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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite),   November 2002
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Thema:  Sich schließende Kreise / Für Jaridia / Spüren, was trägt
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  Die Hüter der Gesänge des Erd-, Wasser- und Windvolkes, der auf dem Weg, die Führenden Jaridias, der Heiler, der Sprecher, Trevak, Jaridia, eine sehr junge Kriegerin
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 38

 

Nicht genug, stellte ich ratlos fest, als schließlich die Aufzeichnung auf dem dritten Kristall vollständig gezeigt war und der Bildschirm des kleinen Gerätes nur noch grün leuchtete. Ich wechselte die Datenträger aus, in der Hoffnung auf etwas, das mir weiter half ...
Aber der vierte flache, durchsichtige, rechteckig geformte Stein enthielt keine weiteren Informationen mehr über die Meereswelt - statt dessen sah ich plötzlich auf dem Schirm etwas Dunkles, Unkenntliches und sehr Großes, von dem sich etwas ebenso unkenntliches Kleines sehr rasch entfernte ... und das nächste war das Bild eines Taelon-Mutterschiffes, flankiert von zwei Zhawi-Schiffen und zwei weiteren, die von einer Rasse gebaut worden waren, die mittlerweile nicht mehr existierte ...
Die nächste Szene zeigte, von der Seite aufgenommen, die Kreuzerkommandantin und den Heiler auf der Brücke ihres Schiffes, und ich mußte mich zwingen, das Gerät nicht auszuschalten ... Dieser Kristall enthielt die Aufzeichnungen über den letzten Teil des Einsatzes, den die schlanke, zerbrechlich wirkende Jaridian befehligt hatte ...
Die akustische Wiedergabeeinheit des Datengerätes wiederholte endlos den Befehl zur Räumung des Schiffes - die erste der Szenen hier waren offenbar der Kreuzer selbst und die erste sich entfernende Rettungskapsel gewesen, von einem der Außensensoren aufgenommen. Die Kommandantin antwortete dem Heiler auf seinen Vorschlag, entweder er oder sie beide sollten auf dem Kreuzer verbleiben, um dessen Kollision mit dem Mutterschiff sicherzustellen, sie halte das für eine gute Idee, und dann standen er und sie da, einander haltend, sie die Hände in seinen Nacken gelegt ... unter ihren Handflächen leuchtete es weiß-violett auf, für den Bruchteil eines Augenblicks, und der Heiler sackte in sich zusammen, die Augen geschlossen. Sie ließ ihn geschickt zu Boden gleiten, nahm ihn in einen Griff, mit dem man einen Wind- oder Wasservolk-Angehörigen nicht hätte transportieren können, ohne ihn ernsthaft zu verletzen, und war rasch mit ihm außer Sichtweite der Sensoren.
Bildwechsel, wieder eine Fluchtkapsel, die sich vom Kreuzer entfernte, sichtbar ungesteuert.
Erneut die Brücke, die Kommandantin betrat sie, den Blick auf den Hauptmonitor gerichtet, ohne zu sehen, was er abbildete - in ihren Zügen stand nur Schmerz ... Sie atmete tief auf, ließ die Augen über die anderen Schirme und Anzeigen wandern, schaute auf die laufende Zeitmessung unter dem sich rasch vergrößernden Bild des Taelon-Kampfverbandes und sah plötzlich sehr ruhig aus ... ruhig und klar ... Sie bewegte sich zu einer der Gerätekonsolen, stellte sich davor, richtete beide Handflächen darauf und aktivierte erneut ihr Shaqarava.
Während sie die verstreichende Zeit beobachtete, schien sich diese Kraft in ihr mehr und mehr zu intensivieren, sichtbar am zunehmenden weiß-violetten Glühen ihrer Hände - und dann nahm sie ihre gesamte Konzentration zusammen und gab eine Energieladung in die Konsole ab, die daraufhin explodierte.
Das Mutterschiff füllte das Bild ganz aus.
Die Jaridian begab sich wieder vor den Zentralmonitor und richtete ihren Blick darauf.
Und wieder war nur Schmerz darin ...
Sie drückte noch einmal auf eine Taste, einen Augenblick lang geschah nichts - dann ein blendend helles Licht, und der Bildschirm des Datengerätes war dunkel - bevor er wieder grün wurde.
Ich hockte da, die Flügel fest um mich geschlungen und zitternd, mit abstehendem Fell und bis ins Innerste gefroren. Was hatte die Kommandantin getan? So viele Leben ...
Sie hatte eine ganze Welt vor der Vernichtung bewahrt - um welchen Preis?
Wie hätte sie anders handeln können?
Wäre Zeit genug gewesen, die Gegner zu warnen, daß auch diese ihre Schiffe noch hätten verlassen können - oder hätten diese dann den Kreuzer einfach abgeschossen?
Das Einzige, das mich veranlaßte, den Datenträger erneut auszuwechseln, war das Gefühl, all dies hier sei noch nicht wirklich vorbei - als ob etwas sehr Wichtiges noch ungetan sei ...
Der fünfte Kristall zeigte, was eine Zeit nach diesem Kampfeinsatz bezüglich der Kommandantin auf Jaridia geschehen war - sie hatten sie auf ihre Weise geehrt und verabschiedet ... sie hatte bei einer Art Rathaltens in dem großen Versammlungssaal, in dem wir das erste Mal mit den Führenden Jaridias zusammengekommen waren, die höchsten Auszeichnungen zugesprochen bekommen, die die Führenden Jaridias überhaupt vergaben, und die Datenkristalle, auf denen das dokumentiert war, wurden denen übergeben, die sie ins Leben gewoben hatten - und dem, der ihr Gefährte hätte werden sollen ... Das Entsetzlichste an dieser Aufzeichnung war die Ausdruckslosigkeit in den Gesichtern dieser drei Jaridians - die Ausdruckslosigkeit nicht-geteilten Schmerzes ...

