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  „Entscheidung” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Dezember 2002
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Der Konflikt der Bergenden / Erste Kontakte auf fremder Welt
Zeitpunkt:  nach Ende der 5. Staffel
Charaktere:  Die Bergende, Renée Palmer, Liam Kincaid, ein weibliches Nichtflügges, Shainshiyee, Ra'jel (andere Angehörige der vier Völker)
 
Anmerkung:  Diese Geschichte wurde als Teil des Adventskalenders 2002 geschrieben.
 

 

ENTSCHEIDUNG

Kapitel 2

 

Wenig später ließ die, die halb Windvolk, halb Jaridian war, zu, daß die Schiffswesenheit mit dem, was aussah wie gebündeltes Licht und sich anfühlte wie der gleichzeitige Zugriff abertausender Krällchen winzigster Nichtflügger, nach ihr faßte und sie in ihr Innerstes nahm, landete etwas ungeschickt auf der nachgiebigen Fläche, die das Äquivalent einer jaridianischen Transporterplattform darstellte, und wurde von Renée Palmer empfangen. Sie streckte der Menschenfrau beide Flügelhände zum Kontakt hin, aber diese berührte sie nur flüchtig, mit bedauerndem Gesichtsausdruck.
„Es tut mir leid ... für Austausch ist vielleicht später Zeit ... Ra'jel will mit Dir sprechen - nein, singen, sagt Ihr, nicht wahr? - bevor sie”, - sie deutete auf die sie umgebenden Strukturen - „es tut ... es geht um die Synodenmitglieder und die Essenz des Gemeinwesens, die er trägt, und, wenn ich das richtig verstanden habe, um die letzten ungeborenen Nachkommen der Taelon, die dieses Mutterschiff hier trägt, seit - seit es sich erinnern kann ...”
Shainshiyee spürte, wie die Wesenheit, in der sie sich befand, unter ihren Krallenfüßen zuckte, und ihre eigene Haut schien sich zusammenzuziehen, was einmal mehr ihre Fellreste aufstellte.
Renée führte sie durch die Bergende - unnötig, sie hätte den Weg zur Brücke mit geschlossenen Augen und Ohren gefunden, aber ...
Ra'jel erwartete sie dort, sehr aufrecht, mit geschlossener, makelloser ‚menschlicher’ Fassade - dem Äußeren, das sich viele dieser Energiegeschöpfe zugelegt hatten, als sie noch dachten, den Planeten der Verletzlichen ...
Sie stand ihm schließlich gegenüber, genau so aufrecht wie er, die Flügelhände zu Fäusten geschlossen, um ihr aktiviertes Shaqarava zu verbergen. Ihr Herz schlug zu schnell in dem wie zugeschnürten Brustkasten, und ihr Hals war eng ...
Sie spürte sie, in diesem einzelnen Taelon, spürte die Synode ... spürte all die, die den Weg des Schreckens bis zuletzt nicht hatten verlassen wollen ...
War der Krieg der Taelon gegen ihr Brudervolk, die Jaridian, wirklich vorbei, hier oben? Hier, in Ra'jels Gestalt?
Sie atmete tief auf, deaktivierte bewußt ihre innere Energie, hob die Flügelhände und hielt sie mit offenen Handflächen dem Energiewesen zum Kontakt hin.
Dieser ließ seinen kalten Blick über ihre Gestalt wandern, seine Mundwinkel verzogen sich und ein schwacher Farbschauer überlief sein Gesicht.
Dann richteten sich seine Augen auf die ihren.
„Ich bin der Hüter des kollektiven Bewußtseins der Taelon, ihrer reinen Essenz, und Führer der Synode, bis diese sich einst einen anderen wählt”, sagte er. „Ich spreche in ihrem Namen und befehle Dir, zu tun, was notwendig ist, um denen, die die Synode formen, ins Leben zurück zu verhelfen.”

