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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Juli 2003
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Wieder zu Hause / Was Gewalt schafft / Mehr, als es zu sein scheint
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  Die Gesangshüterin derer im Dunklen, der Hüter der Wasser-Gesänge, Aveena, der auf dem Weg, der Sprecher, der Navigator, ein weiterer Gesangshüter des Erdvolkes, das Taelon-Gebäude (ein Nichtflügges vom Windvolk, sehr viele Angehörige aller vier Völker, die Welt, die diese trägt)
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 58

 

Mit einem begeisterten vielstimmigen Schrei waren zwei Halbausgewachsene meines Schwarms mitten im Inneren, fielen mehr als daß sie flogen - sie hatten sich offenbar dicht an die Tür gedrückt, die sich mit Schwung geöffnet hatte - erreichten mich mit einem Satz und umklammerten mich mit aller Kraft.
„Ihr seid wieder da! Ihr seid alle wieder da! Wir haben so sehr auf Euch gewartet ...”
Eine Flut von Farben, Gesangsfetzen, aufgewirbelten Gedanken, Energien und Gefühlen brach über mich herein, und ich gab mir gar nicht erst Mühe, das hier irgendwie geordnet gestalten zu wollen, zumal inzwischen jeder, der nur irgendwie in das Shuttle paßte, mit im Kontakt war, von den Vielen draußen ganz abgesehen ... Der aus den Tiefen war in seinem inzwischen offenen Behältnis ebenfalls längst nicht mehr allein - sämtliche Nichtflügge seines Schwarms schienen sich gleichzeitig zu ihm hinein gedrängt zu haben ... Irgendwo war der Navigator, atemlos, aber funkelnd vor Begeisterung in mehr Kontakt, als er je mit den Unseren gehabt hatte mit Ausnahme während des großen Rathaltens; die aus dem Dunklen neben mir hielt gleich zwei aus ihrer Höhle gleichzeitig in den Armen, beklettert von vier Winzigen, von denen eines meines Stammes war, und der aus den Feuern stand aufrecht, eng umschlungen mit zwei Weiblichen und einem Männlichen seines Volkes, umringt und berührt vom begeisterten Durcheinander aller Übrigen, so, wie wir anderen auch ...
Berührung, Kontakt ... Vielfarbigkeit, Vielfalt ... die ganze Fülle der Unseren ...
Ich ertrank begeistert darin. Meine Energie strömte mit der aller anderen, die Jaridian selbstverständlich einbeziehend, als sei es nie anders gewesen ... Alle Rottöne, sämtliche Schattierungen von Blaugrün und Sonnenhell, leuchtendes Weiß und Grün und wärmendes Weiß-Violett ...
Unbändige Freude, tiefste Verbundenheit ...
Zuhause ...
Die, die uns trug, hatte sich längst in unseren Gesang gewoben, ihre mächtige Stimme war mit den Unseren und hieß die Jaridian willkommen ... hieß sie willkommen und spülte ihrer aller Ungeduld davon.
„Jetzt ist die Zeit, zu feiern ... Wiederkehr zu feiern und zu singen ... zu singen von all dem, was die Wiedergekehrten mitbringen an neuen Liedern, und von all dem, was sie zu lernen haben von den Gebliebenen ...”

