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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Juni 2003
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Durch Raum und Zeit zurück / Versprochen
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  Die Erste der medizinischen Station des Kreuzers, ihre Älteste, der auf dem Weg, der Hüter der Wasser-Gesänge, die Erdvolk-Gesangshüterin, Aveena, zwei schwerstverletzte Jaridian
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 56

 

Die erste Beschleunigungsphase dieses Fluges dauerte lang. Zwölf Einheiten waren vergangen, bevor der Andruck allmählich nachließ und schließlich die entsprechenden Licht- und Klangsignale im Behältnis mir mitteilten, daß ich die Gurte öffnen und es verlassen konnte. Kurze Zeit später absolvierten wir den ersten Sprung, der achtzehn Einheiten dauerte - wir nahmen eine vollkommen andere Route als auf dem Hinweg, um der Front nicht auch nur um ein Winziges näher zu kommen als unbedingt notwendig. Dadurch würde der Flug insgesamt zwei mal zwanzig Einheiten länger dauern, aber es ginge schließlich um die Sicherheit sämtlicher Besatzungen und der Fracht, hatte die Heilerin uns erklärt ... Auch diese war - nach mehreren gründlichen Scans und der Konsultation der Aufzeichnungen ihres Vorgängers - einverstanden, daß wir uns während der Sprungphasen frei bewegen konnten, wenn schon nicht auf dem Schiff, dann zumindest in unserer Unterkunft, also sangen und tanzten wir mit den ungewöhnlichen Klängen und Farben der Zwischen -Zeit, durch die die drei Schiffe sich ebenso mühelos bewegten wie durch die gestirnte Schwärze außerhalb der Sprungpassagen und staunten einmal mehr darüber, was für sonderbare Veränderungen das, wodurch wir da unterwegs waren, für uns und unsere Umgebung mit sich brachte ... Plötzlich war etwas wie ein pelziger Überzug an den Wänden unseres Raumes, der von dort aus blitzschnell über den Boden, uns, das Mitte-Lager und die Beschleunigungsbehältnisse wucherte und sich dann mit einem hohlen Geräusch in glitzernd rosafarbenen Staub auflöste, der hartnäckig in meinem Fell haften blieb ... Später wallten zähes Gelb und Blau durch die Luft, von der Decke auf den Boden links neben uns, und das Wasser im Behältnis dessen aus den Tiefen wimmelte von winzigen, silbrigen Lebewesen, die im ultrahohen Frequenzbereich mit schillernden Stimmchen sangen ... Als das fort war, trieben wir auf unserem Mitte-Lager in einem Meer aus Dunkelgrün, alles um uns herum in scheinbar willkürlicher schlingernder Bewegung, obwohl das Schiff unbeirrt auf Kurs war ...

All das war vorbei und verschwunden, als wir schließlich aus dem Wurmloch auftauchten, bis auf den Staub in meinem Fell, der sich hielt und dafür sorgte, daß ich mehr als nur ein wenig merkwürdig aussah, aber auch daran erinnerten wir uns noch vom Hinflug - manche der seltsamen Dinge und Gegebenheiten aus der Zwischen-Zeit, die, wie uns die Jaridian erklärt hatten, immer vielerlei enthielt, das war wie die Dinge, die das Meer an den Strand spülte - Treibgut, hier im All Treibgut in Raum und Zeit, blieben ...
Eine weitere ausgedehnte Beschleunigungszeit und zwei kurze Sprünge später stand endlich eine längere Phase konstanter Fluggeschwindigkeit bevor, so daß wir uns an die Arbeit mit der Ältesten der Heilerin machen konnten.
Auf der medizinischen Station hatte, als wir dort eintrafen, deren Leitende bereits das Stasisfeld um die junge Jaridian aufgehoben, das sie während Beschleunigung und Sprüngen schützte, und hatte sie aus dem entsprechenden Behältnis auf eine Antigrav-Trage umgebettet.
Der aus den Feuern betrachtete nachdenklich die Trage und den engen Raum, in dem wir um sie gedrängt standen, und vollführte schließlich eine verneinende Geste. „Das wird hier nicht gehen ...” Er wandte sich an die Heilerin. „Spricht etwas dagegen, daß wir sie mit in unsere Bleibe nehmen und auf dem Mitte-Lager mit ihr arbeiten? Ich habe über das, was wir tun müssen, noch mehrfach nachgedacht - es wird nicht ganz einfach werden, und wir brauchen dafür eine besondere Ordnung miteinander, die hier nicht zu verwirklichen ist ...”
„Es spricht nichts dagegen”, antwortete die Jaridian. „Das Wichtigste ist, daß ihr geholfen wird ... Wenn Ihr einverstanden seid, wäre ich allerdings gern dabei, vorausgesetzt, ich behindere Euch nicht ...”