Wirklich verabschiedet hatte der Heiler seine Gefährtin erst, als er sich mit uns erinnert hatte ... Aber was war mit all den anderen? Mit den Taelons, den Zhawi, den Unbekannten? Wer hatte ihnen Abschied gesungen?
Das war das Wichtige, das fehlte ...
Ich nahm den letzten Kristall aus dem Gerät und legte alle fünf in das Transportbehältnis, das ich aus ihren Verpackungen gefertigt hatte, ließ dieses aber offen. Mir war immer noch kalt, und ich wünschte, die anderen wären hier ... aus jedem unserer Bündel aus geflochtenem Gras, die das Wenige, das wir von unserer Welt mitgebracht hatten, enthielten, schnitt ich mit einer Fußkralle ein kleines Stück heraus - als ein Symbol dafür, daß wir aufgebrochen waren, um daran mitzuweben, daß das Entsetzen, das immer wieder solche furchtbaren Entscheidungen erzwang, endlich ein Ende hatte ... Und ich begann zu singen, für die Kommandantin und vor allem für die, deren Leben sie beendet hatte - für die Taelons, die Zhawi und die Unbekannten dieses Kampfverbandes, der nicht gezögert hatte, eine ganze Welt, eine, die Leben trug, auslöschen zu wollen ... Ich sang ihnen Abschied - das Lied der Bleibenden, mein Lied des Schmerzes um sie und des Wunsches für Neuwerden in Freude - ebenso wie ihr Lied für uns, die geblieben waren ... Während des Singens wurde das Gefrorene in mir wieder zu Wärme und das Enge wieder weit, und schließlich hatte ich genug Atem, sogar die Vertikalen und die Resonanzsehnen mit einzusetzen und diesem Gesang die Fülle zu geben, die sowohl den Gegangenen als auch den Bleibenden zuteil sein sollte ... und schließlich ließ ich das Lied ausklingen und summte nur noch den Grundakkord, während ich unsere Übergangsgeschenke zu den Kristallen gab - die Stücke gewobenen Grases aus unseren Bündeln ...
Dann hüllte ich die Datenträger und Geschenke in ihr Behelfsbehältnis, nahm auch das Datengerät auf und machte mich auf den Weg ins Archiv.
Dort angekommen, passierte ich den Eingang, wurde gescannt und rief ein einäugiges Gerät, so, wie der junge Jaridian es mir gezeigt hatte. Es stand wie abwartend vor mir, und schließlich hielt ich ihm das improvisierte Bündel und das Datengerät vor den visuellen Sensor, und es griff mit zweien seiner Vorrichtungen zu - das Datengerät nahm es sofort an sich, das Bündel wurde erst einmal überprüft - das gleiche Kribbeln wie am Eingang - dann aber offenbar für richtig befunden und mir ebenfalls abgenommen. Dann verschwand das Gerät, sich rasch rückwärts fortbewegend, mit beidem, ohne daß ich noch etwas hätte tun müssen.
Ich verließ das Archiv, sehr zittrig und auf unsicheren Beinen. Erst jetzt war dieser Kreis geschlossen, damit wirklich Neues sich öffnen konnte ...

