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  „Entscheidung” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Dezember 2002
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Ein Mutterschiff setzt seinen Willen durch.
Zeitpunkt:  nach Ende der 5. Staffel
Charaktere:  Torvak, die Bergende, zwei Schildwachen, Shainshiyee, ein männlicher Windvolk-Angehöriger, Ra'jel ( Nichtflügge vom Windvolk, zwei Menschen)
 
Anmerkung:  Diese Geschichte wurde als Teil des Adventskalenders 2002 geschrieben.
 

 

ENTSCHEIDUNG

Kapitel 1

 

„Kommandierende beider Sokhara, identifiziert Euch und nennt den Grund Eures Anflugs auf unsere Welt! Warum bringt Ihr eine flugunfähige Taelon-Mutterschiff-Wesenheit hierher?” Der Schild-Wachhabende auf dem Holo-Bildschirm, ein junger Feuervolk-Angehöriger, wirkte sehr alarmiert, seine Fingerspitzen schwebten über der Tastatur des Gerätes, vor dem er saß.
„Laßt den Schild unten, sie stellt keinerlei Gefahr für Euch dar”, antwortete der Kreuzerkommandant, der diesen ungewöhnlichen Einsatz leitete. „Flugunfähig ist die Im-Raum-Bergende keineswegs, sie hat samt ihrer Besatzung von sich aus um unser Geleit gebeten, mit der Begründung, wären wir dabei, würdet Ihr wohl mit ihr kommunizieren, käme sie aber allein, würdet Ihr den Schild aktivieren und sie abweisen, was sie Euch nicht einmal verdenken könne ...”
Auf dem Monitor tauchte hinter dem Feuervolk-Angehörigen eine Jaridian auf, die bei dem Anblick des Kreuzerkommandanten auf ihrem Bildschirm zu strahlen begann. „Torvak! Was tust Du denn hier? Ich dachte, Du wärest ...”
„Ich habe kurzfristig andere Befehle bekommen”, antwortete ihr der Kommandierende. „Diese Schiffswesenheit hier bittet um die Hilfe der Welt, die Du und Deine Mitwache schützen helft - genauer gesagt, um die Hilfe von jemand Bestimmtem - sie will Kommunikation mit der, die ihr damals von der Freiheit gesungen hat.”
Die Jaridian in der Schild-Wachstation auf dem Planeten der Vier Völker beugte sich über den auf dem Weg, der mit seinem Sitz beiseite rückte, hinweg jetzt ihrerseits über das Gerät, zu dem der Monitor gehörte, und betätigte eine der Tasten daran.
Die Darstellung auf dem Schirm teilte sich - die rechte Hälfte zeigte weiterhin Torvaks Züge vor dem Hintergrund der Brücke des Kreuzers, die linke das riesige, blau, violett und rosafarben leuchtende Gebilde zwischen den beiden Kampfschiffen - die Schiffswesenheit oder Im-Raum-Bergende, wie diese Wesen sich selbst nannten, bis sie irgendwann ihren Namen wußten ... Die Jaridian, deren Verbündete und die ersten Vereinten hatten diese Bezeichnungen übernommen.
„Das ist die, die Ra'jel, Yulin und die beiden Menschen im Raum beherbergt, nicht wahr? Ich dachte, sie hat mit ihnen die Welt, auf der die Wege zusammenführen, angesteuert ...”
„Von dort ist sie längst zurück”, ließ Torvak seine Stammesangehörige wissen. „Sie hat Yulin und die Seinen dort gelassen - und dann darauf bestanden, hierher zu Euch zu fliegen. Ra'jel hat sie nicht nur nicht davon abbringen können, sondern hat laut ihrer Auskunft einsehen müssen, daß das wahrscheinlich der einzige Weg ist, ihrer beider Probleme zu lösen ... und auch das der beiden Menschen, die im Moment ja praktisch in ihr festsitzen - sie weigert sich, irgendwo anders hin zu fliegen, so lange das, was getan werden muß, nicht getan ist ...”
