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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite)
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Thema:  Ein neues Volk auf dem Planeten - und neue Wege öffnen sich
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  die Gesangshütenden des Erd- und Wasservolkes, Aveena, der Sprecher derer auf dem Weg, der Sprecher und der Navigator der Jaridians, der Planet, auf dem die Völker leben (ein Teil der Kreuzerbesatzung, alle Bewohner des Planeten)
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 7

 

Langsam, sehr langsam tauchten wir aus dem Kontakt mit unserer Welt wieder auf, nahmen den heiligen Ort und einander wieder wahr ... wir hatten das Lied unserer Welt geteilt, jetzt ging es darum, zu verstehen ...
Es war gut, zu wissen, daß sich das Innerste unseres Ganzen nicht von uns abgewandt hatte. Es hatte sich aber angefühlt, als sei es in großer Sorge - in Sorge wegen alldem, was wir in Kürze beim Rathalten zu bewegen haben würden ... „Trefft die richtige Wahl ...” Wir hatten alle den Eindruck gewonnen, würde uns das nicht gelingen, bräche die nächste Notzeit über uns herein; und dann träfe unsere Welt eine weise Entscheidung, in diese Notzeit hinein nicht noch mehr von uns wachsen zu lassen.
Woraus sollten wir das Richtige wählen? In den Bildern, die wir gerade gesehen hatten, war es doch nur um Kampf und Zerstörung und die Folgen daraus gegangen, um Verletzung und Schmerz ... eine Wahl treffen? Dieser Krieg war über uns hereingebrochen, wir waren jetzt ein Teil davon - hatten wir eine Wahl?
Zwischenholzsträucher, kahl und ohne Knospen ...

Wir lösten den Kontakt und verabschiedeten uns voneinander, bedrückt und nicht viel wissender als zuvor. Immerhin, unsere Welt schaute freundlich auf den Atavus-Stamm und die Jaridians ... Das Rathalten stand kurz bevor, und es ging darum, wenn es soweit war, wachen Herzens unser Bestes zu geben ...
Der Gesangshüter der Wasser tauchte ab, und die Hüterin der Gesänge des Erdvolks und ich machten uns auf den Rückweg zu den Unseren, um gemeinsam mit ihnen die noch anstehenden Arbeiten zuende zu bringen.
Unser Stamm hatte das Flechten gerade beendet - unser Gehölz war bereit für seine Gastbewohner. Erschöpft, wie wir waren, blieb jeder einfach da, wo er aufgehört hatte zu arbeiten, hängte sich ins Geflecht und fiel in den Schlaf. Ich stieg in den nächstbesten fertiggeflochtenen Ph'taal und war schon in wirrem Traum, bevor ich die Fußkrallen richtig ins Geäst gehakt hatte.

Die letzte Hellphase vor Beginn des Rathaltens war damit ausgefüllt, die ankommenden Stämme aus näherer und fernerer Umgebung willkommen zu heißen und so gut unterzubringen, wie es hier möglich war ... Freude darüber, wie viele und wie vielfältig wir waren, mischte sich mit Aufregung und einer leisen, zunehmenden Angst vor dem, was wir zu bewältigen hatten in der nächsten Zeit ...
Dieses Rathalten würde dauern, bis es wirklich zuende war, so viele Dunkel- und Hellphasen lang, bis wir gemeinsam gefunden hatten, wie eine Zukunft für uns in dem Ganzen, als dessen Teil wir unsere Welt und uns hatten begreifen lernen müssen, aussehen sollte und was wir darin zu tun hatten, damit es dem Ganzen so gut wie möglich ginge. Die letzten Vorbereitungen wurden in der Höhle der Gesänge getroffen. Für den Gesangshüter der Wasser, der im innersten Kreis in der Höhle dabei sein mußte, wurde ein großes, geflochtenes und mit Ph'taalharz abgedichtetes Behältnis voll Meerwasser bereitgestellt - es würde wohl wenig Pausen geben, in denen er ins Meer könnte, und ihn nur mit Wasser zu überschütten, würde in so langer Zeit nicht ausreichen. Seine Haut würde so sehr austrocknen, daß es ihn verletzen würde ...
Es gab genügend Wasser zum Trinken, Früchte und sonstige Vorräte, der Boden war durchgehend mit Laub bedeckt, Feuerschalen waren aufgestellt und alle Plätze und Aufgaben verteilt, so daß wir mit Einsetzen der Dunkelphase mit dem Rathalten beginnen konnten.
Und dann war es so weit ...

Während die sinkende Sonne das Meer rot färbte und alle, die irgendwie hinein paßten, in die Höhle der Gesänge strömten, die Bucht und den Strand davor bevölkerten und sich dicht an dicht in die Ph'taal darum herum hockten, landeten neben der Taelon-Behausung vier Jaridian-Shuttles und entließen die Gruppe von Jaridians, die in der vergangenen Zeit so oft mit uns gewesen war. Ich flog zu ihnen hin und begrüßte sie, froh, sie zu sehen und voller Fragen ... ihr Sprecher bedeutete mir, das aufzusparen: „Das gehört in Euren Rat ...”, berührte aber meinen linken Flügel und gab mir darüber zu verstehen, daß bezüglich des Vordringens der Taelons nichts Neues geschehen sei. Er vermittelte mir den Eindruck eines Taelon-Mutterschiffes,das, von einer bestimmten Beobachterposition aus in einem sehr merkwürdigen Winkel gesehen, im Schatten eines Mondes über einem winzig erscheinenden Planeten hing. Ich unterdrückte aller erneut in mir aufsteigenden Fragen und begleitete die Jaridians in die Höhle; es war uns wichtig, daß sie Platz im innersten Kreis fanden, ebenso wie der Atavus-Stamm, dessen Angehörige uns vermittelt hatten, daß sie zu diesem Rathalten ein dringendes Anliegen beizutragen hatten.
In der Höhle nahmen wir unsere Plätze ein, aber an Hinsetzen war noch nicht zu denken. Der Atavus-Stamm war bereits anwesend, aber nach wie vor strömten Erd- und Windleute, sogar vereinzelt Angehörige des Wasservolkes, die unbedingt so nahe wie möglich dabei sein wollten, herein und fanden Platz ... irgendwann war die Höhle wirklich voll und alle hatten es sich so bequem wie möglich gemacht. Inzwischen war es dunkel draußen. Das tote Holz in den Feuerschalen war entzündet und auch wir im Innersten dieser Versammlung ließen uns nieder ... Zwischen den Jaridians und den Angehörigen des Atavus-Stammes saß jeweils jemand von einem unserer Völker, um den Kontakt so leicht wie möglich zu gestalten. Ich hockte zwischen dem Navigator der Jaridians, der sich unter meinem rechten Flügel sehr warm anfühlte, und dem Atavus, der damals als Erster das Bewußtsein wiedererlangt hatte und der später für seinen Stamm singen würde. Über die Berührung fühlte ich vor allem bei dem Jaridians angespannte Erwartung, was mir meine eigenen Gefühle dem Bevorstehenden gegenüber bewußt werden ließ ...
„Ihr habt eine Wahl zu treffen - trefft die richtige ...”
Hier und jetzt ging es um - das Ganze ...

