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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Dezember 2002
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Mehr zu tun / Feuer in den Wassern / Die Aufgabe annehmen / Kommunikation?
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  Der Gesangshüter des Wasser-Volkes, das Volk der Ursprünglichen, der Verwalter, die Zweite, der Anführer, Aveena , die aus dem Dunklen, der auf dem Weg, Jaridia (der Heiler, Trevak, der Sprecher, eine Gruppe Dindaei, die Komplexschwingung)
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 42

 

Trevak, der Heiler und die Zweite hatten ebenfalls einander ähnliche Reisen durchlebt und gleichfalls immer wieder zusammengearbeitet darin. Der Gefährte der Zweiten und der Heiler hatten unzählige Eindrücke geteilt, in denen es um das Entwickeln der Transportbehältnisse für die Dindaei, des weiteren um die Bedürfnisse zukünftiger Gefangener, vor allem solcher, die ohne CVI erst einmal zu dem würden zurückfinden müssen, wer und was sie eigentlich waren, und um die Dinge, die für Sechsgliedrige während eines langen Raumfluges wichtig waren. Die Zweite war überflutet worden mit Bildern, die mit Vereinigung zu tun hatten - mit der Vereinigung von Taelons und Jaridians ... Bilder von Taelons in geräumigen Unterkünften, unter Energieduschen oder mit Kontaktnetzen, von nachdenklich da sitzenden, ratlos wirkenden, Trauer ausdrückenden Taelons ... von Taelons und Jaridians, einander gegenüber stehend, in den so unterschiedlichen Gesichtszügen Angst und Erwartung zugleich ... von einem aus den Feuern, der diese ermutigend anschaute ... ein Taelon und ein Jaridian, umringt von ihren jeweiligen Stammesangehörigen und einigen von uns, einander haltend im strahlenden Moment des Einswerdens ... und dann das Gleiche, was auch ich gesehen hatte, Taelons, Jaridians und bereits Vereinte, die Shuttles beluden, um auch die Gruppe, die sie inzwischen bildeten, von Jaridia fort zu bringen ...
An das, was die drei in die Berührung gaben, schloß sich der aus den Feuern an mit dem kraftvollen, so viel Hoffnung Beinhaltenden, das ihm gezeigt worden war, und dann gab die Gesangshüterin derer im Dunklen ihre Eindrücke in den Kreis - sie hatte unsere Heimkunft erlebt auf die, die uns trug, die riesigen Kontaktkreise, die sich überall formten und an die wir weitergaben, was wir gelernt, erlebt und erfahren hatten ... sie hatte unzählige jaridianische Shuttles gesehen, die Unsrige aller vier Völker hinauf zu wartenden Schiffen brachten ... und all die vielen, vielen von uns beschäftigt mit den ungewöhnlichen, schwierigen, herausfordernden Dingen, die zu tun waren auf unserem Weg für das Ganze, so, wie sie auch etwa der Verwalter beschrieben hatte, aber aus der Sicht der Unseren ... und sie hatte die Fortsetzung dessen gesehen, was ich zum Schluß der Reise erlebt hatte - wie die Stasis-Behältnisse mit den verletzten, verbogenen, kranken oder eigentlich unmöglichen Wesen darin eines nach dem anderen am Strand abgesetzt wurden in einer gebündelten Flut aus Licht vom Himmel, und Unsrige und Jaridians sie fort trugen in eine riesige Behausung, die eigens dafür errichtet worden war am Strand, weit oberhalb der Flutgrenze ... und wie acht der Unseren, je zwei aus jedem Volk, wobei die beiden auf dem Weg an Kopf- und Fußende dieses Geschöpfes plaziert waren, für das Wesen sangen, das halb Jaridian, halb Fünfgliedriges war, Hände, Flügelhände und Flossen auf seinen Leib gelegt, in tiefer Konzentration ...
Mir zogen sich Hals und Brustkasten zu beim Hineinfühlen in dieses Bild, und die Aufmerksamkeit des Kreises richtete sich auf mich, auf daß ich meine Reise teilte mit ihnen, was ich tat, das seltsame Traumbild gleich einbeziehend, was das Gefühl gebotener Eile wieder aufkommen ließ.
„Wir werden uns damit befassen, sobald alle berichtet haben und aufgezeichnet sind”, ließ mich der Anführer wissen. „Bevor wir diesbezüglich etwas unternehmen oder überhaupt anfangen, die Umsetzung dessen zu planen, was wir hier gefunden haben, müssen zunächst alle verfügbaren Informationen für einen vollständigen Überblick vorliegen ...” Er wandte sich an den Hüter der Gesänge des Volkes aus den Tiefen. „Dein Bericht steht noch aus ...”