Ihr Shaqarava aktivierte sich erneut, als sie mit einem Mal den Raum voller Taelon sah, die meisten ohne Fassade und wie halb durchsichtig - und Liam und Renée, die sich am Boden wanden und schrien vor Schmerz ...
Der Eindruck war verflogen, als Kincaid plötzlich an ihrer Seite stand und den Taelon ansah, den Kopf schüttelnd, wie es der weibliche Mensch auch getan hatte.
„Ra'jel, das ist wohl kaum der richtige Tonfall, jemanden um Hilfe zu bitten ...”
„Ich bitte nicht um Hilfe, sondern ich befehle dem dienenden Mitglied einer untergeordneten Spezies die notwendige Kooperation.”
Der Halbkimera betrachtete sein Gegenüber, und in seinem Blick war mit einem Mal Besorgnis. „Ra'jel, so hast Du Dich während unserer gesamten Reise nicht verhalten - was, um Himmels Willen, ist mit Dir los?”
Shainshiyee begann zu zittern, als der Eindruck Liams und der weiblichen Verletzlichen am Boden wieder da war - und dieses Mal standen die blauvioletten Energiewesen im Kreis um sie herum, konzentriert ...
„Nein!”
Sie hatte mit allen Stimmbändern gleichzeitig geschrieen.
Liam war beiseite gesprungen, und alle drei starrten sie an, perplex, selbst Ra'jel.
Sie holte Atem, bekam nur mit Mühe die in ihr pulsierende Energie unter Kontrolle, überprüfte ihre Barriere und fühlte in ihre Umgebung.
Ra'jel war ungehalten, heftige Farbschauer, die jetzt seine Gestalt überliefen, zeigten das. Die Verletzliche mit dem hellen Kopffell wirkte ratlos, der Männliche alarmiert - sein Blick ruhte auf dem offenen Datenstrom, der die Verbindung zum Kreuzer hielt, von dem aus mehrere Jaridian, darunter Torvak, das Geschehen mit unverhohlenem Mißtrauen beobachteten.
„Ra'jel, was immer Du gleich sagen wirst - bedenke bitte, daß wir hier nicht allein ...”
Niemand außer Sha hatte offensichtlich dieses angsterregende Bild gesehen.
Die Halbjaridian konzentrierte sich.
Was immer Ra'jel da von ihr verlangte, es sah aus, als könne es den beiden Verletzlichen gefährlich werden ... Sie hatte mit ihrem ‚Nein’ gar nicht pauschal verweigern wollen, zu helfen - sie wußte ja nicht einmal, worum es wirklich ging - sie hatte nur dieses - dieses Verhängnis abwenden wollen ...
Was immer es zu tun galt, Liam und Renée durften auf keinen Fall teilhaben daran ... Wie konnte sie ihnen das beibringen, ohne deren Beschützerinstinkt - für wen auch immer - zu wecken? Beide waren noch nie in ihrem Leben einer gefährlichen Situation aus dem Weg gegangen ... Beide waren alles andere als Freunde der von so vielen Menschen geschätzten „Gemütlichkeit”, welche Gründe das immer haben mochte - vor allem bei Kincaid kam da sehr rasch eine merkwürdige Unrast auf ...
Wie nannten die Menschen dieses Gefühl, hinter dem ...
Langeweile ... Langeweile war der Begriff dafür ...
Und sie wußte, was zu tun war.
Sie schaute den Taelon fest an. „Entschuldige bitte - ich habe wohl reichlich überreagiert ...”
Sie wandte sich halb zu Liam und streckte ihm eine Flügelhand hin, die er ergriff, und berührte mit der anderen Renée.
„Ra'jel, habe ich Dich richtig verstanden? Du brauchst meine Hilfe dabei, die Synode, die Du - in Deinem Kopf trägst? - wieder zum Leben zu erwecken?” Sie ließ in der Berührung mit den Menschen einen Kreis bleichsüchtiger Companion-Gestalten aufscheinen, die Gesichter mißmutig verzogen, die Handflächen an die des jeweiligen Nachbarn gelegt, und ab und an lief ein trübblaues oder fahlviolettes Flackern durch sie. Im Hintergrund des halb transparenten, grau umrandeten Eindrucks lief eines dieser Zeitmeßgeräte, von denen Renée eines an ihrem linken Handgelenk trug, und zeigte eine vergehende Einheit - nein, ‚Stunde’ nannten die Menschen das - nach der anderen an ...
„Die Synode ...”
Der Halbkimera spannte die Kiefermuskeln an, um das unwillkürliche Aufsperren seiner Mundöffnung zu unterdrücken, was ihm nicht gelang.
„Die Synode ...”
Die Menschenfrau ließ, gar nicht mehr richtig anwesend, ihren Blick über die Brücke schweifen und schließlich auf dem Datenstrom ruhen, von dem aus Torvak, allerdings inzwischen allein, seine merkwürdige Stammesangehörige nicht aus den Augen ließ.
„Renée, Liam, ich glaube, ich habe eine Idee ...” Shainshiyee verband diese Worte mit dem Gedankenbild einer pulsierenden Kugel aus vielfarbigem Licht, die plötzlich in grüne, rote und goldene Funken zerplatzte.
Sofort hatte sie beider Aufmerksamkeit.
„Ihr hattet noch nie die Gelegenheit, die zu betreten, die mich und die Meinen trägt - Ihr hattet noch nie Kontakt zu den Unseren ...”
„Das ist richtig ...”
Sie spürte, wie Bilder in Liams Geist zu tanzen begannen - und sich ein Wunsch darin formte ...
„Das hier wäre doch eine gute Gelegenheit ... während Ra'jel und ich hier oben arbeiten - was immer auch zu tun sein wird, ich habe das Gefühl, es wird wirklich langwierig - könntet Ihr mein Zuhause kennenlernen ... Jemand von Torvaks Besatzung könnte Euch herunterfliegen - um diese Zeit, in der Warmphase, sind sowieso die meisten von unserem Gehölz am Strand - sie werden Euch zeigen und erleben lassen, was immer Ihr wollt ...”
Kincaid strahlte, Renée wirkte skeptisch. „Wir können Dich hier doch nicht alles allein tun lassen ... Du wirst doch sicher Hilfe brauchen ...”
„Habt Ihr Erfahrung mit Bewußtseinsarbeit? Mit erweiterten Geisteszuständen, Tiefenüberprüfung ...”
Die Verletzliche zog ein Gesicht.
„Siehst Du ... Im Übrigen seid Ihr der, die uns trägt, noch einen Besuch schuldig - schließlich seid Ihr mit Yulin nicht gelandet - und alle unten freuen sich schon lange auf Euch ...”

