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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Dezember 2002
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Wohin der Dritte Weg führt / Taelons: Gefahr aus dem Inneren / Was zu tun sein wird
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  Der auf dem Weg, ein weiterer Atavus, die Gesangshütenden des Erd- und des Wasservolkes, Aveena, der Erste, seine Stellvertreterin, der Verwalter, der Heiler, Trevak, der Sprecher, Jaridia (die Komplexschwingung, Ra'jel)
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 41

 

Den aus den Feuern hatte den Vorwärts-Sog, der uns alle erfaßt und mitgerissen hatte, geradewegs auf diese Welt geschleudert, die er mir jetzt zeigte, und er war ungeschickt, aber sanft gelandet, in heißem, sehr feinem schwarzem Sand ... Noch ehe er die Gelegenheit hatte, sich zu orientieren, näherten sich ihm rasche Schritte, und kräftige rauhe Hände griffen ihm unter die Arme und halfen ihm auf, und dann blickte er in ein dunkles Gesicht mit schwarzen Augen, die groben, kantigen Züge fast wie die eigenen, umrahmt von dunklem Kopffell ... Der Atavus, der ihn aufgerichtet hatte, zog ihn fest an sich und hielt ihn eine Weile so. „Ich habe so lange gerufen ... ich habe so sehr gehofft, daß es gelingt ... Es ist so wichtig, daß Ihr, Du und die Deinen, den Weg nicht verliert ...”
Der auf dem Weg spürte die Wärme und die große Freude dessen, der ihn hielt, auch wenn er noch nicht verstand, und ließ sich von ihm zu dessen aus Ästen, allen möglichen sonstigen Pflanzenteilen und einem unbekannten Material, das offenbar für den Zusammenhalt alles anderen sorgte, gefertigten Behausung führen, dabei erstmals wahrnehmend, daß er sich mit seinem überraschend aufgetauchten Begleiter an einem langen Strand befand, gegen den die Wellen eines tiefgrün wirkenden Meeres anspülten, hellgelben Schaum auf dessen Schwärze hinterlassend. Die Zone, die immer wieder vom Wasser berührt wurde, wimmelte von Bewegung. Jenseits des Sandes, zur Rechten, erhob sich Fels, ebenso dunkel wie dieser und von ungewöhnlich aussehenden, rötlich belaubt erscheinenden Bäumen und zahllosen anderen Pflanzen bewachsen. Außer seinem Begleiter und dessen Behausung war nichts zu sehen oder zu spüren, das auf die Anwesenheit bewußten Seins in der Nähe hingedeutet hätte.
Der Andere trieb ihn zur Eile. „Ich habe Dir und den Deinen so viel zu sagen ...”
Wenig später saßen der auf dem Weg und der Unbekannte in dessen Behausung einander gegenüber, und der Feuervolk-Angehörige hatte jetzt erst die Gelegenheit, den, der gesagt hatte, er habe ihn gerufen, in Ruhe anzuschauen.
Dieser war Atavus, wie er selbst, nur, daß er über einen Kopfpelz verfügte, den die aus den Feuern, die Ersten, die waren, nicht hatten - sie waren fell-los wie etwa die aus dem Dunklen. Der Kopfpelz wies den Anderen eindeutig als Angehörigen des Dritten Weges aus - aber da war so vieles an ihm, das dazu nicht paßte - oder besser, es fehlte Wichtiges an ihm ...
Der Atavus ließ sich die eingehende Überprüfung, der er unterzogen wurde, willig gefallen. Der aus den Feuern strich ihm ganz sanft über das Gesicht, dessen Züge den eigenen so viel ähnlicher waren als denen des Dritten Weges, die durch das Gezeichnetworden -Sein um so viel feiner und weniger kantig geworden waren ... Er fuhr dem Fremden mit den Fingerspitzen über den Körper, nahm dessen Hände in die eigenen und verstand endlich, was ihn so sehr verwirrte: Die Veränderungen fehlten - die physischen Veränderungen, die die des Dritten Weges auszeichneten - und die sie befähigten, jedem beliebigen Wesen dessen Lebenskraft zu entziehen ... Abgesehen von dem ungewöhnlichen Kopffell wirkte dieser Atavus wie einer aus dem Feuervolk.
Der auf dem Weg starrte ihn an, immer noch dessen Hände haltend, sprachlos.
Der Angestarrte blickte zurück, mit solcher Wärme, daß der aus den Feuern innerlich weit wurde. „Ich habe Dich gesehen auf Deinen Wegen durch die Gefüge der Ordnung ... und sie hat mich wissen lassen, daß ich Dich rufen muß - weil Du mein ferner Verbündeter bist, der, wie ich, wünscht, daß eins wird, was einst eins war ... weil Dein Weg und der meine, der der Deinen und der Unseren, hierher führt, hierher auf diese Welt - auf der uns die Getrennten willkommen sind wie die Vereinten ...”
Dem auf dem Weg schlug das Herz bis zum Hals, und er hatte zu strahlen begonnen, und der fremde Atavus strahlte zurück. „Laß uns gemeinsam in die Ordnung schauen - laß uns zurück schauen und voraus, damit Du denen, die mit Dir reisen, und später den Deinen die Wege weisen kannst ...”
Die Beiden nahmen, einander gegenüber, ihre besondere Haltung der Konzentration ein, sitzend, die Beine ineinander geschlungen, sehr aufrecht. Der Atavus, der die Behausung hier bewohnte, ergriff jetzt seinerseits die Hände dessen auf dem Weg, so daß dessen rechte in seiner linken ruhte und umgekehrt. „Laß uns gemeinsam schauen ...”