Der bewegliche Raum hielt im Stockwerk mit dem Hauptdurchgang, öffnete sich und ließ die Hüterin der Erdvolk-Gesänge und den auf dem Weg ein. Beide strahlten Wärme aus, verbunden mit Ratlosigkeit und dem dringenden Bedürfnis, für jemanden da zu sein, vorzugsweise für jemanden mit sechs Gliedmaßen und zwei riesigen gelben Augen ... Ich schlang die Flügel um beide, so froh, sie zu spüren, das mir die Beine jetzt wirklich nachgaben ... sie fingen mich auf mit Halt und Energie, und kurze Zeit später waren wir auf dem Mitte-Lager in Kontakt und teilten die Geschehnisse der letzten Zeiteinheiten.
Die beiden waren dankbar und erleichtert, daß ich denen, die bei dem Kampf um die Wasserwelt ihr Leben verloren hatten, den Abschied gesungen und sie und den Hüter der Wasser-Gesänge einbezogen hatte, und ich freute mich, daß ihr Kontakt mit den Sechsgliedrigen so gelungen war wie der meine ... Drei dieser Wesen hatten vor der untersten Stufe vor dem Haupteingang gewartet - und zwar auf mich ... Der aus den Feuern und die Erdvolk-Gesangshüterin hatten sich vor die drei gehockt, eines war beiseite gehüpft, die beiden anderen hatten sich so plaziert, daß eines genau vor ihr, das andere exakt vor dem auf dem Weg zu sitzen kam, sie hatten sich berühren lassen, hatten die beiden mit ihren Zungen geprüft und als nicht eßbar eingeordnet, hatten sich von den Dindaei und der Meereswelt vorsingen lassen ... Das Sechsgliedrige, das im Kontakt mit der aus dem Dunklen war, war das, das sich unten an meinen Rücken geklammert hatte, das in der Berührung mit dem aus den Feuern das, das Halt an meinem Hals gefunden hatte ... beide sprangen ihre Kontaktpartner an, als sie das Bild der Wasserwelt erkannten - und merkwürdigerweise stießen beide den gleichen Schrei aus wie das, was mich zuvor zuerst angesprungen hatte - und jetzt mit einem seltsam zufrieden wirkenden Gesichtsausdruck da hockte und dem Geschehen zusah - und vier weitere der Ihren waren da, je zwei sich an die aus dem Dunklen und den auf dem Weg klammernd ... Die beiden hatten, genau wie ich, alles versucht, um den Mangel zu stillen, dem Brauchen Genüge zu sein - die Wesen gehalten und ihnen über den Rücken gestrichen, ihnen gesungen, ihnen Bilder von den Dindaei, von unserer Welt und von der Ordnung gezeigt und immer wieder die Meereswelt ... und auch sie hatten die, die sich festhielten an ihnen, schließlich in den Schlaf singen müssen - was die aus dem Dunklen für den auf dem Weg mit übernommen hatte - um das Gebäude des Hauptkommandos wieder betreten zu können.
Dem, was ich über die Meere Jaridias, die dieser fernen Welt und deren Atmosphäre herausgefunden hatte, konnten sie ebenso wenig Bedeutung abgewinnen wie ich.
Und die Einzigen, die wir dazu befragen konnten - der Hüter der Gesänge der Tiefen und vielleicht Trevak wegen der harten Strahlung - waren nicht zu erreichen oder sollten nicht gestört werden ... Bliebe genügend Zeit bis zum Wiederbeginn des Rathaltens, könnten wir uns eventuell nach weiteren Aufzeichnungen dazu umsehen ... Nach der Zeit könnte man die Wachen draußen vor dem Eingang fragen ...
„Ich denke, wir sollten vorerst nirgendwo hingehen ...” meinte die Erdvolk-Gesangshüterin und ließ den auf dem Weg und mich spüren, wie sie uns wahrnahm - verausgabt ... Und sie selbst stand uns in nichts nach - sie hatte fast alle Energie den drei Sechsgliedrigen zufließen lasen, die sich an sie geklammert hatten, ebenso wie der aus den Feuern, und ich hatte meine Kraft für das Schließen des Kreises gegeben ...
Wir mußten die Antworten, die es brauchte, im Rathalten mit den Jaridians finden - und bis dahin würde es wirklich Sinn machen, auszuruhen ...
Die aus dem Dunklen verabreichte jedem von uns Wachkraut, dann tauchten wir gemeinsam in die warme Quelle, um schließlich, wieder auf dem Mitte-Lager, Wasser und Nahrung zu teilen ... Der auf dem Weg und ich erinnerten einander an unsere jeweilige Medizin, und später teilten wir alle drei unsere Träume, bis uns der aus den Tiefen weckte, jedem sanft mit einer nassen Flosse über das Gesicht streichend und sich sehr viel besser anfühlend als noch vor einiger Zeit. „Es ist soweit”, sang er, mit offenen Zwischenlidern. „Die Jaridians werden sich gleich ankündigen ...”