„Ich muß etwas weiter ausholen ...” Glitzernde grünblaue Energie durchflutete uns einmal mehr, verbunden mit einem Gefühl von Kraft und Leichtigkeit, die das Dringliche in mir einfach fortsprudelten. „Vor Beginn dieses Rathaltens bin ich noch einmal in die Tiefen dieser Welt getaucht ...”
Die Dindaei hatten ihn erwartet - sie hatten seine Sehnsucht in den Wassern gespürt ... Sie hatten ihn mit leuchtenden Augen und Mustern begrüßt und ihn umschlungen wie die Male zuvor, und er hatte sich sofort auf neues Weben eingestellt, wissend, wie sehr die Mittler, die, die zu Wasser sein konnten und zu Land, gebraucht wurden. Aber die, die ihn hielten und mit sich zogen, sangen ihm, dies sei kein weiteres Mal mehr notwendig.
„Wir haben vervielfacht, was Du gegeben hast, wieder und immer wieder, und werden das erneut tun, wann immer es das ist, was gebraucht wird ... und außerdem bist Du gar nicht imstande, erneut zu geben ... Dein Gefühl und Deine Energie sind bereit dazu, aber Dein Körper ist es nicht ...”
Der Hüter der Wasser-Gesänge hatte überrascht in sich hinein gespürt und gefühlt, daß die beiden Dindaei, die in Kontakt mit ihm waren, Recht hatten - was sein Innerstes noch bereit gehalten hatte nach der letzten Zwischenholzblüte, um davon zu geben, war verausgabt ... und ihm wurde bewußt, daß er hier, auf Jaridia, nicht mehr würde geben können - die Signale, die ihn erneut dazu befähigen würden, fehlten in diesen fremden Wassern ... „Es ist in Ordnung ... wir haben, was wir brauchen ... und sind jetzt für Dich da ...”
Tanzende, vielfarbige Muster auf unendlich glatter Haut ... leuchtende gelbe Augen ...sanfte Berührung und kraftvoller Halt, die ihn tiefer und tiefer zogen ... Mehr Muster, mehr Augenpaare ... und der Gesang tiefer Unterwasserstimmen ... Kontakt, der Zeiten und Dimensionen öffnete in lichtlosen Tiefen ...
„Sie werden Euch fortbringen, bevor Jaridia die Fähigkeit verliert, ihre Feuer zu halten ...”, ließ der Hüter der Wasser-Gesänge die Dindaei wissen. „Die Jaridians werden da sein für Euch ... und für Eure Verwandten an Land ...” Er öffnete ihnen seinen Geist, sang ihnen die Worte des Anführers dazu, ließ sie die Meereswelt sehen, fühlen und - schmecken, wie die Sechsgliedrigen sie geschmeckt hatten ... „Diese Wasser werden Euch Zuhause werden ...”
Unvorstellbare Freude umflutete ihn, strahlend gelb, und der aus den Tiefen schien sich in den Kontakt hinein aufzulösen, in die gleiche ekstatische Farbe. „Das Ganze hat es einmal mehr gefügt ... die, die wachsen und nicht gedeihen, die, denen diese Welt Heimat geworden ist, werden denen, denen keine mehr sein wird, neue geben ...” Gedankeneindrücke begannen durch das Gelb hindurch zu strömen, von beängstigender Intensität. Eindrücke von heftiger, unkontrollierter Bewegung ... von zunehmender Hitze ... von machtvoller, tieffrequenter Vibration ... von Tieforange, heiß, aufsteigend ...
Feuer, Feuer in den Wassern ... und der, der den Gedeihenden Zukunft gebracht hatte, lernte darüber - lernte über Zukunft und - Vergangenheit ...