Sehr viel später hatten wir außerhalb der Shuttles einen riesigen Kontaktkreis geformt. Es war längst tiefste Dunkelphase, aber niemand war gewillt, den Kreis zu verlassen, um Höhle oder Wohnbaum aufzusuchen ... Überall loderten Feuerschalen, und gegen die Nässe in der Luft schützten uns die wohlüberlegten provisorischen Behausungen, die die auf dem Weg rasch und geschickt geschaffen hatten, noch während es dunkel wurde - sie hatten in Abständen tote Äste im Sand verankert, andere hinzugefügt, daß eine Art sehr groben Flechtwerks entstanden war, und große Stücke Bekleidungsmaterials darüber ausgebreitet ... Darunter hockten wir, dicht an dicht, Kreise um Kreise bildend, und sangen und sangen und sangen ...
Uns Vieren, die wir unserer Welt so lange fern gewesen waren, wurde nicht einmal gestattet, auch nur eine Feuerschale aufzufüllen oder Wasser holen zu gehen - wir sangen, bis wir heiser waren und uns die Augen zu fielen, von dem, was wir mit den Jaridian gemeinsam gewoben hatten in all der Zeit ...
Alles, was winzig, geflügelt und fell-los war, umlagerte und bekletterte mich, ich wärmte und hielt, was immer zwischen meine Flügel paßte, und mußte immer wieder das Lied der beiden Heilerinnen singen, die eine Ausgewachsene wieder zur Nichtflüggen machten ... Ich bekam von kleinen Flügelhändchen ein paar Blätter Wuchskraut in den Schnabel geschoben, verbunden mit der zugehörigen Strophe über das Wachsen von Fell und Flügeln ...
Ich hielt und wurde gehalten, geborgen in tiefem Kontakt, so, wie die anderen drei auch, so, wie der Navigator und der Sprecher und all die anderen Jaridian, die, nach anfänglicher Unsicherheit, die für einige der Ihren noch sehr ungewohnte Situation mit der für ihre Spezies so typischen Lust auf alles Neue einfach genossen. Ich spürte über die Berührung, daß auch die der Ihren, die zum ersten Mal auf unserer Welt waren, inzwischen die Unseren ebenso hemmungslos ausfragten wie diese es mit ihnen taten, und nahm die Belustigung wahr, die manche Dinge wechselseitig auslösten - ebenso wie die Hinwendung und Anteilnahme, die das bewirkte, was einzelne Jaridian in den Kreis gaben, die über ihre Kampfeinsätze berichteten, und die Tatsache, daß sich um um eines der Besatzungsmitglieder der Frachtshuttles vier der Unseren - Ausgewachsene, einer aus jedem Volk - zusammengefunden hatten und für ihn sangen - das Lied, das Ramaz' Krankheit heilte, hatten wir allen mit als erstes beibringen müssen ...
Irgendwann brachte ich keinen einzigen Ton mehr heraus, und ich bekam die Augen nicht mehr auf, dabei wollte ich gar nicht schlafen, sondern wach bleiben, um nichts anderes zu tun als alle zu spüren, die Unseren, unsere Welt und die Jaridian im Kontakt wahrzunehmen mit sämtlichen Sinnen, auch mit den tiefen, alle, die damit einverstanden waren ...
Statt dessen zogen mich schließlich die, mit denen ich in Berührung war, in ihre Träume, allen voran die Winzigen ... in Träume vom Fliegen ... vom Nebel dieser besonderen Zeit in einer Umlaufphase ... von ersten reifen Bodenfrüchten und deren Geschmack auf der Zunge ... vom Zubereiten des Kräuterpulvers in den steinernen Schalen, die uns die Erdvolk-Angehörigen sangen, dem Pulver, mit dem die zerteilten Bodenfrüchte gleichzeitig getrocknet und gewürzt wurden ... vom Holzsammeln für die Höhlen derer im Dunklen ... vom Schweben in Lichtlosigkeit und Stille, keine Flosse rührend, während die Zeiten sich öffnen ... vom Einsatz des Atems, um aus winzigem Funken weißes Feuer werden zu lassen, in dem rötliches Metall kocht, bereit, sich in die gewünschte Form singen zu lassen ...

Wach wurde ich viel später von einem Gefühl von Dringlichkeit und Unbedingt-Wollen, verbunden mit etwas wie Furcht, und das hatte zu tun mit der Unruhe und Bewegung, die ich an der Brust spürte ... Ich lag im Halt des Navigators, und um uns beide waren die Flossen dessen aus den Tiefen. Ein Winziges war gerade dabei, sich zwischen den Jaridian und mich zu zwängen, mit dem verzweifelten Wunsch nach intensivem Kontakt - ein Weibliches meines Stammes, das im Schlaf irgendwie abseits geraten war und jetzt panisch glaubte, den Platz unter Seinesgleichen wieder verloren zu haben ... Ich ließ ihm Sonnenhell zufließen. „Du gehörst zu uns ... Du gehörst zu unserem Stamm, und Du wirst immer dazu gehören, egal, wie weit Du vielleicht entfernt sein magst von uns ...” Ich ließ den Navigator vorsichtig los und drückte das Kleine an mich, so gut es ging - das bißchen Platz zwischen dem Jaridian und mir war bereits mit drei anderen Winzigen belegt, davon war eines sogar vom Volk in den Tiefen. Ich begann, der Nichtflüggen ganz leise das Schlaf- und Willkommenslied für gerade Angekommene zu singen, und glitt darüber selbst wieder in die Träume.
Zu Hause ...
Wie waren wieder zu Hause ...

