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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Juni 2003
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Abschied von Jaridia
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  Der auf dem Weg, die Erdvolk-Gesangshüterin, der Hüter der Wasser-Gesänge, Aveena, drei Sechsgliedrige, der Anführer, die Zweite, der Verwalter, Trevak, der Heiler, dessen Gefährtin, die Heilerin mit der hellen Stimme, der Sprecher, der Navigator, Jaridia (andere Jaridian, eine Unzahl Sechsgliedriger)
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 55

 

Mehr als eine Einheit konnte nicht vergangen sein seit unserem Aufbruch von dem improvisierten Mitte-Lager in dem Vorratsraum, also blieben uns noch zwei, bis wir bei dem Shuttle sein mußten, das uns von Jaridia fortbringen würde ...
Ich hatte mit einem Mal das dringende Bedürfnis, mich von allen und allem wirklich zu verabschieden, mit denen / womit ich hier so intensiv in Kontakt gewesen war - vom Ersten, seiner Stellvertreterin und deren Gefährten ebenso wie von dem Verwalter, dem Heiler und den beiden Wachhabenden, die ich im Archiv kennengelernt hatte ... von den Orten hier im Gebäude, die uns beherbergt hatten, dem Raum, in dem wir anfangs Rat gehalten hatten, unserem ersten Quartier und der Höhle ... von dem Platz da draußen, den Sechsgliedrigen, den Dindaei, die mir über den aus den Tiefen ebenso nahe geworden waren wie ihre landbewohnenden Verwandten ... von dem Himmel über dieser uralten Welt und natürlich von dieser selbst ...
Die Heilerin mit der hellen Stimme hatte keinerlei Grund, sich um uns zu sorgen - essen, Medizin nehmen und ausruhen konnten wir auch auf dem Kreuzer ... wir würden sie von der nächsten Kommunikationseinheit aus darüber verständigen, was wir vorhatten ...
Die Gesangshüterin des Volkes im Dunklen, der Hüter der Wasser-Gesänge und der auf dem Weg teilten meinen Wunsch, richtig von dieser Welt Abschied zu nehmen, von ihr und allem, was hier für uns so große Bedeutung bekommen hatte, vor allem von denjenigen, mit denen wir so viel geteilt hatten hier, also machten wir uns auf den Weg hinaus aus diesem Teil der medizinischen Station, in die langen Gänge des Hauptkommando-Gebäudes, auf der Suche nach einer Kommunikationseinheit, die wir benutzen konnten, ohne jemanden zu stören, und fanden eine solche neben dem beweglichen Raum, der einen in jedes beliebige Stockwerk hier brachte ...
Der auf dem Weg übernahm deren Benutzung und erwirkte eine Verbindung mit der Heilerin, die nicht nur Verständnis zeigte, sondern auch berichtete, daß ihrem Wunsch nach Mitnahme ihrer Ältesten und den vier von der gleichen Verletzungsfolge Betroffenen von allen maßgeblichen Seiten stattgegeben worden sei - und daß wir darüber hinaus die Führenden, Trevak und ihren Übergeordneten nicht aufsuchen müßten, um uns zu verabschieden von ihnen - sie würden uns verabschieden, am Shuttle, das uns zur Raumstation bringen würde ... Sie klang atemlos und aufgeregt, unterbrach das Gespräch kurz, um irgend jemandem im Hintergrund Anweisungen zu geben zum Thema Transportvorbereitungen für die Bewußtlosen und erklärte dann, daß wir jetzt nichts weiter zu tun hätten, als um Einheit Achtzehn auf dem Platz vor dem Hauptgebäude zu sein, mit allem, was wir mitzunehmen gedächten - das Shuttle würde dort landen, das sei weniger umständlich, als uns erst wieder zum Raumhafen zu verfrachten ...
Wir formten erneut einen Kreis, als der auf dem Weg die Komm-Einheit deaktiviert hatte, sehr erleichtert darüber, wie sich alles gefügt hatte. Wir beschlossen, unseren Abschiedsweg durch dieses Gebäude, in dem sich so vieles Überlebenswichtiges entschieden hatte, mit dem Ort zu beginnen, in dem wir ganz zu Anfang mit den Jaridian Rat gehalten hatten, dem ganz oben ...
Der bewegliche Raum brachte uns in das entsprechende Stockwerk, und kurze Zeit später standen wir vor dem geschlossenen Eingang, der diesen Platz gegen den an ihm vorbei führenden Gang abgrenzte, und fühlten hinein.
Betreten konnten wir ihn nicht - eine Gruppe Jaridian saß darin, konzentriert auf ihre Arbeit. Was uns an Schwingung erreichte durch das Metall der Tür, fühlte sich kraftvoll an und gut ...
Wir erinnerten uns gleichzeitig an das letzte Mal, das wir vor genau dieser Tür gestanden und hindurch gefühlt hatten - voller Angst die Not und das Bedrohende wahrnehmend, das von der aktivierten Bewaffnung und dem armen Geschöpf dahinter ausging ...
Der, der uns und vor allem sich selbst das angetan hatte, war geheilt ... und für das Waffen-Wesen würde es Heilung geben in der Zukunft ... der Zukunft, die die Jaridian sich geschaffen hatten in der vergangenen intensiven Zeit, der Zukunft, deren Anfänge auch hier wurzelten, in diesem Raum ...
Die Hüterin der Erdvolk-Gesänge hatte beide Hände auf das matte Metall gelegt und zu singen begonnen, ganz leise, das Lied der Ehre für einen besonderen Ort ...