Einige Zeit später war sie mit Ra'jel auf der Brücke allein.
Und der, der sich selbst als ‚Hüter und Führer’ bezeichnet hatte, wirkte mit einem Mal nur noch angespannt, ratlos und erschöpft - und die Wesenheit um sie beide ruhelos und ungeduldig, außerstande und auch nicht willens, Ra'jels Energien auszugleichen, wie sie es in früheren Zeiten selbstverständlich getan hätte ...
Sha näherte sich dem Taelon, der Mühe hatte, seine Fassade zu wahren, sehr vorsichtig, und als dieser nicht zurückwich, berührte sie ihn, mit äußerster Behutsamkeit, mit einer Krallenspitze.
Viele ...
Nicht einer, viele ...
Sie spürte in seinem Geist - jedes einzelne Synodenmitglied ... und ... und eine Art Essenz ... die reine Essenz des Restes Gemeinwesen, den die Taelon innerhalb der Schiffswesenheit geformt hatten, nachdem sie sich getrennt hatten von den übrigen der Ihren ...
Und all dies - übte Druck aus ...
Druck, dem Ra'jel nicht mehr lange würde standhalten können.
Er mußte die, die in ihm waren, ins Leben zurück geben ... sie müßten wieder einzelne, zu eigener Aktivität befähigte Energiegestalten werden, um die Essenz teilen zu können ... er mußte einen Weg dafür finden, bevor es ihn zerriß und er und alle anderen endgültig die Ebenen wechselten ...
„Wir können es sofort tun, sobald wir wissen, wie wir die Bewußtseine der Synodenmitglieder in die Energiegestalten der Ungeborenen zu transferieren haben, die dieses Schiff hier trägt”, ließ der Taelon Shainshiyee wissen.
„Ungeborene?” Sie war mehr als nur überrascht.
Die Schiffswesenheit zuckte heftig unter ihren Füßen, und ein durchdringender, klagender Laut in Form einer grellen Spur von Farbfunken war im Raum, so voller Not, daß Sha die Berührung löste und sich fallen ließ, sich ausstreckte, die Flügel ausbreitete und sich fest an den Boden drückte für maximalen Kontakt.
„Komm zu mir ...” Die Wesenheit hatte Angst, und sie war verwirrt. „Komm zu mir, wie damals ... Hör mich an ... Sing für mich ... Bitte ...”
Die vom Volk, das der Wind trägt, hatte bereits zu singen begonnen, mit den seitlichen Vertikalen, sanft die Resonanzsehnen mitschwingen lassend.
„Ich bin da”, ließ sie die Präsenz um sich wissen. „Ich bin bei Dir, wie damals ... Ich bin da ...”
Sie erhob sich auf die Füße und schickte sich an, die Brücke zu verlassen. Ra'jel schaute sie entsetzt an.
„Ich komme wieder”, sagte sie. „Ich habe Dich angehört, jetzt muß ich sie anhören - Ihr beide habt gerufen ...”
Sie wandte sich ab, verließ die Brücke und war kurze Zeit später im Inneren der Bergenden verschwunden.