„Du bist kein Hindernis - Du wirst im Gegenteil unbedingt gebraucht.” Der auf dem Weg blickte uns der Reihe nach prüfend an.
„Sie ist jenseits einer Sprungpassage verloren gegangen, die so viel Zwischen-Zeit umfaßt wie die, die wir als erste passiert haben; diese befindet sich sehr weit fort von hier und unsere Route führt davon weg. Das bedeutet, er”, - er wies über den Kontakt, den wir inzwischen um die Trage herum geschlossen hatten, auf den aus den Tiefen - „und ich bewegen uns nicht nur rückwärts durch die Zeit, sondern auch gegen sie ...” In der Berührung war ein verwirrendes Bild silbriger Linien, die sich in sich selbst zu verwinden schienen, und mir wurde leicht schwindelig.
Der aus den Feuern griff das sofort auf. „Genau das ist der Grund, warum Du, Aveena, diese Arbeit nicht tun darfst ... Ich hätte Dich am liebsten hier ganz heraus gehalten, aber das geht nicht, weil Du mich wirst ankern müssen, so, wie sie es mit ihm tun wird ...” Seine Geste umfaßte die Gesangshütenden des Erd- und des Wasservolkes; letzterer hatte die Zwischenlider offen, seit der auf dem Weg zu sprechen begonnen hatte.
„Du hast Recht, wir werden mit Ankern arbeiten müssen, alle beide”, gab er in die Berührung. „Und Du”, - er wandte sich an die Heilerin - „mußt singen für Deine Älteste ... sie muß Deine Stimme hören, Deine Energie fühlen können ... vielleicht bist Du zunächst der einzige Grund für sie, mit uns zurückzukehren, wenn wir sie gefunden haben ...”
„Ich tue alles, was getan werden muß. Aber ...”
„Aber?”
„Aber ich habe den Eindruck, Ihr begebt Euch in Gefahr, und das um meinetwillen ... und das ...”
„Unsinn”, sagte der aus den Feuern, sehr bestimmt. „Das hier gehört zu unserem Weg für das Ganze, für drei von uns schon, seit es die drei Völker gibt, für uns vom vierten, seit wir erwachten. Es ist bei uns eine seltene Heilarbeit - so weit fort wie die, die Du ins Leben gegeben hast, gerät kaum jemand auf der, die uns trägt - aber wir wissen, was zu tun ist und haben Erfahrung damit. Hast Du in den Aufzeichnungen, die Dein Übergeordneter - nein, Dein Vorgänger gemacht hat, vielleicht den Vorfall mit Aveenas Verletzung durch den Angriff auf dieses Schiff hier gefunden? Ich habe einen Teil von ihr von jenseits der Zwischen-Zeit, durch die er verloren ging, zurückgebracht ...”
„Ich kenne diese Aufzeichnung”, bestätigte die Jaridian, und ich fühlte einmal mehr Hoffnung in ihr.
„In Ordnung”, meinte sie dann. „Schaffen wir sie zu Euch - und abgesehen davon, bin ich schließlich auch noch da, um auf Euch achtzugeben.”

Eine Weile später lag die leblose junge Jaridian auf dem Mitte-Lager in unserer Bleibe ausgestreckt. Ihr Kopf ruhte auf den gekreuzten Beinen dessen aus den Tiefen, der sich an die Erdvolk-Gesangshüterin lehnte, die ihn mit beiden Armen umschlang, allerdings so, daß er die Flossen frei bewegen konnte.
Der aus den Feuern hatte sich in meinen Halt begeben, die Füße der Bewußtlosen mit beiden Händen umfassend.
Die Heilerin saß zur Rechten derer, die sie ins Leben gegeben hatte, hatte auf Anweisung dessen aus den Tiefen die rechte Hand auf deren Herzregion gelegt und ließ ihr behutsam Shaqarava zufließen.
„Was immer in der nächsten Zeit geschieht”, wandte sich der aus den Feuern an uns alle, „behaltet auf jeden Fall im Gedächtnis, daß, wer ankert, nicht folgen darf ... Selbst wenn Ihr befürchtet, wir wären verloren - Ihr müßt hier bleiben, sonst finden wir nicht zurück. Ihr seid unsere Anker, in dieser Zeit, an diesem Ort.”
Die aus dem Dunklen und ich ließen ihn und den Hüter der Wasser-Gesänge wissen, daß wir verstanden hatten, die Jaridian ebenso - auch ihr Bewußtsein mußte hier, vor Ort, präsent bleiben, um das ihrer Ältesten willkommen zu heißen, wenn diese den Weg hierher gefunden hatte.