„Du hast uns gehalten
Dein Grund uns getragen
Dein Feuer uns gewärmt
Du warst da für uns
Als wir kamen
Mit Bitte um Hilfe ...”

Wir anderen stimmten ein, in Berührung miteinander und der Tür, und als der Gesang beendet war, vollführten wir die Abschiedsgeste, mit der wir besondere Orte verlassen - Hände, Klauen oder Flügelhände vor der Brust zusammengelegt sich verneigend beziehungsweise eine fließende Bewegung mit der rechten Flosse vor der Brust, von ihr weg führend, als ob man etwas gebe.
Und wir spürten, wie dieser Kreis sich schloß ...

Kurze Zeit später hatten wir unser ehemaliges Quartier erreicht, daß die Jaridian uns hier eingerichtet hatten und dessen offen stehender Eingang uns einmal mehr willkommen zu heißen schien.
Hier war niemand außer uns, also betraten wir es ... Nichts hatte sich verändert, seit wir in die Höhle gegangen und dort geblieben waren, mit Ausnahme der Tatsache, daß das Mitte-Lager neu aufgeschüttet und offenbar das Wasser auf der Seite dessen aus den Tiefen ausgewechselt worden war ...
Mein Blick fiel auf das Fenster, durch das ich nach draußen geklettert und zu meinem ersten Flug über diese Welt aufgebrochen war. Wie lange war das eigentlich her?
Auch hier sangen wir, was einen Ort wie diesen, der uns so freundlich aufgenommen hatte, ehrte, verabschiedeten uns und verließen ihn dann Richtung Höhle.
Dieses Mal angekommen, wo der bewegliche Raum seine Reise beendete, durchschritten wir die riesige alte Tür, vor der nach wie vor zwei Wachen postiert waren, sehr bewußt - und nahmen uns für den Weg zu unserer ganz besonderen Unterkunft im Leib dieser Welt zum ersten und letzten Mal wirklich Zeit.
Für die Jaridian gab es hier eine unvorstellbare Fülle zu entdecken - Fülle, die mit den Wurzeln zu tun hatte, die dieses Volk vor Urzeiten in seinen neuen Heimatplaneten getrieben hatte ... Das meiste des in die Felsen, die den langen Weg nach unten formten, Hineingearbeitete stammte aus Zeiten weit, weit vor Trevaks Urahnen, den vielleicht einiges davon auf das gebracht hatte, was er selbst später formsingen sollte auf seine ganz besondere Weise ... Der Fels flüsterte und sang, und Öffnungen schienen sich hinter manchen Darstellungen und Schriftzeichen zu verbergen ... Irgendwann stand ich wieder dem Wächter gegenüber, und als mein Blick den seinen traf, spürte ich einmal mehr die Hitze seiner inneren Energie ... da ich aber nichts an mir hatte, mit dem ich etwas hätte zerstören können, traf sein Zorn mich nicht, wie er -vor wie viel Zeit? - den Jaridian getroffen hatte, der ...
Ich wurde von zwei kraftvollen Armen und leuchtendem Weiß umschlossen und festgehalten - der auf dem Weg. „Aveena, das hier ist definitiv nicht für Dich bestimmt ...”
Ich war ruckartig wieder in der Gegenwart, etwas verwirrt. „Jaridia wird durchlässig ... sie ist dabei, sich in den Fluß des Ganzen zurückzugeben ... und wenn Du Dich in ihrer Vergangenheit verlierst, nützt das niemandem ...”
Jetzt war auch der aus den Tiefen mit im Kontakt und die Hüterin der Erdvolk-Gesänge, und ich wurde sanft, aber bestimmt weiter den Gang hinunter geschoben und aus dem festen Halt erst entlassen, als wir den runden Eingangsstein erreichten, der die Höhle verschloß. Davor standen die beiden weiblichen Wachen, die wir beim Rathalten kennengelernt hatten.
Beide gingen sofort mit in die Berührung. „Ihr kommt, um Eure Sachen zu holen? Ihr braucht Euch nicht zu beeilen, Ihr habt noch eine ganze Einheit lang Zeit, bis Ihr draußen sein müßt ...”
Die aus dem Dunklen sang den Eingang auf, was die beiden Wachhabenden sichtlich beeindruckte, und dann standen wir in dem weiten, leuchtenden Rund, in dem die heißen Dämpfe aus der Quelle, die all die Farben in ständiger Bewegung hielten, die vier riesigen Statuen an der Wand gegenüber zum Leben erweckt zu haben schienen ... Es blieb dabei, wann immer man dort hin schaute, schienen sich deren Gesichter verwandelt zu haben - eben hatte man das Antlitz eines Jaridian gesehen, jetzt das eines der Ersten, die waren, dann blickte einem unverhofft ein Taelon entgegen - und im nächsten Moment die rätselhaften Züge eines Vereinten ...
Der Hüter der Wasser-Gesänge ließ sich in die Quelle gleiten und tauchte tief unter.
Die Hüterin der Gesänge derer im Dunklen streckte sich auf dem blanken Fels aus, Gesicht und Grabklauen an den Boden gedrückt.
Der auf dem Weg ging langsam auf die vierte Figur zu, und als er davor stand, umschloß er sie mit beiden Armen und berührte sie mit der Stirn, so, wie er damals seine Reise zu Trevaks Urahnen angetreten hatte.
Ich war mit einem Sprung und zwei kraftvollen Flügelschlägen über der Quelle aufgestiegen, zwei weitere brachten mich unter die Höhlendecke, und ich schwebte auf dem heißen Dampf, der grün, gelb und orangefarben emporquoll.
Vergangenheit und Zukunft ...
So vieles war hier bewahrt - und neu gefunden worden ...
Und wieder hatte sich ein Kreis geschlossen.