Langsam kamen alle zur Ruhe und gingen in Kontakt. Das Summen und Laubrascheln verstummte, und in der einsetzenden Stille wurde die unterschwellige Aufregung und vereinzelt sogar unterdrückte Angst spürbar. Die ganze Höhle pulsierte - unter Spannung - im Rhythmus unseres beschleunigten Herzschlags und in gleichen Takt gefallenen schnellen Atems. Der Kontakt, den wir aufbauten, wurde rasch so intensiv, daß ich die am Strand und in den Bäumen draußen Versammelten genau so deutlich spüren konnte wie den Navigator der Jaridians und den Atavus neben mir ... Atem und Pulsschlag aller beschleunigten sich weiter, bis irgendwann die Hüterin der Gesänge des Erdvolkes sich mit einer fließenden Bewegung aus dem Kontakt löste, aus dem geflochtenen Korb, den sie vor sich stehen hatte, ein großes Behältnis mit Kräutern nahm und je eine Hand voll davon in die vier großen Feuerschalen warf, die um unseren Kreis herum standen. Der aufsteigende Rauch ließ meinen Kopf ganz leicht werden, und für einen Augenblick hatte ich das Gefühl, ich würde meinen Körper verlassen ... ich atmete tief aus, und damit war der ständig schneller werdende Atem- und Herzrhythmus durchbrochen. Die Erd-Gesangshüterin begab sich in den Kontakt zurück, und gemeinsam begannen wir bewußt zu atmen, in einem Vierer-Rhythmus und vierfach zeitverzögert unter der Frequenz, die noch durch die Höhle pulsierte ... der Atavus neben mir ließ sich sofort in den gleichen Rhythmus fallen, ebenso der Gesangshüter der Wasser und schließlich nach und nach der gesamte riesige Kontaktkreis. Jetzt war Kraft spürbar ...
Die Gesangshüterin der Erde begann die tiefe, wortlose Eigenfrequenz ihres Volkes zu singen, und warmes, tiefrotes Licht strömte in den Kreis, das sich immer mehr verstärkte, je mehr Erdleute in den Gesang einstimmten. Darüber wob als nächstes der Gesangshüter der Wasser Frequenz und Farbe der Seinen, und zuletzt sang ich für das Windvolk, die Obertöne schwebend über den Klängen der anderen ... tiefrot, blaugrün, sonnenhell ... und dann wob sich plötzlich eine neue Farbe dazwischen, nicht im Fluß strömend wie die Farben unserer drei Völker, sondern in einem komplexen geometrischen Muster in Braun und Grau, und eine neue, vielfältige Frequenz, zwischen der des Erd- und des Wasservolkes, wurde hör- und spürbar. Der Atavus-Stamm stimmte in unseren Gesang ein ... Überraschung, Freude, Staunen im Kreis - das fühlte sich gut und richtig an ... und dann tauchte in dem Webmuster aus Farbe und Gesang pulsierendes, leuchtendes Grün auf, unterzogen mit Weißviolett, verbunden mit dem Eindruck von intensiver Wärme und einem vielschichtig vibrierenden Klang, einem Klang, der Kraft in Bewegung war - die Jaridians ... alle Stimmen, die mit dem Ins - Leben - Singen unserer Zukunft zu tun hatten, waren hier in diesem Gesang - alle bis auf eine.
Die Stimme der Taelons.

Kurzzeitig nahm ich wieder den Eindruck wahr, den der Sprecher der Jaridians mir bei der Ankunft übermittelt hatte:
ein Taelon-Mutterschiff, aus der seltsamen Perspektive, aus der es zu sehen war, über einem Planeten schwebend ... dann war der Klang der Komplexschwingung wieder da und mit einem Mal ein Bild der Taelons, die für kurze Zeit in Berührung mit uns gewesen waren, hier, jetzt in unserem Kreis.
Überrascht gab ich diese Folge von Eindrücken in den Kontakt - was war das? Die Erd-Gesangshüterin reagierte mit wacher Aufmerksamkeit, die Atavus-Leute mit Neugier. Der Gesangshüter der Wasser öffnete kurz die Zwischenlider und signalisierte Zustimmung. Von den Jaridians kam große Skepsis, aber keine direkte Ablehnung ... In dem Gedankenbild, das bei mir aufgetaucht war, waren die Taelons in die Berührung eingebunden wie wir alle, jeweils einen von ihnen zwischen zweien von uns, an dessen anderer Seite ein Jaridian oder ein Atavus saß ... „Sie müßten das hier wirklich mit uns teilen ...” gab der Gesangshüter der Wasser in den Kreis, „sie sind Teil des großen Ganzen wie wir; ihre und unsere Zukunft berühren einander ...” Von dem Sprecher der Jaridians ging ein intensiver Energieimpuls aus. Ich schaute zu ihm hin, und er blickte mir direkt in die Augen. Der Eindruck des zerfetzten und verbrannten Taelon-Shuttles in dem Ph'taal, der vom Blitz getroffen worden war ... „ihre und unsere Zukunft ...” Ich ließ ihm die Erinnerung daran zufließen, wie er mir von seiner Gefährtin berichtet hatte, verbunden mit dem, was in mir für ihn und die Seinen war: Achtung, Verstehen, Wärme ... Einen Augenblick später wich die Anspannung von ihm, und er antwortete mir mit dem Bild mit dem Bild seiner Gefährtin auf dem Berg, kraftvoll und lebendig. „Ich habe verstanden ...”