Liam Kincaid und Renée Palmer hätten gar nicht aus dem Shuttle aussteigen mögen, so angeregt hatten sie sich mit den beiden Jaridian, die es flogen, unterhalten - aber der Anblick, der sich ihnen bot, als sie durch die sich öffnende Tür nach draußen schauten, war so faszinierend, daß sie dem nicht zu widerstehen vermochten.
Da draußen war eine riesige Schar der verschiedensten und ungewöhnlichsten Geschöpfe ... Sie kannten die vier Völker aus all dem, was sie mit der dieser Welt, die halb Windvolk und halb Jaridian war, geteilt hatten während deren kurzer Zeit auf der Erde - aber sie jetzt wirklich zu erleben ...
Das Shuttle war wieder abgeflogen, und sie standen jetzt etwas verlegen da, um sich herum viele geflügelte, flossentragende, grabklauenbewehrte und - Atavus-Wesen, die sie freundlich anschauten und ihnen mit der typischen Geste Kontakt anboten.
Den Bann brach schließlich ein kleines Nichtflügges vom Windvolk, das sich entschlossen mit Fuß- und Flügelkrallen in Renées Beinbekleidung hakte und an ihr hoch zu klettern begann, sie dabei gleichzeitig über die Berührung erkundend und mit Fragen überschüttend.
„Sha hat von Dir gesungen ... Du bist ein Mensch, der neben Dir ist auch Kimera ... warum hast Du kein richtiges Fell? Und warum ...”
Sie war so überrascht, daß sie gar nicht zu reagieren wußte. Das Kleine hatte sich flink bereits auf Bauchhöhe vorgearbeitet, bemüht, ihren Blick aufzufangen.
„Warum können Menschen nicht fliegen? Du hast mit den Taelon zu tun gehabt, die den Weg des Schreckens weitergegangen sind, so wie der, der auch Kimera ist ... so wie Sha ... Ihr habt gar nichts Kristallenes an Euch, wie kommt das?”
Dieses winzige Wesen hatte etwas tief Berührendes, in vielerlei Hinsicht, stellte Renée fest ... Sehr behutsam legte sie dem Geschöpfchen, das sich jetzt, in ihre Jacke gehakt, an ihr festhielt, die Hände auf Rücken und Flügelchen und strich ihm sanft darüber. „Du hast ja auch kein Fell”, ließ sie es wissen.
„Das wächst mir noch”, antwortete es.
Und dann war mehr Berührung da, achtsam, vorsichtig. „Ihr seid willkommen ... Shainshiyee hat so viel von Euch gesungen ... Was braucht Ihr? Was sind Eure Wünsche? Hier könnt Ihr ausruhen ...”
Es war, als würde sie nicht nur von außen berührt, sondern auch von innen, neugierig und sehr respektvoll zugleich. Sie schaute zu Liam, dem es ähnlich erging wie ihr und in dessen Gesichtszügen blankes Staunen stand.
Wenig später waren Kinkaid und Palmer, gestandene Veteranen des menschlichen Widerstandes gegen die Taelon, Mittelpunkt eines riesigen Kontaktkreises im warmen Sand, den die untergehende Sonne in sämtliche Flammenfarben tauchte.
Und beide hatten sich, so weit sie sich zurückzuerinnern vermochten, noch nie so - geborgen gefühlt wie jetzt ...