Und plötzlich spürte ich weder den aus den Tiefen noch den auf dem Weg mehr im Kontakt - sie waren aufgebrochen, die Verlorene zu suchen und in ihr Leben zurückzuführen.
Ich formte aus sonnenheller Energie einen kraftvollen Strang, den ich vier mal um den leuchtend weißen schlang, der von dem aus den Feuern weg führte ins Dunkle, jede Schlinge fest anziehend. Über die Berührung nahm ich wahr, daß die Erdvolk-Gesangshüterin mit dem aus den Tiefen genau so verfuhr - Tiefrot wand sich um Blaugrün, festen Halt gebend ...
Lange Zeit verging, in der nichts geschah.
Dann gab es einen spürbaren Ruck an dem, was ich hielt, und konstanter Zug geriet darauf.
Die aus dem Dunklen erlebte das Gleiche, und wir schauten einander erschrocken an.
Der Zug verstärkte sich immens, und wir hatten uns beide unwillkürlich zurückgelehnt, um besser gegenhalten zu können.
Die Kraft, die am anderen Ende wirkte, wuchs weiter.
Was geschah da?
„Irgend etwas läuft hier entsetzlich falsch ...” keuchte die aus dem Dunklen. „Wir dürfen nicht einfach abwarten ... ich ... ich gehe sie suchen.”
„Nein!” schrie ich, laut und über den Kontakt, grellgelbe Warnung. „Das dürfen wir nicht ... Sie verlieren sonst ...”
„Ich kann doch nicht einfach gar nichts tun ...” Auf ihrer Haut stand bereits die Nässe der Anstrengung, die sie das Gegenhalten kostete. Ich spürte, wie ihr Bewußtsein sich in die Ferne richtete.
„Halt, warte ... nur einen Augenblick ... Es muß doch einen anderen Weg ...” Ich konzentrierte mich fieberhaft, meine Erinnerungen an all die Heil- und Bewußtseinsarbeiten, die ... da, da war etwas ... ich hatte schon einmal den auf dem Weg beinahe verloren, damals, in - in der Komplexschwingung.
„Ziehen, nicht nur halten”, rief ich. „Ziehen, wir müssen unsererseits ziehen ... Wir sind das Gegengewicht, wir sind der Anker ...”
Ich lehnte mich noch weiter zurück, mir die energetische Schnur, die mich mit dem aus den Feuern verband, zweimal um den Leib wickelnd und fest verknotend. Gleichzeitig hatte ich zu singen begonnen, das komplexe Frequenzband derer auf dem Weg, so weit ich es vermochte.
Und der Zug an der Verbindung ließ etwas nach.
Die aus dem Dunklen hatte in dem Moment verstanden, in dem ich ‚ziehen’ gerufen hatte, und tat es mir gleich, die Frequenzen des Volkes in den Tiefen anstimmend.
Und die Jaridian rief ihre Älteste ... nannte sie beim Namen, wieder und wieder, weiß-violett leuchtend in der Dunkelheit, die uns alle umgab, auf das die Verlorene sie von Weitem sehen könne ...
Meine Energie war längst aktiv, strömte die Verbindung entlang in das Dunkle, ich steuerte sie wie ein bewegliches, biegsames Extraseil, mit dessen Ende ich würde zugreifen können, fände ich das Passende, oder damit zusätzlichen Halt geben ...
Der Zug verstärkte sich wieder, auf beide - nein, auf alle drei Verbindungen, erkannte ich - die Jaridian hatte mit beiden Händen die grüne ‚Schnur’ gepackt, die von ihrer Ältesten weg führte und sich mehr und mehr zu dehnen schien.
Tiefrot, Weiß-violett und Sonnenhell hielten Blaugrün, Grün und Weiß in unnachgiebigem Griff, vereint zu einer riesigen Flamme, strahlend ...
Wir handelten wie eins ... hielten gegen, holten Schnur ein, gaben behutsam nach, nur um eine Winzigkeit ... nutzten sofort aus, daß wir plötzlich stärker waren als Sog und Zug am anderen Ende ... schauten einander entsetzt an, als sich plötzlich ale drei Verbindungen gleichzeitig fast zum Zerreißen dehnten ... und griffen zu, als die Kraft, die, weit, weit fort, am anderen Ende wirkte, erneut abebbte und zogen, zogen mit aller Macht, zogen und wanden um uns und zogen ...
Es gab eine Erschütterung, die uns alle rücklings zu Fall brachte, verbunden mit einem merkwürdigen hallenden Klang, der in eine hochfrequente, grelle Rückkopplung auslief. Für Bruchteile eines Augenblicks waren wir umwirbelt von Zwischen-Zeit, und mir blieb der Atem weg ... und dann hielt ich einen vor Anstrengung und Erschöpfung zitternden, aber wachen und bewußten Feuervolk-Angehörigen in den Flügelarmen, der sich ächzend gegen meinen Griff wehrte, mit dem ich ihm fast die Rippen brach. „Laß' los ... Es ist in Ordnung, wir sind alle hier ...”
