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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Dezember 2002
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Thema:  Regenbogenflamme / Die Komplexschwingung: Kommunikation und Kontakt / Wirklich Neues / Wenn Schmerz eine Stimme bekommt
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  Die Komplexschwingung, Aveena, die Zweite, der auf dem Weg, die Gesangshütenden des Erd- und des Wasservolkes (der Erste, der Verwalter, der Heiler, Trevak, der Sprecher, Jaridia)
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 43

 

Aus meiner Sicht bedeutete Kommunikation - Kontakt, das Teilen meiner selbst mit einem anderen Wesen mittels Gesang und Berührung, wobei mit letzterer sowohl physische als auch energetische Berührung gemeint war. Kontakt war das, was wir hier im Kreis gerade teilten ... so wurde auf unserer Welt kommuniziert, und darauf hatten sich auch die Jaridians eingelassen, die sonst einander und erst recht anderen Geschöpfen nie ihren Geist öffneten, nicht so wie wir ...
Die Komplexschwingung war ein Wesen aus Information, aus definiert strukturierter Energie, in der Lage, diese zu Materie zu komprimieren, die sich erneut in Energie und Information rekonfigurieren - und Materie prägen konnte, wenn diese ...
Blau war um mich, das ich sehr vorsichtig berührte - und Weiß und Tiefrot schoben sich davor. „So geht es nicht ... Du gehst uns verloren ... um mit dieser Wesenheit wirklich Kontakt aufzunehmen, müssen wir zelltief verbunden bleiben ...” Das war die Hüterin der Gesänge derer im Dunklen, deren warme Berührung mir die anderen wieder bewußt machte. „Bevor wir uns der Komplexschwingung und dem Gemeinwesen der Taelons nähern, müssen wir einmal mehr unsere Lichter vereinen ...”
Wir standen im Kreis auf leuchtendem Pfad, der dafür breit genug war und von dem der schmale, den ich so dringend begangen zu werden wissen wollte, abzweigte. Die Energie jedes Einzelnen war pulsierend spür- und sichtbar, das warme Tiefrot der Erdvolk-Gesangshüterin, das mit jeder Pulsation expandierte, bis es uns alle umschloß und fest zusammenzog, mein Sonnenhell, das darüber strich wie ein beständiger sanfter Wind, das strahlende Grün der Jaridians, das in das glitzernde Blaugrün dessen aus den Tiefen überzugehen schien und das Violett und Weiß ihres Shaqarava, dessen hochfrequentes Vibrieren unser aller Energie bestärkte und voran zu treiben schien ... Ich spürte die Ungeduld des Anführers, die unstillbare Neugier Trevaks, die wache, warme Aufmerksamkeit seiner Gefährtin, das mit Besorgnis durchsetzte Interesse des Heilers, die Unsicherheit des Verwalters und seine Dankbarkeit Jaridia gegenüber, deren Halt er als wohltuend empfand ... ich nahm den Sprecher wahr, in dem Neugier war wie in dem Gefährten der Zweiten, den auf dem Weg, der ein klares Bild des vor uns liegenden Weges zur blauen Höhle in den Kreis gab und Gelassenheit ausstrahlte, den aus den Tiefen mit seiner Sanftheit und seiner großen Freude über die Dindaei ... Ich sah und fühlte jeden im Kreis, und meine Energie strömte ihnen zu, verbunden mit nichts als dem Wunsch, es solle ihnen gut gehen, sie sollten sicher sein und bewahrt und nichts als Freude solle sein für sie ... für sie und für Jaridia, die unsere Schwingung in der ihren barg, und für das Ganze, in dem sie ruhte ... Von den anderen strömte mir Gleiches zu, und mit einem Mal war mir bewußt, das wir das vierte Lied des Rathaltens sangen - aber in einer vielfach weiteren Version, wir sangen es als einen Ausschnitt aus dem Lied des Ganzen ... und der leuchtendste und intensivste Part war der der Zweiten und der dessen aus den Feuern, deren Weiß/Gold und Weiß ineinander flossen und alles in blendende Helle tauchten ... in das gleiche Licht, das die Jaridian und den Taelon umgeben und durchdrungen hatte, als sie einander hielten ... und eins wurden ...
Und wir hatten zugleich verstanden.