Einige Zeit später standen wir alle zusammen, jeder mit seinem Bündel bepackt, in Berührung vor den vier Statuen, mit dem Rücken zu ihnen und dem Gesicht zum Ausgang, sangen Abschied und Ehre und beschlossen das Lied mit der entsprechenden Geste - und verließen dann die Höhle zum letzten Mal.
Die beiden weiblichen Jaridian baten um Kontakt, und wir formten einen warmen festen Kreis mit ihnen, um auch von ihnen Abschied zu nehmen - spürend, wie zwiespältig wir alle das erlebten ... die beiden Wachhabenden empfanden Traurigkeit, weil sie, neugierig auf uns geworden, uns am liebsten da behalten hätten, weil sie so vieles noch wissen wollten von uns und weil die Jüngere der beiden im Moment eigentlich keinen sehnlicheren Wunsch hatte, als sich um Nichtflügge zu kümmern, für die wir gesungen hatten ... auf der anderen Seite wußten sie, daß wir ihre Welt verlassen mußten und auf unsere zurückkehren , damit all das, was unsere Völker in Zukunft gemeinsam zu bewältigen hatten, überhaupt gelingen konnte ...
In uns war Trauer aus mehreren Gründen - weil wir nicht länger bleiben konnten, um für die Ihren zu singen, jetzt, wo so viele plötzlich entschlossen waren, das von uns anzunehmen - wir konnten nur hoffen, daß die Hilfen, die hier zur Verfügung standen, für alle ausreichten, um die Zeit zu überbrücken, bis unsere ganze Welt für sie da sein konnte ... und weil es sich anfühlte, als ob wir Jaridia wohl nicht wiedersehen würden ... weil wir nicht wußten, ob wir die beiden Wachen hier oder die Führenden, den Heiler und seine zukünftige Gefährtin oder Trevak je wiedersehen würden ...
Und das andere, das sich in uns regte, war zu gleichen Teilen unbändige Freude auf die Unseren und die, die uns trug, und dieses unbenennbare Gefühl gegenüber all dem Neuen, das es zu bewältigen galt - ein Gemisch aus Hoffnung, Neugier, alles geben zu wollen, daß es gelinge und der Angst, zu scheitern ... wobei die Hoffnung überwog ...
Die Ältere der Höhlenwachen löste sich schließlich aus der Berührung und konsultierte ihr aufklappbares Gerät. „Einheit Siebzehn und eine halbe”, ließ sie uns wissen. „Ihr müßt gehen ...”

