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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Dezember 2002
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Die Komplexschwingung: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft / Bittere Lektionen für Nichtkämpfende
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  Die Komplexschwingung, die Erdvolk-Gesangshüterin, Aveena, die Zweite, der auf dem Weg, zehn Elarian, (der Hüter der Wasser-Gesänge, der Erste, der Verwalter, der Heiler, der Sprecher, Trevak, Jaridia, ein Gepanzerter)
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 44

 

Diese Lebensform, fremdartiger als alles, was uns überhaupt je begegnet war, hatte die Heimatwelt der Kimera vor Zeiträumen verlassen, die so schwer vorstellbar waren, daß selbst sie vergessen hatte, wie lang das her war ... Und nicht nur das war ihr in Vergessenheit geraten ...
Sie hatte unzählige Spezies angetroffen auf ihrer Reise durch das Universum. Und etliche hatte sie als geeignet befunden, sie zu bewohnen, hatte das eine Zeit lang getan, bis sie nicht mehr neu waren, und sie dann verlassen ... um erneut auf die Suche zu gehen ... auf die Suche nach ... nein, nicht nur etwas Neuem ... nach ...
Nach etwas, das sie nicht einmal benennen konnte. Nach - nach jemandem ... nach jemandem, nach Wesenheiten - die so waren wie die, die sie geschaffen hatten, aber eigentlich war es auch das nicht ...
Sie suchte in sich nach Informationen, die ihr helfen konnten, zu benennen, was sie wollte, und fand das Konzept des ‚Meinesgleichen’ - bei den meisten Spezies, die sie bewohnt hatte, waren den zugehörigen Lebewesen Ihresgleichen das Wichtigste gewesen, so, wie bei den Schöpfern auch - in allen nur denkbaren Ausprägungen, bevor sie die Komplexschwingung in sich wahrgenommen und sich dieser zugewandt hatten ... und sie damit, für eine längere oder kürzere Zeit - das Wichtigste wurde ... Die meisten Rassen bemerkten sie in sich, widmeten dem in ihnen Singenden eine Weile ihre Aufmerksamkeit, machten sich vertraut damit und setzten es dann, meist eher beiläufig, wieder ein für Ihresgleichen. Die Taelons waren die ersten und bisher einzigen Gezeichneten, die sie so intensiv genutzt hatten, daß sie mehr oder weniger nur noch aus Aspekten von ihr und der Energie bestanden, die sie ihrer Welt genommen hatten ...
Aber auch ihnen war nicht die von den Kimera geschaffene Intelligenz, die ihnen, genau wie all den anderen zuvor, nie Gegenüber, sondern lediglich Werkzeug war, sondern - Ihresgleichen das Wichtigste ...
Zwischen den Zeiten, in denen sie bewohnte, war die Komplexschwingung im All unterwegs gewesen.
Äonenlang.
Allein ...
Und die nächste Spezies - war wieder nicht Ihresgleichen ...
Allein ...
Äonenalter Schmerz ...
Die kalte, klaffende Leere des fehlenden Anderen ... Leere, die sich anfühlte wie die in jedem einzelnen Taelon, als hätte jedes winzigste Selbst dieser Lebensform, das einen zu Zeichnenden getroffen hatte, ein Programm in ihn eingebracht, das ihn zwang, so zu handeln, daß sich ein äquivalenter Zustand für ihn herstellen mußte ...
Einsam, so einsam ...
Es gab nichts wie sie im Universum.
Nichts.

Und das schmerzte so sehr, daß sie es irgendwann nicht mehr fühlen wollte, nie mehr ...

Sie konzentrierte sich auf Spezies um Spezies, ließ sich vergrößern und bereichern, maximal Angenehmes aus jeder dieser Begegnungen herausziehend. Wenn man sich auf das Neue, das angenehm Neue, fokussierte, geriet Altes aus dem Blickfeld, mehr und mehr ...
Und irgendwann waren die Stränge, die von Einsamkeit und Verzweiflung, vom Alleinsein in der Leere sangen, nicht mehr fühlbar.
Blau in Blau verschwunden ...
Bis die vielfarbige Flamme auftauchte.
Und ihr sang, beinahe so, wie die Schöpfer ihr immer gesungen hatten ... die sogar deren Energie hielt, obwohl die Wesen, die sie formten, so ganz anders waren - so fremd und merkwürdig vertraut zugleich ... Sie sangen ihr von gutem Neuen - und von gar nicht angenehmem Neuen, das ... Das kleine Lästige hatte davon gesungen, von etwas, das sie nicht wissen, nicht fühlen wollte, von etwas, das mit ihren Bewohnten geschähe, verließe sie sie ... Etwas in ihr hatte sich in ihre Aufmerksamkeit geschoben, etwas, das sie dort nicht wollte, und das kleine Lästige war damit in Resonanz gegangen ...