Es war unabdingbar notwendig, daß wir Kontakt aufnahmen mit der Komplexschwingung - nicht nur, um sie zu warnen, sondern vor allem, um ihr - etwas anzubieten ... etwas, dem sie nicht würde widerstehen können ...
Etwas, wonach sie sich so lange schon sehnte ... Etwas Neues.
Etwas wirklich Neues ...
Kommunikation bedeutete für diese unvorstellbare Lebensform vollkommen Anderes als für uns. Sie nahm Kontakt zu anderen Wesen auf, indem sie, in Form winzigster fraktaler Materie, in diese eindrang, wieder zu energetischer Struktur wurde und in ihnen heranwuchs, bis diese sie bemerkten. Sie tat ansonsten nichts, außer da zu sein, sie sang die Geschöpfe, die sie bewohnte, nicht an, sie setzte keinerlei Reize, ließ nur zu, daß man nach ihr lauschte ... und irgendwann Zugriff auf sie nahm, sich ihrer bediente ... Taten die, in denen sie sich angesiedelt hatte, etwas, das sie noch nicht war, so wurde dieses Neue ihrem Sein hinzugefügt, sie wuchs darum, jeder einzelne ihrer Ableger in einem Individuum ebenso wie sie als Ganzes. Sie griff niemals von sich aus nach etwas Neuem - dazu war sie gar nicht imstande ... Datenspeicher füllten sich nicht von selbst, sie wurden gefüllt ... und manchmal wurde von dem, was in sie hinein gegeben worden war, auch etwas wieder fort genommen, und der Strang ihrer selbst, den das traf, starb ab, so, wie zum Beispiel mit Ramaz' Vernichtung alles, was er war und gewußt hatte, aus ihr herausgerissen worden war ... Das blendende Weiß/Gold/Weiß, von der Zweiten und dem aus dem Weg ausgehend, kontrastierte mit all unseren Energien und brachte jede einzelne womöglich noch stärker zum Leuchten, in den Farben des Regenbogens.
„Wenn Ihr Eure Lichter zu einer Flamme vereint ...”
Ohne daß ich zu sagen vermocht hätte, wie wir dort hin gelangt waren, standen wir plötzlich in der scheinbar unendlich weiten Höhle, mitten in Blau und vieltausendstimmigem Gesang ... Gesang, der das Lied vom Ganzen hatte sein sollen - und der so viele Stimmen eingebüßt hatte ... Gesang, der immer noch faszinierende Schönheit war, in der man sich einfach auflösen mochte ... aber das unmittelbar um mich, die pulsierende, vielfarbige, kraftvolle Wärme unseres Kreises, fühlte sich unendlich viel besser an ...
Aufmerksamkeit richtete sich auf uns.
Beiläufig.
Irgendwo in all dem Blau trieb matteres Blau, wolkig all die funkelnden Stimmen durchstreifend, teils davon durchdrungen ... und darin gab es etwas wie - wie den kleinen, festen Kern in einer weichen Zwischenholzbeere ...
Irgendwo in all dem Blau bewegten sich Tief- und Hellviolett, tanzten umeinander und bildeten wieder und wieder eine verschlungene Form ...
Unsere warmen, leuchtenden, pulsierenden Farben, ein flammender Regenbogen, dessen Äußerstes das Weiß-Violett des Shaqaravas der Jaridians bildete, umflossen von ...
Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf uns.
Und auf - Tief- und Hellviolett im eigenen Innersten.
Und intensivierte sich.
Und begann zu pulsieren ... im Rhythmus der besonderen Energie der Jaridians ...
Des Shaqarava, dessen Farbe ...
Des Shaqarava, des Geschenkes, das vor undenkbaren Zeiträumen - die Kimera gebracht hatten.
Kimera ...

„Die mich schufen
denen ich begegnete
die sich meiner bedienten
derer ich mich bediente ...”

Mir wurde schwindelig, als mir das Ausmaß dessen bewußt wurde, das es hier zu verstehen galt.
Das, was wir der fraktalen Intelligenz, die uns hier umgab, anzubieten hatten, war ... war neu und uralt zugleich ...
Als etwas, das von den Kimera als gigantische und sich ständig vergrößernde Datenbank geschaffen worden war, enthielt sie selbstverständlich auch Informationen über das Shaqarava - diese machtvolle, mit Gefühlsbewegung verknüpfte Kraftqualität, die sich in speziellen energetischen Organen in den Handflächen eines jeden Kimera konzentrieren und gezielt in die Außenwelt abgeben ließ ... gleichermaßen heilend wie zerstörend ...