„Wie ist es denn möglich, daß sie überhaupt in der Lage ist, zu entscheiden? Wenn ich das, was ich hier über sie in unseren Dateien finde, richtig interpretiere, ist sie das Schiff, das zuletzt fast alle Taelon transportierte, die Mitglieder der Synode waren und die eine Weile lang versuchten, den Planeten der Verletzlichen - die Erde - zu beherrschen ... die Wesenheit, die wir mit Shainshiyees Hilfe beinahe befreit hätten, wenn es diesem Taelon-Schiffstechniker nicht gelungen wäre, sie uns wieder zu entreißen ... jedenfalls ist sie noch nirgends gewesen, wo ein Mittler hätte ihre genetischen Blocks beseitigen können, also warum ist sie in der Lage, ihren Willen zu artikulieren und sogar durchzusetzen?”
„Das habe ich sie ebenfalls gefragt, oder besser ihre Besatzung, die ihre Signale für uns übersetzt. Sie hat uns wissen lassen, Shainshiyees Gesang von damals habe sie dazu befähigt - sie hat sich mit aller Macht dagegen gewehrt, daß die Taelon sie zur Erde zurückgebracht haben, ist aber gegen deren Methoden, Dinge zu erzwingen, nicht angekommen. Ra'jel und diese Menschen seien als Besatzung schwach genug, damit käme sie zurecht ...”
Die jaridianische Schildwache hatte ihren Holo-Bildschirm erneut geteilt und starrte, wie der aus den Feuern, fasziniert auf die Daten, die über einen weiteren Ausschnitt davon flimmerten. „Gesetzt den Fall, ich verstehe das hier richtig, ist Shainshiyee diejenige, mit der die Bergende kommunizieren will - weil sie ihr damals von der Freiheit gesungen und ihr diese beinahe auch verschafft hätte, wäre nicht etwas schief gegangen? Was will sie von ihr? Sie ist doch keine Mittlerin ...”
„Es geht nur sekundär um die Schiffswesenheit selbst dabei. Sie sagt, es handle sich um ein Problem, das Ra'jel zu schaffen macht, und um eine letzte Aufgabe, die sie selbst für die Taelon zu erfüllen habe.”
„Was für ein Problem? Und welche Aufgabe?”
„Da halten sich alle bedeckt - offenbar verbirgt sich da etwas Großes oder etwas für die Taelon sehr Unangenehmes ... Sie sagt, sie braucht die fähigste Bewußtseinskundige, die das Windvolk aufzubieten habe, und das sei die, die ihr Freiheit gesungen habe - Shainshiyee ...”
„Nach dem, was man von denen hört, die auf der Heilstation tätig sind, die die ehemaligen Gefangenen und Versuchsobjekte aus dieser Bergenden betreut, gehört sie wohl wirklich zu denen, die ihre Arbeit beherrschen ...” Die Jaridian aktivierte eine weitere Datenausgabe.
„In Ordnung, Ihr könnt bleiben - landen kann sie nicht, oder?”
„Sie könnte, aber es ist für Im-Raum-Bergende unglaublich unangenehm, wie die Verwurzelten auf Planeten zu hocken ... Sie will, daß Ihr Shainshiyee hier herauf schafft.”
„Ich habe keine Ahnung, wo sie sich derzeit aufhält - und noch weniger, ob sie überhaupt bereit ist, sich auf das hier einzulassen ... Schließlich weiß das halbe Imperium, was sie im Zusammenhang mit dieser Aktion damals ...”
Der Einsatzleitende war mit einem Mal sehr ernst. „Bitte ... mir ist klar, daß unser Auftauchen hier für einige von Euch da unten wahrscheinlich noch mehr als eine entsetzliche Zumutung ist. Aber Du weißt, daß wir - und die vier Völker hier - uns verpflichtet haben, zu heilen, was unser Krieg mit den Taelon im Ganzen angerichtet hat ... und diese Schiffswesenheit ist in Not, auch wenn sie so gelassen und souverän ihre Forderungen stellt ... Meine dringende Bitte an Euch ist, daß Ihr Shainshiyee findet und sie überzeugt, sich das hier wenigstens anzusehen ... Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie die Bergende im Stich läßt - schließlich hat die Wesenheit selbst ihr ja nichts getan ...”