Auf dem Weg nach oben nahmen mich die Meinen erneut in festen Halt, und dieses Mal blieben wir nirgendwo stehen.
Wir benutzten ein letztes Mal den beweglichen Raum.
Wir durchquerten ein letztes Mal die weite Eingangshalle.
Wir verabschiedeten uns von den Innenwachen und verließen das Gebäude, das das Hauptkommando des Imperiums beherbergte, ein letztes Mal durch den riesigen Ausgang.

Die beiden Außenwachen, die merkwürdig angespannt wirkten, schauten uns halb freundlich, halb sehr skeptisch an, als wir den obersten der steinernen Absätze betraten. Der Jüngere der beiden ergriff meinen rechten Flügel und deutete mit einer Hand, in der seine aktivierte innere Energie glomm, hinaus auf den Platz.
Der einen unglaublichen Anblick bot.

In der Dämmerung, die der bald anbrechenden Dunkelphase vorausging, glommen Tausende riesiger gelber Augenpaare, und eine beständige tiefe Vibration pulsierte in dem Stein, auf dem wir standen ...
Sechsgliedrige.
Eine unvorstellbare Anzahl Sechsgliedriger.
Die nichts taten, außer da zu hocken und auf das Gebäude zu starren, das wir gerade verlassen hatten ...
„Sie sind vor einer halben Einheit gekommen”, meinte der jüngere Wachhabende. „Sie haben keine fünf Untereinheiten gebraucht, um den Platz zu füllen ... wir haben alles versucht, sie zu vertreiben, wir hatten sogar Verstärkung hier - es hat überhaupt nichts bewirkt ... wenn wir nicht wüßten, daß diese Geschöpfe nicht einen Funken Verstand haben, hätten wir vermuten können, sie warten auf Euch ...”
Über den Kontakt, in dem jetzt auch die andere Wache spürbar war, fühlten wir, wie unheimlich den beiden die Situation war - diese Wesen hatten zwar nicht den leisesten Versuch unternommen, ihnen nahe zu kommen oder gar in das Gebäude einzudringen, aber sie waren immer mehr und mehr geworden, sie hatten sich weder durch den üblichen noch vielfach stärkeren Lärm, Waffenschwenken oder in die Luft abgegebene Energieentladungen verjagen lassen und diese Vibration, die von ihnen ausging, verstärkte sich ständig ...
... so wie gerade jetzt, als die Intensität dieses - Gesangs, erkannten wir plötzlich, diese Wesen sangen mit ihren Membran-Organen - sich plötzlich verdoppelte, und jetzt kam auch Bewegung in die erste Reihe - aus den dicht an dicht verschlungen miteinander da hockenden Sechsgliedrigen lösten sich drei heraus, die einander mit den mittleren Gliedmaßen hielten und gleichzeitig mit einem ihrer seltsamen Sprünge auf dem untersten der Absätze landeten, die zu uns hinauf führten. Auf der Brust des mittleren Wesens brach sich das blaßfarbene letzte Licht dieser Hellphase in etwas Glitzerndem - so, wie bei unzähligen anderen auf dem Platz auch - in einem kristallenen Anhänger ...
Die drei Sechsgliedrigen sprangen auf die nächste Stufe.
„Verschwindet! Weg mit Euch, Ihr habt hier nichts zu suchen!” Der ranghöhere Wachhabende stampfte mit einem Fuß auf und hob beide Hände, bereit, über die Köpfe der drei hinweg eine Energieladung abzugeben.
„Nein, warte ...” Der aus den Tiefenschlang die biegsame Spitze seiner rechten Flosse um das linke Handgelenk des Jaridian. Er hatte die Zwischenlider offen.
„Sie sind tatsächlich unseretwegen hier ... sie ... sie wollen uns etwas singen ...”
Die drei standen da und schauten uns an.
Wir vier schauten zurück, die Jaridian über sie hinweg.
Selbst auf diese Entfernung - fünf steinerne Absätze trennten uns noch von ihnen, war spürbar, daß etwas anders war - anders, als es je gewesen war ...
Diese riesigen gelben Augen ...
Ohne daß mir wirklich bewußt war, was ich tat, löste ich mich behutsam aus dem Kontakt, ging den dreien entgegen und hockte mich auf dem Absatz, auf dem sie standen, vor sie hin.