Das hier war schon einmal geschehen ... Feuer in den Wassern ... Jaridia war eine sehr junge Welt gewesen, so voller Sehnsucht nach Erwachen, daß sie bereits Leben trug, obwohl ihr Leib sich noch formte ... in ihren Meeren gediehen die Ursprünglichen, aus denen später Dindaei und Sechsgliedrige werden sollten, und Myriaden anderer Geschöpfe, die von den in den warmen Wassern üppig gedeihenden Pflanzen ebenso lebten wie voneinander ... die Ursprünglichen waren schon damals zu dritt, wenn es um das Weben von Neubeginn ging - jemand, der gab, jemand, der trug und jemand, der wachte, das feine, gespinstartige Gewebe, das vom Unterbauch ausging, ins Wasser ausgefaltet und spürend ... feinste Veränderungen wahrnehmend, vor allem die, die bedeuteten, daß sich ein Wesen näherte, für das die Ursprünglichen Nahrung darstellten ... Wurde ein solches Geschöpf fühlbar, stieß der/die Wachende - für die Wahrnehmung dessen aus den Tiefen waren die Dindaei immer noch Weibliche, vor allem, weil es in den Sprachen derer, die uns trug, für das Muster/den extrem tiefen Laut, mit dem diese diesen Aspekt ihres Seins bezeichneten, keinen Begriff gab - einen Schrei aus, die Augen grellgrün verfärbt, und ihr und den Gewarnten blieb genügend Zeit, davon zu schwimmen und sich in dichtem Wust schwer duftender, riesige Wolken und Klumpen bildende Pflanzen zu verbergen, die die Wahrnehmung des Jagenden so blockierte, daß es seine Beute aus den Sinnen verlor ...
Als die Feuer die Wasser zum Kochen brachte, starben viele, auch von den Ursprünglichen. Die heftigen Beben des Meeresgrundes ließen Strömungen in vertikaler und horizontaler Richtung entstehen, die die verbleibenden Schwärme Ursprünglicher auseinanderrissen und über mehrere Schichten Wassers verteilten. Und das, was die emporsteigende Hitze mit sich brachte, veränderte die Wasser für immer ...
Harte Strahlung.
Die aus den auf dem Meeresboden aufgebrochenen feuerspeienden Bergen hervorquellende Glut brachte etwas aus Jaridias Innerem in die Wasser, das harte Strahlung abgab ... Das sich verteilte, sich an etwas anderes band, das es in der Schicht hielt, in der die Ursprünglichen sich hauptsächlich bewegten, etwas, das ein hauchfeines, fahlgrünes Leuchten um sich hatte ...
Ein Teil der Ursprünglichen floh sofort davor, floh in höhere Schichten Wassers, die frei waren davon ... die aber einen so deutlich niedrigeren Druck aufwiesen als die, aus der sie stammten, daß die meisten Geflohenen daran zugrunde gingen ... Die Kunde davon in den Wassern hielt andere von der Flucht ab, die notgedrungen lernten, mit der Krankheit und dem verfrühten Sterben, die von der Strahlung ausgingen, umzugehen ... so, wie die, deren Beschaffenheit irgendwie half, niedrigeren Druck zu überstehen, damit zu leben lernten.
Als zu einer Zeit zwei derer, die im grünen Leuchten lebten, sich zum Neuweben zusammenfanden, empfand ihre Wächterin nur tiefes Unbehagen - Unbehagen, das sie nicht verstand ... denn das Wasser um die beiden schmeckte nach Abschied und fühlte sich für ihr Gespinstorgan auch danach an, obwohl kein jagendes Wesen in der Nähe war ... dessen typische Vibrationen fehlten ... Die Wächterin prüfte das Wasser, wieder und wieder, und schließlich verrieten ihr die hauchfeinen Stränge, daß das Gefühl von Vergeblichkeit und Sterben aus dem Inneren einer der beiden Webenden kam, und zwar von der Tragenden.
Einem Impuls folgend, richtete die Wächterin die Hälfte ihrer Gespinstfäden auf die Tragende, berührte sie mit ihnen - und drang damit in deren Inneres. Die Tragende signalisierte violett-grüne Verwunderung, mit Gelb in den Augen für „angenehm”.
Die Wächterin suchte ... und prüfte ... und fand, wovon der Geschmack des Sterbens ausging ... von den Winzigen, die soeben gewoben waren ... so, wie sie beschaffen waren, würde keines in der Tragenden gedeihen, um lebendig in die Wasser entlassen werden zu können ...
So nicht.
Aber ...
Ihre Gespinstfäden drangen tiefer vor, ins Innerste der winzigen neuen Geschöpfe.
Zelltief.
Bis sie berührte, was Werden formte ...
Und sie griff zu und entflocht, was zusammengewoben war, glättete, wendete und flocht neu ... Trennte, was verstopfte, viel zu kleine Kiemenspalten bedeutet hätte, und verband, was funktionierende Kiemen auf viel breiterem Rücken bedeutete, als sie selbst ihn hatte ... trennte, was fingerlose, zusammengewachsene Doppelflossen geworden wäre, und fügte zusammen, was gesunde Flossen, wenn auch von ungewohnter Form, hervorbrächte ... trennte, was zu einem Rumpf geführt hätte, dessen kraftvoller Fortsatz nur ein Stumpf geworden wäre, und verband, was ihn zwar etwas kürzer als normal, aber anderthalb mal so breit würde werden lassen ...