„Ihre und unsere Zukunft berühren einander ... aber sie sind nicht mit uns, sie sind weit fort ...” gab jemand in den Kreis ... Die Gesangshüterin des Erdvolkes löste sich erneut aus dem Kontakt, griff in ihren Korb und suchte eine Weile darin. Schließlich hielt sie einen kleinen Gegenstand in der Hand, den sie in den Kreis legte, so daß er in Berührung mit dem Sprecher der Jaridians war, der den Platz neben ihr hatte - es war ein kleiner blauer Stein. Sie sah den Jaridian und mich an und nahm den Kontakt wieder auf. „Singt uns von ihnen ... singt uns von dem, was Ihr in den Tiefen der Erinnerung gefunden habt über sie ... wir werden hören, fühlen und verstehen, und die Taelons sind gesehen und geachtet als der Teil des Ganzen, der sie sind ...” Der Sprecher der Jaridians schaute ratlos zu mir herüber. „Es ist ganz leicht,” bedeutete ich ihm. „Erinnere Dich ... erinnere Dich, wie alles anfing ... die Legende von Zeichen und Vorzeichen ...” Ich hielt seinen Blick mit dem meinen, ließ den Klang dieses Liedes in mir aufsteigen und begann zu summen, während in ihm die ersten Bilder unserer gemeinsamen Reise in die Vergangenheit von Taelons und Jaridians auftauchten. „Gib es in den Kreis, damit wir alle verstehen ...” Unbewußt hatte ich diesem Lied einen Vierer-Rhythmus unterlegt, auftaktig, mit einer merkwürdig treibenden Energie, und dann gaben wir gemeinsam die Geschichte der Taelons in den riesigen Kontaktkreis - wie sie geworden waren, was sie sind ... alle anderen sangen immer noch die Eigenfrequenzen ihres jeweiligen Volkes und woben die Farben in den Gesang, der jetzt den unseren trug ... Ich sang von der blauen Höhle mit den unvorstellbaren Ausmaßen - und plötzlich war die Komplexschwingung aus meiner Erinnerung mit in unserem Kontakt, ein mächtiger, tausendstimmiger, schwingender Kreis, der unsere Stimmen überlagerte ... wir behielten unseren Gesang bei, alle hatten inzwischen den Vierer-Rhythmus aufgegriffen, während die Schwingung des Kreises eine stehende Welle formte, scheinbar ohne Anfang und Ende. Wir steigerten Kraft und Tempo ... und irgendwann begann die Komplexschwingung zu vibrieren. Aus Vibration wurde Pulsieren und schließlich rhythmische Expansion, die gleichzeitig die dichte Struktur der Komplexschwingung immer mehr dehnte, bis sich der mächtige Kreis plötzlich öffnete ... zwischen die einzelnen unterschiedlich blau schattierten Klangstränge woben sich unsere Stimmen, unsere Farben ... der Rhythmus trug uns schließlich alle, Jaridians, Atavusstamm, Unsrige und unser gemeinsames, vielfarbiges Gewebe, in dem es zwischen allen anderen Farben jetzt immer wieder blau aufleuchtete. Ich spürte in das Gewebe hinein und berührte eine der blauen Strukturen -das fühlte sich ganz anders an als in der Höhle oder in dem Bild von so einer Struktur in mir ... es war warm und es reagierte auf die Berührung mit einem Aufleuchten und dem Eindruck von Freude ...
Ich gab das sofort in den Kreis, und viele andere wagten gleichfalls, einzelne Teile der Komplexschwingung zu berühren, sogar der Sprecher der Jaridians - sehr vorsichtig mit der Shaqarava-Energie - das verursachte einen Schauer vielfarbiger Funken und eine hochfrequente wellenförmige Bewegung, die durch alle blauen Stränge im Gewebe lief, verbunden mit dem Gefühl von Aufregung und Erwartung ...
Irgendwann klang unser erstes gemeinsames Lied in dieser Zusammenkunft des Rathaltens aus. „Die Taelons sind gesehen und geachtet als der Teil des Ganzen, der sie sind ...” Der Sprecher der Jaridian schob vorsichtig den kleinen blauen Stein im Laub neben sich zurecht.
In mir war das Gefühl, gerade sei einiges mehr geschehen als das ...