Sie blickten einander in die Augen, gleichzeitig in den Vierer-Atemrhythmus verfallend, der den Zustand intensiven Fokussierens, der das Schauen in das Ganze sehr erleichterte, induzierte ...
... und standen nebeneinander auf dem Silberband der Zeit, nach rückwärts schauend, in die Vergangenheit.
„Du mußt verstehen ... Ihr dürft die Freiheit derer, die sich Menschen nennen, nicht verletzen ... Genügend der Meinen, genügend der Nichtgezeichneten und alle der Euren, unterstützt von denen, deren Welt Dein Volk erwartet hat seit Anbeginn ihres bewußten Seins, haben erinnert und geheilt, was ihnen tiefster Schmerz war - und haben damit den geschlossenen Kreis der Vier geöffnet in die vier Wege ... Das vierte Mal birgt die Lösung - das gilt jetzt nicht mehr für die Getrennten, denen diese vier Wege offenstehen, sondern für den verlorenen Teil der Meinen und für die Verletzlichen selbst ... Wären Getrennte bereit, zu helfen, gelingt die Lösung leicht - greifen die Getrennten ein, ohne verstanden zu haben, gibt es neues Leid ...”
Anspannung und Dringlichkeit waren in Stimme und Haltung des Fremden, den der aus den Feuern zu kennen glaubte seit Anbeginn der Zeit.
„Schau mit mir zurück, um zu verstehen, und dann voraus auf den Weg ...” Der bepelzte Atavus vollführte die vertraute Geste und sang das wohlbekannte Wort.
Die Szene, die sich darbot, erkannte ich sofort wieder.
Die des Dritten Weges bepackten ihr Raumschiff auf ihrer, der Taelon und der Jaridian Ursprungswelt ... brachen auf, um für die Ihren eine Welt zu finden, die sie ihrem Pfad folgen ließ, unbehelligt von dem Anspruch, ihre Physis ablegen und reinen Geistes werden zu müssen, unbelästigt von den Nichtgezeichneten, die jeden Übergriff auf die Ihren mit derartiger Härte abwehrten, daß sie als Energielieferanten nicht mehr in Frage kamen ... Im Aufbruch brachten sie zwei der Lebenskraft-Vorratsbehältnisse der „Vergeistigenden”, wie sie die werdenden Taelon mit abfälligem Unterton nannten, und deren gigantisches Konvertierungswerkzeug, die Komplexschwingungsmatrix, an sich, gingen mit ihrem Schiff in einen Orbit um ihre ehemalige Heimat, legten eine grobe Reiseroute fest und brachen auf ins gestirnte Ungewisse.

Ihr Flug dauerte lang. Als sie die Welt gefunden hatten, auf der sich jetzt der Feuervolk-Angehörige und der andere Atavus in tiefer Konzentration befanden, war es auf dem Schiff sehr eng geworden, und sie hatten das Konvertierungswerkzeug benutzt, um aus der Taelon-Energie in den Behältnissen wieder atavistische Energie zu formen - sie hatten feststellen müssen, daß die mitgeführten Vorräte in Taelon-Qualität eine derartige Aversion - physische Reaktion eingeschlossen, die an das Aufgenommenhaben von Krankmachendem erinnerte - auslösten, daß sie außerstande waren, sie zu konsumieren; es war sogar äußerst schwierig gewesen, überhaupt einige der Ihren zu finden, die in der Lage waren, den Rekonversionsvorgang durchzuführen.
Sie machten sich über den Planeten her wie Ph'taalkäfer-Raupen über einen schwachen Jungbaum. Das Raumschiff und die Energie-Vorratsbehältnisse wurden vom Ranghöchsten unter den Ihren - sie hatten sich seltsamerweise eine ähnliche Art der Ordnung gegeben wie es später die Jaridians tun würden - für Ihresgleichen unwürdig erklärt - konservierte Energie taugte nicht für starke, vitale Geschöpfe, wie es die des Dritten Weges waren - nicht, wenn die frische Lebenskraft einer ganzen Welt zur Verfügung stand ...
Als sie die beiden Rassen, die Bewußtsein, wie wir es kannten, am nächsten waren, fast ausgerottet hatten, kamen einige ihres Pfades ins Denken - ins Denken darüber, was wäre, wenn nicht nur diese, sondern auch alle anderen Lebewesen auf dieser Welt verbraucht wären - das einzige Raumschiff, das vorhanden war, reichte nicht, den Planeten zu evakuieren, und auf das Bauen neuer Schiffe hätte sich niemand, der imstande war, zu jagen, auch nur im Traum eingelassen ...
Zum Erhalt ihrer Physis war es nicht notwendig, anderen Wesen Energie zu nehmen, dafür genügte stoffliche Nahrung. Aber zum Erhalt und zur immer weiteren Ausdehnung ihrer Lebensspanne war es unabdingbar ...
Ein unsterbliches Volk, das nichts anderes tat, als Lebenskraft zu konsumieren und zu expandieren? Dessen unsterbliche Nachkommen weitere Unsterbliche hervorbrachten, die Energie wollten, um unsterblich zu bleiben?
Einer der Ihren begann, sich wieder mit dem auseinander zu setzen, das - leise und von den meisten gänzlich unbeachtet, in ihnen allen sang - mit der Komplexschwingung ...