Trennte - und verband ...
Und Tragende, Gebende und die erste Sortierende, die je diese Aufgabe übernommen hatte, spürten zelltief, daß ihre so geordneten Neugewobenen - leben würden ...
Und sie kommunizierten darüber mit den Ihren, mittels leuchtender Muster, Membrangesängen und Gespinstorganen ... und wann und wo ab diesem Zeitpunkt auch neugewoben wurde, wachte die Wächterin nach außen - und nach innen ... Die Strahlung verbog, verdrehte, verkrümmte und ließ verkümmern oder wuchern - die Wächterin trennte und verband ... sortierte ...

Zeit verging. Das Innere Jaridias war zur Ruhe gekommen. Die tiefen Ströme, die die Meere in Bewegung hielten, hatten längst begonnen, das grüne Leuchten zu verteilen und damit auszudünnen ... es hielt sich nur sehr, sehr wenig davon in den Schichten, in denen die Gebliebenen lebten, sich vermehrten und immer neu den Gegebenheiten anpaßten ... langsam wurde ihr Volk wieder größer - und jede Generation Neugewobener lebte besser und länger als die vorherige. Die Sortierenden fühlten immer deutlicher und intensiver, was gebraucht wurde für ihr Volk, ihr Ganzes ... Was jeder kommenden Generation neue Vorteile einbrachte im Überlebenskampf, war ein ständiges Komplexerwerden des Denk- und Nervengewebes - je höher dessen innere Ordnung war, desto fähiger im Davonkommen waren dessen Träger ... um so besser konnten sie in das Ganze hinein fühlen und dessen Signale interpretieren ... um so feiner und genauer sortieren, auf daß die nächsten Neuzuwebenden noch größere Chancen, noch mehr Möglichkeiten hätten ...
Und dann kam die Zeit, daß in einer Generation Gebliebener der Grad der Ordnung erreicht war, der - waches Bewußtsein möglich machte.
Jaridia, die Welt, die sich so sehr nach Erwachen gesehnt hatte, trug Bewußte ... und spürte und verstand mit einem Mal das Ganze, dessen Teil sie war und das sie willkommen hieß ... und die Bewußten spürten sie, die sie wiegte in ihren Tiefen, wußten sich verbunden, und feierten das Leben und ihre Welt ...
Und trauerten um die, die sie spürten jenseits der Wasser, hoch oben, ihnen selbst fern ... die Entschwebten, die Verlorenen ... die, die geflohen waren vor dem grünen Leuchten, die gelernt hatten, in niederem Druck zu leben, die höher und höher geflüchtet waren - bis nichts, in dem das Licht, das Abschied brachte, glomm, mehr ihre Glieder benetzen konnte ... Aus dem Wunsch heraus, zu überleben, hatten sie gewählt - hatten sich für das Land entschieden ...
Aus den Gebliebenen, die sich ihrer verstrahlten Umgebung angepaßt hatten, waren die Dindaei geworden, aus den Geflohenen, die gelernt hatten, ohne die Umarmung der Tiefen zu leben, die Sechsgliedrigen.
Und da Wissen die Wasser prägt, hatten letztere gespürt, durch all die Zeit, da sie noch im Wasser existierten, daß mit den Gebliebenen Besonderes geschah ... Besonderes, das ihnen verwehrt blieb, denn ihre Anpassung an höhere Meeresschichten und niedrigen Druck war rascher erfolgt als die Anpassung der Dindaei an ihre neue Umwelt ... für die Geflüchteten gab es keinen Weg zurück ...
Ebenso wenig, wie es für die Gebliebenen einen Weg an Land gab ...
Tiefe Sehnsucht prägte von da an beide Völker - die Sehnsucht nach Kontakt zueinander, nach Wiederbegegnung ... und die Dindaei wünschten sich Mittler, die in der Lage wären, aufzusteigen und Kontakt zu den Sechsgliedrigen aufzunehmen, woraus später der Wunsch nach Mittlern auch für den Kontakt mit den Jaridians erwuchs ... und die Sechsgliedrigen sehnten sich danach, so zu sein wie die, die sie zurücklassen mußten, weil sie glaubten, dann könnten sie zu ihnen zurück ...
Sie sehnten sich nach Bewußtsein, ohne zu wissen, worum es dabei ging, aber in der instinktiven Vorstellung, wären sie so wie die im Meer, könnten sie dorthin zurück ...

Es war der Überlebenskampf im grünen Leuchten, der die Dindaei hatte bewußt werden lassen.