Die Farben dieses ersten Liedes verblaßten langsam bis auf eine - das geometrische Muster aus Grau und Braun, das von den Angehörigen des Atavus-Stammes gehalten wurde. Es schwang weiter im Kreis, verbunden mit seiner spezifischen Frequenz, die mehr und mehr an Kraft gewann, je mehr der Unseren sie aufgriffen und damit den Atavus-Leuten signalisierten, daß jetzt der Kontakt offen war für das, was sie mit uns zu teilen hatten.
Der Atavus zu meiner Linken, neben dem auf der anderen Seite die Hüterin der Gesänge der Erde saß, wandte sich an den Sprecher der Jaridians und schaute diesen direkt an. „Es ist uns wichtig,” sagte er zu ihm, „daß Du und die Deinen genau verstehen, was wir jetzt mit Euch teilen wollen ... und deshalb wünschen wir, daß Ihr es im Kontakt erfahrt, so wie auf dieser Welt hier schon immer Erfahrungen geteilt wurden, und nicht nur im Miteinandersprechen, so wie Ihr und wir es in der vergangenen Zeit so oft getan haben. Ihr und wir können nicht teilen, so wie es die Völker dieser Welt können, und deshalb ...” er nahm meine Flügelhand und die Hand der Erd-Gesangshüterin in einen festen Griff - „sollen sie Vermittelnde sein, Überbringende dessen, was wir nicht überbringen können ... damit Ihr fühlen könnt, was wir zu singen haben ... denn die, die hier zuhause sind, teilen nur das, was wirklich ist ...”
Die Jaridian saßen jetzt wach und sehr aufrecht da; es schien um etwas zu gehen, das in den letzten Hellphasen wohl besonders sie und die Atavus-Leute sehr beschäftigt hatte. Die Hüterin der Gesänge der Erde signalisierte Bereitschaft, Wasser und Wind bekräftigten dies, indem wir die Eigenfrequenz des Atavus-Stammes klar und deutlich sangen ... ich konzentrierte mich auf das geometrische Muster und auf die Jaridians, während der Atavus, an diese gerichtet, in den Kontakt gab:
„Ihr, die Ihr von den Unseren abstammt und uns habt werden lassen, was wir einst waren, habt uns Heimat angeboten auf Eurer Welt ... und die, die wir als Gezeichnete fast vernichtet hätten, haben uns als Ihrige aufgenommen. Euch stehen wir näher als jedem dieser drei Völker, und trotzdem trennt uns von Euch viel mehr als von ihnen. Von Euch trennen uns Äonen der Entwicklung - mit nichts von dem, das Euer Leben bestimmt, haben wir je zu tun gehabt, genau wie die drei Völker hier auf dieser Welt. So sehr wir spüren, daß Ihr uns gern einen Platz geben würdet bei Euch, so deutlich fühlen wir auch, daß dieser Platz nicht der unsere ist - wir könnten nichts von Eurem Leben teilen, nichts zum Guten für das Ganze beitragen. In Eurem Krieg mit den Taelons haben wir kein Ziel, denn wir sind weder Taelon noch Jaridian. Wir sind, was Ihr einmal wart, und wir wissen nur, daß wir werden ... wir wollen Teil dessen sein, was hilft, Euer beider Völker zu bewahren, wenn wir überhaupt ein Teil dieses Konflikts sein sollen. Wir wollen wachsen ...”
Jetzt bekam das, was in den Kontakt gegeben wurde, eine brennende Intensität, und plötzlich erschien im Inneren des geometrischen Musters, das der Atavus-Stamm wob, pulsierendes Weiß und Gold. „Wir wollen wachsen ...” Eine Flut von Bildern war damit verbunden, erwachsene Angehörige des Atavus-Stammes mit einer Gruppe ihrer Nichtflüggen; Atavus-Leute, die konzentriert miteinander sangen; jemand, der ein Lied sang, dem alle anderen gebannt zuhörten; zwei ihres Stammes am Boden hockend, und einer der beiden zog mit einem kleinen toten Zweig Linien in die weiche Erde ... einer der Ihren, still und in Gedanken an einen Baum gelehnt sitzend ... mit dem Begriff „wachsen” meinten sie nicht nur, ihre Anzahl zu vermehren, sondern viel mehr, sich zu entwickeln ... auf ähnliche Weise, wie die Jaridian sich entwickelt hatten, aber offenbar in eine andere Richtung ...
Von den Jaridian kam Offenheit, Wärme, Verstehen, aber auch tiefes Bedauern. Sie hätten die, die physisch ihre genetischen Vorfahren waren, lieber als alles andere auf ihrer Welt aufgenommen ... Der Atavus, der für seinen Stamm sprach, wandte sich jetzt an uns, die Gesangshüter der drei Völker auf dieser Welt.
„Ihr müßt Euren Platz im neuen Ganzen noch finden, so wie wir. Wir wissen nicht, welcher Weg vor uns liegt, so wenig, wie Ihr es wißt. Die, die von uns abstammen, kennen ihren Weg und folgen ihm, und ihr Weg ist nicht der unsere.
Wir verfügen nicht über die Kraft, die den Schrecken wachrief. Wir sind nicht geflügelt wie Ihr, die Euch der Wind trägt, und wir können in den Wassern nicht atmen wie die, die in strömenden Tiefen zuhause sind. In den Höhlen derer, die das Dunkle birgt, fehlen uns der Wind und das Licht der Sonne ... Und dennoch bitten wir Euch, die drei Völker, die uns bei sich aufgenommen haben, um einen Platz für uns auf Eurer Welt - einen Platz zwischen den mächtigen Bäumen Eurer Gehölze, auf den weiten Ebenen ohne Ph'taal und an den Stränden der Meere - um Platz zwischen den Orten, die Ihr bewohnt ... um einen Platz, daß wir, die auf dem Weg sind, wachsen können ...”
Er wandte sich wieder an die Jaridian: „Und Euch, die Ihr uns so nah seid, bitten wir, uns unseren Weg gehen zu lassen ... unseren Weg, bewahren zu helfen, was Ihr seid - und was wir werden ...”
Wieder zahlreiche, vielfarbige Eindrücke: Atavus-Leute unterwegs, bepackt mit verschiedensten Lasten, singend ... eine Gruppe der Ihren, um ein riesiges Feuer versammelt ... mehrere ihres Stammes, beschäftigt um vier kleine, merkwürdige, extrem heiße Feuer ... flüchtig schob sich ein anderer Eindruck vor meine Wahrnehmung, eine dunkle Gestalt an den Feuern des Inneren am heiligen Ort unter dieser Höhle hier ... mein Blick traf den des Wasser-Gesangshüters, der mit ungeschützten, weit offenen Augen zurückschaute. „Das vierte Volk,” sagte er klar und deutlich, allen Gesang übertönend, „Ihr Weg führt durch die Feuer des Inneren ...” Das Bild der Gestalt am Platz neben den Feuern des Inneren wurde scharf und für alle erkennbar: jemand vom Atavus-Stamm, aufrecht und vollkommen konzentriert, offenbar in tiefem Kontakt mit unserer Welt ... bei den Feuern hatte sich nie jemand von uns aufgehalten. Es war, als ob dieser Ort gewartet hätte ... gewartet, Äonen der Entwicklung hindurch ...
Ehrfurcht, Staunen. Was geschah hier mit uns?
Das Vierte Volk. Die auf dem Weg. Das Feuer - Volk ... „Das Vierte Volk bringt die Veränderung ” wob der Gesangshüter der Wasser, die Zwischenlider immer noch offen, in den Kontakt; es gab noch keine Bilder dazu, aber wir alle spürten die Wahrheit darin ... sich wandelnde, graubraune, zunehmend komplexere Muster, darin pulsierendes Weiß, Gold und jetzt auch Orangerot ... so viel Wärme und Intensität ...
„Ihr seid willkommen” kam unser aller Antwort auf den Gesang des Atavus, aus dem Tiefsten und zur gleichen Zeit. „Ihr seid willkommen ...” „Euer Platz ist bei uns ...” „Unsere Welt ist groß genug,” „Wir teilen mit Euch,” „Wir wachsen gemeinsam,” „Teilt mit uns, was Ihr werdet ...”
Den Taelons hatten wir damals angeboten, das Vierte Volk auf unserer Welt zu werden - aber nicht für sie war der Platz bei den Feuern des Inneren freigeblieben ... Unsere Welt hatte den Atavus-Stamm, das Vierte Volk, die auf dem Weg bereits willkommen geheißen, bevor wir überhaupt von ihnen wissen konnten ...
Schmerz schnitt in meine Wahrnehmung, so tief, daß mir Atem und Stimme wegblieben. Die Jaridians ... Von ihrem Sprecher, der mit weit offenen Augen ins Leere blickte und nichts mehr um sich herum wahrnahm, kam eine Folge von Eindrücken in den Kontakt: Leute vom Feuer-Volk, die zu Beginn einer Hellphase ihre Sachen zusammenpackten und sich auf den Weg machten ... eine Gruppe Kämpfer seines Volkes, die von einem explodierenden Geschoß zerrissen wurde ... ein einzelner, völlig erschöpft und verbraucht wirkender Jaridian, der im Fieber seines außer Kontrolle geratenen Stoffwechsels regelrecht verbrannte ...hier, auf unserer Welt, begann etwas ganz Neues, während es für die Seinen keine Hoffnung mehr zu geben schien ... Über den Kontakt teilten die Seinen diese Bilder mit ihm und antworteten gleichfalls mit Schmerz.
Meine Reflexe reagierten darauf; Energie floß, viel zu wenig ... ich begann die Eigenfrequenz der Jaridians zu singen, das pulsierende Grün, und alle in der Berührung stimmten ein. Der Navigator neben mit hatte sein Shaqarava aktiviert, bei ihm war mehr Zorn fühlbar als Schmerz - Zorn, um nicht in die Gefahr zu kommen, zu resignieren ... er ließ über den Kontakt den Seinen Shaqarava zufließen, während wir sie in ihre Frequenzen hüllten, mehr denn je mit dem brennenden Wunsch, daran mitweben zu können, daß dieser Krieg ein Ende habe und alle Beteiligten eine Zukunft ... „Wir sind für Euch da,” „Wir tun, was wir können,” „Wir singen für Euch ...” In mir stieg das letzte Bild aus unserem ersten Lied hier wieder auf: der sich aufdehnende, sich öffnende Kreis der Komplexschwingung; wie aus dem in sich geschlossenen, statischen blauen Gebilde plötzlich ein vielfarbiges Gewebe geworden war, als es sich von unser aller Farben hatte durchflechten lassen ... und wie das Blau in diesem Gewebe lebendig wurde, als die Jaridians es berührt hatten ...
„Veränderung macht neu,” „Veränderung birgt Hoffnung ...” das kam von den Feuervolk-Angehörigen, von denen die stärkste unterstützende Kraft für die Jaridian ausging. „Wir gehen einen neuen Weg ... den Weg, bewahren zu helfen, was Ihr seid und was wir werden ...” Weiß, glitzernd, lebendig und pulsierend, war jetzt die stärkste Farbe, die von ihnen in den Kontakt gegeben wurde, Weiß, das das Grün, das wir sangen, trug ...
Der Sprecher der Jaridian atmete tief aus und nahm die Berührung, die ihn hielt, wieder wahr; und dann wob auch er die Eigenfrequenzen der Seinen wieder in unseren Gesang ein, verbunden mit der Erinnerung an seine Gefährtin auf dem Berg.
Weißviolette Flammen unter einem stillen blauen Himmel ... lebendige blaue Stränge in einem vielfarbigen Gewebe ... das Statische ins Schwingen bringen, den Kreis öffnen ... Komplexschwingung und Shaqarava in Berührung...
„Das Vierte Volk bringt die Veränderung, ” „Veränderung birgt Hoffnung ..”
Wir hatten das Vierte Volk, die auf dem Weg, das Feuer-Volk auf unserer Welt willkommen geheißen.