Die des Dritten Weges waren gezeichnet wie die Taelon, aber sie bedienten sich, ohne jedes Bewußtsein darüber, ganz anderer Stränge derselben als diese ... Und der, der wieder begonnen hatte, nach innen zu lauschen, auf der Suche nach Antworten für die Seinen, um deren Fortbestand er sich zu sorgen begonnen hatte, fand lange Vergessenes - die verschiedenen Bedeutungen des Wortes ‚Leben’ ... Leben, sein Volk wollte leben, leben und mehr werden, immer mehr ...
Beides ließ sich vereinbaren, fand er heraus.
Vereinbaren unter einer Bedingung.
Unter der Bedingung, daß das Abschiednehmen derer, die bereits eine Weile gelebt hatten, als Bestandteil des Lebens als solchem akzeptiert wurde ...
Das, was sein Volk vermied, indem es den Abschied allen anderen Lebens auf dieser Welt erzwang ...
Was würde sein, gäbe es niemanden mehr auf dem Planeten - außer den Seinen?
Würden sie dann einander jagen, bis niemand mehr übrig wäre?

Würden sie aufhören, die Lebensspannen anderer Wesen der eigenen hinzuzufügen und nur ihre Physis erhalten, so würde sich diese nach und nach verändern - schwächer werden und weniger leistungsfähig - sie würde altern, ihr Innerstes immer mehr die Ordnung verlieren, bis man schließlich Abschied nahm.
Würden sich immer mehr seines Volkes darauf einlassen, könnten sie als Rasse überleben ...
Die eigene Lebensweise ändern, um das Leben des Ganzen, das sie waren, zu erhalten ... was für ungewöhnliche Gedanken ...
Und der, der sie zuerst zu denken begonnen hatte, bemerkte, daß ihm das so schwer gar nicht fiel ... er hatte jetzt etliche Hell- und Dunkelphasen lang niemandes Energie mehr an sich gebracht - und stellte fest, das Einzige, was ihm fehlte, war physische Nahrung ... er beschaffte sich ein paar der großen roten Früchte, die, von den meisten der Seinen gar nicht wahrgenommen, an den überall wachsenden stachligen, knorrigen Sträuchern hingen, begann, davon zu essen, und lauschte weiter auf das Lied in sich ...
Nach und nach wurden schließlich seine Stammesangehörigen auf ihn aufmerksam, auf ihn und sein seltsames Verhalten, und auf ihr Nachfragen berichtete er von seinen Sorgen, seinen neuen Gedanken und den neuen Erfahrungen, die er gerade machte - dem Dasein ohne das Erleben, anderen Wesen die Energie zu nehmen und den neuen Gefühlen, die das mit sich brachte ... Er war sich gar nicht sicher, ob er überhaupt noch einmal einem Geschöpf, womöglich sogar einem halb bewußten, die Lebenskraft würde nehmen wollen - der Schmerz und die entsetzliche Angst, die es dabei ausstrahlte, löste in der Erinnerung nur noch Aversion bei ihm aus ...
Einige der Seinen erkannten den Sinn in seinen Überlegungen - die Vorausschauenden unter ihnen. Die übrigen verspotteten ihn.
Die, die ihm zustimmten, begannen, seine Lebensweise zu erproben und fanden sie passender und ihrem Ziel - der Erhaltung ihres Volkes - dienlicher als die bisherige. Und die Veränderungen, die sie mit sich brachte - den wärmeren, liebevolleren Zusammenhalt unter Ihresgleichen und ein intensiveres, besseres Gefühl füreinander - und plötzlich auch für anderes Lebendiges - begrüßten sie ...
Andere wurden neugierig auf das Angenehme, das die Seltsamen da miteinander teilten, erprobten es - und blieben dabei ...
Das Leben, das die weiter dem Dritten Weg in Reinheit Folgenden bejagten, wurde zäher, spärlicher und immer schwierigere Beute.
Teils mit Überlegung, teils gezwungenermaßen betraten mehr und mehr Atavi den neuen Weg - den des Verzichtes um des Gewinnes willen ...
Und schließlich stellten diese die Mehrheit des Volkes auf dieser Welt.
Die den Weg des Verzichtes schon lange gingen, hatten sich vermehrt, sich verabschiedet, vermehrt und verabschiedet ... und sich zu verändern begonnen ... ungenutzt verkümmerten die physischen Voraussetzungen, die es brauchte, um die Lebenskraft anderer zu konsumieren, und in jeder Generation tauchten mehr Individuen auf, die darüber gar nicht erst verfügten.
Und zuletzt blieb eine Gruppe übrig, nicht viel größer als die, die damals von der Heimatwelt der Taelons und Jaridians aufgebrochen war, die konsequent beim Dritten Weg blieb. Stolz und unbeugsam, nicht bereit, auf die Erfahrung des Nehmens zu verzichten ... und als diesen die Beute endgültig auszugehen drohte, begannen sie, Ihresgleichen zu jagen - Ihresgleichen, die den Dritten Weg verlassen hatten ...
„Schwach seid Ihr geworden, nichtsnutzig und des Lebens nicht würdig ...” In den schwarzen Augen ihres Anführers Howlyn stand die gleiche Kälte wie in Ramaz' Augen vor so langer Zeit. Er und die Seinen waren von denen, die verzichteten, gestellt und zusammengetrieben worden. „Ihr habt alles verraten, um dessentwillen wir aufgebrochen sind, um das Universum zu dem unseren zu machen ...”