Später weckte mich Helligkeit und erste Geschäftigkeit im Kreis, und schließlich hockten wir, deutlich geordneter als zu Beginn der vergangenen Dunkelphase, alle beisammen und teilten Nahrung und Wasser. Die angehende Heilerin, die, genau wie ihre Übergeordnete, es sich nicht hatte nehmen lassen, bei unserer Ankunft dabei zu sein, erinnerte mich an meine Medizin, und der Sprecher ließ erstmals wieder Ungeduld durchscheinen ...
„Wir würden sehr gern noch in dieser Hellphase mit den Vorbereitungen zur Errichtung des Shuttle-Hafens beginnen”, gab er in den Kontakt. „Ihr wißt ja jetzt schon - und Eure Welt auch - daß wir ihn neben dem verlassenen Taelon-Gebäude setzen wollen, und ich hatte nicht den Eindruck,daß Ihr oder die, die Euch trägt, Einwände dagegen habt ...”
„Dieser Eindruck täuscht nicht”, antwortete ihm der kompakt gebaute, sehr groß gewachsene Erdvolk-Männliche, der den Platz der Gesangshütenden seines Volkes während deren Abwesenheit ausgefüllt hatte. „Weder die vier Völker noch diese Welt haben etwas dagegen - wir halten das für das Beste, was Euch überhaupt dazu einfallen konnte - aber es gibt jemand anderen, der massivst Einwände haben wird, und ich fürchte, dieses Wesen werdet Ihr nicht überzeugen können ...”
Blasses, diffuses Blau war plötzlich im Kontakt, und ich empfand mit einem Mal Angst. Enge, Bewegungsunfähigkeit ... Unendlich viele flüsternde Stimmen, überall ... Ein sich unerwartet öffnendes Fenster aus Licht ...
„Du hast Recht”, ließ mich der Gesangshüter wissen. „Es geht um die Taelon-Behausung ...”
Ein sehr seltsames Bild war in der Berührung, als sei das wasserpflanzenähnliche Geschöpf - gar nicht mehr da, sondern durch etwas vollkommen Anderes ersetzt worden ...
„Es geschah vor etwa einem Viertelzyklus”, sang der Erdvolk-Männliche. „Plötzlich gingen anhaltende Erschütterungen durch die Höhlen hier, und sehr ungewöhnlicher Gesang schwang in der Luft und in den Bäumen ... Ausgangspunkt all dessen war der Platz, auf dem die Taelon-Behausung steht, also haben sich die hiesigen Ph'taalbewohner und wir aus dem Dunklen dort hin begeben, um herauszufinden, was passierte ... Die Energiekuppel, die es uns bis dahin unmöglich gemacht hatte, dem Wesen darin auch nur nahezukommen, war verschwunden, und das Geschöpf selbst war dabei, sich rapide zu verändern ... Es fuhr ganz neue Auswüchse und gliedmaßenähnliche Gebilde aus, und überall bildeten sich riesige, einander überlappende Platten, beinahe so, wie Ihr sei bei diesen Verbündeten der Taelon, diesen Gepanzerten beschreibt ... Ja, so ist es stimmig gesungen: Dieses Wesen ist zu einem Gepanzerten geworden, aber das allein ist es nicht. Ohne die abschirmende Energiekuppel können wir jetzt fühlen, was es fühlt, durch Stein und Grund ... die Gesteinsfläche, die die Taelon geschaffen haben, ist durch ihre ausgeprägte innere Ordnung enorm leitfähig ...
Aveena, das Geschöpf hat - hat Todesangst ... seine Schöpfer sind fort, und der Schutz, den sie ihm hinterlassen haben, ebenfalls ...”
Seine Stimme war ganz flach geworden. Ich fühlte die plötzliche Enge in seinem Brustkasten und begann sofort Linderung und Weite zu summen. In ihm und allen um uns war so viel Traurigkeit, daß meine Reflexe reagierten und Sonnenhell von selbst in den Kontakt strömte ...
Ein Eindruck war in der Berührung, aus noch gar nicht so ferner Vergangenheit: Eine riesige Schar Erdvolk-Angehöriger, dicht an dicht, in besonderer Anordnung die fremdartige Behausung umringend, singend und tanzend, und jeder dröhnende Baßlaut, jeder von unzähligen Füßen zugleich getane Schritt erschütterte sie bis in die Wurzeln, die sie in das unvorstellbar harte Gestein, das die Taelon geschaffen hatte, trieb ...
„Sie fürchtet sich vor uns ... nicht nur vor unserem Volk, vor uns allen, auch vor denen in Wind und Wasser und denen an den Feuern ... Sie fürchtet sich so sehr, daß sie niemanden an sich heran läßt, sie hat einen der Unseren und eine der Deinen sehr schwer verletzt, als diese - ohne jede Absicht - versehentlich zu nahe an sie heran gerieten ...”
‚Zu nahe’ war im Falle des Erdvolk-Angehörigen eine Flügellänge entfernt vom Beginn der schwarzen Fläche, bezogen auf die aus meinem Volk eine halbe Ph'taalhöhe - eines voll ausgewachsenen Baumes - oberhalb der höchsten Stelle der Behausung ...
Dieses Wesen barg Waffen in sich, mit denen es sich schützte, seit es nicht mehr von der Energie umhüllt war ...
Beide Schwerverletzten waren noch nicht wieder in Ordnung, der Erdvolk-Angehörige hatte die rechte Brustkastenhälfte eingedrückt bekommen, die vom Volk im Wind den linken Flügel fast vollständig verloren, die Verletzungen waren schnell unsauber geworden, trotz der intensiven Bemühungen aller, die sich um die beiden kümmerten, und der Flügel der Ph'taalbewohnerin regenerierte sich nicht.
„Wir halten uns seither fern von der Behausung und ihrer Fläche”, sang der aus dem Dunklen. „Alle Nichtflüggen lernen, sogar den Rand des Plateaus zu meiden; wir haben alles getan, um die weniger Bewußten zu warnen, die sonst zumindest darüber liefen oder sie überflogen - letzteres hat leider noch nicht wirklich funktioniert ...”
Schaudernd folgte ich dem, was er in den Kreis gab ... den Bildern von den beiden Verletzten, abgezehrt und mit den glänzenden Augen derer, deren innere Wärme zu Hitze geworden ist, die sich kaum lindern läßt, und den vielen verabschiedeten verbrannten oder sonstwie zerstörten Kaumbewußten sämtlicher Gestalten, die um das Behausungsgeschöpf herum auf der Fläche lagen und weder in die Erde gebettet noch auf anderem Wege anderem Leben Nahrung werden konnten ...
Die Gesangshüterin des Erdvolkes hatte sich zu dem hin begeben, der ihren Platz gehalten hatte, und ihn in die Arme geschlossen, wir alle waren zusammengerückt, um einander Halt zu geben. Was hatten wir getan, vor - vor wievielen Umlaufzyklen?
Wir hatten die Taelon-Behausung, die lebendig war wie wir, damit bedroht, wir würden sie in den Abschied zwingen ... wir würden so lange singen und tanzen, bis ihr Körper zerstört wäre - und ihre Schöpfer mit ihr ...