Auch die Erdvolk-Gesangshüterin und der auf dem Weg hatten spürbar zu ihrer Kraft zurückgefunden. Der aus den Tiefen brachte Wasser, Früchte und Medizin, und während wir davon miteinander teilten, öffnete sich die Höhle und ließ eine der Wachen, die immer noch davor positioniert waren, ein, eine große, kraftvoll wirkende, weibliche Jaridian, die zielstrebig auf uns zu kam und, als sie das Mitte-Lager erreicht hatte, uns beide Hände entgegenstreckte. Der Wasser-Gesangshüter und die aus dem Dunklen ergriffen je eine mit Flosse und Klaue, und der auf dem Weg und ich schlossen den Kreis mit ihnen und ihr.
Sie hatte ihren Übergeordneten darum gebeten, diejenige sein zu dürfen, die uns darüber unterrichtete, wann das Rathalten fortgesetzt würde - weil sie uns unbedingt kennenlernen wollte ... ausgerechnet der junge Jaridian, dem ich im Archiv als feindlicher Eindringling erschienen war, bis er eines anderen belehrt wurde, hatte ihr von uns erzählt, vor allem von dieser Begebenheit ... auch sie hatte zuvor schon einiges über uns gehört und barst jetzt beinahe vor Neugier, ihr Geist funkelte voller Fragen, und im Gegensatz zu ihrem Stammesangehörigen hatte sie keinerlei Scheu vor uns, nicht einmal vor dem auf dem Weg.
Ich erschrak, wie heiß sie sich anfühlte, öffnete instinktiv die Tiefensinne und hätte beinahe vergessen, sie um Erlaubnis zu fragen - sie hatte meine halb formulierte Bitte aber bereits aufgefangen. „Was immer das ist, tu es ... ich will wissen, was es damit auf sich hat ... Ihr seid so ganz anders als wir ... Ihr könnt wirklich ungewöhnliche Dinge ...” In ihrem Geist erschien ein Eindruck, in dem die Gesangshüterin des Erdvolkes ein großes, torusähnliches Gebilde aus unbearbeitetem klingendem Fels in beiden Klauen hielt, diese kurz darum schloß und dann mit spöttischem Gesichtsausdruck Steinstaub zu Boden rieseln ließ, während der aus den Feuern mit ausgestreckten Armen und offenen Handflächen da stand, über denen mit deutlichem Abstand eine glitzernde Kristallscherbe schwebte, die er konzentriert anstarrte.
Unser aller Belustigung lenkte mich für einen Augenblick von der Wahrnehmung ihres Innersten ab. „Das erzählen die Deinen über uns? Also, etwas anders ist das alles schon ...”, meinte der auf dem Weg, lächelnd.
Während sich die anderen daraufhin nach Kräften bemühten, den Informationshunger der jungen Jaridian zu stillen, wandte ich mich wieder der Hitze zu, die sie ausstrahlte.
Sie war sogar noch jünger als der, der ihr von uns berichtet hatte - obwohl sie deutlich älter aussah. Ramaz' Krankheit wütete in ihr, sie war in der Einheit, der sie zugeteilt war, mit Abstand die Stärkste und Schnellste, sie würde an Kraft, an Intensität ihres Shaqarava und an Geschwindigkeit sogar die Gefährtin des Verwalters übertreffen - aber sie hätte diese selbst dann nicht überlebt, wenn wir nicht für sie gesungen hätten ... Bekäme sie Nachwuchs, würde dieser den ersten Umlaufzyklus nicht vollenden - in jeder einzelnen Zelle, aus der sie neuweben würde, ruhte ein Komplexschwingungsbruchstück samt Strang - in einigen davon war es sogar bereits aktiv ... Für die junge Kämpferin zu singen, durfte nicht mehr lange aufgeschoben werden...
Sie hatte sich mir und dem, was ich fand in ihr, zugewandt, immer noch voller Neugier. „Ihr seid in der Lage, das zu zerstören, was mich zu der Kämpferin macht, die ich bin - und dafür sorgt, daß ich eine noch bessere werde? Aber warum solltet Ihr das tun wollen?”
Ich zeigte und erklärte es ihr. „Wenn wir für Dich singen, gewinnst Du Zeit ...” Auch der aus den Tiefen und die Erdvolk-Gesangshüterin hatten jetzt die offenen Tiefensinne auf die Jaridian gerichtet. „Du würdest mindestens zwanzig Umläufe mehr haben ... und die, die Du ins Leben webst, wären gesund, vorausgesetzt, Dein Gefährte wäre es auch ...” ließ die aus dem Dunklen sie wissen.
Die junge Jaridian war sehr nachdenklich geworden. Sie spürte in sich hinein, und in das, was wir ihr zufließen ließen, während in ihren Gedanken gleichzeitig Eindrücke dessen waren, was zu ihrem Alltag gehörte ... sie war, trotz der Tatsache, daß sie gerade erst fünfzehn Umlaufzyklen hinter sich gebracht hatte, bereits drei Kampfeinsätzen zugeteilt gewesen ... ich sah sie auf einem Schiff der Fünfgliedrigen, das der Kreuzer, dessen Besatzung sie angehörte, aufgebracht hatte. Sie führte eine Gruppe von Jaridians an, die es stürmten - sie öffnete ohne jede Anstrengung ein schweres luftdichtes Schott mittels ihres Shaqarava, und das sie weit überragende, massige, in einen gepanzerten Kampfanzug gehüllte fünfgliedrige Wesen, das sich ihr in den Weg stellte, stieß sie mit der rechten Hand einfach beiseite. Es gab einen erstickten Laut von sich, als es zuerst gegen die Wand und dann zu Boden stürzte, und blieb liegen ... „Für Jaridia...”