„Schweig, Howlyn.” Das war der Führende derer, die Verzicht übten, und ich bemerkte überrascht dessen Ähnlichkeit mit dem des Dritten Weges - als sei Howlyn eine viel jüngere Ausgabe des Ersten der Verzichtenden. „Du und die, die Dir folgen, habt nicht länger einen Platz auf dieser Welt. Ihr bringt Leid über Euresgleichen, weil Ihr nicht erkennen wollt, daß der Weg der Gier ins Nichts führt für uns alle ... wir haben daher beschlossen, daß Ihr Euch neue Heimat suchen müßt - von der unseren seid Ihr verbannt, wir dulden Euch nicht länger hier ... Nehmt das Schiff, nehmt die Energiebehältnisse und dieses unaussprechliche Werkzeug mit Euch - für all dies ist hier kein Platz mehr ...”
„Es wird uns ein Vergnügen sein, Euch Schwächlinge auf dieser elenden, ausgesogenen Welt zurückzulassen - Ihr werdet eingehen wie verwelkende Pflanzen, und wir treten den Triumphzug an durch die Galaxien ...”
Wenig später waren die Letzten des Dritten Weges wieder im All unterwegs.
Ihr Flug dauerte lang ...

Der Pfad, auf dem der aus den Feuern und der andere Atavus standen, hatte sich geteilt, und der des Dritten Weges führte auf den Planeten der Menschen zu - um dort zu enden?
Die, die nicht verzichten wollten, landeten dort, richteten sich ein und kamen über diese Welt, wie sie damals über ihre neue Heimat gekommen waren ...
Bereichert um das Wissen, das sie in ihrer Zeit dort erworben hatten, gingen sie dieses Mal jedoch anders vor. Die Lebenskraft Halbbewußter - oder gar Bewußter - die Erfahrung hatten sie durch die Jagd auf Ihresgleichen gemacht - war um vieles befriedigender aufzunehmen und fügte der eigenen Spanne etliches mehr hinzu als die Nicht- oder Kaumbewußter, daher nutzten die Findigsten unter ihnen das Lied, das in ihnen sang, um heraus zu bringen, wie man Lebewesen möglichst rasch über die Schwelle zu vollem Bewußtsein brachte - und sie begannen zu experimentieren ... Die Meistversprechenden unter den zahllosen Arten, die diese Welt bevölkerten, waren kleine, flinke, pelzige Geschöpfe, die auf Bäumen lebten und deren großäugige Gesichter eine seltsame Ähnlichkeit mit denen Verletzlicher aufwiesen ...

Mir wurde sehr kalt in den Armen des Feuervolk-Angehörigen, der mich fester an sich zog. „Schau weiter mit mir ... wir müssen verstehen ...”
Und wir tauchten ein in die nächste Abfolge von Bildern. Ein Wesen, das denen, die sich Menschen nannten, bereits um vieles ähnlicher war als in den Eindrücken zuvor, floh mit Entsetzen in den Augen vor jemandem des Dritten Weges, der es rasch einzuholen drohte ... Das Bild wurde überlagert, überlagert von dem Anblick des Raumschiffs, das die, die sich um Howlyn geschart hatten, auf den Planeten der Verletzlichen gebracht hatte. Der Anführer des Dritten Weges saß darin auf dessen Brücke, zusammen mit einigen der Seinen, vor einem merkwürdig geformten Bildschirm, der den Raumsektor zeigte, in dem sich ihre neue Heimat befand, die durch einen blauen Kreis dargestellt war, mit ihren Schwesterwelten um ihre Sonne tanzend. Im rechten unteren Winkel des Schirms flimmerte eine Unzahl winziger Punkte, die sich offenbar genau auf sie zu bewegten.
„Wir beobachten das hier jetzt schon einen halben Zyklus lang”, meinte der Erste seines Pfades. „Die Meteoriten behalten ihren Kurs bei - sie werden in diese Welt hier einschlagen wie ein Schiff, dessen Abbremsvorrichtungen außer Funktion sind - und sie werden sie für immer verändern ... es wird kalt werden, unvorstellbar kalt ... und das würde keiner der Unseren überleben, egal, wieviel Energie wir vorher an uns brächten. Es gibt nur eine Möglichkeit, auf diesem vielversprechenden Planeten zu überleben, bis uns bessere Zeiten beschieden sein mögen - die Stasis ...”
Der Eindruck verschwand und wurde ersetzt durch den nächsten. An einer Art sehr kleinem Mitte-Lager stand, sich sehr aufrecht haltend, ein junger Atavus - den ich kannte.
Vom dem Taelon-Mutterschiff, das all diese Geschöpfe auf unserer Welt abgeladen hatte ...
Den der Jaridian, mit dem meine grünfellige Stammesangehörige gesprochen hatte, ‚Yulin’ genannt hatte ...
Auf dem Mitte-Lager war eine deutlich Ältere seines Stammes ausgestreckt, die ihm, Trauer in den Augen, über das Gesicht strich. „Behalte in Dir, was Du zu spüren gelernt hast - daß jedes Leben wertvoll ist um seiner selbst willen ... daß es sich gut anfühlt, anderes Leben wie das eigene zu achten ... erinnere Dich daran, wie dieses Wesen reagiert hat, als es verstand, daß Du es und sein Junges nicht nur verschont, sondern sogar geschützt hast vor den anderen ...”
Sie schloß für einen Moment die Augen. „Ich wünschte mir so sehr, es hinge nicht so viel von Dir ab ... Ich würde Dir so gerne abnehmen, was Du zu tragen haben wirst, aber ich kann Deinen Weg nicht statt Deiner gehen ...”