Shainshiyee schlüpfte vorsichtig durch die unregelmäßig geformte Öffnung, die die beiden großen, blaßweiß schimmernden halb durchsichtigen Häute, die in dem hier ständig spürbaren Luftzug wehten, hatten entstehen lassen, und hatte das Allerinnerste der Schiffswesenheit erreicht. Sie trat behutsam auf und wünschte sich, wie beim ersten Mal damals, irrationalerweise Fußbekleidung, wie die Menschen sie in ihren Behausungen trugen, befürchtend, ihre Krallen wären der Bergenden unangenehm, obwohl diese ihr mehrfach das Gegenteil versichert hatte ... und, genau wie damals, ließ sie sich in die tiefe Mulde gleiten, die randvoll war mit Durchsichtig-Hellblauem, das sich anfühlte, als sei es flüssig, aber etwas zutiefst Fremdartiges war, und tauchte ganz darin unter.
Die Wesenheit half ihr atmen, wie beim ersten Mal auch ...
Aber die Not, die über sie hereinbrach, war ungleich stärker als damals.
Sha hatte selten ein Geschöpf erlebt, das sich so - zerrissen anfühlte ... zerrissen zwischen zwei Verpflichtungen, gleich bindend, gleich stark, gleich gefühlsbesetzt ... und dahinter ... Sehnsucht, so tiefe Sehnsucht, daß es ihr den Brustkasten zu sprengen drohte ... Ihre Reflexe reagierten ebenso wie ihr Shaqarava, und dieses Mal machte kein Hologramm-Generator das weiß-violette Strömen, das von ihren Flügelhandflächen ausging, durchwoben von Sonnenhell, unsichtbar ... Sie sang bereits die ganze Zeit, sang der Bergenden Geborgenheit, Wärme, Annahme ...
Die Wesenheit überflutete den Geist der zwei Völkern Zugehörenden mit Eindrücken:
Ra'jel, allein auf der Brücke, auf eine der Konsolen gestützt, die sie zur Erleichterung der Kommunikation mit ihr hatte wachsen lassen - und der Taelon war eindeutig dem Zusammenbruch nahe ...
Ein Bereich ihres Leibes, vielfach unterteilt, der vage Schleier, der darüber zu liegen schien, in Auflösung begriffen - und, ruhend in den einzelnen Segmenten, winzige Energiegestalten, die aussahen wie - wie merkwürdig unfertige Taelon ...
Das Bild eines Planeten, rasch kleiner werdend, die Welt der Atavi, die längst den Dritten Weg verlassen hatten ...
Ra'jel, mit gedankenverlorenem Gesichtsausdruck, mit beiden Händen eine der straffen Häute berührend, die die Segmente mit den unfertigen Gestalten darin ...
Sha rang nach Luft. „Halt ... warte ... ich spüre all die Not hier, aber ich verstehe nicht ... was ist mit den Ungeborenen? Was läßt Dich so verzweifeln?”
Sie sang jetzt mit allen Stimmbändern, sang von Ruhe und Weite, von Hilfe und Unterstützung, von naher Zukunft, Zukunft in Freiheit ...
Und schließlich hatte sich die Bergende so weit beruhigt, daß sie ein klares Bild dessen vermitteln konnte, was sie so sehr ringen ließ mit sich.
Sie trug, so lange sie sich erinnern konnte, Ungeborene ... „Ungeschlüpfte” übersetzte Sha sofort für sich, als seien diese winzigen Taelon Bewohner der heiligen Gewebe ... Die Schiffswesenheit hatte sich den Taelon verpflichtet - beharrlich ausgeübtem Druck gehorchend, der ihrem Innersten zu entspringen schien - diese letzte Hoffnung der Ihren, die sich ja nicht mehr fortpflanzen konnten, zu schützen und zu bewahren, bis sich eines Tages, in ferner Zukunft, Ort und Umstände fänden, die es erlaubten, sie ins Leben zu entlassen - in ein Leben, das mehr Zukunft verspräche als diese Rasse bis dahin zu haben glaubte ...