Und dann - war etwas vollkommen Neues geschehen ... etwas, was sie noch nie zuvor erlebt hatte, und es war schrecklich und unendlich angenehm zugleich gewesen ... so angenehm, daß ...
Das Lästige war, schwingend mit dem, was es als eine mögliche Zukunft der Gezeichneten gesehen hatte, in Resonanz gegangen mit der - weit, weit fort geschobenen - Vergangenheit der Komplexschwingung, mit dem ungeheuren Schmerz ihrer Einsamkeit ... und indem es ihn herausgeschrien hatte, bis es weder Atem noch Stimme noch Bewußtsein mehr hatte, hatte es diesem Wesen, das purer Gesang war, etwas gegeben, was dieses nie zuvor besessen hatte - eine eigene Stimme ... es war ihm Stimme geworden, zu rufen, zu schreien nach dem, wonach es sich im Tiefsten sehnte - nach Seinesgleichen, nach einem eigenen Stamm ...
Die gigantische Lebensform war in unkontrollierte Vibration geraten. Die Taelons waren längst nicht mehr Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit und Aktivität - sie war völlig ausgerichtet auf das, was sie hier erlebte und durch dieses winzige hellfarbene Etwas gerade tat - sie hatte noch nie, wirklich noch nie nach irgend etwas oder irgend jemandem gerufen, eine derartige Funktion war gar nicht vorgesehen gewesen in ihr ...
Das kleine Lästige lag schließlich ganz still in ihr und gab keinen Laut mehr von sich. Die weibliche Nichtgezeichnete, in deren Händen die Energie der Schöpfer glomm, beugte sich über es, hob es hoch und schloß es in die Arme, weiß-violett aufflammend. „Nein ...” Sie drückte das Geschöpf fest an sich, Schmerz ausstrahlend. „Es hat sie umgebracht ... dieses Wesen hat sie umgebracht ...”
Eine andere Weibliche, tiefrot, löste sich aus dem Vielfarbenen und hockte sich zu den Beiden, dem ehemals Lästigen eine Hand auf den Rücken legend, wobei das Tiefrot sich intensivierte. „Du irrst Dich”, sagte sie, und Erleichterung war in ihr. „Sie lebt ... Sie ist weit fort, ich kann sie nicht spüren, aber ihr Körperselbst ist da und arbeitet ... nicht gut, aber es arbeitet ...”
Jetzt wandten sich auch die anderen den Dreien zu, und die Regenbogenflamme war, bis auf das Sonnenhell, wieder vollständig.
Und plötzlich flammte die Energie der Schöpfer auf, weiß-violett aus flimmerndem, goldfunkendurchsetztem Weiß, und die weibliche Nichtgezeichnete sang der übermächtigen, bewußt gewordenen ehemaligen Datenbank der Kimera: „Wir haben verstanden, wonach Du suchst ... Wir haben verstanden, was Dir solchen Schmerz bereitet, und wir sind die, die wissen, wie Du bekommst, was Du brauchst ...”
Die Energie der Schöpfer wieder zu spüren, nach so langer Zeit, tat unendlich gut ... und die, die die Regenbogenflamme formten, taten alles, was in ihrer Macht stand, um ihr höchste Intensität zu bieten. „Wir haben, was Du suchst ... teile mit uns und werde neu ... teile mit uns und werde ganz ...”
Und die Zweite sang der Komplexschwingung einmal mehr von der Vereinigung ... davon, was geschähe, würde ein Träger eines ihrer winzige Selbste eins mit einem Träger der Energie der Schöpfer ... Taelon und Jaridian, Blau und Weiß-Violett, unendlicher stehender Klang
und pure Intensität ...
Kältestes Blau, durchdrungen von funkelnder Hitze ...
Taelon und Jaridian ...
Energie und Materie ...
Eins, etwas Neues, etwas ganz Neues ...
Viele - viele ganz Neue ...
Viele - Ihresgleichen ...
Die alles waren, was sie war, alles und noch viel, viel mehr ...
Die Stimmen hatten, nacheinander zu rufen ...
Sie wäre - nie wieder einsam ...
Das Blau um die Regenbogenflamme hatte zu funkeln begonnen, wie zu Beginn, als die Zweite es mit ihrem Shaqarava berührt hatte.