Alte, nur zu bekannte Verzweiflung stieg in mir auf. Indem wir das damals getan hatten, hatten wir dem Ganzen eine genau so schwere Wunde zugefügt wie damit, den Jaridian das Gleiche anzudrohen, bei ihrer Ankunft auf unserer Welt ...
Wir hatten aus Verzweiflung gehandelt, aus purer Angst heraus ... die Taelon hatten damit gedroht, unsere Welt zu zerstören, alles Lebendige darauf in den Abschied zu zwingen, und wir hatten uns nicht mehr zu helfen gewußt ...
Und die Behausung, das bedrohte Geschöpf, hatte das nicht vergessen, und das Verletzen und Nehmen von Leben ging weiter und weiter ...
„Alle vier Völker haben versucht, der Haus-Wesenheit zu singen”, berichtete der männliche Gesangshüter weiter. „Alle haben wir versucht, ihr klar zu machen, daß niemand mehr ihr irgend etwas antun will, im Gegenteil ... aber nichts davon hat sie erreicht ...”
Weiß-Violett pulsierte plötzlich im Kreis, entschlossen. „Dann sollten wir nicht länger warten ...”
Auch das, was jetzt im Inneren des Sprechers spürbar war, war etwas Altes, nur zu Bekanntes - der Zorn auf den Feind ...
„Nein”, unterbrach ich den Eindruck, den er in den Kreis geben wollte, sofort. „Wenn wir das tun, dann dann haben wir endgültig den Krieg zwischen Taelon und Jaridian hierher auf unsere Welt getragen ...” Ich ließ das Bild einer Energieladung, die, aus großer Höhe abgefeuert von einem jaridianischen Shuttle, das Taelon-Gebäude explodieren ließ, in Myriaden farbiger Funken zerplatzen. „Bitte ... wir haben ... wir haben so viel verstanden, seit damals ... es muß andere Wege geben ... wir lassen die Wesenheit in Ruhe, die Kaum-Bewußten lernen mit der Zeit, und die, die uns trägt, bietet Euch einen anderen, leichten Platz an für Euren Raumhafen ...”
„Aveena, das ist doch jetzt nicht wahr ... Wenn Ihr Euch das im Nachhinein von den Taelon bieten laßt, auf Eurer eigenen Heimatwelt - das - das ist ja, als ob - als ob sie Euch wirklich erobert hätten ...” Der Sprecher hatte Mühe, sein Shaqarava zu kontrollieren.
„Das ist es nicht.” Sonnenhell strömte im Kreis, meine Reserven hatten sich bereits geöffnet. „Du weißt selbst, daß dieses Gebäude lebendig ist ... es geht nicht um Eroberung oder darum, sich solcher widersetzen zu müssen - es geht nur um ein einzelnes Lebewesen, das panische Angst hat ...”
Und im selben Moment kam mir eine Idee.