Die aus dem Dunklen und ich ließen gleichzeitig das Bild der Meereswelt im Kontakt aufscheinen, gefolgt von dem Eindruck je dreier sich an uns klammernder Sechsgliedriger, die dieses Bild mit der Zunge berührten.
Das also suchten sie ...
Das also suchten sie in jedem Geschöpf, das sie in ihren Blicken ertrinken ließen - etwas, das ihnen - Bewußtsein verschaffen könnte ... Bewußtsein, um so zu sein wie die in den Wassern ... um zurückkehren zu können zu diesen ...
Und das war, was sie finden konnten auf der Welt, für die die Gefährtin des Heilers die Vielen mit in den Abschied genommen hatte ... Für einen winzigen Moment tauchte das Bild eines steinigen Strandes in der Berührung auf, an dem sich gerade ein Mittler aus braunen Fluten erhob. Dort, wo flockiger Schaum anzeigte, daß das Meer gerade noch den Stein überspült hatte, hockte auf seinen untersten Gliedmaßen ein Sechsgliedriges, und als es den Mittler wahrnahm, hüpfte es ihm entgegen, die mittleren Krallenhände nach ihm ausgestreckt und schließlich, als es ihn erreicht hatte, die ‚Finger’ an seinen beiden unteren Flossen damit umschließend. Die Augen beider Lebewesen leuchteten strahlend gelb, und dann erklangen gleichzeitig zwei tiefe Stimmen, eine zwei Achtton-Schritte unter der anderen ...
Dann wurde der Eindruck fortgeschwemmt, von einer raschen Folge von Gedankenbildern, die wieder vom Hüter der Wasser-Gesänge ausgingen - und sich sehr konkret auf die Evakuierung der Dindaei und der Sechsgliedrigen bezog ... Angehörige seines Volkes betteten scheinbar bewußtlose Dindaei, immer drei zusammen, in den Tiefen der Meere Jaridias in die riesigen Reisebehältnisse, die wir bereits in den Gedanken des Heilers gesehen hatten, und verschlossen diese ... Wasservolk-Angehörige und Mittler hielten sich in ungewohnt und neu schmeckenden Wassern bereit, ebenfalls immer zu dritt --und ein Strom aus Licht erhellte die Tiefe, und unzählige dieser Behältnisse waren plötzlich da ... das Innere eines umgerüsteten Sokhara-Kreuzers, in dem dicht an dicht diese Behältnisse standen, in nur schwach erleuchteten Räumen - und überall darunter, darüber und darum herum kletterten und hüpften Sechsgliedrige ... es gab keinen einzigen losen Gegenstand in diesem Raum, im gesamten Schiff nicht, und die Brücke war mit schweren Schotts gegen den Rest des Kreuzers abgeriegelt ... ein Windvolk-Angehöriger und eine aus dem Volk derer im Dunklen, die gemeinsam ein riesiges Stück mit einer Unmenge von irgend etwas vollgestopftes Stück Bekleidungsmaterial durch die Gänge schleppten, damit vor einer Tür anhielten und diese per Knopfdruck öffneten - und sofort von heraus drängenden Sechsgliedrigen umringt und angesprungen wurden ... sie verschwanden mit ihnen im Inneren des Raumes, wo sie den Inhalt ihres Bündels auf dem Boden ausleerten - Nahrungsriegel, Pflanzenteile, Ph'taalfrüchte, Kristallbrocken ... woraufhin die flinken grazilen Wesen von ihnen abließen und sich dem zuwandten, was die beiden gebracht hatten.
Die zwei verließen den Raum wieder, sorgsam die Tür hinter sich verschließend. „Du kannst wirklich beruhigt sein”, meinte die Erdvolk-Angehörige zu dem, den der Wind trug. „Wir haben mehr als genügend Vorräte ... die Konzentratriegel halten sie vier Hell- und drei Dunkelphasen lang satt ...”