Shainshiyee hockte auf dem dicht bevölkerten Mitte-Lager, umringt und beklettert von Nicht- und Halbflüggen, hauptsächlich vom Windvolk. Auf ihren gekreuzten Beinen ruhte ein Halbausgewachsenes, das aus riesigen Augen schaute und ganz still da lag, während sie, mit den seitlichen vertikalen Stimmbandpaaren und den Resonanzsehnen die tiefe, beruhigende Frequenz gegen Angst und Schmerzen singend, behutsam dessen doppelt gebrochenen linken Flügel abspreizte.
„Kommt alle so dicht wie möglich heran ... Diesen Gesang kann man gar nicht oft genug üben ...” Sie plazierte zwei Krallenspitzen der rechten Flügelhand rechts und links neben der Stelle des ersten Bruchs, aus der ein Stück Knochen, das die Haut durchbohrt hatte, hervor schaute. „Dies hier muß an
seinen Platz zurück - und zusammengesungen werden ...”
Sie nahm den Flügel-Oberarm des Jungen in einen speziellen Griff. Dieses, schmerzfrei und sehr angetan von all der Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wurde, verfolgte voller Neugier mit, was da mit ihm geschah.
Hellgoldene und weiß-violette Energie begann in den Flügelhandflächen der Ausgewachsenen zu leuchten und von da aus das Geschöpf zu umströmen, das sie hielt.
„Warum hast Du zwei Farben, und ich nur eine?” Von einem ganz winzigen Nichtflüggen ging ein feiner, sonnenheller Fluß in Richtung des Verletzten aus, den die Ausgewachsene sofort unterbrach.
„Das darfst Du noch nicht ... Dein System darf nichts weggeben, es braucht alles noch selbst ...”
Das Winzige schaute traurig, beharrte dann aber auf einer Antwort. „Ich habe nur eine Farbe, so wie die meisten - warum hast Du zwei?”
„Weil ich zur Hälfte Jaridian bin”, ließ Shainshiyee das Fragende wissen. „Ich habe einfach Glück - Windvolk-Energie und Shaqarava zusammen sind sehr praktisch, zum Beispiel für Situationen wie diese ...” Mit einem Ruck richtete sie die gegeneinander verschobenen Bruchenden ein und verschloß die Wunde darüber mittels der weiß-violetten Vibration. „Das und viel mehr kann Shaqarava ... aber jetzt gilt es, das hier auch innen wieder zusammenzusingen, sonst können wir den Flügelunterarm nicht heilen, weil da beide Knochen nahe am Mittelgelenk ...”