Es gab jemanden, der nicht gegen dieses Wesen gesungen und getanzt hatte, ganz einfach, weil dieser Jemand dazu nicht in der Lage gewesen war ... Es gab jemanden, der nicht gedroht, sondern hilflos und verzweifelt gefleht hatte ... gebunden, handlungsunfähig, dem flüsternden und leuchtenden Geschöpf ausgeliefert, unfähig, auch nur den Teil seines Leibes zu verlassen, in den man ihn verfrachtet hatte ... und dieser Jemand war ich.
Vielleicht würde die Behausung mich wiedererkennen, würde ich mich ihr nähern ... und sich erinnern, daß - daß ich sie gefürchtet hatte, sie und ihre Schöpfer ... Vielleicht würde sie Kontakt mit mir zulassen, so daß ich ihr singen konnte, singen von all dem Neuen, all der Hoffnung - der Hoffnung nicht zuletzt ja auch für die Taelon ...
Es fühlte sich richtig an, das zu versuchen - im Gegensatz zu dem, was der Sprecher überlegt hatte, das - schrecklich erschien ...
Ich spürte an der Reaktion aller anderen im Kreis - aller außer den Jaridian - daß es einen Sinn machte.
Erleichterung war in der Berührung, enorme Erleichterung ...
„Das könnte gelingen ... auf jeden anderen von uns, einzeln oder gemeinsam, hat sie nur mit Abwehr reagiert, egal, was wir gesungen haben ... aber wie willst Du ...?”
Der Sprecher deaktivierte bewußt seine innere Energie und wandte sich direkt an mich. „Ich kann nicht zulassen, daß Du ein derartiges Risiko eingehst”, sagte er, sehr bestimmt. „Ich bin der Kommandierende ...”
Seine Augen wurden weit.
„Es tut mir leid ... Selbsverständlich habe ich niemandem von Euch irgend etwas zu befehlen. Aber ich kann nicht hier sitzen und nichts sagen, wenn jemand ... jemand, der mir und den Meinen sehr wichtig geworden ist, vorschlägt, eine Aktion zu unternehmen, die ihn mit höchster Wahrscheinlichkeit umbringen wird ...”
In meinen Geist fluteten Bilder, die ich direkt in den Kontakt fließen ließ. In einer ähnlichen Situation waren wir vor kurzem erst gewesen - bei der Arbeit mit dem Waffen-Wesen ... wir könnten auf fast die gleiche Weise vorgehen, wie wir es damals getan hatten, es bräuchte nur - sehr viele von uns, aus jedem Volk ...
Wenn unzählige Stimmbandpaare und Resonanzsehnen Wärme, Annahme, Geborgenheit singen würden, rund um die spiegelblanke schwarze Fläche, die dies an die Hauswesenheit weiterleitete ... Annahme und Geborgenheit, bedingungslos, lange, bevor ich überhaupt darauf landen würde ... würde die Wesenheit mich nicht wieder erkennen oder trotz der Erinnerung an mich dennoch meinen Wunsch nach Kontakt zurückweisen, so könnte ich zumindest all die verabschiedeten Kaumbewußten um sie herum bergen, damit wir sie zwischen die Ph'taal oder in die Erde betten konnten ... Der Gesang von Geborgenheit hatte schon einmal auf ein von den Taelon erschaffenes, Abschied erzwingendes Geschöpf gewirkt - warum sollte er das nicht wieder tun?
Alle im Kreis griffen das auf und drehten und wendeten es, auch die Jaridian.
Und stimmten schließlich zu, letztere allerdings sehr widerwillig ...
„Laßt es uns sofort tun, jetzt sofort ... es ist zu wichtig, um es aufzuschieben ...”

Eine Zeit später waren wir, in angemessener Entfernung, in riesiger Zahl um die Fläche versammelt, aus allen vier Völkern und sämtliche Jaridian dabei, und hatten zu singen begonnen ... Die Heilerin hatte darauf bestanden, mir einen Permanentscanner an die Brust zu heften, und der Sprecher hatte mir ein aufklappbares Gerät am linken Bein befestigt, auf Aufzeichnung und Zwei-Wege-Kommunikation geschaltet und es aktiviert.
„Das mindert zwar das Risiko nicht, das Du eingehst, aber es entspricht wenigstens den Vorschriften ...”