Erschrocken löste ich den Halt, in dem ich ihn hatte, und schaffte es, uns beide aufzurichten. Uns gegenüber schloß ein sich hochkämpfender Wasser-Gesangshüter die Zwischenlider, gestützt von der aus dem Dunklen, und neben der jungen Jaridian erhob sich die Heilerin mit benommenem Gesichtsausdruck aus den Flocken.
Durch den mageren Leib ihrer Ältesten ging ein krampfartiger Ruck.
Und die Kämpferin schlug die Augen auf.

Ihr Blick ging ziellos ins Leere.
Ehe einer von uns reagieren konnte, war die, die sie ins Leben gebracht hatte, an ihrer Seite, beugte sich über sie, schaute ihr ins Gesicht, versuchte, ihren Blick festzuhalten und nannte sie wieder beim Namen.
Und darauf reagierte die junge Jaridian.
Ihre Augen richteten sich auf die der Älteren, und in ihren Zügen war zu sehen, daß sie sie erkannte.
Sie schaute, lange und intensiv, und die Heilerin schaute zurück, so voller Wärme, Annahme und Freude, daß es hell und weit wurde in uns ...
Die junge Kämpferin versuchte, etwas zu sagen, aber ihre Stimme gehorchte ihr nicht, nach der langen Zeit des Nichtgebrauchs ... Sie wollte offenbar den rechten Arm heben, um die Ältere zu berühren, statt dessen lief nur ein Zucken durch die entsprechende Muskulatur.
Die Heilerin griff ihrer Ältesten unter Rücken und Nacken, hob sie hoch und schloß sie fest in die Arme.
Diese ließ den Kopf auf ihre Schulter sinken und sah mit einem Mal - so entspannt und zufrieden aus, wie ich selten jemanden ihres Volkes gesehen hatte ... in der Bewußtlosigkeit hatten ihre abgezehrten Züge nur Leere ausgedrückt, aber jetzt ...
Die Heilerin hielt sie, als wolle sie sie nie wieder loslassen. „Du bist wieder da ... Wir haben Dich wieder, Du bist wieder da ...” Sie begann, die magere Gestalt in ihren Armen ganz sanft hin und her zu wiegen. Diese versuchte erneut, die Arme zu heben, noch vergebens.
Über die beiden hinweg strahlten wir einander an. Es war gelungen ... es war gelungen, eine beinahe Verlorene in ihren Körper zurück zu bringen, in ihr Leben, mit dem nur noch der Hauch einer Verbindung bestanden hatte ...
Mit immer noch offenen Tiefensinnen überprüfte ich den aus den Feuern. Er hatte keinerlei Schaden oder Verletzung abbekommen, aber er war vollkommen erschöpft, seine leuchtend weiße Energie nur noch ein blasses Glimmen ... Erschrocken konzentrierte ich meine eigene Kraft auf ihn, die Reserven weit offen, um ihm ...
„Ich danke Dir, aber das wird wohl kaum etwas bewirken.”
Er wies über die Berührung auf mein energetisches System.
„Schau Dich an ... wovon willst Du abgeben?”
Ich schaute.
Da war ein kleiner hellgoldener Funke.
Mehr nicht.
Sanfte blaugrüne Berührung, mit Tiefrot verbunden - der Wasser-Gesangshüter und die aus dem Dunklen waren an unsere Seite gerückt.
„Wir müssen alle ausruhen, auch die beiden ...” Die Erdvolk-Gesangshüterin wies auf die beiden Jaridian, mit denen der Wasser-Gesangshüter über einen ausgestreckten Fuß Kontakt hergestellt hatte und die jetzt von sanftem weiß-violettem Glanz umgeben waren - die Ältere hatte die innere Energie der Jüngeren mit der eigenen aktiviert, was dieser sichtlich gut tat - sie versuchte erneut, die Arme zu heben, um sie um die zu schließen, die sie wiegte und versorgte - und dieses Mal gelang es ihr.
Ihre Freude, die Ältere zu sehen und zu fühlen, war ebenso groß wie die der anderen, sie wieder zu haben ...
Aber in der Kämpferin war noch etwas Anderes - Erstaunen. Grenzenloses Erstaunen darüber, am Leben zu sein ... am Leben ... auf - auf einem Kampfschiff, das intakt war und ...
Über die Berührung war wahrnehmbar, daß sie nicht nur ihre Stammesangehörige und den Kreuzer, sondern auch uns spürte - und wie dabei gleichzeitig Neugier und Furcht aufkamen in ihr. Schließlich hob sie den Kopf etwas an, mühevoll, so, daß sie gerade ein wenig schauen konnte, und blickte auf uns.