Und sie, die Schiffswesenheit, hatte solchen Ort, solche Umstände erkannt - auf der Welt, auf der die Wege zusammenführten, der Heimatwelt Yulins und der Seinen ... die diese dünn besiedelt hatten auf ihrer südlichen Hälfte, während die riesige Landmasse auf der nördlichen frei geblieben war, bis die Taelon, die die Jaridian von überall her als Gefangene mitgebracht hatten, sich dort ansiedelten ... Die Atavi hatten sie willkommen geheißen und ihnen angeboten, mit ihnen zu leben, wogegen sich diese vehement zur Wehr gesetzt hatten - mit ihren primitiven Vorfahren wollten sie ebenso wenig zu tun haben wie mit den Jaridian ...
Also lebten sie fern von ihnen, mit allen Annehmlichkeiten, die sie wünschten, auf Ewigkeit versorgt mit Energie durch die Tachyonkonverter-Technologie, die die Jaridian und ihre Verbündeten gefunden und mit Hilfe der ersten Vereinten für die Taelon nutzbar gemacht hatten ... Sie verfügten über ihre geräumigen, lebendigen Gebäude, formten ein Gemeinwesen, lebten eigentlich, wie sie es immer getan hatten, mit einer einzigen Ausnahme - sie hatten weder Shuttles noch Mutterschiffe zur Verfügung und konnten ihre neue Heimat nur in Absprache mit den Jaridian verlassen ... Auf dem Planeten selbst konnten sie sich frei bewegen und wurden stets mit allem beliefert, was sie benötigten.
Und sie waren - mehr als zufrieden damit ...
Sie hatten mit Ra'jel kommuniziert, der jegliche Form der Zusammenarbeit abgelehnt hatte, auch, als die Bergende ihn angefleht hatte, einzulenken - in ihr waren, nach unvorstellbar langer Zeit - plötzlich die Ungeborenen unruhig geworden ...
Unruhig genug, um ihren Leib zu veranlassen, die letzte Phase ihrer Entwicklung einzuleiten, die Phase, die mit dem Entlassenwerden aus der sie bis dahin geborgen Habenden enden würde.
Der Planet, die Gemeinschaft von Taelon dort wäre der ideale Ort für sie ...
Aber Ra'jel hatte andere Pläne.
Den Synodenmitgliedern einen degenerierten Pulk der Seinen in derart primitiver Nachbarschaft zuzumuten, die, die die Essenz des Taelon-Seins verkörperten, dem Anblick stumpf gewordener Angehöriger der eigenen Rasse, Abtrünniger, die eins mit einem Jaridian geworden waren oder gar dem von Atavi auszusetzen, ihnen aufzuoktroyieren, dort leben zu müssen, zu akzeptieren, daß alles verloren war, wonach sie je gestrebt hatten, kam auf keinen Fall in Frage ...
Die Energie, die die in seinem Inneren in das Schiff gegeben hatten, würde noch eine Weile reichen, um eine andere, eine reine, saubere Welt zu finden für sie, selbst wenn sie in den Ungeborenen, aus der Geborgenheit seines Geistes und des Leibes des Mutterschiffes entlassen, Gestalt angenommen hätten ...
„Er darf das nicht tun ... er darf es nicht ... es - es wäre Vernichtung, es wäre - nur schrecklich ... ich muß die Ungeborenen schützen vor dem, was er plant, obwohl ich spüre, daß es ihn bald zerreißen wird ... gebe ich ihm nach, sind die Ungeborenen verloren, verweigere ich sie ihm, ist die Synode verloren und er mit ihr ... ich muß den Taelon dienen, und ich weiß nicht mehr, wie ...”
Sha hüllte die Schiffspräsenz in Gedanken in ihre Flügel, es war, als wiege sie sie in ihrem Gesang und ihrer Energie. Sie hatte keine Antwort auf das, was sie gehört hatte, noch nicht ... Warum wäre es Untergang für die Ungeborenen, setzte Ra'jel seinen Plan um? Was wußte sie überhaupt über diese Nichtflüggen? Nicht genug ...
„Zeig' mir die Ungeborenen ... laß mich singen mit ihnen ...” bat sie die Bergende, sich behutsam von ihr lösend.
„Ich führe Dich hin.”
Etwas später war Shainshiyee der Mulde entstiegen und folgte einer silbrig glitzernden Spur zu ihren Füßen, tropfend von dem, was aus der Vertiefung an ihr haften geblieben war, und, über den ‚Boden’, auf dem sie ging, perlend, seinen Weg in diese zurück fand ...

 

Ende von Kapitel 2

 

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