Wir sangen aus dem Tiefsten, aus dem tiefen Wunsch heraus, auch diese Wunde, die dem Ganzen zugefügt worden war, nicht zuletzt durch uns, endlich zu heilen ... Wir wünschten diesem ungewöhnlichen Geschöpf, das seinen pflanzenartigen Leib zu etwas Hartem, Starrem, Undurchdringlichem hatte werden lassen, nur Gutes, und das sollte es wissen ... Ich nahm sogar einzelne Jaridian-Stimmen mit in dem Gesang wahr - und die, die nicht mitsangen, sich dafür aber um so tiefer entspannten ... Dieses Lied wirkte auf alles Lebendige ... Wir sangen nicht Schlaf wie damals für das Waffen-Geschöpf, sondern Ruhe, Offenheit, Annehmen ... Geborgenheit ...
Die tiefgrünen, braunen und roten Frequenzen umspülten die Wurzeln der Taelon-Behausung, strichen über ihren gepanzerten Körper, behutsam Resonanz provozierend ...
Und irgendwann war Resonanz da - vor allem das Material der Panzerung war in Schwingung geraten ...
Und ich erhob mich aus dem Gesträuch, in dem ich in dichtem Kontakt mit denen, mit denen ich so lange unterwegs gewesen war, gewartet hatte, schüttelte die Flügel aus und begab mich langsam, die Flügelhände zum Kontakt ausgestreckt, auf den Rand des glänzenden schwarzen Felsplateaus zu ...
Sehr langsam und weiter singend ...
Ruhe, Annahme, Geborgenheit ...
Ich hatte den Rand der Fläche erreicht und blieb stehen.
Nichts geschah.
Ich setzte einen Fuß darauf.
Nichts.
Ruhe, Annahme, Geborgenheit ...
Ich trat auf das spiegelnde Schwarz und ging einige Schritte auf die Behausung zu.
Es begann, in meinen Knochen zu kribbeln.
Unangenehm.
Sehr unangenehm.
Ich sang weiter, ohne mich zu bewegen.
„Was ist los?” erklang die Stimme des Sprechers aus dem Gerät an meinem Bein. „Die Heilerin sorgt sich - Dein Puls ist viel zu hoch ...”
Das Kribbeln war verbunden mit einem zunehmenden Gefühl von - von Angeschautwerden ... und plötzlich hatte ich verstanden.
„Ich werde gerade gescannt”, antwortete ich mit dem zweiten horizontalen Stimmbandpaar, das ich zum Singen nicht benötigte. „Und Ihr wißt doch, daß wir vom Windvolk die meisten Scanner nicht mögen ...”
Einen Augenblick später ebbte das Unangenehme ab, und ich holte tief Atem.
Nichts passierte.
Ich hatte die Zone, in der der Erdvolk-Angehörige verletzt worden war, bereits überschritten ...
Ein Schritt, noch einen, noch einen ...
Ich hatte drei weitere Flügelspannweiten zurückgelegt, als ich etwas Anderes, etwas Neues spürte. Etwas wie ... wie einen Sog.
Ich konnte gar nicht anders, als mich - vorwärts zu bewegen, vorwärts, auf den Haupteingang der Behausung zu ...
Etwas erschrocken erkannte ich, daß das Licht, das plötzlich aus einem ovalen Areal im Eingangsbereich fiel, mich komplett erfaßt hatte ... Ich versuchte, seitlich aus dem hellen Kreis, in dem ich ging, heraus zu treten, und als dies nicht gelang, zur anderen Seite und nach rückwärts - und es war unmöglich ... etwas um mich dehnte sich wie das besondere Weiche, Glatte, aus dem mein Medizinbeutel, den ich immer noch trug, hergestellt war, gab jedoch nicht nach ... und ... und zwang mich vorwärts ... es wurde unangenehm, das Nachgiebige zu berühren, und wenn ich stehen blieb, berührte es mich von sich aus, so daß ich einen Schritt vor tun mußte, damit es aufhörte ...
„Aveena, melde Dich! Was ist das für ein Licht, in dem Du gehst? Bist Du in Ordnung?” Erneut der Sprecher, über das Gerät.
„Es geht mir gut ...” Ich hatte endlich begriffen, was hier geschah.
„Die Behausung hat mich wiedererkannt. Ich bin - ich bin ihre Gefangene.”
„Gefangene?” Die Stimme des Jaridian klang mehr als alarmiert.
„Sei beruhigt”, sang ich ihnen - das Lied für die Behausung setzte ich die ganze Zeit über fort. „Sei beruhigt ... Wir haben erreicht, was wir wollten ... sie zieht mich in ihr Inneres, und es ist keinerlei Furcht in ihr ...”
Wenig später öfnete sich der riesige Eingang vor mir, und der ‚Sog’ wurde sehr stark.
Ich folgte ihm flatternd und stolpernd, bis ich in der Mitte der großen leeren Halle stand, durch die ich damals eilig hindurch getrieben worden war, um mich Furcht und Zorn, hinaus zu den Meinen ...
Dieses Mal war ich nur von Leere umgeben, von fremdartigen rankenähnlichen Gebilden, die die Wände überzogen und sich zu bewegen schienen, von Flüstern, Pulsieren, Vibrieren und vorbeihuschenden Lichtern ...
Mir wurde etwas schwindelig, und bevor ich verstand, was geschah, war ich plötzlich am Boden, und ehe ich irgend etwas dagegen unternehmen konnte, drang etwas aus dem Untergrund empor und schnürte mich komplett ein, in etwas, das bei Berührung mit meiner Haut sofort unnachgiebig fest wurde ...
Es war eng, es war unangenehm, ich konnte nur vergebens dagegen ankämpfen und mich über den Boden rollen und an die Wände stoßen, genau wie damals ...
Die Behausung hatte mich wiedererkannt ...
Und mich, die Entkommene, wieder eingefangen.