„Nein ... es gibt neue, bessere Wege ...” Das war der aus den Feuern, der Bilder von Trevaks Vermächtnis und von der Vereinigung der Zweiten mit der Taelon-Energie, die er getragen hatte, in die Berührung gab - von dem ekstatischen Moment der Vollständigkeit ...
Die Jaridian fuhr heftig zusammen und ließ den aus den Tiefen und die aus dem Dunklen los. Sie ballte die Hände zu Fäusten und unterdrückte offenbar mit äußerster Mühe ihr aufflammendes Shaqarava. In ihren Gesichtszügen standen für einen Augenblick nur Abscheu und Zorn, und sie rang eine Weile um Fassung, bis sie schließlich tief aufatmete und uns alle anschaute.
„Ich weiß, Ihr wollt uns nicht schaden. Ich habe gehört, daß Eure Welt uns sogar demnächst Rohstoffe liefern wird, und daß Ihr offiziell als unsere Verbündeten anerkannt seid ... aber was die Taelons betrifft, unterliegt Ihr einem fatalen Mißverständnis ... diese Brut kann man nur ausrotten, am besten, bevor sie die ganze Galaxis entvölkert hat ... und für dieses Ziel benötige ich alle Kraft, die ich habe, und alle, die mir noch zuwachsen wird ... ich darf nicht zulassen, daß Ihr das in mir zerstört - egal, wie gut Ihr das meinen mögt ...”
Sie schaute uns der Reihe nach an, und Enttäuschung war in ihren Zügen. „Ich soll Euch ausrichten, daß die Beratung der Führenden mit Euch in ...” Sie zog ein aufklappbares Gerät hervor und drückte auf eine Taste daran - „der Hälfte einer Zeiteinheit fortgesetzt wird.”
Einem Impuls folgend, streckte ich ihr noch einmal die rechte Flügelhand hin. Sie schaute darauf, dann in meine Augen und vollführte eine verneinende Geste. „Ich spüre, Ihr meint es gut ... aber Ihr habt nicht verstanden ... dabei haben sie Euch doch auch heimgesucht ...”
Sie steckte ihr Gerät wieder weg und löste sich endgültig aus dem Kreis. „In der Hälfte einer Zeiteinheit ...” wiederholte sie, in dem typischen distanzierten Tonfall, den offenbar alle Wachhabenden offiziell uns gegenüber zu verwenden hatten, dann wandte sie sich ab und verließ die Höhle ... Ihre Haltung drückte eine merkwürdige Mischung aus Zorn, Besorgnis und Enttäuschung aus, und ich hatte mich bereits halb erhoben, um ihr nachzugehen. „Nein.” Der auf dem Weg legte mir eine Hand auf die linke Schulter. „Die Beratung beginnt gleich ...” Er und die aus dem Dunklen schauten einander an, und dann sagten beide mit einer Stimme: „Es sind noch Vorbereitungen zu treffen ...”