Das Sechsgliedrige mit dem Kristall war das, dem ich damals als erstem begegnet war hier.
Es schaute mich an.
Alle drei schauten mich an.
Und ich schaute zurück.
Umflutet von Gelb ...
In dem kein Hunger, kein Brauchen mehr war ...
In diese Augen zu schauen, war einfach nur wohltuend.
Angenehm ... so angenehm ...
Erneut kam Bewegung in die erste Reihe dieser Wesen, und drei weitere Dreiergruppen hüpften neben uns bis auf den zweiten Absatz - und schauten nach oben, wo die Meinen und die Jaridian standen und fasziniert verfolgten, was geschah.
Die Sechsgliedrigen neben den dreien, die mich - gerufen zu haben schienen, begannen, das Gelb in ihren Augen pulsieren zu lassen - und dann setzten sich auch die Gesangshütenden des Wasser- und des Erdvolkes und der auf dem Weg langsam in Bewegung, kamen zu uns herunter und hockten sich vor je eine der Gruppen.
Das Sechsgliedrige mit dem Kristall unmittelbar vor mir zog meine Aufmerksamkeit wieder auf sich, indem es, ganz sanft, mein Gesicht mit der Zunge berührte. Ich wandte mich ihm ganz zu und streckte ihm die Flügelhände zum Kontakt hin.
Und es ließ die beiden anderen mit den mittleren Gliedmaßen los - dafür schlangen die drei jetzt die biegsamen krallenbewehrten Zehen ihrer das jeweils andere berührenden unteren umeinander - und ergriff sie.
„Angenehm ...” war in mir und um mich, dann ein deutliches Bild der Meereswelt, gefolgt von dem einer Dindaei. Dann der eher unscharfe Eindruck von etwas Großem, Atmendem, Warmem, in dessen Innerem der Meeresplanet aufschien, über den eine lange, dünne schwarze Zunge strich.
„Angenehm ... so viele ... angenehm ...”
Es fühlte sich so gut an ... Die Bilderfolge wiederholte sich, und mit einem Mal hatte ich verstanden.
Das hier - war offenbar die Art dieser Geschöpfe, sich zu bedanken ...
Mir wurde bewußt, daß ich längst mit den vertikalen Stimmbändern und den Resonanzsehnen in den tieffrequenten, in weichen, dunklen Braun-, Schwarz- und Rottönen schwingenden Gesang der Sechsgliedrigen eingestimmt hatte, was für diese zum ‚Angenehm’ offenbar noch beitrug ...
Und dann nahm das Wesen, mit dem ich in Kontakt war, meine rechte Flügelhand etwas fester und zog sanft daran, führte sie zu dem Geschöpf links neben sich, legte sie auf dessen Unterbauch und hielt sie dort.
Sehr überrascht fühlte ich warme, glatte schwarze Haut, noch mehr ‚angenehm’ und - fünf winzige Bewußtseinsfunken, die kaum etwas wahrnahmen außer des Angenehmen, in dem sie von den Schwingungen des Membranorgans derer, die sie trug, gewiegt wurden ...
„Viele ...” ließ mich die Tragende wissen, verbunden mit dem Eindruck der Meereswelt, durchscheinend und durchwoben von Gelb. „Viele viele ... angenehm ...”
Ich hatte instinktiv die Tiefensinne geöffnet und bat, sie auf diese Weise anschauen zu dürfen, um all dies hier wirklich verstehen zu können. Sie zeigte mir als Antwort darauf das Bild, das mich auch das mittlere hatte sehen lassen - etwas Großes, Warmes, Atmendes, das den Meeresplaneten in sich hatte, nach dem ein Sechsgliedriges mit der Zunge tastete - das war die Erinnerung dieser Wesen an mich, begriff ich, und signalisierte in diesem Fall ihre Zustimmung ...
Sehr behutsam konzentrierte ich mich auf ihr Innerstes.
„Viele viele ... angenehm ...” ließ sie mich erneut wissen.
Sie trug fünf Neugewobene ... viele ... mit dem, worin sie sie trug, erinnerte sie sich an ... eines ... an zwei ... an wieder eines ...
Die fünf waren eingehüllt in ihre Wärme - und in die Schwingung des Meeresplaneten ...
Ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich verstand, was hier geschah, aber in mir war nur Freude - Freude und Dankbarkeit ...