Nachdem ich den ersten Schrecken überwunden hatte, versuchte ich, wie damals, auf die Füße zu kommen, was natürlich nicht gelang. Ich atmete einige Male tief auf und wollte gerade meinen jetzt doch unterbrochenen Gesang wieder aufnehmen, als ich erneut über das Gerät gerufen wurde - der Sprecher machte sich ernsthaft Sorgen, er hatte mich in der Behausung verschwinden sehen und dann nur noch merkwürdige Geräusche gehört ...
„Es geht mir gut”, ließ ich ihn wissen, etwas überrascht feststellend, daß das stimmte - ich hatte keine Angst mehr, trotz meiner unbequemen Lage - hier war niemand außer mir und dem Wesen um mich, das mich zwar in sich festhielt, ansonsten aber keinerlei feindliche Absichten zeigte ... Es summte, wie damals, als habe es das nie unterbrochen, sein eintöniges Lied vom Schutz für die Schöpfer, und all die vielen flüsternden, funkelnden Stimmen, die es durchpulsten, verdeckten beinahe hier im Inneren das, was sein feindseliges Verhalten nach außen bestimmte - Angst ... Dazu kam, daß diese auch gedämpft war durch den pausenlosen Gesang der Meinen, den ich in dem, worauf ich lag, vibrieren fühlte, und das tat auch mir gut ...
Ich schaute mich um, erstmals dessen gewahr werdend, wie - wie schön dieses Wesen, das mich in sich hineingenommen hatte, eigentlich war ... Die Halle, nein, eigentlich war das eine riesige Leibeshöhle, schließlich war ich von Lebendigem umgeben - pulsierte in sanften, ineinanderfließenden Blau- und Violett-Tönen. Von Zeit zu Zeit huschten weiße Lichtflecken -?- über die Wände, einzelne größere oder ganze Schwärme von kleinen, scheinbar zielstrebig und einer geheimnisvollen Ordnung folgend ... Das, worauf ich lag, fühlte sich fest und weich zugleich an und schien Wärme abzustrahlen. Die zum Teil flügelarmdicken Ranken, die sich über Wände und Decke zogen, pulsierten ebenfalls, und nach einer Weile hatte ich den rhythmischen Zusammenhang zwischen den Farben, der Bewegung der Ranken und der der Lichtfunken verstanden und begann ihn zu singen und mit den Krallenspitzen der rechten Flügelhand, die irgendwie aus der Verschnürung herausschaute, auf den Untergrund zu geben ...
„Angenehm”, signalisierte das Hauswesen. „Wie ich ... gut ...”
Ich empfand das ebenfalls als wohlklingend, ebenso wie das, was ich sah und fühlte, und ich ließ das Wesen das wissen.
Es antwortete mit Überraschung, was ich nicht verstand.
Es fühlte sich an, als sänge ich ihm etwas völlig Neues ...
Jetzt war ich die Verblüffte.
Das Gebäude-Geschöpf schien aus dem Kontakt mit mir zu gleiten, und zu vernehmen war nur noch sein eintöniges Lied: „Ich schütze die Schöpfer ... ich schütze sie, und sie sind zufrieden mit mir ...”
Ich fühlte in dieses Lied hinein.
Irgend etwas daran war merkwürdig.
Merkwürdig - unstimmig ...
Der Begriff ‚zufrieden’ ... Ich hörte dieses Wort, aber ich spürte etwas anderes ... als singe das Haus-Wesen mit vielen Stimmen, die - die einander widersprachen ...
„Ich schütze die Schöpfer”, schienen alle Stimmen gemeinsam zu singen, aber danach ...
Ich bat das Wesen, es mit den Tiefensinnen untersuchen zu dürfen.
„Gleichgültig ... es ist gleichgültig, was Du tust ... Du bist gefangen ... Du kannst den Schöpfern nicht schaden ... Ich schütze sie, und sie sind ...”
Ich öffnete sämtliche Tiefensinne, so weit es mir überhaupt nur möglich war.
Blaßblau und sanftes Violett öffnete sich um mich/unter mir, als sänke ich ganz langsam durch den Boden, auf dem ich lag, hindurch ...
„Ich schütze die Schöpfer, und sie sind zufrieden mit mir ...”
„Ich schütze sie und bin es zufrieden ...”
„Ich schütze sie, ganz bestimmt ...”
„ ... sie haben es so bestimmt ...”
„ ...es ist meine Bestimmung ...”
„ ... nichts anderes ...”
„ ... kann nicht anders ...”
„Ich schütze die Schöpfer, aber diese sind fort ...”
„ ...Bestimmung ... kann nicht anders ...”
„ ... fort ...”

Wo war ich hier? Das war nicht mehr die riesige Höhle, das hier war etwas vollkommen anderes ... Dieser Raum, dieser Teil des Leibes des Haus-Geschöpfes war ebenfalls höhlenartig, aber viel kleiner, hier gab es nur blasses Blau, das von innen zu leuchten schien, und in der Mitte befand sich eine Art Mulde unbestimmbarer Tiefe, die mit etwas gefüllt zu sein schien, das eine ebenfalls hellblaue, transparente Flüssigkeit sein konnte oder etwas ganz anderes, über die/das regelmäßig ein ganz leichtes Kräuseln lief.
Der Rhythmus des Kräuselns hatte einen Bezug zu dem langsamen Pulsieren der Wände und dem Zucken, das von Zeit zu Zeit den Boden in Bewegung versetzte, und auch hier hatte ich die Zusammenhänge bald verstanden und sang sie dem, was mich umgab.
„Das ist gut ... das ist richtig ... Du bist die Erste ...”
Von der Mulde begann etwas aufzusteigen wie hauchfeiner glitzernder Dampf, der sich feucht auf mein Gesicht legte, ein angenehmes Gefühl, verbunden mit einem ganz leichten, sehr fremdartigen Duft - des Hellblaus dessen, was sich in der Vertiefung befand, was immer das war ...
Ich war vollkommen fasziniert. Meine eigene Lage war völlig vergessen - was zählte, war einzig und allein die Schönheit um mich herum, die Schönheit dieses unvorstellbaren Wesens ... und ich verstand mit einem Mal, warum ich dieses Mal, von dem Erschrecken über das Unverhoffte in der Halle, gar keine Angst hatte ...
Hier war - nur dieses Wesen ... dessen Aufgabe darin bestand, die Taelon zu schützen vor den Unbilden derer, die uns trug ...
Und die Taelon - waren fort.
Nicht dieses Geschöpf hatte uns bedroht.
Nicht dieses Geschöpf hatte den Kleinen Wald und all seine Bewohner vernichtet.
Nicht dieses Geschöpf hatte unser Zuhause ‚sterilisieren’ wollen - und, nachdem es zunächst scheiterte, dann die Zhawi geschickt, um sein Zerstörungswerk zu vollenden ...
Aber dieses Geschöpf hier , das Schönheit war und Geheimnis und Sanftheit und unendlich komplexe Rhythmen, hatten wir mit erzwungenem Abschied bedroht ...