„Vorbereitungen?”
Statt einer Antwort erhob sich der auf dem Weg und ging hinüber zu den vier Statuen an der Höhlenwand. Im Unterbauch der vierten Figur stand immer noch die Tür offen zu der Höhlung, die Trevaks Vermächtnis durch all die Zeit hindurch geborgen hatte ... „Sie müssen ihre Wurzeln wieder spüren, ihre Welt ...” sagte er, mit der Stimme der Wahrheit in den Feuern. „Ohne Jaridia wird dieses Rathalten nicht gelingen - wir brauchen wirklich tiefen Kontakt - zelltiefen ...” ergänzte die Erdvolk-Gesangshüterin, und in ihrer Stimme schwang Besorgnis mit.
Der auf dem Weg begab sich vor das erste der steinernen Bildnisse, deren Gesichtszüge Trevaks Urvorfahre so geschickt aus dem Fels herausgearbeitet hatte, daß sie in dem farbigen, durch Luftzug und Wasserdampf ständig bewegten Licht der Höhle immer wieder Jaridians, Taelons, die ursprünglichen Atavi oder Vereinte darstellten, und drückte nacheinander auf vier verschiedene Schriftzeichen darauf.
Einen Moment lang geschah nichts.
Dann schienen Teile der Statue sich in die Höhlenwand zurückzuziehen, ganz langsam.
Die Schwingung, die dadurch entstand, war Teil des Grundakkordes der Stimme dieser Welt, und hören konnte man sie nicht, nur fühlen, tief im Boden ...
Was blieb, war eine Art steinernen Sitzes, von der Form her ähnlich denen, die uns angeboten worden waren, als die Führenden das erste Mal mit uns Rat gehalten hatten, aber sehr viel größer und massiver ... Der auf dem Weg wiederholte, was er getan hatte, an den drei übrigen Statuen, und schließlich standen dort vier solche Sitze, deren Rückseite eins war mit der Figur, aus der sie herausgeformt waren. In den Part, der dem Rücken eines darin Platz Nehmenden Halt gab, waren jeweils Schriftzeichen eingearbeitet.
Der aus den Tiefen und ich waren vollkommen fasziniert, die aus dem Dunklen strahlte und der aus den Feuern wirkte erleichtert. Er bedeutete uns, in Kontakt zu gehen, und wir formten einen Kreis ... Er hatte es in den Feuern gesehen, während ich zu meinem zweiten Flug unter freiem Himmel aufgebrochen war; die Erdvolk-Gesangshüterin hatte es von Jaridia selbst erfahren - diese Welt wünschte die Ihren nach uralter Tradition vereint hier in der Höhle ... für den bevorstehenden Kontakt würde alle Kraft gebraucht, die die Teilnehmenden aufbrachten, und sie wünschte, darin zugegen zu sein, damit die, denen sie Heimat geworden war, sie spürten - sie und das, was ihr Wille war...Ein sehr ungewöhnliches Bild in der Berührung - ein uralter Eindruck aus der Erinnerung des Planeten selbst - Jaridians dicht an dicht auf dem Boden in einer seltsam vertrauten Haltung, und vier der Ihren, zwei männliche und zwei weibliche, auf den vier steinernen Sitzen in der selben Position - die aus den Felsen der Höhle geformten Gebilde waren breit genug, dies zu erlauben - alle mit geschlossenen Augen und gesammeltem Gesichtsausdruck ... und im Gestein um sie schwang das Lied Jaridias, ebenso wie in den Ihren, und es fühlte sich - richtig an ... richtig ... und angenehm ...