Plötzlich war eine neue Vibration da, braun und rot, orange und hellgelb, letzteres mehr und mehr verblassend, je näher der vertraue, eindringliche Klang kam - der Klang eines Antriebs.
Das Shuttle war da, senkte sich, geschickt die Thermik über dem Platz nutzend, langsam zwischen die Gebäude ...
Das Sechsgliedrige, das meine Flügelhände hielt, löste sanft meine rechte vom Leib der Tragenden, hielt einmal mehr meinen Blick fest mit pulsierendem Gelb, hüllte mich intensiv in ‚angenehm’, darin unterstützt von den beiden, die es flankierten, und ließ mich schließlich los.
Alle drei wandten sich, dabei ihre Zehen entflechtend und einander wieder mit den Mittleren umschlingend, gleichzeitig von mir ab und waren mit drei Sprüngen in der Menge der Ihren untergetaucht, die sich auf eine merkwürdig planvoll wirkende Weise teilte, um dem Shuttle Raum zu geben, das vor den steinernen Absätzen auf der Stelle schwebte, etwa so hoch über dem Boden wie das Zwischenholz eines noch sehr jungen Ph'taal.
Einen Augenblick später hatten die Sechsgliedrigen eine Fläche frei gegeben, auf der das Shuttle bequem landen konnte, was es mit großem Geschick und äußerster Vorsicht bewerkstelligte. Wir vier gingen in Kontakt, während es sich öffnete.
Die aus dem Dunklen, der Wasser-Gesangshüter und der auf dem Weg hatten mit ‚ihren’ Sechsgliedrigen das Gleiche erlebt wie ich mit ‚meinen’ dreien - und waren genau so bewegt davon ...
Aus dem Shuttle stieg ein einzelner Jaridian, eilte auf uns zu und war mit in der Berührung - der Navigator des Kreuzers, der sich heiß anfühlte, wie wir ihn in Erinnerung hatten, sich sehr freute, wieder mit uns zu tun zu haben, etwas unklare erwartungsvolle Gedanken hegte, die offenbar mit mir zu tun hatten und uns bat, unser Abschiednehmen von den Führenden, die jeden Moment hier auftauchen würden, nicht zu sehr auszudehnen - in einer Einheit habe er den Kreuzer zu starten ...
Wir ließen ihn fühlen, was in uns war - Freude über ihn, über die Sechsgliedrigen, Aufregung und Traurigsein, lösten uns dann sanft aus der Berührung und stiegen die Absätze hinauf zu den Außenwachen, um uns auch von ihnen zu verabschieden. Ich ließ beiden noch einmal die Erinnerung an die Begebenheit im Archiv zufließen, den Eindruck meiner selbst hoch oben in dem Regal, und grün-goldene Wellen der Belustigung durchfluteten uns alle ...