Laubrascheln, das Geräusch großer Flügel, die zusammengelegt wurden, dann geriet das Mitte-Lager in Unruhe, als ein männlicher Windvolk-Angehöriger es bestieg, der ein kleines jaridianisches Kommunikationsgerät bei sich trug und damit eilig auf seine weibliche Stammesangehörige zu strebte, die sich um das verletzte Junge bemühte. Er klaubte sich ungeduldig ein Allerkleinstes aus dem Fell, das ihn zu beklettern begonnen hatte, sich dabei vorsichtig seinen Weg durch alle hindurch bahnend. Als er Shainshiyee erreicht hatte, legte er ihr eine Flügelhand auf die Schulter und hielt ihr mit der anderen den Kommunikator hin.
„Sha, es tut mir leid, aber die Jaridian wollen etwas von Dir ... Ich habe allen, die mir damit kamen, gesagt, was Du gerade zu tun hast und daß Du das erst beenden mußt, aber sie sagen, es wäre wichtig ...”
Einem Impuls folgend, der durch die Berührung ausgelöst worden war, überprüfte Shainshiyee nicht nur ihre Barriere, den mentalen Block, mit dem sie alle sie Berührenden aus dem Kontakt ausschließen konnte, sondern weitete sie aus, während sie die Komm-Einheit entgegennahm, aufklappte und aktivierte.
Torvaks Züge erschienen auf dem kleinen Monitor, Bedauern und Dringlichkeit zugleich ausdrückend.
„Ich weiß, das kommt mit Sicherheit ungelegen”, meinte er, „aber wir haben hier oben wirklich ein Problem ...”
Sha schaute irritiert auf das Gerät. Was meinte er mit ‚hier oben’? Die Frachterkolonne, die die nächste Lieferung klingenden Felses für das Imperium einladen würde, war doch erst für die nächste Hellphase ...
„Wir kommen unangemeldet”, deutete der Jaridian auf dem Bildschirm den Gesichtsausdruck der Windvolk-Angehörigen, die so viele Einsätze für die Allianz absolviert hatte, davon einige auch mit ihm, richtig. „Und wir sind nicht allein ...”
Er begann, ihr von den Wünschen des Taelon-Mutterschiffs, der Im-Raum-Bergenden, die so lange Zeit im Orbit um den Planeten Erde verbracht hatte zu berichten ... Und in ihr stiegen die Erinnerungen auf an die, in die sie unbemerkt eingedrungen war und der sie von dem gesungen hatte, was diese Wesenheit eigentlich war - und was sie wieder würde sein können, begäbe sie sich in die Hände der Jaridian und ihrer Verbündeten, die rückgängig machen konnten, was die Taelon ihr und ihrer Spezies angetan hatten ... An die Schiffswesenheit, die, davon begeistert, sich willig hatte entwaffnen und übernehmen lassen ... und, wie Sha später erfahren hatte, von einem findigen Taelon-Biotechniker gezwungen wurde, sich dem Sokhara-Kreuzer, dem sie sich anvertraut hatte, wieder zu entziehen ... und die den Weg in Richtung Freiheit erst jetzt gefunden hatte, wo ihre Besatzung lediglich aus einem einzigen Taelon und zwei Menschen bestand, von denen einer nicht einmal ein richtiger war und die andere ...
Shas spärliche Fellreste stellten sich auf, während sie Torvak zuhörte, und die Nicht- und Halbflüggen wurden immer unruhiger, weil sie nichts mehr von ihr spürten im Kontakt außer etwas, das sich anfühlte wie eine präzise gesungene, vollkommen glatte Höhlenwand aus einem seltenen tiefgrünen, sehr schön gemaserten Gestein ... Den Ausgewachsenen, der ihr Nachricht und Gerät überbracht hatte, schmerzte es, in den Augen der Weiblichen zu sehen, was sie empfand, ohne auch nur eine Spur davon in der Berührung wahrnehmen zu können. Er rief sich ins Gedächtnis, was er über die Barriere wußte - passenderweise tauchte ausgerechnet die Erklärung für die Jüngsten, die Aveena, die jetzige Urälteste seines Volkes, erstmals gesungen hatte:
„Das ist etwas, das alle haben, die unsere Welt für das Ganze verlassen und sich in Gefahr begeben müssen. Die Elarian haben ihnen geholfen, das zu lernen - und zu lernen, daß sie es nie wieder aufgeben dürfen, weil sie damit die Wege schützen, die sie zu gehen haben ... sie schützen, was sie wissen und was sie tun müssen ... Die meisten von ihnen lernen, wenn sie wieder hier sind, von uns aufs Neue, was Teilen und Kontakt wirklich bedeuten, aber wenn sie Schmerzen haben oder Angst oder wenn sie zornig sind, dann wird es von allein wieder aktiv - sie können es nicht mehr abstellen, es ist wie unsere Reflexe ...”
„Es tut ihr weh, was sie da macht?” vermutete, sehr verunsichert, das winzige Nichtflügge, das zuvor nach ihren Farben gefragt hatte.
„Nein, sie hat bestimmt Angst ... sie schaut, als ob sie Angst hat ...” Das Halbflügge mit dem noch nicht geheilten Flügel kämpfte sich hoch, um der Ausgewachsenen besser ins Gesicht sehen zu können.
„Du wirst gebraucht hier oben - die Bergende will Kontakt mit Dir, es sei sehr dringend. Sie weigert sich, zu sagen, worum es eigentlich geht, aber Ra'jel meint, es gehe ihr wirklich nicht gut, und darüber hinaus habe auch er ein dringendes Anliegen, wobei er Deine Hilfe braucht ...”
Sha hatte zu zittern begonnen, eine Reaktion, die trotz der Barriere ihre Gefühle verriet. Energie strömte ihr zu, von dem Ausgewachsenen und sämtlichen Jungen, die übereinander kletterten, um sie berühren, umklammern, wärmen zu können.