Der aus den Feuern löste sich behutsam aus der Berührung. „Ich bin gleich zurück ... inzwischen müßte es jemand hier herunter gebracht haben ... wir müssen singen mit dieser Welt, alle zusammen ...” Er hatte sich abgewandt und strebte mit raschen Schritten dem Höhlenausgang zu, bevor wir ihn um Erklärung fragen konnten, und kurz darauf war die vertraute tiefe Frequenz des Sich-Öffnens des runden Steins im Boden spürbar. Die Erdvolk-Gesangshüterin gab einen Eindruck in den Kontakt - großzügig aufgeschüttete Mitte-Lager-Flocken so vor den einen Halbkreis bildenden Sitzen, daß sich insgesamt wieder ein Kreis Sitzender ergeben konnte ... „Jaridia weiß um die Ordnung, die sich die Ihren gegeben haben, und akzeptiert sie ... aber lange wird es nicht mehr dauern, bis die Höhle sich wieder füllt ...”
Wir waren damit beschäftigt, den Halbkreis aus Verpackungsmaterial zu formen, als der auf dem Weg unsere Bleibe wieder betrat, einen langen, umhüllten Gegenstand in den Armen, den er behutsam an die vierte Statue lehnte, bevor er uns half, das Aufschütten zu vollenden. Die Mitte des so gestalteten Kreises blieb frei.
Auf Bitte derer aus dem Dunklen gingen sie, der Wasser-Gesangshüter und ich in Kontakt, während der Feuervolk-Angehörige den mitgebrachten Gegenstand aus der Umhüllung nahm - etwas, das aussah wie ein hohler Ph'taalast ähnlich dem, den er mitgenommen hatte, aber deutlich länger und - gefertigt aus dem gleichen phosphoreszierenden Gestein wie dem, das hier in der Höhle glomm ... Sein Instrument, um das Lied Jaridias zu singen, so, wie der Ph'taalast seine Stimme derer, die uns trug, war ... Er begab sich mit in die Berührung, wir standen im Kreis zusammen vor dem Rund, das wir aus den Sitzen und den Flocken gestaltet hatten, und ich spürte seine und der Dunklen Konzentration auf die, auf der wir zu Gast waren ...
Und der auf dem Weg holte tief Atem und setzte die Lippen auf das Instrument, dessen unteres Ende schräg auf dem Boden abgestützt - und dann erklang der Gesang Jaridias ... grün und braun mit Spuren von Gelb und Gold ... die Hüterin der Erdvolk-Gesänge stimmte ein, sofort die Resonanzsehnen mitschwingen lassend, und ich fühlte, wie wir alle innerlich weit wurden ... ich sang längst mit, spürte meine Resonanzsehnen die tiefen Vibrationen des Instrumentes verstärken und nahm die weichen Gelbgold-Töne wahr, die der aus den Tiefen in das Lied Jaridias wob ...

„Du, die Du die Deinen trägst
und uns willkommen geheißen hast
wir kommen
mit der Bitte um Verstehen
Du, die Du die Deinen trägst
wir kommen
mit der Bitte um Kontakt ...”

Der Boden unter unseren Füßen und die Wände der Höhle hatten mitzuschwingen begonnen ...

„Du, die Du die Deinen trägst
hast uns gesungen von Abschied
Du, die Du die Deinen trägst
hast uns gesungen, daß Du ihnen Zukunft wünschst
Wir, die ihnen Freund werden durften
bitten um Deine Hilfe
Wege gilt es zu erkennen
Pfade entstehen zu lassen
auf daß die Deinen gedeihen
die Getrennten bleiben können
und Heilung möglich wird
für das Ganze ...”