Irgendwann öffnete sich der Gebäudeausgang, und die beiden Außenwachen hatten es plötzlich eilig, uns loszulassen und einige Schritte zurückzuweichen - der Erste betrat den Absatz, auf dem wir uns befanden, gefolgt von seiner Stellvertretenden und deren Gefährten, dem Verwalter, dem Heiler und der ihm Untergeordneten mit der tiefen Stimme.
Die drei Führenden und der Heiler hielten je einen kleinen Gegenstand in den Händen und stellten sich damit uns gegenüber - der Erste vor den aus den Feuern, die Zweite vor die aus dem Dunklen, der Heiler vor den Wasser-Gesangshüter und der Verwalter vor mich. Trevak postierte sich neben den Ersten, die Heilerin so, daß sie den ihr Übergeordneten anschauen konnte, und sämtliche Jaridian strahlten uns an.
Der Erste hob das kleine Objekt, das er hielt, hoch - es war ein Datenkristall, erkannte ich im schwindenden Licht um uns - und überreichte ihn dem aus den Feuern, der ihn entgegennahm.
„Jaridia dankt Euch”, wandte sich der Anführer an uns alle. „Was Ihr für uns getan habt und noch tun werdet, ist jenseits aller Worte, und Euren Verdiensten um uns alle wird keine der Auszeichnungen, die wir zu vergeben haben, wirklich gerecht. Es ist uns Ehre, Euch zu Verbündeten zu haben - auf daß wir die Ziele erreichen, die wir gemeinsam gefunden haben ...”
Die Bewegung, die jetzt spürbar war in ihm, ließ seine Stimme versagen, und mit dem seltsamsten Gesichtsausdruck, den ich je an ihm bemerkt hatte, vollführte er, an die Seinen gewandt, eine Geste, woraufhin diese, die sich zuvor auf ihn konzentriert hatten, sich uns zuwandten und uns ihrerseits die mitgebrachten Datenkristalle in die Hände/Flossenspitzen/Flügelhände gaben.
Ich blickte in die Augen des Verwalters und sah Begeisterung und Erschöpfung darin; ich fühlte zu ihm hin und spürte genau das und sonst nichts mehr, keinen Zorn, keine Angst, nur die Hingabe für die Seinen - und ich konnte nicht anders, als den Schritt, den wir entfernt standen, auf ihn zu zu gehen, ihn zwischen die Flügel zu nehmen und an mich zu ziehen ... und er schlang die Arme um mich und hielt mich fest, als wolle er meinen Abflug von seiner Welt doch noch verhindern ...
„Das würde ich auch gern”, ließ er mich wissen. „Wir alle hätten Euch gerne weiterhin hier, aber wir wissen, daß das nicht geht - daß Ihr zurückkehren müßt, um gemeinsam mit den Unseren auf Eurer Welt die Dinge in die Wege zu leiten ...”
Funkelndes Weiß mit Gold darin war mit in der Berührung - die Zweite, die uns beide einband in den Kreis, den die Übrigen inzwischen formten.
Einen warmen, festen Kontaktkreis - zum letzten Mal ...
Und Grün, Braun und Spuren leuchtenden Gelbs waren um uns, und Jaridia selbst war mit in dieser Berührung ...
Wiedersehen würden wir, die hier die Ihren hatten unterstützen dürfen, Wege zu finden, sich und ihre Feinde zu erhalten und vielleicht sogar Frieden zu finden mit ihnen, weder sie noch diejenigen derer, die sie trug, die jetzt mit im Kreis waren.
Wir hatten den Weg für das Ganze auf unserer Welt weiter zu gehen ...
Aber wir würden in Kontakt bleiben mit ihr, so lange sie dazu imstande war - so, wie wir von ihr aus die, die uns Heimat war, im Ganzen gespürt hatten, so würden wir sie fühlen können, wären wir zu Hause an einem der heiligen Orte - die, die Leben tragen, wissen umeinander ...
Und sobald die entsprechenden Kommunikationsanlagen errichtet waren bei uns, würden wir in die Angelegenheiten des Imperiums eingebunden sein wie jede andere Kolonie auch ...
Unsere Völker waren jetzt verbunden miteinander, so lange sie existieren würden, und das fühlte sich - einfach nur gut an.
Eine sehr heiße Berührung mit ultrahochfrequenten Anteilen über tiefem Grün, in dem es weiß-violett glomm, war plötzlich spürbar - der Navigator, der zwischendurch in dem wartenden Shuttle verschwunden war und sich jetzt mit im Kontakt befand.
„Es tut mir leid, aber es ist Zeit ... Wir müssen starten ...”
Die leuchtende Regenbogenflamme, die wir waren, glitt sanft auseinander, löste sich auf in die einzelnen Lichter, die sie geformt hatten.
Einem Impuls folgend, legte ich die Flügelhände vor der Brust zusammen und verneigte mich tief - vor den Jaridian und ihrer uralten Welt ebenso wie vor deren Ureinwohnern und vor allem Neuen, das kommen würde.
Und vor dem Ganze, dessen winziger Teil ich war, auf dem Weg dafür ...
Und die Meinen und die Jaridian vollzogen die Geste mit.