Der junge Atavus schaute sie an - und durch sie hindurch. „Du hast es mir beigebracht ... wer auf das Nehmen verzichtet, kann lernen, in das Ganze zu schauen ... Ich werde die Meinen nach Hause bringen.”
Die Ältere legte ihm die Fingerspitzen der rechten Hand auf die Brust. „Das wirst Du.”

Der Eindruck löste sich in Silbriges auf, aus dem sich in rascher Folge Bilder formten, die einander sehr ähnlich waren - merkwürdig geformte Behältnisse, in denen, ganz still und mit geschlossenen Augen, Atavi ruhten, junge und älter wirkende, männliche und weibliche ... es war dunkel um diese Behältnisse, dunkel und kalt und ohne jedes Geräusch ...
Und all das wurde überflutet von Feuer - von Feuer, das niederging auf eine schlafende Welt ...
Zeit schien zu vergehen, und der Eindruck, der dann auftauchte, erinnerte mich so sehr an einen wohlbekannten, der uns Hoffnung und Furcht - Furcht vor dem Mißlingen - geworden war, daß ich eine Flügelhand ausstrecken und ihn berühren mußte - vier Menschen um ein großes Feuer, das in einen blaßblauen, wie gefroren erscheinenden Himmel loderte ... allerdings waren diese Menschen in vielschichtiges Bekleidungsmaterial - nein, das waren Felle, Felle von Lebewesen - gehüllt, und umgeben waren sie nicht von Gras und Sträuchern, sondern von gefrorenem Wasser ...
Dann standen nur noch der auf dem Weg und der andere Atavus auf dem Pfad, der die Welt derer, die verzichten gelernt hatten, um zu gewinnen, mit der der Verletzlichen verband.
„Die, die sich Menschen nennen, haben wir in unsere Geschicke verwoben - und auch die Getrennten werden ihre Wege berühren ... wenn die, die das tun, nicht in Achtung davor handeln, führt es sie ins Nichts ... und wenn die Verletzlichen nicht achtsam sind, werden sie vernichtet - von denen, die nicht wagen werden, den Weg des Schreckens zu verlassen ...” sagte der Fremde, mit der Stimme der Wahrheit in den Feuern.
Und dann saßen er und der auf dem Weg wieder in der Behausung und blickten einander in die dunklen Augen, der Feuervolk-Angehörige voller Sorge, der andere voller Wärme.
„Was müssen wir tun, um die Verletzlichen bewahren zu helfen?” fragte der auf dem Weg.
„Folgt Eurem Pfad, Ihr alle”, antwortete der Andere. „Zeigt den Getrennten die neuen Wege ... warnt die Verletzlichen, wieder und wieder - ich weiß, daß die, die einst Nichtgezeichnete waren, dies schon getan haben, ungewiß, ob ihre Botschaft angekommen ist ... folgt Eurem Pfad, in der Gewißheit, daß der des Schreckens, dank dessen, was Ihr bereits gefunden habt, der schmalste und beschwerlichste von allen geworden ist.”
Gleißendes Silber durchbrach auch diesen Eindruck und löste ihn auf, und der aus den Feuern und ich befanden uns wieder auf dem Halbkreis-Mitte-Lager, einander haltend. Ich war mir nicht sicher, ob ich alles verstand, was ich mit ihm zusammen geschaut hatte, aber ich verstand, warum Freude in ihm war und Wärme und Lebendigkeit - weil ein großer Teil der Seinen von dem furchtbaren Weg, den sie eingeschlagen hatten, abgekommen war und Zukunft hatte auf einer lebendigen Welt ... und weil ihm einer dieses Volkes gezeigt hatte, daß der Weg des Schreckens, den Taelons und Jaridians bisher beschritten, von den meisten der Ihren verlassen werden würde ...
„Das, was bisher gefunden wurde, hat für die Unseren den Kreis der Vier geöffnet in die vier Wege ...”
Erste, ihr So-Sein Bewahrende, Verzichtende und Vereinte ... Taelons, Jaridians, Atavi und Verletzliche ...
Miteinander?
In Frieden?
Ein lebendiges, vielfarbiges Gewebe, leuchtend und in Bewegung ...

Grün und Braun, Gelb und Gold umfluteten uns, alle anderen Eindrücke ausblendend und fortwaschend, und als sich das zurückzog, nahmen der aus den Feuern und ich nicht nur die Energien der anderen wieder wahr, die, von ihrer jeweiligen Reise zurück, jetzt mit uns nach und nach erneut einen Kreis formten, sondern auch deren und unsere - sehr verausgabten - Körper ...
Begeisterung, Hunger, Freude, Erschöpfung, Verstehen, Sorge und eine Flut von Bildern waren da, als der Kontakt geschlossen war, und etwas an Jaridias Gesang war anders ... anders als zuvor ... ich hatte mit einem Mal nur noch den Wunsch, mich auf diesem warmen, tragenden Klängen auszustrecken , die Flügel weit ausgebreitet wie auf einem Aufwind schwebend, und mich nie wieder auch nur rühren zu müssen ... Ich fühlte, wie sich Herzschlag und Atmung dessen aus den Feuern verlangsamten, während er sich in die weichen Flocken sinken ließ ... wie die Zweite sich auf ihrem Sitz zusammenrollte ... wie dem Verwalter die Augen zufielen ...