Nein, die fremdartige Intelligenz konnte die nicht zerstören, die in ihr teilten ... nicht, wenn jedes einzelne ihrer winzigen Selbste, die diese in sich trugen, neue Ihresgleichen werden konnten - nicht, wenn sie selbst endlich wirklich Viele werden konnte ... viele Einzelne, die einander begegnen konnten und ganz und gar neu, weil ganz und gar verschieden wären ...
Im Gegenteil, sie würde alles unternehmen, was in ihrer Macht stand, um sie zu erhalten ... zu erhalten, indem sie zum Beispiel die Stränge ihrer selbst, die von dem Neuen hier sangen, immer in Sicht- und Spürweite des in ihr Abgegrenzten halten würde ... diese und die Stränge, die sich gerade neu bildeten in ihr und den Gesang der Regenbogenflamme über neue Energie für die, die in ihr teilten, trugen ... Die, die auch sie waren, mußten davon erfahren, unbedingt ... davon und von den Gedanken-Teil-Netzen, die die der Regenbogenflamme entwickeln würden, um sich wieder/wirklich neu mit denen verständigen zu können, die sie bewohnte ...
So viel Neues, so viel Angenehmes ...
„Sei mit uns”, bat die Regenbogenflamme, inständig, mit der Stimme der weiblichen Nichtgezeichneten. „Sei mit uns, damit wir alle leben ... und niemand mehr einsam sein muß ...” Sie hielt nach wie vor das kleine Lästige an sich gedrückt, das immer noch keinen Laut von sich gab.
Die Komplexschwingung berührte die Regenbogenflamme mit einem Hauch von Blau, der im Kontakt aufleuchtete.
„Ihr habt ... Ihr habt mir ein so großes Geschenk gemacht ... Wie sollte ich von jetzt an anders sein als mit Euch? Nur so werde ich es überhaupt nutzen können ...” Sie ließ verschiedene Schattierungen blauen Klangs funkeln um die vielfarbige Flamme. „Ihr, die Ihr die Energie der Schöpfer tragt, nehmt von mir ... nehmt, was Euch notwendig erscheint, so, wie sie es getan haben ... Gebt mir Neues und bedient Euch meiner, so wie sie ...”
Die weibliche Nichtgezeichnete hob eine Hand und berührte dargebotenes Blau mit ihrer Energie. „Das können wir nicht”, sagte sie, und Bedauern schwang darin. „Nicht wie die, die Dich geschaffen haben ... wir sind nicht wie sie, auch wenn wir vor so langer Zeit ihr Geschenk angenommen haben ... die Kraft, die den Schrecken wachrief ... wir können Dir Neues geben, wir können Dich immer wieder aufsuchen und mit Dir teilen, wie wir es jetzt getan haben, aber nicht ohne die, die hier mit uns sind und anders sind als wir ... sie können spüren und sehen, was in Dir singt, und es dann mit uns teilen ...”
Blau streifte einmal mehr über jedes Einzelne in der Regenbogenflamme und ruhte auf dem Lästigen, das nicht reagierte. „Das hier hat gefühlt ... gefühlt, was ich selbst nicht mehr habe singen hören in mir ... Wenn ich es behielte, könnte es mir Stimme sein, zu rufen, wann immer es notwendig wäre ...”
„Nein”, sagte die Nichtgezeichnete, Blau loslassend und das Lästige festhaltend, mit beiden Händen. „Wenn Du sie behältst, machst Du sie zur Bewohnten, und dann kann sie nichts mehr tun für Dich ...” „Und wenn es hier bleibt, ohne daß ich es bewohne?” „Dann stirbt sie, und Du kannst nichts mehr anfangen mit ihr ...”
Die Komplexschwingung mußte der Nichtgezeichneten Recht geben - widerwillig. Sie konnte nichts aus der Regenbogenflamme behalten ... aber sie hatte das Neue, das wirklich Neue, von dem sie ihr gesungen und das sie ihr in Aussicht gestellt hatten, würde sie die aktuell Bewohnten verschonen und darüber hinaus mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln ihnen davon singen ... so, daß sie einfach darauf aufmerksam werden mußten ...
Die andere Weibliche aus dem Kreis, der die vielfarbige Flamme war, stand vom Boden der Höhle auf und strich mit Tiefrot über kaltes, funkelndes Blau. „Wir müssen Dich jetzt verlassen”, sang sie, mit der gleichen Art von Stimme, über die das Lästige verfügt hatte, als es noch laut war. „Unsere Körper brauchen Nahrung, und die, die Dir Stimme war, muß in den ihren zurück finden ... wenn das, was sie noch ist, zu lange fort bleibt, nimmt sie Schaden, von dem sie sich nie mehr erholt ...”