In das glitzernde Blaugrün, das all diese Bilder getragen hatte und immer noch den gesamten Kreis durchsprudelte, wob sich allmählich eine andere Farbe ...ein wolkiges, trübes Grau, das vom Verwalter ausging und Freude, Bewegung und Planen im Kontakt massiv dämpfte. Wir wandten uns ihm zu, das Grau behutsam und fragend berührend - es bestand aus einer Art merkwürdigem Widerwillen, hinter dem etwas Altes, schmerzhaft Vertrautes lag und tiefe Sorge. „Es ist wirklich ehrenhaft, daß Euch alle Bewohner Jaridias gleich gelten und Ihr Zukunft wünscht für sie”, meinte er, spürbar bemüht, den unter dem Wolkig-Trüben schwelenden Zorn nicht spürbar werden zu lassen. „Aber ich befürchte, daß Ihr etwas aus den Augen verloren habt - nämlich die Tatsache, daß die Ressourcen dieses Imperiums nicht nur nicht unbegrenzt, sondern außerdem größtenteils gebunden sind - gebunden an der Front, im Einsatz gegen die Taelon ...” Kaltes Blau war es, gegen das das Grau sich mehr und mehr verdichtete. „Ihr müßt verstehen - bei aller Rücksicht auf Eure Art zu denken - daß ich, als der, der diese Ressourcen für die Seinen verwaltet, alle Rettungsversuche für diese Meeresrasse und ihre landplagenden Verwandten zurückstellen werde, bis gesichert ist, daß die Meinen Jaridia verlassen haben, bevor sie zur Gefahr wird.”

Blaugrünes Glitzern erlosch, und der Schmerz, der im Brustkasten des Wassergesangshüters aufklaffte, nahm mir den Atem. Die aus dem Dunklen weitete ihre Energie und hüllte den aus den Tiefen und den Verwalter in tiefrote Wärme. Ich ließ beiden Sonnenhell zuströmen, nicht überrascht, daß das Grau es zurückwies - dieses Grau, das, im Gegensatz zu mir, kein Grün und Braun mit Spuren von Gelb und Gold wahrnahm, die es hielten und umflossen ... dieses Grau, das die Energie des Verwalters bestimmt hatte, bevor er hatte heilen können, was jetzt, angesichts einer Bedrohung für die Seinen, die so existentiell war wie die durch die Taelons, erneut in seinem Inneren emporflutete ... Furcht, die ihm selbst nicht bewußt war ... Todesangst vor dem Anblick kalten Blaus ...
„Du brauchst Dich um Ressourcen, die die Deinen in Sicherheit bringen, nicht zu sorgen.” Die Stimme dessen aus den Tiefen klang so rauh, als habe er mehrere Hell- und Dunkelphasen ohne Kontakt mit seinem Element verbracht. „Die Dindaei wissen um Euer Bedrohtsein, sie wissen, daß Ihr um Euer Überleben kämpft. Ich denke, ich kann es nicht genau einschätzen, aber mehr als zwei Eurer großen Kreuzer wird es nicht brauchen, um ihre Rasse und ihr Brudervolk vor der Auslöschung zu bewahren.”
Der Verwalter schaute ihn überrascht und sehr skeptisch an.
„Die Bewußten in den Meeren bitten darum, wenn es soweit ist, sechsunddreißig der Ihrigen, einhundertundzwanzig der Sechsgliedrigen und drei derer, die zu Wasser sein können und zu Land, in Euren Schiffen fort zu bringen von dieser Welt - das genügt, um beide Völker zu erhalten. Gehen werden die besten Sortierenden, die die Dindaei je hervorgebracht haben - sie werden alles mitnehmen, was dieses Volk ausmacht - und die Mittler werden die Sechsgliedrigen lehren, wie man sortiert ... Alle übrigen werden mit Jaridia in den Abschied gehen, und bis dahin sind die Deinen fort und bewahrt ...”
Die übrigen Jaridians und wir hielten den Atem an.
„Es braucht lediglich zwei Kreuzer? Gut, das kann ich ohne weiteres ... Was? Was hast Du gerade gesagt?” Das wogende Grau hatte einen sicht- und fühlbaren Riß bekommen, und der Verwalter starrte den aus den Tiefen an, so, wie wir zuvor ihn angestarrt hatten - sehr verwirrt und offenbar nur ganz langsam die Tragweite dessen begreifend, was in die Berührung gegeben worden war.
Grün und warmes Braun und Gelb/Gold drangen sanft in den Riß im Grau. Der Gesichtsausdruck des Verwalters wechselte von Verwirrung zu Verstehen. „Sie sind bereit, zu sterben, damit wir überleben ... sie haben uns dazu gebracht, die Gefahr, die von unserer Welt ausgeht, überhaupt wahrzunehmen, sie haben alles daran gesetzt, uns zu warnen - und stellen unsere Existenz über die der Ihren ... und ich hätte ohne zu zögern ...”
Die Farben Jaridias hatten das Grau aufgelöst. Der Verwalter barg das Gesicht in den Händen und saß einen Augenblick nur da, zitternd.
Die Zweite wandte sich auf ihrem Sitz um und schloß ihren Stammesangehörigen in die Arme. Dieser verkrampfte sich, als wolle er die Berührung abwehren. „Ich denke und handle ohne jede Ehre ... Sie sollten mich ausschließen von all dem hier, es hat keinen Sinn ...”