Aber diese Informationen waren eine so lange Zeit nicht mehr abgerufen worden, daß sie dem Wesen, das auch daraus bestand, längst nicht mehr im Bewußtsein waren.
Als die Kimera auf den Planeten der Gezeichneten und Nichtgezeichneten kamen, sich mit beiden Völkern mischten und damit das Shaqarava brachten, lehnten die Gezeichneten dieses Geschenk vehement ab, während die Nichtgezeichneten mühsam lernten, es nicht nur zu kontrollieren, sondern es immer gezielter und vielfältiger einzusetzen ...
Die Gezeichneten hätten nur zugreifen müssen auf das, was in ihnen darüber sang, und hätten es damit in einem Bruchteil der Zeit beherrscht, die die Nichtgezeichneten dazu gebraucht hatten ... aber statt dessen hatten sie das Gemeinwesen etabliert, um diese ‚primitive’ Kraft von den Ihren fernzuhalten, hatten sich sowohl gegen die Nichtgezeichneten als auch gegen die Komplexschwingung zu verschließen begonnen, sich dabei miteinander um so stärker verbindend ... und das Geschöpf, das sie bewohnte, nur noch benutzt für das, was diesem Verbund untereinander und der Abwehr der Anderen dienlich war.
Um uns herum regte es sich - die mächtige Lebensform spürte in sich hinein, nahm wahr, was da in ihr in Resonanz ging mit der Energie der Jaridians.
Die Zweite streckte behutsam eine leuchtende Handfläche aus und strich über das Blau, das ihr am nächsten war, einen matten Strang, der nur ganz leise sang und dicht vor ihr plötzlich endete, als sei es schon vor langer Zeit durchtrennt worden. „Einsam ... es fühlt sich so einsam an ...” Das, was in ihr pulsierte, intensivierte sich im Heilmodus, und sie streckte beide Arme aus, als wolle sie das schwingende Blau ganz umfassen. Weiß-Violett berührte jeden Strang in Reichweite ...
Etwas wie ein Schauder durchlief die Wesenheit, die uns umgab, und alles, was die Zweite berührte, hatte zu funkeln begonnen.
In all der Kälte war plötzlich - Lebendigkeit ...
„Das ist unser Geschenk an Dich”, hörte ich mich selbst singen, glitzerndes Sonnenhell strömen lassend, so, wie jetzt alle ihre Farben in das Blau um uns gaben. „Das ist das ganz Neue, das wir zu geben haben - Du und die Deinen wieder vereint mit denen, die die, die in Dir teilen, fortgestoßen haben ... Taelons mit Jaridians, Du mit der Energie derer, die Dich schufen vor so langer Zeit ...”
Aufmerksamkeit war auf uns gerichtet, absolut fokussiert, in einer komplexen Mischfrequenz schwingend, aus der ich tiefes Mißtrauen - und noch tiefere Sehnsucht herauszuspüren glaubte.
Stränge aus konzentriertem Blau formten sich, vor jedem von uns einer, und der auf mich gerichtete bewegte sich auf mich zu - und drang in meinen Brustkasten.
Ich hätte beinahe laut geschrien. Diese Berührung war von schmerzhaft vertrauter Kälte ... Nur der Halt, den ich an den Meinen und den Jaridians hatte, in die ebenfalls Blau eingedrungen war, hinderte mich daran, mich panisch zu wehren. Ich wollte diesem Wesen doch freundlich begegnen ...
Die anderen, von denen keiner bisher bewohnt worden war, strahlten lediglich Überraschung aus, und alle erlebten die Kälte dieser Berührung genau so unangenehm wie ich, hielten aber still. Es gelang mir, meine Furcht unter Kontrolle zu bringen, und ich spürte in den Kreis und in mich hinein ... und brauchte meine ganze Kraft, um ruhig zu bleiben ...

Die Komplexschwingung versuchte gerade, uns zu zeichnen, uns zu Bewohnten zu machen ... und rang mit dem vielfarbigen Strang, der uns miteinander und mit Jaridia verband ...