Das zweite Lied dieser Zeit des Rathaltens war gesungen. In mir klang der Satz des Feuer-Volkes nach: „... den Weg, bewahren zu helfen, was Ihr seid und was wir werden ...”, darüber lag das Bild des bunten Gewebes, in dem Shaqarava-Energie einen blauen Strang im Geflecht berührte ... Ob irgendetwas von dem, was wir hier gewirkt hatten, die tatsächliche Komplexschwingung, das Gemeinwesen der Taelons, berührt haben könnte? Wie weit war das Mutterschiff, das mir der Sprecher der Jaridians gezeigt hatte, fort? Ich konzentrierte mich auf den Eindruck des winzigen Schiffes in dem riesigen Schatten des Mondes, hinter dem es sich verbarg. Weit ... weit fort ... in Gedanken streckte ich die rechte Flügelhand aus, um vorsichtig Kontakt mit dem leuchtenden, zerbrechlich wirkenden Gebilde aufzunehmen. Leere ... Schwärze, durchsetzt mit flimmernden Lichtpunkten in der Ferne ...
Fester, sehr warmer Halt. Eine Stimme, die mich beim Namen rief. Ich öffnete die Augen und fand mich aufgefangen vom Navigator wieder, der mich erst besorgt, dann erleichtert anschaute und mir half, mich wieder neben ihn zu hocken. Etwas schwindelig ging ich wieder in den Kontakt mit allen zurück - die Taelons waren im wahrsten Sinne unvorstellbar weit fort ... würden wir irgendwann mit ihnen teilen können, was wir hier gefunden hatten?