Ich lag schon am Boden, also konnte ich die Geste des Mich-Kleinmachens nicht mehr ausführen.
„Es tut mir so leid ... Es tut uns allen leid ... was wir Dir angetan haben, war Unrecht ... Wir haben Dir Angst gemacht, und wir wollten Dich verletzen, weil wir selbst so große Angst hatten ...”
Mein Brustkasten war von außen und innen zusammengeschnürt, so sehr schmerzte der Gedanke daran, wie nahe wir daran gewesen waren, dieses Wesen zu vernichten ...
„Gut ... Richtig ... Du bist die Erste ...die Erste ...”
Es war, als strecke das Geschöpf um mich - die Arme nach mir aus ... „Die Erste ...”
Ich ließ längst Sonnenhell in das Blau um mich strömen, auf die merkwürdige unterschwellige Not reagierend, die ich oben in der ‚Halle’ schon gespürt hatte, als das Hauswesen erstmals mit ‚angenehm’ auf meinen auf es bezogenen Gesang geantwortet hatte.
„Du ... Du siehst mich ... nicht den Schutz, mich ...”
Einmal mehr wurde Sog spürbar, aber das fühlte sich anders an als das Unangenehme auf dem Weg zum Eingang, war allerdings genau so unwiderstehlich und ging von der Vertiefung aus, über der glitzernde Funken oder Wassertropfen zu tanzen schienen.
Und plötzlich senkte sich der Boden unter mir ganz leicht Richtung der sich einmal mehr kräuselnden ‚Flüssigkeit’ ...
Bewegungsunfähig, wie ich war, konnte ich die Abwärtsbewegung, in die ich versetzt wurde dadurch, nicht aufhalten ...
Ich landete in der Mulde und ging unter wie ein Stein.
In dem, was keine Flüssigkeit war, obwohl meine bloße Haut darauf bestand, es fühle sich genau so an ... aber es mußte etwas anderes sein, denn ich konnte atmen darin, wenn auch etwas mühsam ...
Auch das hier war nur - Schönheit ...
Leuchtend, gestaltlos, pulsierend ...
Das hier war die zentrale Pulsation, der Grundrhythmus dieses Geschöpfes, seine ureigenen Frequenzen, verstand ich plötzlich. Und das hier - war nicht Taelon ... Ich kannte diesen Rhythmus, die Jaridian hatten uns ihn hören und fühlen lassen auf dem Hinflug, als wir voller Neugier immer wieder auf der Brücke aufgetaucht waren, ich vor allem mit meiner uneingestandenen Sehnsucht, fliegen zu wollen ... ich hatte einmal mehr mit halb offenem Schnabel und wahrscheinlich völlig geistlosem Gesichtsausdruck auf den riesigen Hauptmonitor gestarrt, auf ein winziges, vollkommen geformtes Spiralgebilde rechts knapp unterhalb der Bildschirmmitte, und einer der beiden Brückenwachhabenden hatte mich angesprochen und gefragt, ob ich wissen wolle, was das sei ... Ich wollte, und er vergrößerte den Bildausschnitt, so daß die funkelnde Spirale aus Myriaden von Sternen den Holoschirm ganz bedeckte, leuchtend in Regenbogenfarben, und dann schaltete er die akustische Wiedergabeeinheit ein ... kraftvolles, tieffrequentes, hallendes Pulsieren war um uns, umhüllt von vielfarbigem, vielstimmigem Rauschen, dessen komplexe Muster rhythmisch mit dem Basispuls verbunden waren ...
Das war es, worin ich hier trieb im Innersten des Wesens - dieser Lebensform, die so viel mehr war als nur etwas, was die Taelon hatten wachsen lassen, um es als Höhle oder Wohnbaum zu benutzen ...
„Du bist die Erste ...” sang das Geschöpf mir wieder, und seine Stimme war in mir und um mich.
„Du bist die, die sieht ... Du bist die, die hört ... Du bist die, die fühlt ... Du bist die, die erkennt - die mich erkennt ... Du weißt, wer ich bin ...”
„Aber die Taelon wissen doch auch, wer Du bist”, gab ich zurück, verwirrt. „Ich meine, schließlich - schließlich haben sie Dich wachsen lassen ...”
„Die Schöpfer sehen den Schutz ... ich schütze die Schöpfer, und sie sind zufrieden mit mir ... es ist meine Bestimmung ...”
Meine Verwirrung nahm zu, verbunden mit dem dringenden Gefühl von ‚nicht stimmig’ ...
Und etwas begann, an meiner Erinnerung zu zupfen.
Einmal mehr ein anderes Wesen, das mehr war als ...
Als nur - eine Waffe ...
Und ich verstand.

 

Ende von Kapitel 58

 

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