Der Anführer unterdrückte mit Mühe seinen Zorn darüber, der Heiler, der Sprecher und Trevak verfolgten das Geschehen voller Neugier, der Verwalter war erstarrt vor Angst - für ihn fühlte sich das an wie ... meine Energie war sofort bei ihm, ebenso wie ein Teil der Energie derer aus dem Dunklen, die mit dem anderen Teil ihrer Kraft behutsam den blauen Strang in sich umfloß und zu wärmen versuchte, als sei dieser ein halb erfrorenes Nichtflügges, das sie in einer Dunkelphase während der kalten Zeit eines Umlaufzyklus außerhalb der Stammeshöhle verirrt aufgefunden hätte.

„So geht das nicht.”
Die Stimme der Zweiten klang, als verfüge diese plötzlich über Resonanzsehnen, und sie sang zu dem mächtigen Wesen, das in jeden einzelnen von uns eingedrungen war. „Was Du gerade tust, ist alles andere als neu ... Du sehnst Dich nach Neuem, aber alte Handlungsweisen haben noch nie dazu geführt ... Du wiederholst nur, was Du schon vieltausendfach getan hast ... und wenn Dir das auch dieses Mal gelingt, wirst Du am Ende bekommen, was Du schon vieltausendfach bekommen hast - schlecht zu Bewohnende ...”
Weiß und Gold umfluteten sie, und sie hatte beide weiß-violett glühenden Handflächen auf den inzwischen breiten und kräftigen Strang gelegt, der sich in ihre Brust gebohrt hatte.
„Erinnert Euch”, wies sie uns alle an. „Erinnert Euch, Ihr wart dabei ... Ihr wißt, was Vereinigung bedeutet, Ihr habt es gesehen, Ihr habt es gefühlt ... laßt dieses Wesen hier spüren, was damit wirklich gemeint ist ...”
Ich fühlte zu ihr hin - und nahm wahr, daß sie auf die Komplexschwingung reagierte, wie sie damals auf den Taelon reagiert hatte, als sie ihn durch den hergestellten Kontakt plötzlich spüren konnte - sie spürte Kälte, Schmerz, Verwirrung und Einsamkeit in diesem äonenalten Geschöpf und wollte es nur noch geheilt wissen ...
Was war danach geschehen? Sie hatte den Taelon in den Armen aufgefangen und ihre Energie in die Leere strömen lassen, die er war ...
Ich spürte in das kalte Blau in mir und um mich. Einsamkeit ... die Zweite hatte Recht, dieses Wesen war entsetzlich einsam ... nichts hatte es angetroffen auf seinem Weg durch das Universum, das ihm - oder seinen Schöpfern - auch nur annähernd glich oder gar ebenbürtig war ... Bewohnte verloren rasch den Reiz des Neuen, und die, die zur Zeit in ihm teilten, mochten sich seiner nicht einmal richtig bedienen ... es hätte ihnen so viel zu geben gehabt ...
Der Verwalter hatte auf meine und der Erdvolk-Gesangshüterin Unterstützung reagiert und seine Angst hatte sich gelöst, als ihm klar wurde, daß er in dieser Konfrontation mit kaltem Blau weder hilflos noch allein war. Er konzentrierte sich, der Zweiten folgend, bereits auf das, was er in sich bewahrt hatte von der Erfahrung von Vereinigung, und auch sein Shaqarava war im Heilmodus aktiviert.
Meine Energiereserven öffneten sich jetzt für die Komplexschwingung, und dieses Mal hielt mich niemand davon ab. Diese Einsamkeit war so schmerzhaft ... kein Wesen sollte so etwas aushalten müssen ...
Von dem Ganzen, das die Meinen, die Jaridians und ich gemeinsam formten, ging ein breiter, funkelnder, regenbogenfarbiger Strom aus, ergoß sich in das Blau um uns, umfloß jeden einzelnen in unser Inneres getriebenen Strang. In meiner Erinnerung flutete Shaqarava in schwarzen Abgrund, den Schmerz des Taelons wahrnehmend und heilen wollend ... und kühles, linderndes Blau expandierte und umhüllte flammende Verzweiflung, diese spürend und verwandeln wollend in Wohltuendes ... und durch Hinfühlen und Hingabe beider wurden aus Schmerz und Verzweiflung - Zur-Ruhe-Kommen, den Anderen erkennen, Freude darüber und schließlich etwas umfassend Weites, Ekstatisches ... flutendes Weiß und Gold ...
