, eingebildet habe ich mir das mißlingende Mich-Öffnen in das Gemeinwesen hinein und die Folgeerscheinungen mit Sicherheit nicht ...”
„Da'an, kann es sein, daß Du vielleicht schlicht nur Mit'gais Hilfe benötigst? Färben die Menschen, mit denen Du Dich so oft und gern umgibst, auf Dich ab? Man sollte dem Objekt, das man studiert, nie zu nahe kommen - das hast Du mich gelehrt ...” Der Synodenführer ließ seinen Spott gleißend blau Gelbliches weg brennen.
„Bitte ...” Der ruhige, kraftvolle Impuls, der die Aufmerksamkeit der Versammelten auf sich lenkte, ging von Rhe'on, dem führenden Biotechniker, aus. „Hört mich an - Da'ans Befürchtungen könnten vielleicht in Folgendem wurzeln - auch wenn dafür keine externen Ursachen feststellbar waren.”
Die unmutige Energie, die von Zo'or ausging, ließ ihn unbewegt.
„Es gab vor kurzem eine - eine Unstimmigkeit mit allen Gebäuden auf der Erde und dem Mutterschiff - sie strahlten kurzfristig etwas Undefinierbares aus, das wir uns als ein Gefühl des Bedrohtseins zu interpretieren erlaubten - es war aber eigentlich nicht wirklich zuzuordnen. Wir haben dieses - Unbehagen vollständig beseitigt, indem wir die Energie zum Lebenserhalt dieser Wesen auf ein Minimum reduziert und die so erzielte - nicht unbeträchtliche - Ersparnis in die Waffensysteme umgeleitet haben, die seither jederzeit höchstleistungsbereit sind. Sollte der Feind, wie auch immer, neue Formen gefunden haben, uns zu bedrohen, so sind wir dem in jedem Falle gewachsen.”
Jetzt war es Da'an, der sich bemühte, das, was ihn bewegte, nicht allzu offensichtlich werden zu lassen.
Erleichterung.
Enorme Erleichterung.
Darüber, daß er mit seiner Interpretation der Dinge wohl doch falsch lag - auch, wenn ihn Rhe'ons Ausführungen im Tiefsten nicht wirklich überzeugt hatten - und darüber, daß es Seinige gab, die Schwierigkeiten wirksam zu begegnen wußten ...
Interessiert nahm er wahr, daß sein Kind ein sehr ähnliches Gefühl verbarg.
„Wohl gesprochen, Rhe'on”, antwortete es auf die Ausführungen des leitenden Schiffs- und Gebäudebetreuers. „Wachsamkeit in Zeiten potentieller Gefahr ist angebracht - Paranoia allerdings wohl kaum.” Seine energetische Wahrnehmung auf sein Elter richtend, um dessen Reaktion auf das abschätzige Menschenwort, das er für dessen widerlegte Überzeugung benutzt hatte, aufzufangen, gab er Rhe'on mit einer Geste zu verstehen, er habe genug gehört von ihm.
„Es ist jetzt an der Zeit, daß, wer ein Anliegen hat, dieses vor die Synode bringe”, eröffnete er den allgemeinen Austausch, der nach seinem Empfinden vor allem dazu diente, die mentalen Bande untereinander zu festigen. Geistiger Angriff durch die Jaridian ... Etwas Abstruseres hatte Da'an in den letzten hundert Zyklen nicht vorgebracht, seit er irgendwann diese merkwürdige Anwandlung auf diesem seltsamen Planeten gehabt hatte, der sogar noch primitiver gewesen war als der, den sie gerade nutzten ... Hatten sie den nicht zerstören lassen? Was hatte sein Elter da gewollt? Hatte er nicht gefordert, sie sollten - sich dort niederlassen?
Er wußte es nicht mehr genau - und wollte es auch nicht mehr wissen ...
Aber er wußte, warum die Synode ihn zum Führer gewählt hatte und nicht Da'an.