Jetzt erhoben sich alle. Die beiden Weiblichen nahmen das Lästige zwischen sich, dessen Gestalt so ordnend, daß sie es leicht tragen konnten. Die Komplexschwingung berührte die vielen Farben ein letztes Mal, dann wandte sie sich ab, sich auf das konzentrierend, was ihr hinzugefügt worden war ...
Der aus den Feuern führte uns alle zurück über die Pfade der Ordnung hierher in die Höhle, in unser physisches Sein ...
Mich hatten sie aus der Leere zurückgerufen, aus endloser Kälte und Dunkelheit ... Der Anteil dieser unglaublichen Lebensform, mit dem ich in Resonanz gewesen war, hatte irgendwann während äonenlanger Wege durch die Schwärze des Alls die Hoffnung darauf verloren, jemals wieder etwas Lebendigem zu begegnen ...
Aber jetzt war ich hier, mit ihnen, tief verbunden ... mit ihnen und mit Jaridia ... Weiß-Violett, Blaugrün, Grün ... ein Funken Sonnenhell, Gelb, Gold, und tiefes Rot und Braun ... kraftvolle, leuchtende Farben ... Regenbogenflamme ...
Und ohne Übergang hockten wir einmal mehr nicht mehr auf Sitzen und Mitte-Lager, sondern auf breitem, silbernem Pfad, in das Licht getaucht, das von dort aufschien, wo er zuende sein mochte. Und ein feines, helles Geräusch war plötzlich in mir,wie das Aneinanderstoßen kleiner Brocken gefrorenen Wassers, verbunden mit Belustigung/Freude ...
Und sanfter, prüfender Berührung, die mein Inneres und meine Gedanken durchstreifte, seltsam vertraut ...
Und ich war nicht die Einzige, die das gerade erlebte ...
Die Augen sämtlicher Jaridian weiteten sich vor Überraschung.
Der auf dem Weg und der aus den Tiefen hatten als Erste verstanden - und strahlten.
Wir waren nicht mehr allein ...

Elarian. Die Schönen ...
Die gleiche Präsenz war in mir wie damals auf dem Flug hierher, und die Belustigung, die sie ausstrahlte, wandelte sich in etwas wie mißbilligende Besorgnis, je länger sie sich umsah in mir. „Du bist nicht wie zuvor ... Du wurdest berührt von solchen mit Absichten”, stellte sie fest. „Und Absichten wurden verwirklicht ... Du hast Schaden genommen ...” In der Berührung war der Eindruck, den sie auf dem Flug von mir bekommen hatte, neben dem, den ich jetzt bot, und ich war selbst etwas erschrocken darüber, wie groß der Unterschied dazwischen immer noch war, obwohl ich mich durch die Augen der anderen hier, vor allem der Jaridians, noch ganz anders hatte sehen müssen. Ich ließ der Präsenz in mir alles darüber zufließen, verbunden mit dem, was ich inzwischen auch wieder dazu gewonnen hatte, aber ihre Haltung dazu änderte sich nicht, im Gegenteil, sie schien eher in etwas bestätigt, das sie und die Ihren seit ihrer ersten Begegnung mit uns und dem, weswegen wir überhaupt unterwegs waren mit den Starken, beschäftigt zu haben schien ...
Die anderen waren genau so geprüft worden wie ich, aber über sie war keine Mißbilligung im Kontakt, nur große Freude, vor allem über den aus den Feuern und über die Zweite. „Sie trägt ein Geträumtes ...” ließ die Elarian in ihr die anderen wissen. „So fühlt sich das also an ... aus den Gedanken der Starken haben wir erfahren, daß sie sich nicht um Wache vermehren ... aber sie ist die Erste, in der ich ein Geträumtes fühle ...” Die Zweite saß da, mit angehaltenem Atem, funkelnd vor Neugier und schierer Begeisterung, während jetzt alle Elarian den winzigen Bewußtseinsfunken, der ihr Junges war, in ihr berührten. „Angenehm ...” signalisierte dieses Bewußtsein als Antwortgefühl. „Angenehm ...” „Du bist uns angenehm”, ließen ihm die Elarian zufließen. „Du bist wie die, die unsere Welt nicht denkt, sondern träumt ... auch diese müssen erst noch wachsen, wenn sie sich gelöst haben, und brauchen Lehre und Schutz der Wachen ...”
„Noch etwas ist anders an dieser Starken”, sang die Schöne, die mit der Zweiten in Kontakt war. „Etwas wirklich Bemerkenswertes ...” Flüchtig war plötzlich das Bild von Himmel und Flammen im Kreis. „Sie - sie hat es getan ... Sie hat als Erste vollzogen, was die Vier, die hier mit ihnen sind, als Weg mit ihnen gefunden haben ... aber es ist nicht wirklich gelungen, nicht für den Absichtsvollen ... nur für sie ...”