Es war, als hielte uns diese Welt, wie ich Nichtflügge zwischen die Flügel nehmen und halten würde, die gerade erst die Krone erklettert hatten und sich in mein Fell klammerten - als hielte sie uns und wiege uns in den Schlaf ...

Durch dünnen, glitzernden Nebel war ich unterwegs auf schmalem silbrigem Pfad, auf ein Unbehagen zustrebend, das es zu beheben oder wenigstens zu lindern galt ... und jenseits des Nebels lag der Eingang zu einer gigantischen blauen Höhle, in deren Weite und Kälte ein vieltausendstimmiger Akkord vibrierte ...
Die Komplexschwingung.
Und das zunehmende Unbehagen, das ich empfand, ging von ihr aus ... Etwas geschah mit ihr, das sie nicht wünschte ... etwas, das sie in ähnlicher Form immer wieder einmal erlebt hatte, aber noch nie in diesem Ausmaß ...
Meine Reflexe hatten schon reagiert, und meine Energie strömte ihr zu, während ich das Blau, das sie war, vorsichtig mit den Flügelhänden berührte. Und übergangslos war ich mitten darin, dort, wo sie sich offenbar Linderung erhoffte, dort, wo sie wünschte, daß es aufhörte, was immer es war ... Sonnenhell sprudelte über einen in sich abgeschlossenen, merkwürdig trüb wirkenden Bereich innerhalb ihres Seins, der sich noch kälter anfühlte als sie selbst, obwohl er ...
Ein heftiger Schauder durchlief das matte Blau, und abrupt fehlten vier Stimmen in dem Gesangsausschnitt, der direkt neben mir in das Trübe eindrang und offenbar damit verwoben war. Das Unbehagen des mächtigen Lebewesens intensivierte sich. „Ich wünsche nicht, daß die, die ich bewohne, sich aus mir heraustrennen ... sie nehmen sich mir, und das ist Schmerz ...” Erneut wurde das Matte, Abgeschlossene erschüttert, weitere Stimmen verstummten.
„Das lasse ich nicht zu ... Sie sind schon so lange schlecht zu bewohnen ...”
Ich teilte meine Kraft, ließ die eine Hälfte davon in das umfassende Blau der Komplexschwingung, die andere weiter über das Trübe fluten - und nichts davon bewirkte auch nur das Mindeste ... Unbehagen wurde zu schmerzhaftem Mißklang, und das Undurchsichtige wies meine Energie einfach ab ...Und plötzlich kam Bewegung in den Strang aus Blautönen neben mir.
Er schien heftig zu zucken - und mit einem Geräusch, als berste Gefrorenes, riß das mächtige Lebewesen diesen Teil seines Selbstes aus dem Trüben heraus.
Durch das in sich geschlossene Gebilde lief ein langer, gezackter Riß, ausgehend von der klaffenden Wunde, die der entzogene Strang hinterließ. Und Energie sickerte heraus, ein dünner Strom glitzernd hellblauer Funken ... Dieses Bild kam mir so erschreckend bekannt vor ... es bedeutete, daß ...
Ich hockte auf der festen, intransparenten Struktur, mit Fuß- und Flügelhandkrallen verzweifelt versuchend, den Spalt zuzudrücken und ihn gleichzeitig mit Sonnenhell zu verschließen.
Es gelang nicht.
Das unvorstellbare fraktale Geschöpf entriß einen weiteren Teil seiner selbst dem Geschlossenen.
„Nein”, schrie ich, endlich begreifend. „Nein, Du darfst sie nicht verlassen ... Du zerstörst sie ...”
„Sie verletzen mich ... sie nehmen sich mir ... sie nehmen mir, was sie mich haben werden lassen ...”
„Laß ihnen wenigstens, was sie aus Dir gemacht haben ... wenn Du ihnen das nimmst, vernichtest Du sie ... sie haben nur noch das ...”
Jetzt ruhte Aufmerksamkeit auf mir, sehr konzentriert.
„Dich kenne ich ...” Flirrender, funkelnder Klang durchzog mein Innerstes - ich wurde geprüft. „Das kleine Lästige ... Du warst schlecht zu bewohnen - Du wolltest mich nicht ... und jetzt wollen sie mich nicht mehr ... weil ich um ganz Neues gewachsen bin ... um etwas, das sie fürchten ... weil es Berührung bedeutet - Berührung dessen, zu dessen Vernichtung sie sich meiner bedient haben ...”
„Bitte, verlaß sie nicht”, flehte ich die konzentrierte Aufmerksamkeit an. „Sie sind das, was sie durch Dich aus sich gemacht haben ... nimmst Du das fort, bleibt ihnen nichts mehr ...”
„Sie haben mit so vielen der Ihren, mit denen sie eins sind in mir, fast keine Verbindung mehr ... das, was sie ihr ‚Gemeinwesen’ nennen, wird immer schwächer, je mehr die, die dessen Innerstes bilden, sich verschließen gegen mich ... Ich will das nicht, was die Innersten tun mit mir ...”
Der klaffende Spalt in dem trübblauen Gebilde war dabei, sich von innen zu schließen. Meine strömende Kraft bewirkte nichts, überhaupt nichts ... Die Komplexschwingung entzog dem sich Abtrennenden einen weiteren Teil ihres Selbstes, und ein neuer Riß tat sich in dem Geschlossenen auf, aus dem weitere Energie zu entweichen begann.
Ich öffnete die Reserven, mit einem Schrei der Verzweiflung.