All das ließ ich nach außen und innen strömen, selbst überrascht über dessen Intensität. Den blauen Strang in mir durchlief ein heftiges Zucken.
Goldfunken tanzten um uns.
Überraschung.
Verwunderung.
„Ihr seid so anders ... vor allem die Weißgoldene ...”
Die Zweite berührte Blau mit Weiß-Violett. „Ich bin mehr, viel mehr, als ich jemals war ... aber nicht annähernd das, was Du sein wirst, wenn die, die in Dir teilen, eins werden mit den Meinen ...”
„Ihr wehrt Euch nicht ... nicht einmal der noch zu Zeichnende und das kleine Lästige wehren sich dieses Mal ... Ähnliche wie Euch habe ich schon oft bewohnt, und sie haben sich anfangs immer gewehrt ... Ihr laßt Euch nicht bewohnen, aber Ihr stoßt mich auch nicht weg ...” sang es in und um uns.
„Wir tun etwas Anderes, etwas Neues ...” Das war wieder die Zweite. „Wir sind nicht bewohnbar, wir sind etwas Eigenes, Anderes, jeder für sich ... und trotzdem wollen wir da sein für Dich ... wir schenken Dir, was wir Dir gerade hinzugefügt haben, zu dem, was Du bist - und wir wünschen uns für Dich, daß die, die in Dir teilen, die Erfahrung machen können, an die wir uns erinnert haben, damit sie fortbestehen, und Du wirst, was Du Dir so sehr wünschst - neu ...”
Konzentration.
„Die in mir teilen, sind nichts Neues mehr ... ihr Ganzes driftet auseinander, und die im Innersten bedienen sich meiner nur noch in sehr eingeschränkter Weise ... Ihr seid neu ...”
Der blaue Strang in meinem Inneren griff so fest zu, daß es mir den Atem nahm. „Ihr seid neu ...”
„Nein ... So geht es nicht.” Die Gefährtin Trevaks umfaßte das, was in sie gedrungen war, als wolle sie es herausziehen. „Wenn Du erzwingst, daß wir Bewohnte werden, werden auch wir rasch den Reiz verlieren für Dich ... Die Unseren bekämpfen die, die in Dir teilen, und wenn Du auch uns bewohnst, wird es Dich zerreißen - oder aber Du verläßt uns alle, und alles Neue ist verloren ... Teilst Du aber mit uns, so, wie wir gerade mit Dir geteilt haben - das heißt, verzichtest Du darauf, uns zu bewohnen und nimmst das Geschenk an, die neue Idee, die mögliche neue Erfahrung für die, die Du gerade bewohnst und damit für Dich, dann wird Dir mehr Neues zuteil, als Du es Dir je erträumt haben magst ...”
In mir war das vierte Lied des Rathaltens auf unserer Welt, das den Beginn unseres Kontaktes mit der Komplexschwingung durchzogen hatte, verbunden mit dem Bild des sich öffnenden Kreises, dessen tausende Stimmen von den unseren durchwoben wurden, vielfarbig, warm und lebendig ... und des Aufleuchtens von abgestumpftem Blau, das von Shaqarava berührt wurde.
Ich begann das Lied zu summen, mit allen Stimmbändern, den Klang über den Strang fließen lassend, der sich in mein Innerstes klammerte, wie sich die Sechsgliedrigen auf dem Platz an mich geklammert hatten ...
„Wenn Taelons und Jaridians wieder eins werden, wirst Du wieder eins mit der Energie Deiner Schöpfer ...” ließ die Zweite die Komplexschwingung erneut wissen. „Wenn Du uns bewohnst, verbrauchst Du sowohl die Taelons als auch uns, und da dann die Taelons niemals von der Möglichkeit der Vereinigung erfahren, wird Dir niemals wirklich Neues und Erfüllendes zuteil werden ... um Neues zu bekommen, mußt Du neu handeln ...”
Bewegung in uns allen hielt inne.
Blau und vieltausendstimmiger Gesang durchdrang jeden einzelnen von uns.
Prüfte uns, zelltief.
Und ließ los.
Stränge begannen sich aus uns zurückzuziehen.
Blau schien uns über die Gesichter zu streichen, uns abzutasten.
Uns anzuschauen.
Staunend.
Dann wurde Aufmerksamkeit von uns abgezogen.
Und auf das gerichtet, was noch in Kontakt war mit uns.