„Wir sind doch alle bei Dir ... Du brauchst da nicht allein hin, wir kommen alle mit ...”, sangen unzählige Stimmen und Stimmchen, und der Männliche umfing sie und alle Winzigen unmittelbar um sie mit seinen ausladenden Flügeln.
Ihr wurde erst jetzt bewußt, daß sie alle ausgeschlossen hatte, und sie zog die Barriere wieder zusammen. „Es tut mir leid ...” Sie blockte sanft, aber entschieden alle Energie ab, außer der des Ausgewachsenen. „Was erklären wir Euch über das Weggeben von Kraft?” Sie strich sanft über Rücken und Flügel jedes Nichtflüggen in Greifweite und ließ ihre eigenen Farben expandieren, um alle hinein zu hüllen.
„Danke ... danke, daß Ihr da seid für mich und mir das anbietet ...” Sie überlegte intensiv, warum der Gedanke, sich wieder in das Innere der Schiffswesenheit begeben zu sollen, ihr solche Angst machte ... an der Bergenden selbst lag das auf keinen Fall, deren Kraft und zerbrechlich wirkende Schönheit sie ebenso bewunderte wie das, was diese werden würde und die geheimnisvollen Wege ihrer Spezies ...
Die beiden Menschen - nein, die Menschenfrau, die etwas von Da'ans Energie in sich trug, und den, der ebenso Mischling war wie Sha selbst, nur eben Mensch und Kimera statt Windvolk und Jaridian - Renée Palmer und Liam Kincaid kannte sie von ihrem Einsatz auf der Erde und respektierte - nein, schätzte sie, auch wenn damals, in all der Not, gar keine Zeit geblieben war, sie wirklich verstehen zu lernen ...
„Wir sind alle bei Dir”, ließ das ganz Junge sie wissen, das versuchte, sie in seine winzigen Flügel zu hüllen, indem es sich mit allen Krällchen an ihr festklammerte. Sie strich dem kleinen Wesen erneut über den Rücken, weiter allen Sonnenhell und behutsam gesteuertes Weiß-Violett zufließen lassend.
Sie fürchtete weder die Bergende noch die beiden Menschen noch Yulin und die Seinen - die Atavi des Dritten Weges auf ihrem Flug nach Hause ... sie fürchtete den einzigen verbliebenen Taelon an Bord - sie fürchtete Ra'jel.
Nicht, weil er ein Taelon war.
Sie hatte mit vielen seiner Art zu tun gehabt im Laufe ihres Weges für das Ganze ... aber Ra'jel war - jemand Besonderes.
Ra'jel war nicht ein Taelon, er war viele ...
Ra'jel war - die Synode.
Die Besatzung dieser speziellen Schiffswesenheit, die den Planeten der Verletzlichen heimsuchte, hatte fast ausschließlich aus Synodenmitgliedern bestanden ... die ihren mentalen Verbund untereinander, das Innerste des Gemeinwesens, aus diesem herausgetrennt und isoliert hatten, als es, durch die Ansiedlung der verbliebenen übrigen Taelon, die über den Rest ihres ehemaligen Reiches verstreut gewesen waren, auf der Heimatwelt der Atavi und die immer häufiger stattfindenden Vereinigungen zwischen einzelnen der Ihren und dazu bereiten Jaridian, schwächer und schwächer wurde ...
Die, die sich freiwillig getrennt hatten von dem, was sie als unrettbar verdorbenen Rest ihrer Rasse betrachteten, definierten sich selbst als die verbliebenen wahren, echten Taelon, die einzigen, die die Zukunft ihrer Rasse gewährleisten könnten in reiner Essenz, fänden sie eine Lösung für ihr Energieproblem, die nicht aus den Händen ihrer Todfeinde stammte ...
Sie hatten die Menschen ausbeuten wollen, nicht nur dafür - und waren entsetzlich gescheitert, ebenso, wie die damals auf der Erde befindlichen und im Zusammenhang mit dem Desaster der Taelon aus der Stasis erwachten Atavi des Dritten Weges.
Ra'jel hatte, als es zu Ende ging, in einem unvorstellbaren Kraftakt Platz geschaffen in sich - Platz für die in starre Inaktivität verfallenen Bewußtseine aller verbliebenen Synodenmitglieder mit Ausnahme Zo'ors, Da'ans und derer, die dieser, in seinem Selbst geborgen, mit in den Abschied genommen hatte ... Die verbliebene Energie, die all ihre Gestalten gebildet hatte, hatten sie, in der Hoffnung auf Ra'jel, in die Schiffswesenheit gegeben, die diese sofort für Lebenserhaltung und Antrieb umkonfiguriert hatte.
Ra'jel war nicht ein Taelon, er war viele ...
Würde Sha ihm gegenüber treten, träte sie der Synode gegenüber.
Wußte diese, wer der Bergenden gesungen hatte?
Was, wenn all diese Taelon in ihr die Feindin sahen, die Verräterin, die sie und ihr Schiff den Jaridian ausgeliefert hatte?
Wieder spürte sie erst an der Reaktion der anderen auf dem Mitte-Lager, daß sie ihre Barriere erneut ausgeweitet hatte.
Sie atmete einige Male tief auf.
„Es ist vorbei”, rief sie sich selbst zur Ordnung. „Der Krieg zwischen Taelon und Jaridian ist vorbei ... Ra'jel will etwas von mir, er wäre dumm, jemandem Schaden zuzufügen, von dem er sich offenbar etwas verspricht ... und die Bergende ...”
Sie spürte beinahe diese mächtige, erwachende Präsenz um sich. „Sie braucht mich ... und ich kann sie ebenso wenig im Stich lassen, wie ich das mit Euch hier könnte ...”
Sie schaute auf den Bildschirm, in Torvaks deutlich seine Ungeduld verratenden Augen.
„Ich komme”, sang sie ihm. „Ich muß mich hier noch um jemanden kümmern, aber sofort danach fliege ich zum Raumhafen, bitte um ein Shuttle und ...”
„Das Shuttle steht schon bereit für Dich”, antwortete der Kreuzerkommandant. „Beeile Dich ...”
„Ich werde da sein.”