 
* * *
 

„Was?” Augur verstand nicht.
„SOS - Morsealphabet ... Das ist ein kaum mehr gebräuchlicher Code zur Verständigung ...” Liam klang sehr aufgeregt.
„Ich weiß, was das Morsealphabet ist - aber was hat das hiermit zu tun?”
„Die Streifen - ich spreche von den Streifen. Hör' doch - hör' doch auf das Geräusch ... kurz, kurz, kurz, lang, lang, lang, kurz, kurz kurz ... schmal, schmal, schmal, breit, breit, breit, schmal, schmal, schmal ...”
Augur lauschte und schaute.
„Du hast Recht ... Das könnte stimmen ... Das heißt, wir empfangen einen Notruf? Aber Du hast doch gesagt, es ginge - es ginge um Hilfe für uns, ‚wir wären nicht allein’, oder habe ich das falsch ...”
„Das hast Du richtig verstanden - aber was weckt die Aufmerksamkeit drastischer und nachhaltiger als ein Notruf? Und es hat doch funktioniert - ich habe hingesehen ...”
„Okay, nehmen wir einmal an, das stimmt. Aber was ist dann mit diesen Rechteckgruppen-Bildern? Mir ist klar, daß auch darin eine Art Ordnung ... aber ...”
Augur ließ das fremde Programm jetzt auf seinem Zentralbildschirm erscheinen und wies das Hologramm an:
„Überwinde Dich, zieh' Dir das auf die Festplatte und gib' mir vollen Zugriff darauf ...”
Kurze Zeit später hatte er das erste vollständige Bild mit Gruppen von Quadraten, die aus zweifarbigen Rechtecken bestanden, eingefroren, um es in Ruhe betrachten zu können. Liam hatte sich neben ihn begeben.
„Das sieht gar nicht mehr wie ein Gesicht aus ...”
„Ich glaube, das Gesicht war ein anderes dieser Bilder - das hier ist das allererste, das nach der ersten Sequenz Streifen kommt. So, wie es aussieht, gibt es sieben verschiedene ...” Augur ließ seinen Blick über den Monitor schweifen und deutete schließlich auf eines der Quadrate. „Sieh' mal, dieses hier, halb weiß, halb violett ... da ... und da ist es schon wieder ... und hier, halb weiß, halb gelb ... und hier taucht es erneut auf ... Das ist definitiv ein Code, aber was für einer?”
Liam starrte auf den Schirm, wieder halb abwesend.
„Warum, verdammt, habe ich das Gefühl, ich bräuchte nur - ich müßte nur anders hinschauen, und dann könnte ich laut vorlesen, was da geschrieben steht?”
„Geschrieben steht? Du meinst, diese Farbquadrate sind - sind so etwas wie Kimera-Schrift?”
„Vielleicht ...”

Der Blick seines Freundes ging erneut ins Leere, aber dieses Mal konnte Augur sich darum nicht kümmern. Es galt, die ungewöhnlichste Verschlüsselung zu knacken, die dem derzeit weltweit fähigsten Hacker je untergekommen war ...
‚Wenn Liam Recht hat, und das hier ist eine Schrift ... die Quadrate könnten für Buchstaben stehen, dann könnten die Quadratgruppen Worten entsprechen ... aber wenn Buchstaben, warum dann zwei Farben? Ein Buchstabe ist ein Zeichen, nicht zwei ... Zwei ... Binär? Ein Binärcode? Bei insgesamt ... neun Farben ... Was für ein Unsinn ...’ Augurs Finger tanzten über die Tasten, das Bild auf dem Monitor teilte sich, die rechte Seite zeigte das vielfarbige Rätsel, die linke listete die bisher erfolglos angewandten Entschlüsselungswerkzeuge auf - bereits eine lange Liste.
Liam verließ seinen Freund, die Augen in die Ferne gerichtet, und wanderte ziellos durch den großen Raum, hier und da anstoßend, ohne es zu merken, bis er den Rechner mit der Fremdtechnologie darin fand. Er hockte sich davor auf den Boden und lehnte die Stirn daran.
Augur hatte sich nichts eingebildet.
Das Herz des Auch-Kimera schlug im Takt dessen, was in Farbe und Klang in dem Computer pulsierte ...