Und begann zu zittern.
Weil ihr Verstand zu arbeiten begann, so mühsam, wie ihr das Sich-Bewegen war - der Verstand einer Kriegerin. Sie war nicht mehr dort, wo sie verletzt worden war, niemand von denen, die ihrem Kampfverband angehört hatten, war um sie. Das hier war keine medizinische Station, und da hockten vier fremde Wesen und starrten sie und die andere Jaridian merkwürdig an ...
Weiß-violettes Glühen zog sich zusammen und konzentrierte sich in ihren Handflächen, und jetzt stand Angst in ihren Augen, als sie den Griff um die Ältere löste und beide Hände gegen uns erhob.
Ihre Stammesangehörige hatte sofort verstanden und ließ ihre Energie expandieren, so daß die Jüngere komplett umschlossen war damit. „Nein, nein, nein ... Diese Geschöpfe sind keine Feinde, sie sind Verbündete. Du und ich sind nicht gefangen, sondern in Sicherheit. Du bist gerettet und sicher, und wir sind unterwegs zur Welt dieser Wesen, denen wir sehr viel zu verdanken haben. Sie sind freundlich, sie sind auf unserer Seite und sie haben Dir geholfen, Dein Bewußtsein wieder zu erlangen ...”
Der aus den Tiefen streckte der ausgemergelten Kämpferin behutsam eine Flossenspitze zum Kontakt hin. Er, die Erdvolk-Gesangshüterin und ich hatten zu singen begonnen, leise und sanft, die tiefen, beruhigenden Frequenzen gegen Angst und Schmerzen ...
Da die junge Jaridian keine Anstalten machte, die Flosse dessen aus den Tiefen zu ergreifen, berührte er sie seinerseits ganz sanft am linken Arm, ließ sie wissen, wer wir waren und was wir gerade getan hatten und lud sie ein, seinen Geist zu erkunden.
Die Tatsache, daß inzwischen einiges an Zeit vergangen war und keiner von uns Vieren mehr getan hatte als seltsame Klänge von sich zu geben, sie anzuschauen und eine einzelne, sehr kampfuntauglich aussehende Gliedmaße auf sie zu legen, und das, obwohl sie ihre innere Energie gegen uns hatte verwenden wollen, überzeugte sie schließlich, daß wir keine Feinde waren, die diesen Kreuzer in ihre Gewalt gebracht, die übrigen ihrer Kampfeinheit in den Abschied geschickt und sie und die Ältere gefangen genommen hatten, und das bewirkte, daß sie innerlich wirklich klar wurde - die letzten Reste von Benommenheit zerflatterten in ihr, und sie hob den Kopf richtig und schaute sich erstmals wirklich bewußt um.
„Wo sind wir hier? Was ist passiert - wo sind die beiden anderen? Sind sie noch am Leben? Wer hat mich aus den Trümmern geholt? Ihr?”
Die Ältere löste behutsam den festen Griff um sie. „Warte bitte einen Augenblick ... Ich werde Dir alles erklären, sobald ich einen Blick auf Deine Vitalwerte ...” Sie zog einen Scanner aus ihrer Bekleidung, und dabei registrierte sie erstmals auch uns wieder, sehr erschrocken darüber, wie verausgabt wir waren.
„Oh nein ... es tut mir leid ...”
Der aus den Tiefen schaute sie direkt an. „Es ist in Ordnung”, sagte er bestimmt, und dann, an uns alle gewandt: „Das hier war schwere Arbeit - für uns alle ... Ich denke, es würde einen Sinn machen, uns mit Wachkraut zu versorgen und anschließend auszuruhen ... es wäre gut, wenn Ihr beide”, - seine Geste meinte die Jaridian - „dies gemeinsam mit uns tätet, dann könnten wir über den Kontakt auf Euch achten, vor allem auf Dich, die Du gerade erst wieder zurück bist.”
Die Heilerin strahlte - vor allem darüber, daß wir, nach allem, was wir geleistet hatten, jetzt sogar noch bereit waren, ihre Älteste zu überwachen, indem wir sie bei uns behielten ... und sie freute sich darüber, dabei bleiben zu dürfen.
„Sie braucht Dich jetzt”, ließ der auf dem Weg sie wissen. „Und sobald wir ausgeruht sind, kümmern wir uns um die, die noch fort sind, wie sie es war ...”

Kurze Zeit später lagen wir, entspannt von den Kräutern, die die aus dem Dunklen uns allen, auch den beiden Jaridian, gegeben hatte aus ihrem Bündel, in Kontakt miteinander in den Flocken, die Heilerin und ihre Älteste, einander haltend, in der Mitte.