Und dann waren wir auf dem Weg zum Shuttle, in ‚Angenehm’ und strahlendes Gelb gehüllt von all den Sechsgliedrigen, von denen ich wußte, sie würden den Platz nicht verlassen, bevor wir gestartet und außer Sicht waren ...
Zwei Jaridian, die ich nicht kannte und die beide glühten vor Hitze, nahmen uns in Empfang, verstauten unsere Bündel und halfen uns in die Sitze und Gurte beziehungsweise in das an einer der Wände befestigte Wasserbehältnis. Der Navigator nahm seinen Platz an der Steuerkonsole ein, verschloß per Tastendruck den Eingang, wartete, bis die beiden anderen sich gesichert hatten, schaltete den Antrieb ein, wandte sich zu mir um und warf mir einen langen, nicht deutbaren Blick zu.
Und dann waren wir in der Luft.
Meine Faszination für diese Art des Fliegens war ungebrochen, das spürte ich schon daran, daß ich wieder jede Bewegung dieses Flugwesens, das keines war, mitvollzog - und nicht nur das, wurde mir klar, sondern voraus wußte und bereits andeutete, bevor es selbst sie ausführte ... das hier war pures Vergnügen ... es war anders, als ich es in Erinnerung hatte, und es war wunderbar ...
Der Navigator leitete, hoch über den Gebäuden, wie wir inzwischen waren, ein Aufstiegs- und Beschleunigungsmanöver ein, von dem ich wußte, daß es am besten gelang, wenn man es in einer gleichmäßigen Spirale ...
Er strahlte mich an, signalisierte Belustigung, als er sah, welche Muskeln ich bereits angespannt hatte - und erst dann wurde mir klar, was anders war als bei meinen bisherigen Erfahrungen mit Shuttle-Flügen.
Nicht ich mußte ganz Aufmerksamkeit sein, um den Rhythmus des Fluges zu erfassen und mich darauf einzustellen.
Dieses Shuttle flog - wie ich ...
Wie jemand vom Volk, das der Wind trug ...
In mir waren Staunen und Freude ... Ich fühlte zu den anderen hin, die zwar mit dem Besonderen, das ich hier fühlte, nicht so viel anfangen konnten, sich aber wohlfühlten und für mich freuten ...
Und als wir schließlich schwerelos schwebten außerhalb der Atmosphäre Jaridias, löste sich der Navigator aus seinen Gurten, war mit einer fließenden Bewegung bei mir und nahm meine Flügelhände.
„Und? Was denkst Du?”
Ich ließ ihm meine Begeisterung zufließen. „Das ist einfach wunderbar ...”
„Ich habe nie vergessen, was wir beide geteilt haben miteinander - das hat sich so gut angefühlt ... und ich wußte, ich wollte irgendwann fliegen können, so, wie Du es kannst, und wenn es nicht mit meiner eigenen Physis gelingt ...”
Er hatte begonnen, in jeder freien Minute das, was er von mir über das Fliegen erfahren hatte, umzusetzen in Shuttle-Manövrieranweisungen, und hatte festgestellt, daß das ausgezeichnet funktionierte - und daß es den Flug nicht nur angenehmer machte, sondern erheblich weniger Treibstoff verbrauchte und nach den Berechnungen, die er aufgestellt hatte, auch das, woraus Shuttles bestanden, auf die Dauer länger halten ließ ...
Er überschüttete mich begeistert mit einer Flut technologischer Einzelheiten, zwischen denen immer wieder Bilder unseres geteilten Fluges, verbunden mit seinem intensiven physischen Erleben des selben, aufschienen.
„Ich habe dem Ersten einen Bericht darüber vorgelegt”, ließ er mich wissen, „und dieser war sofort überzeugt von dem, was ich gefunden habe ... Ich habe als Auszeichnung dafür den Auftrag bekommen, zusätzlich zu meinen Aufgaben im Zusammenhang mit dem Aufbau unseres Raumhafens bei Euch das Flugverhalten Deines Volkes genau zu erkunden, um die bereits gewonnenen Kenntnisse auszuweiten und ...”
Ein orangefarbener Alarm wurde hörbar. Der Navigator schaute mich an, ließ meine Flügelhände los und schloß mich kurz so fest in die Arme, wie es die Schwerelosigkeit erlaubte, dann war er wieder an der Steuerung.
„Wir bremsen”, ließ er uns alle wissen, und dann zwang uns der entsprechende Andruck tief in die Sitze ...

Eine Zeit später hatten wir den Kreuzer erreicht und unser ehemaliges Quartier, das aufgrund der vielen Fracht, die auf diesem Flug transportiert wurde, noch einmal um die Hälfte kleiner geworden war als damals schon durch die Aufnahme der Zhawi, und die Heilerin mit der hellen Stimme hatte uns begrüßt, gescannt, beim Verstauen der Bündel und beim Sichern in Wasser- und Beschleunigungsbehältnissen geholfen.
Das tiefe Schwarzbraun, Braun und Rot der Trägerwelle des Antriebs umwob mich, und ich sang mit, während das mächtige Schiff die Raumstation verließ und zu beschleunigen begann. Der zusätzliche Sauerstoff machte es leicht, als auch Orange und Gelb dazu kamen ...
Ich fühlte die unbändige Kraft unter mir, jetzt vielfarbig pulsierend und immer noch zunehmend ...
Die Kraft, die uns nach Hause brachte.
Wir waren unterwegs.

 

Ende von Kapitel 55

 

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