Ich spürte, wie seine Erinnerungen ihn einmal mehr überfluteten, die Todesangst des Winzigen, das beinahe vernichtet worden wäre, der Zorn, der ihm später erfolgreich dagegen beigestanden hatte, die unbedingte und ausnahmslose Hingabe für die Seinen, außer denen nichts zählte für ihn, nicht einmal das eigene Leben ...
Wäre es um den allerletzten Platz auf dem letzten Evakuierungsschiff der Flotten seines Volkes gegangen und er hätte entscheiden müssen, ob diesen ein Jaridian oder eine Dindaei bekäme, hätte er ihn dem Jaridian gegeben, notfalls gegen dessen erklärten Willen.
Hätte er die Entscheidung fällen müssen, ob er selbst oder das vor ihm hockende und ihn anstarrende Sechsgliedrige diesen Platz bekäme, hätte er ohne zu zögern und ohne ein Wort dieses Wesen an Bord des Schiffes gebracht, den Kreuzer verlassen, dessen Eingangsschott hinter sich verschlossen und wäre seiner Wege gegangen.
„Der, der fehlgegangen und geblieben ist, hat gelernt ... hat gelernt, verstanden und muß seine Herausforderung annehmen ...”
Der Verwalter, in den Armen der Zweiten, spürte vorsichtig zu der mächtigen Stimme hin, deren Worte in ihren Grundakkord hinein verklangen. „Bin ich dessen denn wert? Ich, der versagt, immer wieder?” fragte es in ihm, fragte der Teil, der als wertlos hatte verworfen werden sollen vor so langer Zeit - während der Teil, der bereits verstanden hatte, nachzufühlen schien, worin die Herausforderung, von der die Stimme gesungen hatte, bestehen mochte. „Du hast nicht versagt ... Du hast Dich gestellt ... und gelernt ...erklang es in Grün, Braun und Gelb/Gold. „Und das ist, was das Ganze braucht von Dir, einmal mehr ...”
Tiefrot, leuchtendes Weiß, Sonnenhell und vor allem glitzerndes Blaugrün strömten dem Verwalter zu. Die Seinen ließen ihm Grün und Weiß-Violett zufließen, und die Zweite hüllte ihn in Weiß und Gold.
„Wir brauchen Dich”, ließ sie ihn wissen. „Du weißt um so vieles, das getan werden muß, um die neuen Wege gangbar zu machen ... es braucht, was Du bist, dafür ... es braucht Deine Hingabe, Dein absolutes Gespür für Ehre und Wohl des Imperiums ... es braucht all Dein Wissen und Deine Selbstlosigkeit ... ohne Dich ist der Kreis nicht vollständig ...”
In meiner Erinnerung war das Bild der Jaridian, die das Junge, das der Verwalter gewesen war, hochnahm, es an ihrem Körper barg und es anschaute, voller Wärme und unbedingter Annahme, und ich ließ ihm das zufließen.
Und das Verkrampfte gab nach.
Und unsere Energien und der Gesang seiner Welt erreichten ihn wieder ...
Seine Farben, Grün, Weiß-Violett und helles Rot zu gleichen Anteilen, pulsierend und mit zunehmender Kraft, sich ausdehnend und Kontakt aufnehmend ... mit den unseren und denen Jaridias ... und in dem Moment, wo er die spürte, die ihn trug, ihren Halt, ihre Energie, ihre Wärme, waren Furcht, Versagensgefühl und Wertlosigkeit bedeutungslos.
Herausforderung ...
Eine unvorstellbare Zahl seiner Stammesangehörigen.
Eine unbekannte Menge Meeresbewohner, so bewußt wie diese und von gleicher Ehrenhaftigkeit.
Eine Flut sechsgliedriger Geschöpfe an der Schwelle zum Bewußtsein.
Und so viele auf Jaridia einzigartige Wesen, die er nicht einmal kannte, die aber Jaridia bedeuten würden auf all den Welten, die die Seinen besiedelten ... die bewahren helfen würden, was dieser Planet war, würden sie bewahrt ...
Würde sich der vielversprechend begonnen habende Einsatz von Holographie in - sowieso immer seltener werdenden - Raumgefechten bewähren, würde dies enorme Frachtkapazitäten - und Produktionskräfte für neue Schiffe - freisetzen ...
Man müßte herausfinden, wieviel Zeit insgesamt bliebe - wie viele Generationen ...