Shainshiyee deaktivierte das Gerät und klappte es zusammen. Der Männliche, der sie zwischen den Flügeln hielt, zog ihre Aufmerksamkeit auf sich.
„Ich fliege mit Dir”, ließ er ihr zufließen. „Du mußt das nicht allein tun ...”
Die glatte grüne Höhlenwand war wieder da.
„Doch, ich muß”, ließ Sha ihn wissen. „Sie haben nach mir gefragt, und in solche Dinge darf einer nicht mehrere hineinziehen ... Ich danke Dir sehr, aber Ihr alle kennt die Regeln ...”
Er kannte sie ebenso wenig wie all die Nichtflüggen, die mit ihnen beiden längst keinen Kontaktkreis mehr bildeten, sondern einen ruhelosen, sich ständig umschichtenden Kontakthaufen, aber er fühlte deutlich, daß er gegen die Höhlenwand nicht ankam.
Sha wandte ihre Aufmerksamkeit jetzt wieder dem verletzten Nichtflüggen zu - den Gesang für es hatte sie die ganze Zeit über fortgesetzt - aber da unterbrach er sie.
„Laß mich das tun”, bat er. „Wenn Du Dich schon etwas so offensichtlich Unangenehmem stellen mußt, dann laß Dich wenigstens von anderem entlasten ...”
„Das hier ist doch keine Last ...” Wieder umfing sie alle mit ihrer Energie.
„Trotzdem ... laß mich die Kleine heilen und den Unterricht hier fortsetzen, und Du machst Dich auf den Weg - Torvak hat es ja dringend genug gemacht ...”
Zu seiner Erleichterung stimmte sie schließlich zu. Er schaffte es irgendwie in all dem Gewimmel, sich ihr gegenüber zu plazieren. Sie gab ihm behutsam das Verletzte in die Flügelhände, verabschiedete sich im Kontakt liebevoll von diesem, von ihm und allen anderen und schwang sich kurze Zeit später mit einem Sprung und einigen kraftvollen Flügelschlägen in die Luft Richtung Raumhafen.