„Bitte”, fragte die Kämpferin plötzlich, sehr eindringlich. „Ich muß das wissen ... Was ist mit denen geschehen, die mit mir in den Trümmern feststeckten? Wo sind sie?”
„Längst wieder im Einsatz”, antwortete ihr die Ältere. „Du, der sie ihr Leben verdanken, warst am schwersten verletzt ... Die Taelon haben sich um Euer Schiff, das sie zerschossen hatten, gar nicht mehr gekümmert, es war ihnen wohl gleichgültig, ob vielleicht einzelne Module intakt geblieben waren nach dem Treffer, sie haben einfach alles in den Raum davon treiben lassen, warum auch immer. Ihr wurdet von einer Einheit aufgegriffen, die zu einem ganz anderen Frontabschnitt unterwegs war ...”
„Dann - dann ist es gelungen ...” Das magere Gesicht der Kämpferin strahlte. „Ich habe mein Versprechen halten können ...”
Ihr Gesichtsausdruck war plötzlich sehr abwesend, und ihre Augen trübten sich.
Wir fühlten erschrocken zu ihr hin.
Aber das, was ihren Geist jetzt umfing, war nicht die Kälte und Leere dessen, worin sie verloren gewesen war.
Es war Erschöpfung.
Erschöpfung nach einem langen Kampf auf Leben und Abschied ...
Der für diese Jaridian einen halben Umlaufzyklus gedauert hatte.
Einen Augenblick später war sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf gesunken.

Es dauerte nicht lange, bis auch die andere Jaridian eingeschlafen war. Wir vier fühlten noch einmal zu den beiden und zueinander hin - Schlaf war wirklich das, was wir alle benötigten. Wir würden über die Berührung spüren, triebe die Kämpferin erneut davon, und der Schrecken darüber würde uns wecken - aber die Gefahr, daß das geschehen könnte, war sowieso gering.
Viel später wurde ich von einem vage bekannten Duft wach, verbunden mit flüchtiger Berührung von Wärme an meinem Gesicht, und erkannte blinzelnd einen Becher mit der heißen rosafarbenen Medizin, die ich schon einmal von der Heilerin verabreicht bekommen hatte, die jetzt neben mir in den Flocken hockte und ihn mir vor die Atemöffnung hielt.
„Ich konnte Dich nicht mehr schlafen lassen, nicht mit diesen miserablen Energiewerten. Du mußt das hier austrinken, dann bekommst Du zu essen, und dann ruht Ihr Euch alle weiter aus.”
Ich spürte etwas benommen zu ihr hin, zu ihr und den anderen - alle außer mir saßen bereits aufrecht und waren mit Nahrungsriegeln, Wasser, getrockneten Ph'taalfrüchten und der Medizin beschäftigt, auch die junge Kämpferin, die ich beinahe nicht wiedererkannt hätte - sie hockte in engem Kontakt zwischen der Erdvolk-Gesangshüterin und dem aus den Tiefen, die ihr offenbar gerade erklärten, was innerhalb der letzten Einheiten hier mit ihr geschehen war, und sah so lebendig aus, als sei sie nie verletzt und verloren gewesen. Sie war ganz Aufmerksamkeit für die beiden, die Augen funkelnd vor Neugier, und nur ihre abgezehrte Gestalt erinnerte daran, daß ihr Körper einen halben Umlaufzyklus lang sich selbst überlassen gewesen war.
Ich rückte mich so zurecht, daß ich die aus dem Dunklen mit einem Fuß berührte, und merkte, daß mir die Augen wieder zu fielen. Die Heilerin hatte Recht - wieder ausruhen war eine gute Idee ...
Eine Hand legte sich auf meine Brust, und Weiß-Violett begann zu strömen, sehr angenehm, und die großen grauen Wolken, die mein Inneres durchzogen und dazu einluden, mit weit ausgebreiteten Flügeln auf sanftem Wind mit ihnen in den Nebel davon zu treiben, begannen sich aufzulösen, eine nach der anderen. Ich öffnete die Augen wieder - und ehe ich irgend etwas singen oder tun konnte, saß ich plötzlich aufrecht, an die Heilerin gelehnt, die mich hochgehoben hatte, und hatte den Becher mit der Medizin in den Flügelhänden.
Nach den ersten Schlucken fühlte ich mich deutlich wacher, und das war angenehm. In dem Zustand zuvor wäre ich kaum in der Lage gewesen, für die anderen vier Jaridian da zu sein, die es zurück zu holen galt von wo auch immer sie verloren gegangen waren ...