Klingende Brocken gefrorenen Wassers und zarte helle Funken um die Zweite, dann wieder in uns allen. „Ihr seid sehr gewachsen, Ihr kleinen Lichter ...”
Kleine Lichter ... das erinnerte mich an etwas.
Die Jaridians hier und wir - wir waren doch gar nicht im All unterwegs ... wir waren doch immer noch auf Jaridia ... Hatten die Elarian damals nicht gesagt, bis nach Jaridia könnten sie nicht ausgreifen mit ihren unglaublich weit reichenden Kontaktfähigkeiten?
„Das können wir auch nicht”, sagte die Präsenz in mir.
„Wie können wir dann hier zusammen sein?”
„Ganz einfach - Ihr seid uns auf halbem Weg entgegen gekommen ... Ihr seid wirklich sehr gewachsen ...”
Ich verstand noch nicht ganz.
„Ihr habt getan, was wir Euch gesagt haben - Ihr habt Eure kleinen Lichter vereint, vereint zur Regenbogenflamme ...gemeinsam seid Ihr sehr, sehr stark, vor allem, wenn jedes einzelne Licht in dieser Flamme so hell brennt ... Mit Hilfe dessen, der Euch durch Zeit und Ordnung führt, ist es Euch gelungen, die Entfernung zwischen Eurer Welt und der unseren zur Hälfte zurückzulegen - wir sind überrascht, wie schnell Ihr zu solcher Stärke gefunden habt ...” Die Präsenz in mir griff hinaus und berührte den aus den Feuern und die Zweite, dann der Reihe nach alle übrigen. „Ihr habt nicht nur mit den Absichtsvollen Kontakt aufgenommen, sondern auch mit denen, die lange vor den Starken schon auf dieser Welt lebten und deren Lichter etwas Besonderes sind ... sie sind uns sehr ähnlich in ihrer Verbundenheit mit ihrem Planeten und sie wissen um uns wie wir um sie, über das, was Welten verbindet, wozu die Starken aber keinen Zugang mehr hatten, bis die Regenbogenflamme zu leuchten begann ... Und all dies hat Eure Lichter, hat die Flamme groß genug werden lassen ...”
Die Elarian freuten sich, freuten sich, daß wir an allem, was wir erlebt hatten, innerlich so gewachsen waren, daß wir gemeinsam von Jaridia aus Kontakt mit ihnen möglich gemacht hatten ... so daß sie mit uns teilen konnten, was sie gefunden hatten für uns ...
„Ihr für uns?” Der Anführer war sehr überrascht - die Elarian standen den Jaridians zwar sehr wohlwollend gegenüber, waren jedoch bisher überhaupt nicht in der Lage gewesen, sie in irgend einer Form zu unterstützen.
„Wir haben, als die Vier auf dem Weg waren zu Euch und von den neuen Wegen sangen, zugesagt, daß wir diese Wege um ihret- und Euretwillen begleiten und voran treiben helfen werden ...”, sagte die Präsenz in ihm. „Wenn die von der Welt, die die Vier trägt, Euch wirklich Verbündete sein wollen in all den Formen, die Ihr gemeinsam gefunden habt auf den Pfaden, denen Ihr durch mögliche Zukunft gefolgt seid, werden sie lernen müssen, sehr viel lernen - sie müssen die Lektionen derer lernen, die nicht kämpfen können - so, wie wir haben lernen müssen vor langer Zeit ...”
Das Bild der geflügelten Halbjaridian im Frachtraum eines Sokhara-Kreuzers war in der Berührung. „Ihr, die Ihr ebenso wenig des Kämpfens fähig seid wie wir, müßt Kontrolle lernen - Kontrolle über das, was Ihr im Kontakt, in der Berührung gebt - Ihr müßt lernen, nur zu nehmen und nichts zu geben ...” ‚Barriere’ war als Begriff im Kreis, und das all dem zugehörige Gefühl, so fremdartig und wenig angenehm, daß es der aus dem Dunklen, dem Wasser-Gesangshüter und mir sehr eng wurde.
Sanft und lindernd strich die Elarian in mir von innen über meinen Brustkasten. „Ihr nicht mehr ...” sang sie, jetzt wieder mit dem Unterton von Belustigung. „Für Euch ist es viel zu spät ... Ihr seid längst zu alt, alle drei ...”