Das hier war nur schrecklich ...
Ich saß auf dem Mitte-Lager, mit aufgestelltem Fell und am ganzen Körper zitternd, durch tanzende blaue Funken hindurch wahrnehmend, daß die Zweite ihren Sitz verlassen hatte und auf mich zu kam - ich hatte offenbar wirklich geschrien und zumindest sie damit geweckt ...
Sie war bei mir und schloß mich in die Arme, mich in ihre weiße und goldene Energie hüllend. Über die Berührung fing sie die Bilder auf, in denen ich mich - träumend? - bewegt hatte, und ließ mich wissen, sehr ernst: „Wir werden sie warnen ... die, die nicht wagen werden, den Weg des Schreckens zu verlassen ...” In ihrem Geist tauchte der Eindruck eines ihrer Stammesangehörigen auf - auf der Welt der Menschen, begleitet von einer Verletzlichen mit dunklem Kopffell, die etwas Winziges, Verhülltes an ihrem Körper barg, während er ein Behältnis mit einer hellblauen - Flüssigkeit? - darin umklammert hielt, und beide schienen vor etwas oder jemandem zu fliehen. „Die, die an die neuen Wege nicht zu glauben wagen, werden selbst Wege zu finden versuchen ...” Sie zitterte jetzt genau wie ich, vor dem Ausmaß an Leid, das in den Eindrücken war, die wir aufgefangen hatten.
Ich öffnete die Flügel und umhüllte die Zweite damit, und wir hielten einander, bis das Zittern nachließ. „Wir werden weiter Rat halten”, sang ich ihr. „Wir werden zusammentragen, was wir gefunden haben, und werden es drehen und wenden und von allen Seiten anschauen ... vielleicht weiß der aus den Feuern, wie man Botschaften in der Zukunft hinterläßt ... und Eure Aufzeichnungen werden Kunde für die Kommenden sein ...” Meine verbliebene Energie floß ihr zu, und es wurde fühlbar heller in ihr.
Und schließlich war nur noch unser beider Erschöpfung spürbar, und wir streckten uns in den Flocken aus, die Berührung haltend, und trieben davon, dieses Mal in gestaltloses Dunkel.

Wach wurde ich, aus verworrenen Träumen mit derart mächtigen Bildern, daß ich mir erneut sehr unsicher war, ob das überhaupt Träume gewesen waren oder weitere Anteile der Reise des Rathaltens, mit einem Gefühl von Dringlichkeit und Besorgnis und war deshalb nicht überrascht, im Blick des Heilers, der gerade dabei war, mich zu scannen, als ich die Augen öffnete, das Gleiche gespiegelt zu sehen. Er verfolgte konzentriert, was das Überwachungsgerät zeigte, während ich mich aufrichtete, und berührte dann, sichtlich erleichtert, meinen rechten Flügel. „Du brauchst unbedingt zu essen und Dein Medikament, ansonsten fehlt Dir nichts ...” In seinem Geist war ein Bild, wie ich da gelegen hatte im Schlaf, irgendwie verrenkt, langsam und flach atmend und die Augen nicht ganz geschlossen - ähnlich, wie der auf dem Weg während seiner Reise in die vierte Statue davor am Boden gelegen hatte. Ich ließ ihn wissen, daß es mir gut ging, ich hatte nur das intensive Gefühl, etwas sehr Wichtiges müsse sofort getan werden ... wir müßten uns jetzt sofort wieder im Kontakt zusammenschließen, um ...
Um was zu tun?
Es hatte mit der Phase des Rathaltens zu tun, die wir bereits hinter uns hatten ... Blau durchzog meine Wahrnehmung, blasses, mattes Blau, verbunden mit Widerwillen und Unbehagen.
Blaß ...
Blau ...
Taelons, ich hatte Taelons gesehen auf meiner Reise ...
Den, der das Kontaktnetz angelegt hatte ... aber dieser hatte nichts Ungewöhnliches ausgestrahlt, nichts, was diesem Unbehagen gleich kam ... nur sehr große Freude und dann eben solche Trauer, zum Schluß dieses Eindrucks ... Blaß ... Blaß und - angespannt? Ra'jel, der Taelon auf dem Mutterschiff, der gedankenverloren auf unsere Welt gestarrt hatte ...
Jemand nahm sanft meine rechte Flügelhand und schloß meine Krallen um etwas Glattes - der Heiler, der mir die Medizin gebracht hatte. „Du bist ja gar nicht richtig anwesend ...”
„Ich muß mich erinnern ... wir dürfen keine Zeit verlieren, es ist wichtig ... wir müssen gemeinsam ...”
Er schaute mir direkt in die Augen, prüfend und etwas ungehalten.
„Du mußt jetzt überhaupt nichts, außer das hier austrinken und Nahrung zu Dir nehmen, so, wie alle anderen hier das im Moment auch tun.” Er deutete auf seine Stammesangehörigen, die mit der Erdvolk-Gesangshüterin und dem aus den Feuern Konzentratriegel, Früchte und Wasser teilten. „Den aus den Tiefen habe ich ins Wasser geschickt ...” ‚Er sah noch schlimmer aus als sie’, war dahinter und wurde sofort beiseite geschoben. „Entschuldige bitte ...”
Ra'jels Gesichtszüge überlagerten die seinen, und ich spürte in den Eindruck hinein. Etwas daran war unendlich verwirrend ... Ich sah einen einzigen Taelon, von merkwürdig blaßblauer Beschaffenheit, die Fassade fest geschlossen. Aber ich fühlte ... viele ...