„Oh nein.” Die Heilerin - sehr bestimmt, und Weiß-Violett begann wieder, sanft in meinem System zu pulsieren. „Keiner von Euch tut irgend etwas außer dem, was ich Euch zu tun erlaube, bis ich sage, daß Ihr wieder zu etwas anderem imstande seit ... Und bevor Du jetzt denkst, ich wäre überbesorgt und hielte Euch alle einfach nur für etwas schwächlich, schau Dir die Deinen einmal sehr genau an ...”
Das tat ich - und erschrak wirklich. Des Wasser-Gesangshüters Haut wies deutliche Trockenheitsrisse auf, mehrere davon ließen ihn seine hellgrüne Flüssigkeit verlieren. Der auf dem Weg, der zuvor gesessen und eine Frucht verspeist hatte, lag bereits wieder, die tief umrandeten Augen geschlossen, eine Hand auf das rechte Bein dessen aus den Tiefen gelegt, auf dem besten Wege, wieder einzuschlafen. Die Erdvolk-Gesangshüterin sah aus, als habe sie regelrecht Substanz verloren, ihre Haut schien ihr zu groß geworden zu sein, im Gesicht war sie eher grau als rot und auch ihre Augen erschienen eingesunken und umrandet ... Über den Kontakt, den ich mit ihr hielt, bekam ich Ähnliches über mein Äußeres zu hören, und plötzlich war weiteres Weiß-Violett im Kreis, einen Achttonschritt höher als das, was mich bereits stärkte, ein schwacher Fluß, gleichmäßig fünffach aufgeteilt ... die Energie der jungen Jaridian, sanft pulsierend, verbunden mit Sympathie und tiefer Dankbarkeit.
Die Heilerin unterband das auf der Stelle.
„Das glaube ich einfach nicht ... Wie kann eine ausgebildete Kämpferin des Imperiums nur so unvernünftig sein, von ihrer Shaqarava-Energie abzugeben, wenn sie jeden Funken davon ...” Sie schaute ihre Älteste an, und das, was in ihren Augen stand, strafte ihren Tonfall Lügen. In ihr war nur der Wunsch, uns alle zu schützen ... zu wärmen und zu halten, auf daß nie wieder irgend jemand verloren gehen könnte ...
Ihrem Impuls folgend, rückten wir schließlich samt Vorräten und Medizin alle zusammen und formten einen warmen, festen Kreis. Die Heilerin blickte auf ihre Stammesangehörige, dann auf uns und versuchte gar nicht erst, ihre Besorgnis zu verbergen - dafür war es ihr nur zu gut gelungen, die eigene Erschöpfung, von der sie sich ebenso wenig erholt hatte wie wir, vor sich selbst zu verbergen, und sie war alles andere als erfreut darüber, diese nicht aus dem Kontakt heraus halten zu können.
„Was ist passiert, dort, wo Ihr meine Älteste gefunden habt?” fragte sie. „Was hat Euch so viel Kraft gekostet?”
„Deine Älteste”, antwortete der Wasser-Gesangshüter, verbunden mit der Wärme, die er für diese empfand. „Deine Älteste mit ihrem unglaublichen Jaridian-Sturschädel ... Wir haben eine Ewigkeit gebraucht, sie zu überzeugen, daß sie die Schiffsstrebe, die sie mit ihrem Körper davon abgehalten hat, ihre beiden Mitkämpfenden zu zerschmettern, jetzt einfach fallen lassen kann, weil niemand mehr da ist, der zerschmettert werden könnte ... Genau so lange wie sie hat uns allerdings das Stück Zwischen-Zeit, das wir zu durchqueren hatten, aufgehalten. Wir werden uns auf die noch bevorstehenden Heilarbeiten sehr viel exakter vorbereiten müssen - wir sollten Art und Schwere der Verletzungen, den genauen Hergang des Geschehens, das dazu geführt hat, und sämtliche Raum-Zeit-Gegebenheiten im Zusammenhang damit sehr genau kennen, bevor wir uns an die Arbeit begeben ...”
„Was war denn mit meiner Ältesten? Warum hast Du ihnen die Arbeit so erschwert? Und was war mit dieser Zwischen-Zeit?” Die Heilerin schaute sowohl die andere Jaridian als auch den aus den Tiefen eindringlich an. „Bitte - auch ich muß all das genau wissen, um der Meinen willen ..”
Der Hüter der Wasser-Gesänge lächelte, hatte dann aber plötzlich etwas wie Ehrfurcht in den Gesichtszügen. „Deine Älteste hatte ein Versprechen gegeben ... und diese Sprungpassage war eine mit Gezeiten”, ließ er uns alle wissen.
Die Heilerin war die Erste, die offenbar verstand, wovon er sang.
„Oh ...”