Die Hüterin der Gesänge der Erdstämme hatte begonnen, die Frequenzen der Jaridians in den Kreis zu geben, um zu signalisieren, daß jetzt ihnen und dem, was sie zu singen hatten, Raum zu geben sei. Alle stimmten ein, summend, um zu tragen, was der Sprecher der Jaridians jetzt in den Kontakt brachte:
„Ihr Völker dieser Welt, hört uns an ... seit wir von Euch und Eurer ersten Begegnung mit den Taelons erfuhren, fürchten wir um Euer Fortbestehen. Selbst unsere jüngsten Kolonien sind nicht so schutzlos wie Ihr, die Ihr in den Krieg zwischen uns und unseren Feinden einfach hineingeraten seid ... Die gegenwärtige Entwicklung in diesem Kampf ist nicht absehbar. Wir wissen, daß Ihr sagt, wir könnten Euch nicht schützen ... aber wir wissen auch, daß Ihr, sollte unser Schiff wegen des aktuellen Geschehens hier abgezogen werden, leichte Beute seid für die Taelons oder für die, die sie für sich kämpfen lassen ...”
Unruhe kam im Kreis auf.
„Bitte, hört uns bis zum Ende an, ” gab der Sprecher in die Berührung, und die wirkliche Sorge, die er und die Seinen um uns hatten, schwang darin mit. „Wir haben eine Lösung gefunden, die Euch schützt und dem gerecht wird, was Ihr seid ... jede unserer Kolonien verfügt darüber, auch die, die nicht aktiv am Kampfgeschehen mitwirken ... ” Er griff in eine der Taschen an seiner Kleidung und zog das Gerät heraus, mittels dessen er mir vor einiger Zeit die mögliche Umgestaltung unseres Gehölzes erklärt hatte. Die Erd-Gesangshüterin und einer meines Stammes, der ihm zur Linken saß, legten ihm Hand und Flügelhand auf den Rücken, um den Kontakt weiter halten zu können, während er von dem sang, was er und die Seinen für uns zu tun vorhatten.
Er klappte das Gerät auseinander, etwas anders als damals mit mir in dem zu flechtenden Ph'taal, drückte auf einige Knöpfe - und schwebend über dem Gerät erschien ein - wie war der Begriff dafür? - holographisches Bild unserer Welt, so, wie sie aus der Perspektive des jaridianischen Kreuzers aussah, der sich in ihrer Umlaufbahn befand. Das Bild war detailgetreu und wirkte so plastisch, daß ich es beinahe berührt hätte, obwohl ich durch den Kontakt mit den Jaridians ja wußte, daß es nur aus Licht bestand - wie immer das zustande kommen mochte ... Der Sprecher der Jaridians deutete auf unsere Welt und schaute uns an. „Was hier fehlt, ist PDS.

„PDS ?” Ich konnte mit dem zugehörigen Gedankenbild nichts anfangen. „Planetares Defensiv -System.” Der Sprecher berührte erneut eine Taste an dem Gerät, und das Bild unserer Welt begann sich zu verändern. In regelmäßigen Abständen zueinander erschienen größere und kleinere dunkle Gebilde darauf, im Verhältnis zu klein, um deutlich erkennen zu können, was sie darstellten. Zuletzt legte sich eine flimmernde Schicht um das Ganze.
„Wir haben verstanden,” erklärte der Sprecher, „daß wir Euch nicht zu Kriegern ausbilden können, damit Ihr an unserer Seite gegen die Taelons kämpft. Ihr seid außerstande, jemanden anzugreifen. Ihr wehrt Euch nur, wenn es wirklich ums Letzte geht und Ihr keinen anderen Weg mehr seht ...” Er schaute mich an und schüttelte den Kopf über die Erinnerung an unseren kurzen Kampf in der explodierten Krone des vom Blitz getroffenen Ph'taal, die in ihm aufgestiegen war.
„Das Planetare Defensiv-System versetzt Euch in die Lage, Euch zu wehren, wenn Ihr angegriffen werdet, und das auf eine Entfernung, die eigentlich sicherstellen müßte, daß Ihr den Gegner, den Ihr bekämpft, nicht spüren könnt, denn Ihr seid hier, auf diesem Planeten - und der Gegner ist draußen im All ...” Er gab den Eindruck eines Taelon-Mutterschiffs in die Berührung, das auf unsere Welt zu flog. „Aber wir spüren Euer Schiff über unserer Welt,” ließ ich ihm zufließen. „Wir fliegen in einer sehr niedrigen Umlaufbahn ...” antwortete er, „das PDS reagiert mit sehr viel größerer Reichweite ...” Er deutete nacheinander auf die verschiedenen Vorrichtungen auf dem Licht-Bild - nein, dem Hologramm unserer Welt. „Sollten die Taelons tatsächlich noch einmal Shuttles schicken - das hier ist eine Mesonen-Kanone. Damit vernichtet Ihr sie außerhalb Eurer Atmosphäre, noch bevor sie in die Interdimension gehen können. Abgefeuerte Geschosse trefft Ihr, selbst nach Eintritt in die Atmosphäre, mit der Hyperon-Waffe ... Wir vermuten, daß die Taelon versuchen werden, Euren Planeten doch noch zu übernehmen - aber nach ihrer ersten Erfahrung hier werden sie wohl ihre Implantierten in den Kampf gegen Euch schicken. Wenn Ihr mit Schiffen von der Größe unserer Sokara-Kreuzer zu tun bekommt, reichen die Neutronenemitter aus, die zu jedem PDS gehören. Schicken sie Devastatoren oder doch ein Mutterschiff, habt Ihr die Photonenkanone - energetisierte Photonen durchschlagen selbst virtuelles Glas. Der Schild ...” - er wies auf die flimmernde Schicht um unsere Welt - „hält den Energiewaffen eines Mutterschiffes stand, allerdings nur für eine begrenzte Zeit - aber Ihr seid ja nicht auf ihn allein angewiesen ...”