Und die ungewöhnliche Lebensform nahm diese Anteile ihrer selbst von uns fort, dabei von der vielfarbigen Energie und den Eindrücken von Vereinigung mitnehmend, was sie fassen konnte.
Sie verwob die zehn Stränge, die Energie, die wir ihr zuströmen ließen und die strahlenden Bilder von Einswerden zu einem einzelnen neuen Gebilde.
Sanftes Leuchten durchglühte das Blau um uns.
„Ich habe etwas Neues ... das noch mehr verspricht ...”
„Du kannst noch mehr Neues tun ...” Die Zweite strahlte vor Freude. „Du kannst dieses Neue denen zeigen, die in Dir teilen ...”
Das Leuchten verschwand um uns. „Sie werden es nicht wollen ...”
„Nicht denen im Innersten”, sang ich ihr. „Aber denen, deren Verbindung zum Innersten schwächer wird ... sie werden sich vielleicht freuen darüber, zumindest ist es aber auch für sie neu ... die weniger Verbundenen sind fast so einsam wie Du, weil sie die im Innersten kaum mehr spüren ...” Ich hatte mich einmal mehr an den Traum erinnert, der viel mehr gewesen war als das - der uns hierher geführt hatte. Und ich hatte den Taelon auf der Welt der vielgliedrigen Gepanzerten vor Augen, der das Kontaktnetz benutzt hatte - ihn und seine kleine Gruppe Stammesangehöriger auf einsamem Außenposten ...
Sehr interessiert wurde verfolgt, was ich in das Blau um mich hineingab, und das Glühen war wieder da. Und mit einem Mal fühlte ich Stränge um uns, in denen außer Blau - auch Weiß-Violett schwang - Kimera ... Dieses Wesen hatte längst Vergessenes ins Bewußtsein geholt ...
„Ich werde dies all denen zeigen, die sich dem Innersten entfernen ...” Aufregung war spürbar.
Diese Intelligenz hatte nie zuvor versucht, denen, die sie bewohnte, etwas mitzuteilen, die Informationen, aus denen sie bestand, aktiv so zu strukturieren, daß die Bewohnten - auf etwas hingewiesen wurden ...
„Es braucht die Taelons, damit Du neu werden kannst”, ließ ich die Komplexschwingung wissen. „Es braucht sie unbedingt ...” Ich sah das stumpfe Blau des Innersten des Gemeinwesens - der Synode, wie die Taelons diesen Teil ihres Ganzen nannten, und fühlte wieder Angst. „Ein Teil der Ihren wird vielleicht versuchen, sich von Dir zu trennen, wenn Du ihnen Dein Neues zeigst ... Wenn das geschieht - bitte, dann laß sie ziehen mit dem, was sie sich genommen haben von Dir, um sich daraus zu formen ...”
Ich ließ das uns umgebende Wesen das Bild des furchtbaren Risses sehen, aus dem Energie entwich. „Die Synode ist nicht alle Taelons ... das Gemeinwesen umfaßt mehr, die Teil von Dir sind ... Damit ist nicht verloren, was sie mit Deiner Hilfe aus sich gemacht haben ... Läßt Du die des Innersten ziehen, haben sie eine Chance, zu überleben, da wir allen Taelons etwas zu geben haben, das ihre Energie erneuern kann ... Nimmst Du ihnen, was sie sind, indem Du Dich aus ihnen herausziehst, vernichtest Du sie - so viele weniger, durch die Du neu werden könntest ...”
Die uns umfassende Lebensform fokussierte sich auf das, was ich ihr sang. „Die, die in mir teilen, werden sich heraustrennen wollen aus mir? Das können sie nicht ... Bewohnte können das nicht entscheiden ... ich bewohne sie, ich verlasse sie und finde neue zu Bewohnende ...”
Ich zeigte ihr den Eindruck, wie etwas im Innersten des Trüben etwas tat, und plötzlich einige Stimmen in ihr verstummten.
Es zuckte gleißend grell im Blau vor mir und schmerzte in uns allen.
„Das lasse ich nicht zu ...” Die riesige Intelligenz schien sich umzuordnen, und plötzlich erschien in der Ferne ein seltsam diffuses Gebilde, halb transparent, formlos, in sich geschlossen, aber von den verschiedensten Blauschattierungen durchzogen, mit etwas in sich. „Ich verlasse all dies jetzt sofort ... Ihr habt mir von möglichem Neuem gesungen, aber ist es das wert? Bewohnte haben kein Recht, mir zu nehmen, was sie mich haben werden lassen ... Ich bin ganz, und ganz werde ich bleiben ... Ich werde mehr, von Bewohntem zu Bewohntem, nicht weniger ...”