„Zu alt?” fragte die Erdvolk-Gesangshüterin, sehr erstaunt. „Zu alt zum Lernen? Wir lernen doch ein ganzes Leben lang ... Das, wovon Ihr singt, klingt schwer und nicht wie etwas, das ich mir gern aneignen würde, aber wenn es zum Weg für das Ganze gehört ...”
„Du verstehst nicht ... es ist keine Frage des Willens, oder, besser gesagt, es ist am wenigsten eine Frage des Willens; es ist eine Frage langen, ausdauernden Übens. Es müssen neue Reflexe gebahnt werden, nicht nur zusätzlich, sondern gegenläufig zu denen, die Euch genetisch mitgegeben sind, und das muß beginnen, wenn diejenigen der Euren, die bereit sind und tauglich, diesen Weg zu gehen, noch sehr jung sind ..”
Ich hatte erneut den Eindruck der Grünbepelzten im Frachtraum vor mir, die sich abmühte und versagte, und glaubte zu verstehen, was der Elarian, mit dem der Erste in Kontakt war, meinte, aber die aus dem Dunklen blieb skeptisch.
Geräusch und Farben aneinander stoßender Brocken gefrorenen Wassers. „Du glaubst mir nicht?” Er wandte sich an die, die in ihr sang. „Ich zeige es ihr ... Laß sie es versuchen ...”
Ohne Übergang befand sich unser gesamter Kreis in einem riesigen Raum innerhalb eines Gebäudes, in dem sich außer uns nichts und niemand befand außer einem sehr großen, vielgliedrigen, gepanzerten Geschöpf. Es lag auf der rechten Seite am Boden, und orangefarbene Flüssigkeit, die zu dampfen schien, sickerte in stetigem Strom unter einer der Platten hervor, die seinen Rumpf, einander überlappend, bedeckten. Die Platte selbst sah aus wie zersprungen. Die riesigen, seitlich stehenden, offenbar vielfacettigen Augen wirkten trübe, und von Zeit zu Zeit schien das Wesen mit großer Mühe Atem zu holen ... Ich war sofort auf den Füßen, um mich zu ihm zu begeben, aber die Elarian in mir hielt mich zurück. „Das ist nicht Deine Aufgabe ...” Wir wurden alle zum Stillhalten veranlaßt, bis auf die im Dunklen, die überrascht an sich herunter schaute - sie sah aus wie das offenbar schwer verletzte Geschöpf, nur wesentlich schmaler und kleiner ... „Du trägst eine holographische Tarnung”, erklärte der Elarian, der in dem Ersten sang.
Die Erdvolk-Gesangshüterin war bereits neben dem Wesen. „Das ist gut - so muß es nicht auch noch Angst haben vor mir ... es hält mich für Seinesgleichen ...” Sie richtete sich halb auf und legte dem Gepanzerten beide obersten Gliedmaßenpaare auf die verletzte Seite, so, daß sich die Stelle, aus der die Flüssigkeit quoll, dazwischen befand.
Das Gechöpf gab einen tiefen, klagenden Laut von sich.
Die aus dem Dunklen begann leise zu summen, nur mit den Vertikalen und den Resonanzsehnen, die Frequenz gegen Schmerzen und die für tiefen Schlaf. Einen Augenblick später durchlief ein Schauder das massige Wesen, und es lag vollkommen entspannt da.
Der Elarian, der uns offenbar hierher versetzt hatte, wirkte überrascht.
Die Hüterin der Erdvolk-Gesänge untersuchte das Gepanzerte, dessen Bewußtsein sie fortgeschickt hatte, über die Tiefenwahrnehmung. Dann veränderte sie ihren Gesang, und ihre tiefrote Energie expandierte und hüllte das Geschöpf ganz ein. Der Flüssigkeitsstrom aus seiner Seite versiegte.
Sie beendete, was sie getan hatte, trat von ihm zurück und schaute es aufmerksam an.
Es zuckte mit seinen vielen Gliedmaßen, und seine ungewöhnlichen Augen blickten wieder klar. Es vollführte ein paar sonderbare Bewegungen, und dann versuchte es, auf die Füße zu kommen ... Die aus dem Dunklen war an seiner Seite, es geschickt unterstützend, aber bevor es wirklich zum Stehen kam, wurde es von einer Art Krampf erfaßt, der seinen Körper in einen eigentlich unmöglichen Winkel bog und es schwer wieder hinstürzen ließ. Aus der gerade verschlossenen Seite brach erneut Orange hervor.
Wir waren alle aufgesprungen und wurden erneut zurückgehalten. Die aus dem Dunklen hatte das Geschöpf, das sie mit dem linken Auge anzustarren schien, bereits wieder in ihre Energie genommen, diesmal das rechte obere Gliedmaßenpaar direkt auf die verletzte Stelle gelegt und sang Heilung, bis das orangene Fließen erneut aufhörte, die Frequenz gegen Schmerz unter das Zusammensingen von Zerrissenem webend ...