Die Gedankeneindrücke zu dem, was gesungen wurde, waren klar und präzise und es war leicht, ihnen zu folgen, obwohl ich mehr als die Hälfte der Begriffe, die der Sprecher der Jaridians benutzte, nicht verstanden hatte. Ich sah eine Gruppe aus Wind- und Erdleuten, die an großen Geräten saßen, aufmerksam das Geschehen auf einer riesigen holographischen Darstellung des Raumes um unseren Planeten verfolgten und zeitweise auf Knöpfe drückten, woraufhin Punkte und Kreise, die innerhalb des Hologramms in Bewegung waren, in farbige Lichtfunken zerplatzten und verschwanden - in dem gedanklichen Bild, das von dem Beschriebenen überlagert wurde, explodierten Taelon-Shuttles und seltsam geformte Projektile unter dem Einschlag genau gezielter Energieentladungen. Ich fühlte in dieses Bild hinein, zu den Shuttles hin - nichts ... keine Angst, kein Schmerz, nichts ... es blieb ein Bild, noch dazu eines, das sogar Faszination bewirkte - das hier war absolute Präzision, keine einzige Ladung war verschwendet, kein einziges Taelon-Shuttle oder Geschoß war auch nur in die Nähe unserer Welt gekommen ...
Für einen Augenblick glaubte ich, tief im Boden unter dem Laub, auf dem wir hockten, Vibration bemerkt zu haben, wie eine Welle von der Mitte der Höhle zu den Wänden, die sofort wieder verebbte ... überlagert von einem neuen, sehr deutlichen Eindruck, den der Sprecher der Jaridian in den Kontakt gab. Diesmal sah ich mich selbst, allein an einem kompakt wirkenden Gerät vor einem schematischen Hologramm unseres Sonnensystems sitzend und konzentriert beobachtend, wie sich ein großer blauer Punkt an der äußeren unserer beiden Schwesterwelten vorbei unserer Heimatwelt näherte. In diesem Bild wartete ich ab, aufmerksam und gelassen, und als der leuchtende Punkt auf halbem Weg zwischen der inneren Schwesterwelt und uns war, drückte auch ich eine Taste. Ein grelles kleines Licht raste auf den Punkt zu und traf mit ihm zusammen. Er blähte sich auf und zerstob in eine Wolke von Funken.
Gleichzeitig wurde das Gedankenbild dahinter sichtbar.
Ein Mutterschiff.
Ich hatte die Photonen-Waffe bedient, die der Sprecher der Jaridians beschrieben hatte, und damit ein Taelon-Mutterschiff zerstört ... Die Energieladung aus der Waffe hatte das Schiff frontal getroffen und alles und jeden darin in Stücke gerissen ... ich sah einen Taelon, der sich von einem Augenblick zum nächsten in einen Schauer aus Energie auflöste und verschwunden war ... und dann war nichts mehr da, nur noch die Leere und Dunkelheit des Alls ...
Ich fühlte in die Abfolge von Gedankeneindrücken hinein, so wie in die Bilder zuvor. Nichts.
Dieses Schiff hatte eine der Waffen an Bord, die Planeten zerstören konnten, und ich hatte es beseitigt. Keine Gefahr mehr für uns. Da war nichts mehr. Nichts ...
Kälte breitete sich in meinem Brustkasten aus. Wieviele Taelons gehörten zur Besatzung eines Mutterschiffs? Es spielte keine Rolle mehr - egal, wieviele es gewesen waren, keiner davon war mehr am Leben.
Ich hatte auf einen Knopf gedrückt und alle getötet.
Ich hatte einer unbekannten Zahl lebendiger Geschöpfe das Leben genommen.
Durch diese Szene hindurch schaute ich den Sprecher der Jaridians an, unfähig, auch nur einen Laut von mir zu geben.
Unter unseren Füßen schien sich erneut in der Tiefe das Gestein, in das die Höhle der Gesänge eingelassen war, zu regen.