Es war tief in der Nacht, aber Augur hatte jegliche Erschöpfung vergessen. Er war ein Stück weiter gekommen mit dem Entschlüsseln.
„Zweistellige Zahlen - die zwei Farben pro Quadrat machen einen Sinn, wenn man einen Buchstaben mit einer zweistelligen Zahl codiert”, ließ er Liam wissen, nicht registrierend, daß von diesem keine Antwort kam. „Neun Farben, zweistellige Zahlen ... ich zähle das mal durch ...”
Er kam auf exakt sechsundzwanzig verschiedene zweifarbige Kombinationen.
Sechsundzwanzig.
Sechsundzwanzig - Buchstaben. Von A bis Z ...
Es schien, als kenne, wer immer das hier entworfen hatte, zumindest eines der Alphabete, die die Menschen benutzten.
Definitiv etwas völlig Fremdes ...
Kälte kroch ihm zwischen die Schulterblätter.
Nicht Mensch, nicht Taelon. Kimera gab es keine mehr.
Aber Atavus-Wesen auch nicht ...
Jaridian?
War das hier - eine Botschaft der Jaridian?
Verdammt ...
Der einzige Jaridian, der bisher Kontakt zu Menschen gehabt hatte - unter anderem zu seinem Freund Liam - hatte keinerlei Spuren hinterlassen ...
Dieses Gesicht ... Liam hatte das Gesicht eines weiblichen Atavus gesehen ... Er erinnerte sich schaudernd an den einzigen solchen, mit dem er je zu tun bekommen hatte - das mörderische Geschöpf, zu dem Da'an für kurze Zeit geworden war, durch sein Verschulden.
Was, wenn die, die sich hier zu Wort meldeten, eine genau so große Bedrohung darstellten, wie die Taelon? Wenn das hier doch eine Falle war, nur von jemand anderem aufgestellt?
Es half nichts, er mußte dieses Rätsel lösen, erst recht, wenn es statt Hilfe Gefahr darstellte - nur einem Feind, den man kannte, konnte man wirksam begegnen ...
Er starrte auf die bunten Quadrate.
Und etwas fiel ihm auf.
Sechsundzwanzig verschiedene ...
Aber nicht völlig verschiedene.
Da - da hatte eines eine - eine merkwürdige Entsprechung ... Das braun-gelbe - dazu gab es ein - ein Gegenstück, ein gelb-braunes ...
Er stürzte sich auf diese neue Spur und hatte schließlich herausgefunden, daß es dreizehn zweifarbige Quadrate gab - und ihre dreizehn Spiegelbilder. Braun-gelb/gelb-braun, weiß-violett/violett-weiß und so weiter ...
Spiegelbilder ...
In seinem Kopf tanzte alles mögliche durcheinander.
Spiegelbilder ... Eine Landschaft in einem See, Parallelogramme, ein seltsames psychologisches Experiment, von dem er gelesen hatte und das angeblich tiefgreifende Aufschlüsse über die Persönlichkeit des unter den dort beschriebenen Parametern betrachteten Menschen gab - auf dessen Portraitfoto man exakt auf der Mittellinie einen kleinen Spiegel plazierte und dann die gespiegelte rechte mit der gespiegelten linken Seite verglich ...
Auf der Mittellinie ... exakt in der Mitte ...
Hatte das Alphabet ... teilbar durch zwei, zwei mal dreizehn Einzelzeichen ... der Buchstabe M - nach dem M in zwei gleiche Hälften ... gespiegelt?
Fieberhaft bat er das Hologramm, mit diesen Komponenten zu experimentieren, er hatte plötzlich das Gefühl, die Lösung dieses unglaublichen Rätsels sei zum Greifen nahe. Seinen Freund hatte er völlig vergessen.
Das Hologramm sah genau so konzentriert aus wie er selbst, und auch auf seinem Gesicht standen winzige feine Schweißperlen, während es seine Tastatur bearbeitete.
Auf der linken Seite des Zentralmonitors erschien ein Längsstrich, rechts und links davon, auf den Monitor selbst bezogen, erschienen zwei farbige Quadrate: ein weiß-violettes rechts, ein violett-weißes links, daneben ein weiß-dunkelblaues rechts, ein dunkelblau-weißes links ...
„Ja - ja, das ist es ... Und jetzt gib' mir Zahlen dazu, passende zweistellige Zahlen ...”
Neun Farben, neun Zahlen ...
Das Gewünschte flimmerte unter den Quadraten, schneller, als er es mit den Augen verfolgen konnte.
Und kam zum Stillstand.
Die 98 unter weiß-violett, die 89 unter violett-weiß.
Die 97 unter weiß-dunkelblau, die 79 unter dunkelblau-weiß.
Einmal mehr klappte Augurs Unterkiefer herunter.
„Und jetzt will ich Buchstaben”, flüsterte er. „Gib' mir Buchstaben ...”
Wieder Flimmern, da schließlich zur Ruhe kam.
Ein A unter 98, ein Z unter 89.
Ein B unter 97, ein Y unter 79 ...
„Spiegelung ...” Die Pupillen des Computergenies ließen dessen Iris fast verschwinden. „Zaubermaus, leg' dieses Schema auf das Bild ... Die Buchstaben auf die Quadrate ...”
Die Photonengeschaffene folgte seiner Weisung.
Er brachte keinen Laut heraus, während Buchstabe für Buchstabe die Botschaft des definitiv völlig Fremden auf dem Monitor erschien:

ATTENZIONE   NON SIETE SOLI   UNO VERRA LI HA LASCIATI SAPERE   SIAMO CON VOI   SIAMO LA PER VOI   L ALLEANZA   GALACTICA STA COMBATTANDO DAL VOSTRO LATO   UNO VERRA TEMPO         POSTO         MANTENGA IL PORTALE SI APRONO

Augur starrte auf die Worte auf dem Bildschirm vor sich und hatte Mühe, nicht hysterisch los zu lachen.
Italienisch ... Das, wofür er derart geschuftet hatte, beinahe die ganze Nacht lang, war ein winziges Textchen auf Italienisch, eine Sprache, die er gerade genug beherrschte, um sie als das erkennen zu können, was sie war, aber vollständig übersetzen konnte er das, was da stand, nicht.
Was für eine Ironie ...
„Liam? Liam, komm her und sieh' Dir das an ... Ich fasse es nicht ...”
Zur Antwort erhielt er nur das Rauschen und Summen seiner Computeranlage.
„Liam?”

 

Ende von Kapitel 5

 

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