Die Technologiekundigen und Heiler würden überwiegend eingesetzt werden müssen für die Entwicklung des Tachyonkonverters - und der Kontaktnetze und Dindaei-Reisebehältnisse ... Rohstoffe für die Schiffsproduktion waren zwar nicht auf Jaridia, aber auf den meisten Kolonialplaneten in mehr als ausreichendem Maße vorhanden ... Wie viele Dindaei lebten eigentlich in den Meeren seiner Welt? Hätte er die genaue Anzahl, könnte er bereits jetzt hochrechnen, wie viele in welchem Zeitraum abzutransportieren wären, damit wirklich alle ...
Tiefe, freudige Weite ... Jetzt fluteten Grün, Braun und Gelb/Gold durch uns alle. Ich nahm wahr, wie jeder einzelne im Kreis strahlte, vor allem aber die, auf der wir zu Gast waren, selbst.
„Wenn wir spüren, was uns trägt, geht sich der Weg fast von selbst ...” Das war der aus den Feuern.
Der, der fehlgegangen war und gelernt hatte, hatte seine Herausforderung angenommen.

Aber irgend etwas von dem, was der Verwalter in sich bewegt hatte, ließ das merkwürdige Dringlichkeitsgefühl in mir wieder aufkommen ... der Tachyonkonverter - es war um den Tachyonkonverter gegangen, das überlebenswichtige Werkzeug, das den Taelons helfen würde, ihr Energieproblem zu lösen ...
Energie ... Taelon ... Blau ... mattes, stumpfes Blau ...
Das Gemeinwesen - die Komplexschwingung und das Gemeinwesen ...
Dessen Innerstes würde versuchen, sich von ihr zu trennen, weil diese ‚ganz Neues angenommen’ hätte, Neues, das die Taelons, die das Innerste formten, nicht berühren wollten ... Es galt, die Komplexschwingung zu warnen, und sie zu bitten, die Taelons nicht zu zerstören, indem sie sich aus ihnen zurückzog ...
Ich war auf silberdünnem Pfad durch die Ordnung dorthin gelangt.
Ich setzte den rechten Fuß auf diesen Pfad, und leuchtendes Weiß war im Weg. „Nein ... keine Alleingänge, für niemanden ... Was immer dort zu tun ist, müssen wir gemeinsam tun - einer allein geht in die Irre, und hier bist Du nicht geführt wie auf der Reise in die Zukunft, die hinter uns liegt ...” Der aus den Feuern hatte meine Flügelhände genommen und schaute mich eindringlich an. „Gerade Du müßtest wissen, daß Du diesem besonderen Pfad nicht allein folgen darfst ...” „Ich fürchte dieses Wesen nicht mehr ...”
„Dennoch bist Du ihm gegenüber immer noch viel zu winzig, als daß Du irgend etwas bewirken könntest ...”
Alle anderen hatten uns umringt, in Kontakt.
„Sing von dem, was Du gesehen hast”, bat der auf dem Weg, und ich ließ den Eindruck der Komplexschwingung, die unter Schmerzen einen Strang nach dem anderen aus dem zerbrechenden Innersten des Gemeinwesens der Taelons heraus zog, in die Berührung. „Das darf nicht geschehen ... das bringt nur neues Leid ...”
Die anderen waren über dieses Bild ebenso erschrocken wie ich. Und mir wurde in der Erinnerung an die Vergeblichkeit meiner Bemühungen, die Komplexschwingung irgendwie zu erreichen und sie mit meinem Gesang von dem abzubringen, was sie tat, plötzlich etwas klar.
Wie war ich mit diesem - unvorstellbar fremdartigen - Geschöpf eigentlich umgegangen bisher?
Alles andere als angemessen ... aber ich hatte es nicht besser gewußt ...
Ich hatte mich entsetzlich vor ihm gefürchtet ... ich hatte es rigoros abgelehnt ... ich hatte panisch in ihm agiert ... und es dann für eine lange Zeit nicht einmal mehr anschauen, geschweige denn berühren mögen ...
Gut, ich hatte mich auch bemüht, es zu begreifen ...
Aber ich hatte nicht ein einziges Mal versucht, wirklich mit ihm zu kommunizieren - so, wie ich es mit einem der Meinen tun würde, mit einem Jaridian, einem Zhawi ...
Wäre dieses übermächtige Geschöpf daran überhaupt interessiert? Was hatte ich ihm denn anzubieten, das in ihm Interesse an Kommunikation mit mir wecken würde - Interesse, das über Bewohnen- oder Vernichtenwollen hinausginge?
Was bedeutete überhaupt Kommunikation - aus der Sicht dieses so vollkommen Andersartigen?

 

Ende von Kapitel 42

 

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