Planvolle, geordnete Bewegung kam in die Strukturen um uns.
„Nein!” Ich war nur noch Angst.
„Nein, nein, nein ...”
Ich schrie mit allen Stimmbändern und konnte mich nicht beruhigen. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, daß mein Versuch, zu verhindern, daß das, was ich gesehen hatte Wirklichkeit wurde, dazu führen würde, daß genau das geschah ... Grellgelb flammte meine Verzweiflung in das Blau. „Nein, Du darfst sie nicht zerstören ... Du machst ihre und Deine Zukunft zunichte ...” In mir war einmal mehr das Bild des klaffenden Risses, der sich in dem auftat, was die Synode der Taelons repräsentierte, und unkontrolliert Energie entweichen ließ, verbunden mit dem Gefühl unaufhaltsamen Abschieds. Es tat weh, es tat einfach nur weh ...
„Meine Zukunft? Eures Neuen bedarf ich nicht unbedingt ... Ich werde neue zu Bewohnende finden ...” ließ mich die Komplexschwingung wissen. „Ich hätte sie längst verlassen sollen, so, wie ich die Schlafenden verließ und die, die von vorn begannen ...”
Erneute Bewegung um uns, und in der Ferne leuchtete einer der Stränge auf, die das Gemeinwesen der Taelons durchzogen.
Ich konnte nicht zu schreien aufhören. Der klaffende Riß aus dem Traumbild ging durch mein Innerstes ... vergebens, es war alles vergebens gewesen, keine Hoffnung mehr ... wenn dieses übermächtige Geschöpf seine Bewohnten jetzt verließ, würde es niemals Vereinigung geben, kein Zusammenfügen und Zusammenwachsen all der Fülle, die über Äonen zusammengetragen worden war ... keine kraftvollen, leuchtenden Geschöpfe, die im Tiefsten verstanden hatten und die Wunden des Ganzen zu heilen vermochten ...
Ich lag auf dem Boden, auf kaltem blauem Stein, die Flügel um mich geschlungen, und schrie und schrie ... vor Schmerz, vor Verzweiflung, vor Einsamkeit ... aus der Einsamkeit des Blau heraus, das mich umgab und durchwob, schrie ich nach ...
Ich wußte nicht, wonach, nach meinen Schöpfern, nach neu zu Bewohnenden, nach ... nach einem Anderen ... nach jemandem, der mir Neues gab ... und dem ich von Meinem, von mir geben konnte ...
Mit dem ich sein konnte, ohne Reizlos-Werden, ohne drohendes Weniger- und Verlassenwerden ... nach jemandem, nach etwas, das war - wie ich ...
Und „ich” war kältestes Blau, zum Erfrieren in Einsamkeit verdammt, dazu bestimmt, auf ewig in einem Abgrund aus Leere zu treiben - allein ...
Kälte ...
Schwärze ...
Leere ...
Und nicht einmal mehr das.

Tiefrot. Warm/fest.
Weiß-Violett. Warm/pulsierend.
Braun/Gold/Weiß. Warm/fest/unten.
Klänge. Warm/beruhigend/überall.
„Sie kommt zu sich.” Stimme. Tief/weich. Weiß/gold, passend zur Berührung. Warm/oben.
Kribbeln. Hochfrequent/innen. „Ich hätte das nie zulassen dürfen ...” Stimme. Tief/rauh.
„Du hättest es nicht verhindern können. Es war ihre Entscheidung ... sie hat gefühlt, daß es anders nicht ging ...”
Weich. Fest. Warm.
Gut ...

Tiefrot. Warm/fest ... Arme, um mich geschlungen, kraftvolle, vertraute, liebevolle Berührung. Die Hüterin der Gesänge derer im Dunklen, an deren Körper ich angelehnt lag und die mich hielt ...Die Energie, die mich durchpulste, war unendlich angenehm ... Shaqarava, die Energie der Jaridians ... die Zweite ... ihre Hände auf meinem Kopf und auf meinem Bauch ... und mehr warme, strömende Berührung, der Verwalter, der Sprecher, der Erste ... „Ja, das ist es ... behaltet den Rhythmus bei, sie wird wach ...” Die Stimme war die des Heilers, und das erneute Kribbeln in mir offenbar der Scanner, den er benutzte ...