„Der Hinweg zu Ort und Zeit des Geschehens, in das Deine Älteste verwoben war, hätte uns zu denken geben müssen, er war beinahe schon zu leicht ... Die Sprungpassage, um die es geht, ist eine Anomalie - zwar nicht instabil wie der Durchgang, in den dieser Kreuzer damals vor dem Angriff durch die Taelon floh, aber dennoch etwas Besonderes ... in ihr herrschen, wie in den Meeren derer, die uns trägt, Gezeiten ... Ebbe und Flut, die Zwischen-Zeit arbeitet für oder gegen einen, je nach dem, in welcher Richtung man in die Passage eintaucht ...” Im Kontakt waren sanfte, wirbelnde Farben und komplexe Klänge, verbunden mit einem Gefühl von Schub im Rücken.
„Wir erreichten die Situation, in der ihr Geist gefangen war, wesentlich rascher als erwartet und haben uns darüber gefreut, vor allem, als klar wurde, was uns da bevorstand ...” Der Hüter der Gesänge des Wasser-Volkes schaute die Kämpferin an, und Sorge, Wärme und Bewunderung waren spürbar.
„Sie hing da, eingekeilt zwischen den verbogenen Wänden eines einzelnen, abgetrennten, gerade noch funktionstüchtigen Schiffsmoduls, einem Bestandteil einer seitlichen Sektion der Bordbewaffnung des Kreuzers, auf dem sie eingesetzt war. Ihr Körper war das Einzige, das eine aus dem oberen Bereich des Moduls herausgebrochenen Strebe vom Gewicht eines halb ausgewachsenen Ph'taalstammes davon abhielt, auf das Areal unter ihr zu stürzen - auf ein Areal, auf dem eine Lache festgetrockneter Körperflüssigkeit und an den Trümmern festhängende Bekleidungsfetzen sehr deutlich verrieten, daß hier zwei Jaridian, beide schwer verletzt, gelegen hatten ...”
Die junge Jaridian hatte sich bei seinen Worten aufrecht hingesetzt, die Augen in die Ferne gerichtet. „Wir wurden getroffen, mehrmals”, sagte sie, sehr leise. „Es hat das Schiff förmlich zerrissen ... die linksseitige Waffensektion brach in sämtliche Einzelsegmente auseinander, und unser Modul hat den Treffer einer Haftwaffe abbekommen ... es funktionierte nichts mehr, außer dem Not-Lebenserhaltungssystem, und die Strukturschäden ...”
Ihre Atmung und ihr Herzschlag hatten sich deutlich beschleunigt, und unser aller Reflexe reagierten auf ihre spürbare Angst.
„Wir waren zu dritt hier an den Waffen ... die beiden anderen hatte es so schwer erwischt - Schädelverletzung und eine tiefe Bauchwunde - daß ich dachte, sie wären beide nicht mehr am Leben ... aber sie waren sogar noch wach ...”
Jetzt hatte die Kämpferin zu zittern begonnen, und die, die sie ins Leben gegeben hatte, nahm sie einmal mehr in festen Halt.
„Ich habe ... ich habe ihnen nicht einmal die Schmerzen nehmen können ... Ich hatte mich gerade über sie gebeugt, um sie zu untersuchen, als über mir dieses ... dieses Geräusch ...”
Ein mißtönendes, reißendes Knirschen, das durch sämtliche Knochen ging ...
Und eine riesige massive Strebe, die durch die mehrfachen Treffer aus der Verankerung gerissen worden war, löste sich mit geradezu grotesker Langsamkeit aus ihrem letzten Halt und ...
Die Kämpferin war aufgesprungen, hatte die Arme hochgenommen und im selben Moment ihr Shaqarava aktiviert. Es gelang ihr, die Strebe mit dem eigenen Körper abzufangen, ehe sie die beiden Schwerverletzten traf.
Das scharfkantige Metall riß ihr Arme, Brust und Bauch auf.
Sie schaffte es irgendwie, sich und das Trümmerstück so zwischen den eingedrückten Wänden zu verkeilen, daß letzteres in Position bleiben würde, selbst wenn sie nicht mehr bei Bewußtsein wäre.
„Ich halte es, das verspreche ich Euch ...” keuchte sie, an die beiden am Boden gewandt. „Ich halte es ... wir werden gefunden, das weiß ich, und bis dahin halte ich es für Euch ...”
Die kopfverletzte Jaridian wurde als Erste bewußtlos, dann der neben ihr unter dem aus der Wand gebrochenen Bordgeschütz eingeklemmte Kämpfer mit der Bauchwunde.
„Ich halte es ... Ihr seid sicher ... Versprochen ...”
Die, die die Anderen mit ihrem Leib schützte, verlor erst das Zeitgefühl und schließlich selbst das Bewußtsein. Ihr Geist schlang sich um die Strebe wie ihre Arme, wissend, sie würde niemals loslassen, um keinen Preis ...

 

Ende von Kapitel 56

 

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