„Aveena? Was tust Du? Wer ist dieser Taelon? Du solltest nicht versuchen ...”
Erschrocken blickte ich in das Gesicht des Heilers. „Es tut mir leid ... Ich verstehe das hier selbst nicht ...”
Es war, als ob von irgendwo her etwas nach mir riefe, um Hilfe riefe - aber dieser Taelon war es nicht ... er fühlte sich sehr, sehr ungewöhnlich an, aber er war nicht in Not ... blasses Blau, trübes Blau ...
Und die Erinnerung war wieder da. An das, was ich geträumt hatte ...
Geträumt?
Die Not der verletzten Komplexschwingung und die des zerstört werdenden Gemeinwesens - zweier unendlich vielschichtig miteinander verwobener Wesenheiten, die eins und doch nicht eins waren - war so deutlich und intensiv spürbar gewesen ... zwei, die eins waren und doch nicht eins, die aneinander litten, einander loswerden wollten, obwohl eines das andere brauchte ...
„Das ist, was wir tun müssen ... wir müssen sie warnen ... dieses Wesen und die Taelons, wir müssen ...”
Der Heiler hielt immer noch meine rechte Flügelhand und sorgte sich eindeutig um mich anstatt um die, die ihm so lange Feind gewesen waren. „Wir finden uns gleich wieder zusammen ... und wir werden dem nachgehen, was Du erlebt hast ... aber Du mußt hier präsent bleiben ... Ich habe das Gefühl, Jaridia selbst hat uns regeneriert, während wir schliefen, aber selbst sie kann die physische Substanz, die wir abbauen, nicht ersetzen ... Du nimmst jetzt das hier”, - er wies über die Berührung auf den Becher - „Du ißt und Du machst Deine Übungen, eine Sequenz reicht aus - und vorher lasse ich nicht zu, daß Du Dich mit irgend etwas beschäftigst, das auch nur entfernt mit dem Rathalten zu tun hat.”
Sein Tonfall war sehr bestimmt geworden. Er hatte den Griff um meine Flügelhand verstärkt, und das half mir, mich auf ihn und das, was er von mir wollte, zu fokussieren.
Ich leerte den Becher, verzehrte die Ph'taalfrucht, die er mir sofort im Anschluß daran gab und erhob mich mit seiner Hilfe etwas wacklig vom Mitte-Lager.
Die Konzentration auf die Übungen vertrieb die Fetzen blassen Blaus, die meine Wahrnehmung immer wieder abgelenkt hatten. Nach einer Weile tauchte der aus den Tiefen wieder auf, tropfend ... und als wir uns schließlich alle einmal mehr im Kreis zusammenfanden, spürte ich jeden darin deutlich und klar und war trotz des Dringlichkeitsgefühls, auf die Not, die ich gespürt hatte, reagieren zu müssen, in der Lage, dem zu folgen, was sie nacheinander in die Berührung gaben.
Der Anführer, der Sprecher und der Verwalter hatten einander sehr ähnliche Bilder gehabt und hatten auf ihren jeweiligen Reisen darin immer wieder zusammen gearbeitet. Es war vor allem um die Erarbeitung eines übergreifenden strategischen Plans gegangen, der die Evakuierung ihrer Heimatwelt, sowohl den Transport der Jaridian- als auch den der Dindaei-Bevölkerung und - in besonders ausgerüsteten Schiffen - auch den der Sechsgliedrigen koordinierte mit einer Kampftaktik, die die Taelons so gut verschonte wie es irgend ging - es wurde keine einzige ihrer Kolonien oder Verbündeten-Welten mehr angegriffen, und die Raumgefechte an der Front zielten nur mehr darauf ab, sie wieder und wieder zu vertreiben oder aber ihre Schiffe beziehungsweise die derer, die sie für sich kämpfen ließen, kampfunfähig zu machen und deren Besatzungen gefangen zu nehmen ... Es war um holographische Flotten, Modifizierung von Waffen, Taelon-Antriebstechnik und Gefangenen-Unterkünfte gegangen, um verschiedenartige CVIs und unsere zu deren Zerstörung geprägte Kristalle - und nicht zuletzt um uns ... Der Verwalter hatte eine Unzahl Unsriger, hauptsächlich aus dem Volk derer im Dunklen und derer, die der Wind trug, gesehen, holographisch getarnt als beinahe jedes Geschöpf, das die Taelons für sich arbeiten und kämpfen ließ, sogar als Taelons selbst - in Taelon-, Fünfgliedrigen- und Zhawi-Schiffen, in Gepanzerten-Siedlungen, Zhawi-Lagern und sogar - getarnt als Verletzliche - auf deren Welt und auf dem Mutterschiff, das auch ich gesehen hatte ... und wir standen denen bei, deren CVIs versagten, wir nahmen Taelon-Waffen auseinander oder machten sie unbrauchbar nur durch Berührung und Gesang, wir verteilten Kontaktnetze, wir legten ganze Waffenbänke auf Mutterschiffen lahm, indem wir diesen rätselhaften Lebewesen vorsangen ... wir hockten in riesigen Räumen, in Kontakt mit kampferprobten Jaridians, die uns lehrten, wie wir all dies zu tun hätten ... auch der Anführer und der Verwalter hatten die Windvolk-Angehörige, die halb ihres Volkes war, in Kontakt mit dem Elarian gesehen und rätselten, was dies bedeutete.

 

Ende von Kapitel 41

 

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