Der gesamte Kontaktkreis hielt den Atem an. Jeglicher Gesang war verstummt. Der Sprecher der Jaridian schaute mir in die Augen, ich konnte fühlen, daß er wahrnahm und verstand, was in mir vorging, und, sorgsam seine Worte wählend, gab er in den Kontakt: „So ist es im Krieg ... stell Dir vor, Du hättest es nicht getan ...” Er wob das Bild von mir an der Steuerung der Photonen-Waffe und das sich nähernde Mutterschiff erneut in die Berührung. Diesmal sah ich mich entsetzt auf das Hologramm starren, dann auf die Taste, die ich zu drücken hatte, und zögern - und das Mutterschiff feuerte seine Waffe ab ... und in der holographischen Darstellung unseres Heimatsystems war es dieses Mal unsere Welt, die von einer unvorstellbaren Energieentladung in Stücke gerissen wurde ... „So ist es im Krieg ...”
Totenstille im Kreis. Ganz langsam sanken die gesehenen Bilder in ihrem ganzen Ausmaß in unser aller Begreifen. Wie die Jaridians unsere Situation sahen, gab es für uns, im Falle eines erneuten Interesses der Taelons an unserer Welt, nur zwei Möglichkeiten: wir mußten lernen, selbst Leben zu nehmen, so wie die Jaridians es seit unvorstellbar langer Zeit taten, oder wir würden ausgelöscht ... unsere Welt wäre nicht nur Wüste, sondern es gäbe sie einfach nicht mehr ...
„Ihr habt eine Wahl zu treffen, trefft die richtige ...” Wieder regte sich das Gestein unter uns, jetzt für alle deutlich spürbar. Ich war innerlich wie die gefrorenen Wasser in den Höhen. Was für eine Wahl war das? Die Wahl zwischen Tod und Tod - dem der Taelons oder unseres eigenen ...
Mit dem, was uns die Jaridians erklärt hatten, wollten sie unser Ganzes hier geschützt wissen, weil wir ihnen offenbar wichtig geworden waren, und das nicht nur als Bestandteil ihrer Kampfstrategie. Die Taelons waren ihre Todfeinde, und sie stellten das, was für sie unsere Interessen waren, ohne zu zögern über die Interessen der Taelons. Unsere Interessen ...
Welche „Interessen” hatten wir - in diesem Krieg? Welche Interessen hatte ich hier?
Aufhören, es sollte aufhören, es war nur Schrecken und Schmerz und Kälte, und es sollte auf der Stelle aufhören ... „Aufhören, es soll aufhören,” griff der ganze Kreis auf, „es muß ein Ende haben ...” „Atmen, Aveena, Du mußt atmen ...” Das war die Erd-Gesangshüterin, die wieder in den Vierer-Atemrhythmus ging, mit dem unser erstes Lied dieses Rathaltens begonnen hatte, und dazu tiefrote Energie in den Kreis fluten ließ. Ich konzentrierte mich mit Mühe auf diese Energie und nahm den Vierer-Rhythmus auf.
Die Kälte ließ nach, und mir wurde langsam klar, daß ich - bis jetzt - noch niemanden getötet hatte, weder durch Handeln noch durch Nicht-Handeln. Aber genau das war es, worum es hier ging ... wenn der Krieg zwischen Taelons und Jaridians, zwischen dessen Fronten wir hier geraten waren, irgendwann ein Ende haben sollte, mußten auch wir handeln. Um handeln zu können, mußte unser Ganzes erhalten bleiben - niemand von uns würde irgendetwas tun können, wenn es uns nicht mehr gäbe ... und die Jaridians hatten uns einen Vorschlag unterbreitet, wie wir dieses Interesse, den Erhalt unseres Ganzen, wahren konnten ... aber um welchen Preis? Um den Preis, anderen lebendigen Geschöpfen absichtlich das Leben zu nehmen?
Und da war noch etwas anderes.
Was war mit dem Bild der Flammen unter blauem Himmel? Was war damit, daß Taelons und Jaridians offenbar einander zum Überleben brauchten?
Ich gab all das in den Kreis, und wir begannen es zu drehen und zu wenden und von allen Seiten anzuschauen.
Die Jaridians waren uns genau so wichtig geworden wie wir ihnen. Wir fühlten Annahme, Wärme und Verstehen für sie und wünschten uns häufigen Kontakt mit ihnen, um von ihnen mindestens genau so viel zu lernen wie sie von uns - sie hatten uns bewußt gemacht, wie groß und vielfältig das Ganze, zu dem wir gehörten, war ... Wir wollten helfen, diesen Krieg zu beenden, damit es ihnen und uns gut ging.
Damit es den Jaridians gut ging, brauchte es offensichtlich aber auch die Taelons, und zwar nicht als Gegner im Kampf ... würden wir die Taelons bekämpfen, bekämpften wir etwas, was wir eigentlich auf unserer Seite bräuchten ... und das war eine weitere Schwierigkeit an der Art der Verteidigung, die uns die Jaridians als Möglichkeit für unsere Welt angeboten hatten.
Was waren unsere Interessen in diesem Konflikt? Der gesamte Kontaktkreis war jetzt vollkommen konzentriert. Jemand begann leise die Eigenfrequenz derer, die das Dunkle birgt, zu singen, und nach und nach erklangen wieder alle Frequenzen der drei - nein, vier - Völker unserer Welt und halfen uns, zu fühlen, wer und was wir waren ... die Jaridians blieben still, von ihnen ging angespannte Erwartung aus.Was wollten wir, hier und jetzt in dieser Situation?
„Daß es aufhört ...” „Unser Ganzes soll bleiben ...” „Die Taelons müssen fortbleiben.” „Die Jaridians sollen bleiben als Teil des großen Ganzen.” „Wir wollen lernen ...” „Dem großen Ganzen soll es gut gehen.” „Das Ganze ist nicht heil, wenn ein Teil leidet ...” „Das Ganze soll heil sein.” „Die Jaridians sollen heil sein.” „Die Jaridians brauchen die Taelons.” „Die Taelons müssen fortbleiben.” „Es geht nicht ohne sie ...” Das Bild des lebendigen, vielfarbigen Gewebes war im Kreis, und ich erinnerte mich an etwas, was lange zurücklag ... an den Abgrund aus Leere, den ich damals bei jedem einzelnen Kontakt in jedem einzelnen Taelons, den ich berührt hatte, wahrnehmen konnte unter dem, was ich jetzt als Mischung zwischen der Komplexschwingung / dem Gemeinwesen und den verbliebenen, von diesem geduldeten Einzelimpulsen erkannte ... Kälte, Dunkelheit und Leere, durchzogen von Schatten des Schmerzes über äonenalten Verlust ... meine Reflexe aktivierten sich, und ich gab in den Kreis: „Die Taelons leiden auch ... sie leiden wie die Jaridians, erinnert Euch ... aber sie wissen es nicht mehr ... sie haben so viel verloren ...” Aus dem Kreis kam das Bild von Himmel und Flammen. „Sie brauchen einander ...” Was können wir tun?” „Was muß gesungen werden?” „Die Taelons werden gebraucht.” „Die Taelons brauchen Heilung.” „Wir dürfen ihr Leben nicht nehmen ...”
Plötzlich war ich wieder an dem hiesigen heiligen Ort, in Kontakt mit unserer Welt, schaute in die Tiefe auf das pulsierende Leuchten ... eine ungeheure Woge der Erleichterung flutete durch den Kreis.
Was wir wollten, konnte deutlicher nicht werden. Wir wollten unser Ganzes erhalten, für uns - und um zu helfen, daß die Jaridians, die uns wichtig geworden waren, erhalten blieben - und um das tun zu können - wie immer das aussehen würde - mußten wir auch bereit sein, einen guten Weg mit den Taelons zu finden. Und die erste Handlung, die zur Wahrung dieses unseres Interesses notwendig war, war eine klare Ablehnung - die Ablehnung der Werkzeuge, die die Jaridians uns angeboten hatten und die dazu dienten, Taelons - oder von ihnen geschickte Wesen, die nicht einmal selbst entschieden hatten, uns anzugreifen - zu töten ...
Das Leuchten des Innersten unserer Welt pulsierte im gesamten Kontaktkreis. Ich blickte den Sprecher der Jaridians an, der die heftigen Gefühle, die unsere getroffene Entscheidung in ihm auslöste, nur mit Mühe beherrschte. Er gab erneut deutlich den Eindruck des feuernden Mutterschiffes und unseres explodierenden Planeten in die Berührung. „Ihr sprecht gerade Euer Todesurteil ...” ließ er uns eindringlich fühlen. „Ihr übersteht ohne Bewaffnung nicht einen einzigen Angriff ... denkt es richtig durch ...”

 

Ende von Kapitel 7

 

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