Dort angekommen, fragte sie sich zu dem Shuttle durch, das tatsächlich bereitstand für sie. Für sie als fliegendes Geschöpf war das Manövrieren eines solchen reine Freude, zumal ein inzwischen längst verabschiedeter Jaridian, den die Windvolk-Urälteste noch gekannt hatte, diesen irgendwie beigebracht hatte, wie die zu fliegen, die der Wind trug ...
Beschleunigen, durch die Atmosphäre brechen, ein kurzer Augenblick ohne Schwere und der Andruck des Abbremsens, dann schwebte sie in den Shuttle-Hangar des Kreuzers, den Torvak befehligte, und dockte an der nächsten dafür vorgesehenen Vorrichtung an.
Kurze Zeit später befand sie sich auf der Brücke, von deren Hauptmonitor ihr Ra'jels Gesicht entgegen blickte.
„Nein, sie kommt allein - ich dulde auf diesem Mutterschiff keinen der Euren. Glaube mir, Torvak, ich käme lieber ohne sie aus und auch ohne Euch zu behelligen, aber diese besondere Situation läßt keine andere Option zu - ich muß allerdings nicht erlauben, daß auch nur ein einziger Jaridian mein Schiff betritt.”
Die beiden Menschen im Hintergrund des riesigen Bildschirms sahen einander an, und die Weibliche schüttelte den Kopf - eine Geste der Verneinung oder Mißbilligung, wußte Sha noch.
„Ra'jel, das Risiko können wir nicht eingehen - es sei denn, Du erklärst endlich, was Du - und die Dich im Raum geborgen Haltende - von Shainshiyee wollt.”
„Torvak, laß es gut sein”, wandte diese sich an den Kommandanten. „Ich gehe allein ...” Sie schaute dem Taelon auf dem Monitor in die Augen, dann in die des Kreuzer-Ersten. „Ich denke, Ra'jel ist sich der Tatsache bewußt, daß sich die ihn Beherbergende exakt zwischen zwei bewaffneten Sokhara-Kreuzern befindet - die ihn Beherbergende, auf die er offenbar keinen wirklichen Einfluß mehr hat ...”
Torvak überlegte einen Augenblick, dann wurde Belustigung spürbar, von ihm ausgehend in grün-goldenen Wellen. „Ich vergesse immer wieder, daß Du zur Hälfte unseres Volkes bist ...”

 

Ende von Kapitel 1

 

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