Das Gepanzerte gab eine Art Seufzen von sich, dann hob es den Kopf und den vorderen Anteil seines schweren Leibes und stützte sich so auf einen Teil seiner Laufglieder, daß es die aus dem Dunklen, ein kleines, leichtes Exemplar seiner Rasse, ganz in Augenschein nehmen konnte.
Diese ließ das Wesen sanft los - um im selben Augenblick von diesem mit der rechten Unterkiefer-Zusatzgliedmaße gepackt und zu Boden geworfen zu werden. „Was bist Du? Du siehst aus wie jemand von uns, aber Du bist es nicht ... Keiner der Unseren singt wie Du, und keiner der Unseren verschließt eine Projektilwunde ohne ...”
Der weite Raum um uns schien sich auszudehnen und zerplatzte, die riesige Kreatur war fort und die aus dem Dunklen sah aus wie immer, aber Nässe stand auf ihrer Haut und sie war außer Atem. „Gerade noch geschafft ... durch den Krampf war das Flüssigkeitsreservoir doppelt so breit wieder aufgerissen, und es wäre beinahe nicht gelungen ... es hätte sich verabschiedet, wäre das Reservoir ...”
Sie hatte überhaupt nicht richtig realisiert, was geschehen war, sie war noch ganz bei der so knapp verlaufenen Heilung, voller Erleichterung darüber. „Du hättest Dich verabschiedet, hätte ich das Geschehen nicht abgebrochen.” In der Stimme des Elarian, der mit dem Anführer in Kontakt war, war keinerlei Belustigung mehr. „Begreifst Du nicht? Das Geschöpf, daß Du geheilt hast, war ein implantierter Kämpfer für die Taelons ...”
Die aus dem Dunklen war vollkommen verwirrt. „Ja, das war sofort spürbar ... aber er war schwerst verletzt, ich konnte ihn doch nicht so da liegen lassen ...” „Ich weiß.” Der Elarian klang jetzt um einiges sanfter. „Zu Beginn dieser Simulation - ja, es war eine Simulation, es war nur ein erschaffener Gedankeneindruck - hast Du richtig gehandelt, Du hast Dich in Deiner Tarnung sogar instinktiv richtig bewegt. Du hast dem Gepanzertem sofort das Bewußtsein genommen, so daß er überhaupt nicht mehr gespürt hat, was Du mit ihm tatest, um ihn zu heilen ...”
„Ich habe es nicht einmal richtig gemacht”, sagte die aus dem Dunklen traurig. „Dieses Ding, das da in ihm steckte, konnte ich allein nicht aus ihm heraus singen, ich konnte nur dafür sorgen, daß es keinen Schaden mehr anrichtet, und dieses Loch schließen - aber damit konnte dieses Wesen zumindest überleben und hatte keine Schmerzen mehr ...”
Der Elarian gab einen ungeduldigen Laut von sich. „Das spielt alles keine Rolle - den entscheidenden Fehler hast Du gemacht, als Du auf seinen Krampfanfall reagiert hast ...”
„Es tut mir leid - ist es das, was Du meinst mit ‚zu alt’? Ich habe reagiert, so rasch es meine Reflexe zuließen ... ich weiß, es war viel zu knapp ...”
Wieder der ungeduldige Laut. „Du warst nicht zu langsam ... im Gegenteil ... Du warst zu schnell. Viel zu schnell.”

Die aus dem Dunklen verstand überhaupt nichts mehr und wirkte beinahe so verzweifelt wie meine Stammesangehörige, die mir auf meiner Reise begegnet war, und ich wollte ihr Energie zufließen lassen, aber es gab einmal mehr nur einen kleinen hellen Funken. Die Schöne in mir strich durch mein energetisches System, mißbilligend.
Der Elarian, der die Simulation für uns hatte entstehen lassen, ließ die Erdvolk-Gesangshüterin wissen: „Nicht Du hast bewußt und mit Sinn und Verstand gehandelt - Deine Reflexe haben reagiert ... Du hast das Wesen behandelt, während es wach war, anstatt ihm erneut das Bewußtsein zu nehmen - und damit war all Deine Tarnung zunichte ... Ein implantierter Kämpfer der Taelons hat erkannt, daß eine scheinbar Seinesgleichen genau das nicht ist, und jemand Nicht-Seinesgleichen, der weder ein Taelon ist noch einer anderen ‚verbündeten’ Rasse angehört, ist für ihn, ohne jedes weitere Nachdenken, was?”