Tiefe, Weite, Wärme ... eine unvorstellbar kraftvolle Präsenz, trotz ganz leiser, unterschwellig spürbarer Irritation ... Und deren Aufmerksamkeit richtete sich auf uns.
Aufmerksamkeit - und Erwartung ...
Die Vibration des sich öffnenden Höhleneingangs wob helles Grün, Braun und Gelb in unseren Gesang, der jetzt von Jaridias Grundakkord getragen war.
Den eintretenden Jaridians war anzumerken, daß sie die Veränderung in der Höhle sofort spürten - es war, als habe diese sich enorm erweitert ... sie näherten sich uns langsam, vorsichtig die Füße aufsetzend ... und als der Erste dem aus den Feuern behutsam eine Hand auf die rechte Schulter legte und über den Kontakt wahrnahm, daß sein Gefühl, die Präsenz seiner Welt zu spüren, richtig war, stand er ganz still da, mit geweiteten Augen ... dann waren in rascher Folge auch die beiden anderen Führenden sowie Trevak, der Heiler und der Sprecher mit in der Berührung, schwankend zwischen Verstehenwollen, Staunen, Verunsicherung und etwas wie Ehrfurcht.
„Singt mit uns ... bitte ... wir brauchen Jaridias Unterstützung für das, was getan werden muß ...” Das war die aus dem Dunklen.
Der Sprecher war der Erste, der Grün in den Gesang wob - er hatte sich an das Rathalten auf und mit der, die uns trug, erinnert ... „Das ist es ...” bekräftigte ihn die Erdvolk-Gesangshüterin, Ermutigung in den Kreis strömen lassend. „Das ist es ...”
Die Nächste, deren Stimme hör-, sicht- und fühlbar wurde, war die Zweite - und sie wob gleich zwei Töne mit ein, ein strahlendes Gold und einen ebenso strahlenden weißen Oberton, als verfüge sie über ein zusätzliches Stimmbandpaar - die erste derer, die den Weg der Vereinten ging, sang für Jaridia ...
Mein Inneres weitete sich erneut und öffnete sich für den gesamten Kreis, so, wie ich umschlossen und durchdrungen war von den anderen - als gäbe es keine physischen Grenzen mehr, nur noch Gesang und leuchtende Farben ...
Und die Stimmen aller anwesenden Jaridians formten das Lied mit.
Und dann weitete sich - unser Kreis auf ... weitete sich in die mächtige Präsenz Jaridias hinein ... die uns willkommen hieß, vor allem die Ihren, voller Freude ... nach so langer Zeit ...
Ich nahm wahr, wie der Erste in sich zusammensackte, aufgefangen vom Wasser-Gesangshüter und dem aus den Feuern. Alle Anspannung war aus seinen Gesichtszügen gewichen, er wirkte wie jemand, dem eine viel zu schwere Last nach langem Flug endlich abgenommen worden war ... Alles, was ihn bedrückt und beschäftigt hatte, die drängende Sorge um die Seinen, erschien mit einem Mal so unbedeutend ... unbedeutend angesichts solcher Größe um ihn ... solcher Größe - in ihm ... er, geborgen in der, die ihn trug, und sein Innerstes von ihrer unbändigen Kraft durchflutet - ihre Kraft, die so viel besser imstande war, Lösung hervorzubringen, als er es je sein würde ... und die sie ihm - zur Verfügung stellte, ihm und den Seinen ...
Nach einer unvorstellbar langen Zeit waren wieder Jaridians im Kontakt mit dem Planeten, der ihnen Heimat geworden war.
Nach einer unvorstellbar langen Zeit wurde diese Welt wieder von ihnen gefühlt ... und konnte mit ihnen teilen, was diese so dringend brauchten - ihre Kraft, das Gefühl tiefen Verbundenseins und viel, viel mehr ...
Für den Verwalter war dieses Verbundensein auch das mit seiner Gefährtin, die jetzt draußen an der Front eine gigantische Flotte aus Licht auf ihr Ziel zusteuerte ...
Für den Heiler war es ebenfalls das mit seiner Gefährtin, das über ihren Abschied hinaus reichte, weit in die Zukunft ...
Für den Sprecher bezog sich diese Verbundenheit tatsächlich in der Hauptsache auf Jaridia selbst und erweiterte seinen Stolz auf sie um etwas Größeres, Wärmeres, und für die Zweite war es die tiefe Verbindung sowohl zu Trevak und dem neuen Sein, das in ihr wuchs, als auch zu der Welt, die sie trug - und zu den Taelons ... zu denen, deren abgründigen Schmerz sie gespürt hatte und die sie nur noch hatte geheilt wissen wollen ... und deren Energie dann sie geheilt hatte ...
... und die mächtige Präsenz um und in uns hieß auch diese Verbindung gut ... Und damit gab es etwas wie eine leichte Verschiebung der Energie, und das, was wir als Aufgabe, als das nächste Stück unseres Weges vor uns hatten, war wieder im Blick - das Rathalten selbst, die konkreten Fragen und Themen, von denen es zu singen galt ...

 

Ende von Kapitel 38

 

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