An den Füßen spürte ich den auf dem Weg, der mir festen Halt gab, und etwas Sanftes, Glattes strich mir immer wieder über das Gesicht - der aus den Tiefen ...
„Danke ...” ließ ich in den Kontakt fließen. „Danke, daß Ihr da seid ... das tut unendlich gut ...”
Mehr Wärme. Der Energiefluß verstärkte sich.
„Was hast Du nur getan?” Das war die Stimme der Zweiten. „Du hast uns allen solche Angst gemacht ...”
„Hätte sie das nicht, wäre sie diesem Geschöpf nicht Stimme geworden, dann wäre alles, was wir bisher gefunden haben, alles bis auf unseren Gesang zur Heilung der Euren, vergebens gewesen ...” antwortete ihr die aus dem Dunklen. „Aber so hat es verstanden ... so hat es schließlich wirklich verstanden ...”
Ich begriff nicht, wovon hier gesungen wurde, und es war mir auch gleich. Was immer es gewesen war, es schien vorbei zu sein, und hier war nur Wärme ... an der ich teilhaben durfte und zu der ich gerne beitrug ... Sonnenhell für die Meinen und die Jaridians, denen ich zugehören durfte ...
Es gab einen kleinen hellen Funken, sonst nichts ... aber ich hatte doch sogar die Reserven weit offen ...
„Laß das, um Jaridias Willen, und lieg einfach still ...” Das war der Heiler, in Sorge, wie ich ihn selten gespürt hatte. Er öffnete mir den Schnabel und ließ etwas auf meine Zunge tropfen. Ich schluckte, was er mir gegeben hatte, Süße und merkwürdigen Nachgeschmack - die Medizin ... „Danke”, ließ ich ihm über die Berührung zufließen. Das alles war wirklich Hilfe ... Mir wurde vage bewußt, daß ich nicht einmal den Kopf hätte heben können, um selbst aus dem Behältnis zu trinken ...
Was war eigentlich passiert?
Ich öffnete die Augen, konnte aber nur blinzeln. Die Höhle war geradezu gleißend hell im Vergleich zu der Schwärze, aus der ich gekommen war ...
Ich?
Ich ... Blau, unendliches Blau ... unterwegs durch die Kälte ...
Allein, so allein ...
„Wir sind hier ... wir sind alle hier ... Du bist nicht dieses Wesen ... Es hat verstanden, und Du bist hier bei uns ...”
Ich war so dankbar, die Anderen zu spüren ... die Anderen und warmes, tragendes Grün, Braun und Gelb/Gold, die Präsenz Jaridias ... „Wir haben Dir zu danken”, ließ mich der Anführer wissen. „Du und meine Nachfolgerin, Ihr habt uns nicht nur da heraus gesungen, Ihr habt auch dafür gesorgt, daß diese unglaublich sture Hyperintelligenz endlich begriffen hat, daß sie niemals jemanden findet, der sich aus freien Stücken mit ihr abgeben will, wenn sie sich nicht auf unsere Konzepte einläßt - Ihr habt uns die vielleicht mächtigste Verbündete gewonnen, die je auf Jaridias Seite stand ...”
Ich verstand kein Wort.
Das Einzige, woran ich mich erinnerte, war Scheitern ... das Scheitern unseres Singens für die Komplexschwingung, und Schmerz ... den vernichtenden Schmerz absoluter Einsamkeit ... wie der Schmerz der Leere - im Innersten eines vom Gemeinwesen getrennten Taelons, eines Atavus ...
Shaqarava vertrieb den aufkommenden Schwindel.
Ich bekam eine weitere Dosis Medizin verabreicht.
„Es gibt nichts mehr zu tun ... Die Komplexschwingung hat verstanden ... Ich singe Dir, was geschehen ist.” Die Hüterin der Gesänge des Volkes im Dunklen hüllte mich in Tiefrot und spannte die Resonanzsehnen.
„Die Komplexschwingung hat nicht wahrhaben wollen, daß dieses Mal sie es sein könnte, die zurückgewiesen wird ...”

 

Ende von Kapitel 43

 

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