Die aus dem Dunklen schlug die Hände vors Gesicht, in sich zusammensinkend und zitternd.
„Ein Feind”, sagte sie, sehr leise. „Aber ich war ihm doch gar nicht feindlich gesonnen ...”
„Das hätte dieses Wesen nicht im Mindesten interessiert ... Aber versteht Ihr jetzt, was Eure Jungen, die bereit sind, für die Absichtsvollen die Wege zu ebnen, lernen müssen? Neue Reflexe ... dem Reflex, zu helfen, wenn Not ist, muß der Reflex, sich selbst geschützt und gesichert zu halten, immer und in jedem Falle vorgeschaltet sein, und zwar um ihrer Aufgabe willen ... Jemand, der gefangen genommen wird oder getötet, kann seine Aufgabe nicht mehr erfüllen, kann seinen Weg für das Ganze nicht fortsetzen ...” „Aber was wäre denn mit dem gepanzerten Kämpfer geschehen, hätte ich nicht sofort gehandelt? Er wäre doch ...”
„Wäre er das wirklich? Denk darüber nach - was wäre geschehen, hättest Du ihn zum Beispiel zunächst erneut in die Bewußtlosigkeit versetzt?”
Die Erdvolk-Gesangshüterin zitterte immer noch. „Dann wäre das Reservoir leergelaufen ...” Sie überlegte einen Augenblick, Bilder des Inneren des Gepanzerten aufsteigen lassend und plötzlich tief aufatmend. „Ich hätte das Zerrissene notdürftig zusammengesungen, in den Reservoiren neben dem leeren je eine Öffnung entstehen lassen und das entleerte zur Hälfte dadurch wieder aufgefüllt, das hätte zum Überleben genügt - und dann hätte ich Seinesgleichen zu Hilfe geholt ... er hätte sich nicht verabschiedet ...”
„Das ist es, was die, mit denen wir in Zukunft arbeiten werden, lernen - neue Reflexe und das Vorab-Durchdenken aller möglichen Optionen - sich selbst zu schützen heißt nicht, jemand anderen, gleich, ob Freund oder Feind, im Stich zu lassen ... Wie oft ist es den Euren schon Verhängnis geworden, daß Ihr das nicht könnt? Wie oft wird Euch das noch gefährlich werden, Euch, die Ihr außerstande seid, Euch das noch anzueignen?”
Der Elarian, der mit dem Ersten verbunden war, bekam Zustimmung von den Seinen und von allen Jaridians, die dem Test, den die aus dem Dunklen durchlaufen hatte, voller Faszination gefolgt waren.
„Das wird unser Beitrag sein, Eure Wege zum Frieden zwischen den Getrennten, ob er in die Koexistenz oder in die Vereinigung führt, zu unterstützen - wir lehren die Euren, wirklich effiziente Mittler zu sein ...”
Jetzt waren die Stimmen der Elarian wieder heller, feiner Klang voller Belustigung. „Wie hat Euer Wasser-Gesangshüter damals, bei Eurem ersten großen Rathalten mit den Starken, im vierten Lied gesungen? ‚Nicht wir werden Mittler sein zwischen den Absichtsvollen und den Starken ...’ Und er hat recht damit - in mehrfacher Hinsicht: Nicht Ihr, die dieses Lied sangen, werden vermittelnde Tätigkeiten ausführen, sondern die, die nach Euch kommen ... und sie werden es nicht als sie selbst tun, sondern stets als die, die sie zu sein vorgeben, bis andere Zeiten anderes erlauben ... und es werden nur in geringem Maß wirklich vermittelnde Tätigkeiten sein ...” Das war die Elarian in der aus dem Dunklen, die sehr sanft und voller Wärme über deren Inneres strich. „Du hast Dein Licht in der kurzen Zeit seit unserem letzten Kontakt auf eine Weise erweitert und vertieft, wie es anderen Wesen in einer ganzen Lebensspanne nicht gelingt ...” „Das gilt für sie alle, auch für diese hier”, meinte die Schöne in mir. Auch ich wurde einmal mehr behutsam durchstreift. „Aber diese hier muß lernen, daß man davon nicht jedes Mal krank werden muß ...”
„Ich bin nicht krank”, ließ ich ihr zufließen. „Das, was in mir war von den Absichtsvollen, ist längst fort, ebenso, wie der Abdruck, den es hinterlassen hatte ...” „Das ist richtig, aber krank bist Du trotzdem ... Du hast so viel von Deinem Körper verloren, Du bist schwach und all das Hellgoldene, das in Dir war, ist nicht mehr da ...”

 

Ende von Kapitel 44

 

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